Spruch
W220 2265425-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2022, Zl.: 1291459107-211952816, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.06.2023, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 15.12.2021 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Zu diesem Antrag wurde der Beschwerdeführer am 16.12.2021 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu seinen Fluchtgründen brachte er zusammengefasst vor, dass er seit drei Jahren in Ghazni ein Lebensmittelgeschäft gehabt habe. Neben den Lebensmitteln habe er auch Schnaps und Erotikfilme verkauft. Die Taliban hätten davon erfahren und ihn deshalb umbringen wollen, weshalb er das Land verlassen habe.
In der Folge wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß der Dublin-Verordnung Konsultationen mit Italien aufgenommen, welche negativ verliefen. Daraufhin wurde das Asylverfahren des Beschwerdeführers zugelassen und wurde er am 22.11.2022 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge auch: belangte Behörde) einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst an, dass er ein Lebensmittelgeschäft gehabt, aber auch alkoholische Getränke und Sexfilme verkauft hätte. Die Regierung und die Taliban seien informiert worden. Seine Freunde, denen er Alkohol verkauft habe, hätten ihn verraten und die Regierung hätte den Beschwerdeführer daraufhin mitgenommen und gefoltert. Durch die Zahlung von Schmiergeld sei der Beschwerdeführer freigelassen worden. Zudem seien sowohl sein Vater als auch sein Bruder in der Regierung gewesen. Die Taliban hätten seinen Bruder im Jahr 2018 und seinen Vater nach der Eroberung von Ghazni im Jahr 2021 ermordet. Außerdem sei der Beschwerdeführer seit sechs bzw. sieben Monaten Christ und würde in vier, fünf Monaten getauft.
Mit dem im Spruch zitierten Bescheid vom 01.12.2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.). In der Begründung führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei.
Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wurde durch die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers am 09.01.2023 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde zunächst das bisherige Vorbringen wiederholt. Aus in der Beschwerde zitierten Passagen aus Länderberichten wurde der Schluss gezogen, dass eine Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Taliban äußerst wahrscheinlich sei. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde – so der Beschwerdeführer weiter – sei unschlüssig und völlig mangelhaft zu den von ihr herangezogenen Länderberichten, denn die belangte Behörde stütze die Unglaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens primär auf eine Steigerung im Fluchtvorbringen zwischen Erstbefragung und Einvernahme. Bei mängelfreier bzw. vertretbarer Beweiswürdigung hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt wäre.
Mit Schriftsatz vom 24.05.2023 wurde zum Beweis der Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum aus innerer Überzeugung die zeugenschaftliche Einvernahme eines Paters beantragt.
Am 01.06.2023 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers und eines Dolmetschers für die Sprache Dari statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen sowie ein Pater als Zeuge befragt wurden und der Beschwerdeführer einen Taufschein vorlegte. Im Zuge dessen wurde sichergestellt, dass der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung über das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 21.03.2023, Version 9, verfügen. Zur Einbringung einer diesbezüglichen schriftlichen Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer eine einwöchige Frist eingeräumt.
Mit Stellungnahme vom 09.06.2023 wurden Unterschriftenlisten vorgelegt, die bei den Veranstaltungen der XXXX Gemeinde geführt würden, aus welchen sich eine regelmäßige Teilnahme des Beschwerdeführers daran seit Mai 2022 ergebe. Weiters wurde auf Länderberichte verwiesen, wonach die Eigenschaft als Familienmitglied zu ehemaligen afghanischen Regierungsmitgliedern ausreiche, um von den Taliban aufgrund unterstellter oppositioneller Gesinnung verfolgt zu werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführten Personalien; seine Identität steht nicht fest. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Hazara zugehörig und wurde als schiitischer Moslem erzogen. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.
Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf, im Distrikt XXXX , in der Provinz Ghazni, geboren und ist im Distrikt Ghazni, in der gleichnamigen Provinz, aufgewachsen. Er besuchte in Afghanistan zumindest acht Jahre lang die Schule und hat ab dem Jahr 2018 ein Lebensmittelgeschäft geführt. In Afghanistan leben noch entfernte Familienangehörige des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer stellte am 22.11.2021 in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz, reiste weiter nach Österreich, stellte am 15.12.2021 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan keinen Alkohol und keine erotischen Filme in seinem Lebensmittelgeschäft verkauft; er wurde deshalb nicht von der ehemaligen afghanischen Regierung festgenommen und gefoltert.
Der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers haben nicht für die ehemalige afghanische Regierung gearbeitet.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich Mitglied der XXXX Gemeinde der XXXX der katholischen Kirche in XXXX , besucht seit Mai 2022 regelmäßig Gottesdienste bzw. einen Taufvorbereitungskurs dieser Gemeinde und wurde am 27.05.2023 getauft. Der Beschwerdeführer ist jedoch nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert. Er hat sich nicht aus tiefer innerer Überzeugung vom Islam abgewendet. Der Beschwerdeführer würde im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan seinem derzeitigen Interesse am christlichen Glauben nicht weiter nachgehen und dieses nicht nach außen zur Schau tragen. Es ist nicht wahrscheinlich, dass in Afghanistan bekannt werden könnte, dass der Beschwerdeführer in Österreich Mitglied einer christlichen Gemeinde ist und getauft wurde; eine Bedrohung des Beschwerdeführers in Afghanistan aus dem Grund seiner Taufe besteht nicht.
Der Beschwerdeführer wurde bzw. ist aktuell in Afghanistan nicht konkret und individuell bedroht oder verfolgt.
Dem Beschwerdeführer droht aufgrund seiner ethnisch-religiösen Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara keine konkrete und individuelle physische oder psychische Gewalt in Afghanistan. Angehörige der Religionsgemeinschaft der Schiiten oder der Volksgruppe der Hazara sind in Afghanistan aktuell nicht allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt.
Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan auch aufgrund der Tatsache, dass er in Europa gelebt hat, aktuell nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit konkrete und individuelle Gewalt bzw. droht nicht jedem afghanischen Rückkehrer aus Europa physische oder psychische Gewalt in Afghanistan.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 9, vom 21.03.2023, wiedergegeben:
„[…]
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 21.03.2023
Mit April bzw. Mai 2021 nahmen die Kampfhandlungen zwischen Taliban und Regierungstruppen stark zu (RFE/RL 12.5.2021; vgl. UNGA 2.9.2021). Laut Berichten war der Juni 2021 der bis dahin tödlichste Monat mit den meisten militärischen und zivilen Opfern seit 20 Jahren in Afghanistan (TN 1.7.2021; vgl. AJ 2.7.2021). Gemäß einer Quelle veränderte sich die Lage seit der Einnahme der ersten Provinzhauptstadt durch die Taliban - Zaranj in Nimroz - am 6.8.2021 (AAN 15.8.2021). Innerhalb von zehn Tagen eroberten sie 33 der 34 afghanischen Provinzhauptstädte (UNGA 2.9.2021). Am 15.8.2021 floh Präsident Ashraf Ghani ins Ausland und die Taliban zogen kampflos in Kabul ein (ORF 16.8.2021; vgl. REU 16.8.2021). Ein Bericht führt den Vormarsch der Taliban in erster Linie auf die Schwächung der Moral und des Zusammenhalts der Sicherheitskräfte und der politischen Führung der Regierung zurück (ICG 14.8.2021; vgl. AAN 15.8.2021). Die Kapitulation so vieler Distrikte und städtischer Zentren war nicht unbedingt ein Zeichen für die Unterstützung der Taliban durch die Bevölkerung, sondern unterstreicht vielmehr die tiefe Entfremdung vieler lokaler Gemeinschaften von einer stark zentralisierten Regierung, die häufig von den Prioritäten ihrer ausländischen Geber beeinflusst wird (ICG 14.8.2021), auch wurde die weitverbreitete Korruption, beispielsweise unter den Sicherheitskräften, als ein Problem genannt (BBC 13.8.2021).
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021
Seit der Machtübernahme der Taliban in Kabul am 15.8.2021 ist das allgemeine Ausmaß des Konfliktes deutlich zurückgegangen - mit weniger zivilen Opfern (UNGA 28.1.2022, vgl. UNAMA 7.2022) und weniger sicherheitsrelevanten Vorfällen im restlichen Verlauf des Jahres 2021 (USDOS 12.4.2022a). So sind nach Angaben der UN konfliktbedingte Sicherheitsvorfälle wie bewaffnete Zusammenstöße, Luftangriffe und improvisierte Sprengsätze (IEDs) seit der Eroberung des Landes durch die Taliban deutlich zurückgegangen (UNGA 28.1.2022). Seit der Beendigung der Kämpfe zwischen den Taliban und den afghanischen Streitkräften hat sich auch die Zahl der zivilen Opfer erheblich verringert (UNGA 28.1.2022; vgl. UNAMA 7.2022). Für den Zeitraum zwischen 15.8.2021 und 15.6.2022 dokumentierte UNAMA 2.106 zivile Opfer, die überwiegend durch Angriffe mit IEDs, die dem Islamischen Staat Khorasan Provinz (ISKP) zugeschrieben werden, und durch nicht explodierte Sprengkörper (UXO) verursacht wurden. Des weiteren wurden 257 außergerichtliche Tötungen und 313 willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen festgestellt, die zu einem großen Teil ehemalige Angehörige der afghanischen Streitkräfte (ANDSF) und der ehemaligen Regierung betreffen, aber auch Personen, die beschuldigt werden, dem ISKP oder der National Resistance Front (NRF) anzugehören (UNAMA 7.2022). Insbesondere die ländlichen Gebiete sind sicherer geworden, und die Menschen können in Gegenden reisen, die in den letzten 15-20 Jahren als zu gefährlich oder unzugänglich galten, da sich die Sicherheit auf den Straßen durch den Rückgang der IEDs verbessert hat (NYT 15.9.2021; vgl. DIS 12.2021).
Nach Angaben der Vereinten Nationen entwickelten sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle seit der Machtübernahme der Taliban folgend:
19.8.2021 - 31.12.2021: 985 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 91 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 28.1.2022)
1.1.2022 - 21.5.2022: 2.105 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 467 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 15.6.2022)
22.5.2022 - 16.8.2022: 1.642 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 77,5 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 14.9.2022)
17.8.2022 - 13.11.2022: 1,587 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 23 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 7.12.2022)
Trotz des Rückgangs der Gewalt sahen sich die Taliban-Behörden mit mehreren Herausforderungen konfrontiert, darunter eine Zunahme der Angriffe auf deren Mitglieder (UNGA 28.1.2022) und verstärkten Aktivitäten der bewaffneten Opposition. UNAMA registrierte 22 bewaffnete Gruppen, die behaupten, in 11 Provinzen zu operieren (UNGA 7.12.2022). So kam es auch in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 zu Kämpfen zwischen NRF und den Taliban. Zusammenstöße gibt es in den Provinzen Panjsher (Afintl 15.8.2022; vgl. AJ 14.9.2022, 8am 13.10.2022, AMU 13.12.2022), Takhar (8am 14.8.2022; vgl. AaNe 21.8.2022, 8am 23.10.2022), Baghlan (8am 17.8.2022; vgl. KP 21.8.2022, Afintl 12.12.2022), Khost (8am 13.8.2022), Kapisa (AaNe 24.8.2022; vgl. 8am 21.11.2022a) und Badakhshan (Afintl 11.10.2022a; AMU 13.12.2022, Afintl 26.12.2022).
Die Aktivitäten des ISKP haben sich seit der Machtübernahme der Taliban verstärkt (UNGA 28.1.2022; vgl. UNGA 15.6.2022, UNGA 14.9.2022, UNGA 7.12.2022) und auch wenn diese im Lauf des Jahres 2022 wieder abnahmen, so blieben die Opferzahlen weiterhin erheblich (UNGA 7.12.2022). Die Gruppe verübte weiterhin Anschläge auf die Zivilbevölkerung, insbesondere auf die schiitischen Hazara sowie auf Hindus, Sikhs, Sufis aber auch die Taliban (UNGA 14.9.2022; vgl. HRW 12.1.2023).
Zu mehreren größeren Anschlägen gegen religiöse Ziele bekannte sich niemand, darunter ein Selbstmordattentat in der Gazargah-Moschee in Herat City am 2.9.2022, bei dem 20 Menschen getötet wurden, darunter ein pro-Taliban-Kleriker, und 22 weitere verletzt wurden; die Detonation eines improvisierten Sprengsatzes in Kabul am 23.9.2022, bei der vier Zivilisten getötet und 52 verwundet wurden; und ein Selbstmordattentat am 5.10.2022 in der Moschee des Innenministeriums, bei dem neun Menschen getötet und 30 verletzt wurden (UNGA 7.12.2022).
Im Zuge einer im Auftrag der Staatendokumentation von ATR Consulting im November 2021 in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif durchgeführten Studie gaben 68,3 % der Befragten an, sich in ihrer Nachbarschaft sicher zu fühlen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese Ergebnisse nicht auf die gesamte Region oder das ganze Land hochgerechnet werden können. Die Befragten wurden gefragt, wie sicher sie sich in ihrer Nachbarschaft fühlen, was sich davon unterscheidet, ob sie sich unter dem Taliban-Regime sicher fühlen oder ob sie die Taliban als Sicherheitsgaranten betrachten, oder ob sie sich in anderen Teilen ihrer Stadt oder anderswo im Land sicher fühlen würden. Das Sicherheitsgefühl ist auch davon abhängig, in welchem Ausmaß die Befragten ihre Nachbarn kennen und wie vertraut sie mit ihrer Nachbarschaft sind und nicht darauf, wie sehr sie sich in Sachen Sicherheit auf externe Akteure verlassen. Nicht erfasst wurde in der Studie, inwieweit bei den Befragten Sicherheitsängste oder Bedenken in Hinblick auf die Taliban oder Gruppen wie den ISKP vorliegen. In Bezug auf Straßenkriminalität und Gewalt gaben 79,7 % bzw. 70,7 % der Befragen an, zwischen September und Oktober 2021 keiner Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein. An dieser Stelle ist zu beachten, dass die Ergebnisse nicht erfassen, welche Maßnahmen der Risikominderung von den Befragten durchgeführt werden, wie z. B.: die Verringerung der Zeit, die sie außerhalb ihres Hauses verbringen, die Änderung ihres Verhaltens, einschließlich ihres Kaufverhaltens, um weniger Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sowie die Einschränkung der Bewegung von Frauen und Mädchen im Freien (ATR/STDOK 18.1.2022).
Im Dezember 2022 wurde von ATR Consulting erneut eine Studie im Auftrag der Staatendokumentation durchgeführt. Diesmal ausschließlich in Kabul. Hier variiert das Sicherheitsempfinden der Befragten, was laut den Autoren der Studie daran liegt, dass sich Ansichten der weiblichen und männlichen Befragten deutlich unterscheiden. Insgesamt gaben die meisten Befragten an, sich in ihrer Nachbarschaft sicher zu fühlen, wobei die relativ positive Wahrnehmung der Sicherheit und die Antworten der Befragten, nach Meinung der Autoren, daran liegt, dass es vielen Befragten aus Angst vor den Taliban unangenehm war, über Sicherheitsfragen zu sprechen. Sie weisen auch darauf hin, dass die Sicherheit in der Nachbarschaft ein schlechtes Maß für das Sicherheitsempfinden der Menschen und ihre Gedanken über das Leben unter dem Taliban-Regime ist (ATR/STDOK 3.2.2023).
[…]
Verfolgungspraxis der Taliban, neue technische Möglichkeiten
Letzte Änderung: 21.03.2023
Trotz mehrfacher Versicherungen der Taliban, von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen der ehemaligen Regierung und Sicherheitskräften abzusehen (AA 20.7.2022; vgl. USDOS 12.4.2022a), wurde nach der Machtübernahme der Taliban berichtet, dass diese auf der Suche nach ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung von Tür zu Tür gingen und deren Angehörige bedrohten. Ein Mitglied einer Rechercheorganisation, welche einen (nicht öffentlich zugänglichen) Bericht zu diesem Thema für die Vereinten Nationen verfasste, sprach von einer "schwarzen Liste" der Taliban und großer Gefahr für jeden, der sich auf dieser Liste befände (BBC 20.8.2021a; vgl. DW 20.8.2021). Im Zuge der Machtübernahme im August 2021 hatten die Taliban Zugriff auf Mitarbeiterlisten der Behörden (HRW 1.11.2021; vgl. NYT 29.8.2021) unter anderem auf eine biometrische Datenbank mit Angaben zu aktuellen und ehemaligen Angehörigen der Armee und Polizei bzw. zu Afghanen, die den internationalen Truppen geholfen haben (Intercept 17.8.2021). Auch Human Rights Watch (HRW) zufolge kontrollieren die Taliban Systeme mit sensiblen biometrischen Daten, die westliche Geberregierungen im August 2021 in Afghanistan zurückgelassen haben. Diese digitalen Identitäts- und Gehaltsabrechnungssysteme enthalten persönliche und biometrische Daten von Afghanen, darunter Iris-Scans, Fingerabdrücke, Fotos, Beruf, Wohnadressen und Namen von Verwandten. Die Taliban könnten diese Daten nutzen, um vermeintliche Gegner ins Visier zu nehmen, und Untersuchungen von Human Rights Watch deuten darauf hin, dass sie die Daten in einigen Fällen bereits genutzt haben könnten (HRW 30.3.2022).
Die Taliban sind in den sozialen Medien aktiv, unter anderem zu Propagandazwecken. Die Gruppierung soziale Medien und Internettechnik jedoch nicht nur für Propagandazwecke und ihre eigene Kommunikation, sondern auch, um Gegner des Taliban-Regimes aufzuspüren (Golem 20.8.2021; vgl. BBC 20.8.2021a, 8am 14.11.2022). So wurde beispielsweise ein afghanischer Professor verhaftet, nachdem er die Taliban via Social Media kritisierte (FR24 9.1.2022), während ein junger Mann in der Provinz Ghor Berichten zufolge nach einer Onlinekritik an den Taliban verhaftet wurde (8am 14.11.2022). Einem afghanischen Journalisten zufolge verwenden die Taliban soziale Netzwerke wie Facebook und LinkedIn, um jene Afghanen zu identifizieren, die mit westlichen Gruppen und der US-amerikanischen Hilfsagentur USAID zusammengearbeitet haben (ROW 20.8.2021).
[…]
Zentrale Akteure
Taliban
Letzte Änderung: 21.03.2023
Die Taliban sind eine überwiegend paschtunische, islamisch-fundamentalistische Gruppe, die 2021 nach einem zwanzigjährigen Aufstand wieder an die Macht in Afghanistan kam (CFR 17.8.2022; vgl. USDOS 12.4.2022a). Die Taliban bezeichnen ihre Regierung als das "Islamische Emirat Afghanistan" (USIP 17.8.2022; vgl. VOA 1.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen (USIP 17.8.2022).
Nach der US-geführten Invasion, mit der das ursprüngliche Regime 2001 gestürzt wurde, gruppierten sich die Taliban jenseits der Grenze in Pakistan neu und begannen weniger als zehn Jahre nach ihrem Sturz mit der Rückeroberung von Gebieten (CFR 17.8.2022). Nachdem die Vereinigten Staaten ihre verbleibenden Truppen im August 2021 aus Afghanistan abzogen, eroberten die Taliban mit einer raschen Offensive die Macht in Afghanistan (CFR 17.8.2022; vgl. USDOS 12.4.2022a). Am 15.8.2021 floh der bisherige afghanische Präsident Ashraf Ghani aus Afghanistan und die Taliban nahmen Kabul als die letzte aller großen afghanischen Städte ein (BBC 15.8.2022; vgl. AI 29.3.2022).
Die Taliban-Regierung weist eine starre hierarchische Struktur auf, deren oberstes Gremium die Quetta-Shura ist (EER 10.2022), benannt nach der Stadt in Pakistan, in der Mullah Mohammed Omar, der erste Anführer der Taliban, und seine wichtigsten Helfer nach der US-Invasion Zuflucht gesucht haben sollen. Sie wird von Mawlawi Hibatullah Akhundzada geleitet (CFR 17.8.2022; vgl. Rehman A./PJIA 6.2022), dem obersten Führer der Taliban (Afghan Bios 7.7.2022a; vgl. CFR 17.8.2022, Rehman A./PJIA 6.2022). Er gilt als die ultimative Autorität' in allen religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten (EUAA 8.2022a; vgl. Afghan Bios 7.7.2022a, REU 7.9.2021a).
Vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021 unterstand die militärische Befehlskette der Kommission für militärische Angelegenheiten der Taliban. Diese Einrichtung wurde von Mullah Yaqoob, der 2020 zum Leiter der militärischen Operationen der Taliban ernannt wurde, sowie Sirajuddin Haqqani, dem Anführer des Haqqani-Netzwerks, dominiert (EUAA 8.2022a, RFE/RL 6.8.2021). Die Kommission für militärische Angelegenheiten funktionierte ähnlich wie ein Ministerium, mit "Vertretern auf Zonen-, Provinz- und Distriktebene" (VOA 5.9.2021; vgl. EUAA 8.2022a).
In der Befehlskette von der untersten Ebene aufwärts untersteht jeder Taliban-Befehlshaber auf Distriktebene einem Provinzkommando. Drei oder mehr Provinzkommandos bilden Berichten zufolge einen von sieben regionalen "Kreisen". Diese "Kreise" werden von zwei stellvertretenden Leitern der Kommission für militärische Angelegenheiten beaufsichtigt, von denen einer für die "westliche Zone" der militärischen Führung der Taliban (die 21 Provinzen umfasst) und der andere für die "östliche Zone" (13 Provinzen) zuständig war (RFE/RL 6.8.2021; vgl. EUAA 8.2022a). Nach Einschätzung des United States Institute of Peace (USIP) wurde diese Aufteilung der Zuständigkeiten für militärische Angelegenheiten zwischen Yaqoob und Haqqani offenbar durch ihre jeweilige Ernennung zum Innen- und Verteidigungsminister der Taliban im September 2021 gefestigt (USIP 9.9.2021; vgl. EUAA 8.2022a).
Nach der Machtübernahme versuchten die Taliban sich von "einem dezentralisierten, flexiblen Aufstand zu einer staatlichen Autorität" zu entwickeln (EUAA 8.2022a; vgl. NI 24.11.2021). Im Zuge dessen herrschten Berichten zufolge zunächst Unklarheiten unter den Taliban über die militärischen Strukturen der Bewegung (EUAA 8.2022a; vgl. DW 11.10.2021) und es gab in vielen Fällen keine erkennbare Befehlskette (EUAA 8.2022a; vgl. REU 10.9.2021). Dies zeigte sich beispielsweise in Kabul, wo mehrere Taliban-Kommandeure behaupteten, für dasselbe Gebiet oder dieselbe Angelegenheit zuständig zu sein. Während die frühere Taliban-Kommission für militärische Angelegenheiten das Kommando über alle Taliban-Kämpfer hatte, herrschte Berichten zufolge nach der Übernahme der Kontrolle über das Land unter den Kämpfern vor Ort Unsicherheit darüber, ob sie dem Verteidigungsministerium oder dem Innenministerium unterstellt sind (EUAA 8.2022a; vgl. DW 11.10.2021).
Haqqani-Netzwerk
Das Haqqani-Netzwerk hat seine Wurzeln im Afghanistan-Konflikt der späten 1970er-Jahre. Mitte der 1980er-Jahre knüpfte Jalaluddin Haqqani, der Gründer des Haqqani-Netzwerks, eine Beziehung zum Führer von Al-Qaida, Usama bin Laden (UNSC o.D.c; vgl. FR24 21.8.2021). Jalaluddin schloss sich 1995 der Taliban-Bewegung an (UNSC o.D.c; vgl. ASP 1.9.2020), behielt aber seine eigene Machtbasis an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan (UNSC o.D.c). Nach dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 übernahm Jalaluddins Sohn, Sirajuddin Haqqani, die Kontrolle über das Netzwerk (UNSC o.D.c, vgl. VOA 4.8.2022). Er ist seit 2015 auch einer der Stellvertreter des Taliban-Anführers Haibatullah Akhundzada (FR24 21.8.2021; vgl. UNSC o.D.c). Das Haqqani-Netzwerk gilt dank seiner finanziellen und militärischen Stärke - und seines Rufs als skrupelloses Netzwerk - als halbautonom, auch wenn es den Taliban angehört (FR24 21.8.2021).
Es befehligt eine Truppe von 3.000 bis 10.000 traditionellen bewaffneten Kämpfern in den Provinzen Khost, Paktika und Paktia (VOA 30.8.2022). Berichten zufolge kontrolliert die Gruppe inzwischen auch mindestens eine Eliteeinheit und überwacht die Sicherheit in Kabul und in weiten Teilen Afghanistans (VOA 30.8.2022; vgl. UNSC 26.5.2022).
Das Netzwerk unterhält Verbindungen zu Al-Qaida und, zumindest zeitweise bis zur Machtübernahme der Taliban, dem Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) (VOA 30.8.2022; vgl. UNSC 26.5.2022). Es wird angemerkt, dass nach der Machtübernahme und der Eskalation der ISKP-Angriffe kein Raum mehr für Unklarheiten in der strategischen Konfrontation der Taliban mit ISKP bestand und es daher nicht im Interesse der Haqqanis lag, solche Verbindungen zu pflegen (UNSC 26.5.2022). Zudem wird vermutet, dass auch enge Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst (VOA 30.8.2022; vgl. DT 7.5.2022) und den Tehreek-e Taliban (TTP), den pakistanischen Taliban, bestehen (UNSC 26.5.2022).
[…]
Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 21.03.2023
Etwa 99 % der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7 % und die Schiiten auf 10 bis 15 % der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 29.12.2022; vgl. USDOS 2.6.2022, AA 20.7.2022). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen weniger als 0,3 % der Bevölkerung aus (CIA 29.12.2022; vgl. USDOS 2.6.2022). Der letzte bislang in Afghanistan lebende Jude hat nach der Machtübernahme der Taliban das Land verlassen (AA 20.7.2022; vgl. USCIRF 8.2022, USDOS 2.6.2022). Die Zahl der Ahmadiyya-Muslime im Land geht in die Hunderte (USDOS 2.6.2022).
Es existieren keine verlässlichen Schätzungen zur Größe der hauptsächlich in Kabul und Kandahar ansässigen Baha'i-Gemeinschaft in Afghanistan. Im Mai 2007 befand der Oberste Gerichtshof, dass der Glaube der Baha'i eine Abweichung vom Islam und eine Form der Blasphemie sei. Auch wurden alle Muslime, die den Baha'i-Glauben annehmen, zu Abtrünnigen erklärt (USDOS 2.6.2022).
Baha'i gelten (vielen) Muslimen als Ungläubige, nicht (immer) jedoch als Konvertiten und wurden keines dieser beiden Vergehen angeklagt. Baha'i wie auch Christen leben weiterhin in ständiger Angst vor Enttarnung und zögern, ihre religiöse Identität zu offenbaren (USDOS 2.6.2022).
Bereits vor der Machtübernahme der Taliban waren die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebetsstätten extrem eingeschränkt (AA 20.7.2022). Nach Angaben der US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (USCIRF) sind Angehörige religiöser Gruppen auch weiterhin stark von Verfolgung durch die Taliban bedroht (USCIRF 8.2022). Ende 2021 haben auch Salafisten, die wie die Taliban Sunniten sind, jedoch der wahhabitischen Schule angehören (RFE/RL 22.10.2021), die Taliban beschuldigt, ihre Gotteshäuser zu schließen und ihre Mitglieder zu verhaften bzw. zu töten (FH 24.2.2022a; vgl. RFE/RL 22.10.2021). Trotz ständiger Versprechungen, alle in Afghanistan lebenden ethnischen und religiösen Gemeinschaften zu schützen, war die Taliban-De-facto-Regierung nicht in der Lage, religiöse Minderheiten vor Angriffen des Islamischen Staates Provinz Khorasan (ISKP) zu schützen und ihnen Sicherheit zu bieten. Während einige religiöse Minderheiten vom Aussterben bedroht sind, müssen andere aus Angst vor Repressalien ihren Glauben im Verborgenen ausüben. Obwohl sich die Taliban öffentlich zu Wandel und Inklusion bekennen, regieren sie Afghanistan weiterhin auf ähnliche Weise wie von 1996 bis 2001 (USCIRF 8.2022).
In einigen Gebieten Afghanistans (unter anderem Kabul) haben die Taliban alle Männer zur Teilnahme an den Gebetsversammlungen in den Moscheen verpflichtet und/oder Geldstrafen gegen Einwohner verhängt, die nicht zu den Gebeten erschienen sind (RFE/RL 19.1.2022b) bzw. gedroht, dass Männer, die nicht zum Gebet in die Moschee gehen, strafrechtlich verfolgt werden könnten (BAMF 10.1.2022; vgl. RFE/RL 19.1.2022b). Laut Meldungen vom 21.11.2022 haben die Taliban angekündigt, sich dem Thema für die Freitagspredigten in den Moscheen verstärkt zu widmen. Kein Vorbeter hat in Zukunft das Recht, eine Rede nach eigenem Ermessen zu halten, der Inhalt der Predigten soll mit der Ideologie der Taliban in Einklang stehen (8am 21.11.2022b).
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Schiiten
Letzte Änderung: 10.03.2023
Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wurde vor der Machtübernahme durch die Taliban auf 10 bis 15 % geschätzt (CIA 29.12.2022; vgl. AA 20.7.2022). Gemäß Vertretern der Religionsgemeinschaft sind die Schiiten Afghanistans mehrheitlich Jaafari-Schiiten (Zwölfer-Schiiten), 90 % von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Unter den Schiiten gibt es auch Ismailiten (USDOS 2.6.2022). Die Diskriminierung von Schiiten ist im Alltag verwurzelt. Im April 2022 kam es zu Einzelfällen, in denen Schiiten wegen angeblicher Nichtbeachtung des Ramadans von Taliban-Kämpfern geschlagen wurden (AA 20.7.2022).
[Anm.: für weitere Information zu Hazara bzw. zu Angriffen auf Schiiten/Hazara sei auf das Kapitel "Hazara" verwiesen]
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Apostasie, Blasphemie, Konversion
Letzte Änderung: 10.03.2023
Es liegen keine zuverlässigen Schätzungen zur Anzahl der Christen in Afghanistan vor (USDOS 2.6.2022), jedoch liegen Schätzungen, wonach sich etwa 10.000 bis 12.000 Christen im Land befinden (USCIRF 8.2022; vgl. ICC 29.9.2021). Bereits vor der Machtübernahme der Taliban waren die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebetsstätten extrem eingeschränkt (AA 20.7.2022).
Der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion ist nach der vor Gericht geltenden Hanafi-Rechtsschule Apostasie. Wenn die Person ihren Übertritt vom Islam nicht innerhalb von drei Tagen widerruft, wird sie wegen Abtrünnigkeit bestraft. Proselytenmacherei, also der Versuch Muslime zu einer anderen Religion zu bekehren, ist nach der hanafitischen Rechtsschule, die vor Gericht gilt, ebenfalls illegal. Diejenigen, die der Proselytenmacherei beschuldigt werden, werden mit der gleichen Strafe belegt wie diejenigen, die vom Islam konvertieren (USDOS 2.6.2022).
Vor der Machtübernahme durch die Taliban berichteten christliche Vertreter, dass die öffentliche Meinung, wie sie in den sozialen Medien und anderswo zum Ausdruck kam, Konvertiten zum Christentum und der Idee christlicher Missionierung weiterhin feindselig gegenüberstand. Sie berichteten von Druck und Drohungen, vor allem vonseiten der Familie, dem Christentum abzuschwören und zum Islam zurückzukehren. Sie sagten, dass Christen aus Angst vor gesellschaftlicher Diskriminierung und Verfolgung weiterhin allein oder in kleinen Gemeinden, manchmal mit zehn oder weniger Personen, in Privathäusern beteten. Die Daten, Zeiten und Orte dieser Gottesdienste wurden häufig geändert, um nicht entdeckt zu werden. Öffentliche christliche Kirchen gibt es weiterhin nicht. Nach der Machtübernahme durch die Taliban berichten Christen über Razzien der Taliban in den Häusern christlicher Konvertiten, selbst nachdem diese aus dem Land geflohen oder ausgezogen waren. Christliche Quellen gaben an, dass die Machtübernahme durch die Taliban intolerante Verwandte ermutigt, ihnen Gewalt anzudrohen und die Konvertiten zu verraten, falls sie das Christentum weiter praktizierten (USDOS 2.6.2022). Führende Vertreter der christlichen Bevölkerung Afghanistans haben ihre tiefe Sorge um die Sicherheit und das Wohlergehen ihrer Gemeinschaft geäußert. Organisationen wie International Christian Concern und Open Doors USA berichten, dass die Christen in Afghanistan extrem bedroht sind und die Taliban von Tür zu Tür gehen, um sie aufzuspüren und jeden zu identifizieren, der vom Islam konvertiert ist (USCIRF 8.2022; vgl. ICC 15.8.2022, OpD 9.9.2021). Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation International Christian Concern hat die Angst vor Bestrafung dazu geführt, dass sich christliche Konvertiten immer mehr verstecken (USDOS 2.6.2022; vgl.ICC o.D.).
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Ethnische Gruppen
Letzte Änderung: 21.03.2023
In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 34,3 (NSIA 4.2022) und 38,3 Millionen Menschen (8am 30.3.2022; vgl. CIA 29.12.2022). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (STDOK 7.2016; vgl. CIA 29.12.2022), da die Behörden des Landes nie eine nationale Volkszählung durchgeführt haben. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass keine der ethnischen Gruppen des Landes eine Mehrheit bildet, und die genauen prozentualen Anteile der einzelnen Gruppen an der Gesamtbevölkerung Schätzungen sind und oft stark politisiert werden (MRG 5.1.2022).
Die größten Bevölkerungsgruppen sind Paschtunen (32-42 %), Tadschiken (ca. 27 %), Hazara (ca. 9-20 %) und Usbeken (ca. 9 %), gefolgt von Turkmenen und Belutschen (jeweils ca. 2 %) (AA 20.7.2022).
Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 12.4.2022a).
Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an. Seit der Machtübernahme der Taliban werden nicht-paschtunische Ethnien in staatlichen Stellen zunehmend marginalisiert. So gibt es in der Taliban-Regierung z. B. nur wenige Vertreter der usbekischen und tadschikischen Minderheit sowie lediglich einen Vertreter der Hazara (AA 20.7.2022).
Die Taliban haben wiederholt erklärt, alle Teile der afghanischen Gesellschaft zu akzeptieren und ihre Interessen berücksichtigen zu wollen. Aber selbst auf lokaler Ebene werden Minderheiten, mit Ausnahmen in ethnisch von Nicht-Paschtunen dominierten Gebieten vor allem im Norden, kaum für Positionen im Regierungsapparat berücksichtigt, da diese v. a. paschtunischen Taliban-Mitgliedern vorbehalten sind (AA 20.7.2022). So waren zum Beispiel am 20.12.2021 alle 34 Provinzgouverneure überwiegend Paschtunen, während andere ethnische Gruppen kaum vertreten waren (UNGA 28.1.2022). Darüber hinaus lässt sich keine klare, systematische Diskriminierung von Minderheiten durch die Taliban-Regierung feststellen, solange diese den Machtanspruch der Taliban akzeptieren (AA 20.7.2022).
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Hazara
Letzte Änderung: 21.03.2023
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9 bis 15 % der afghanischen Bevölkerung aus (AA 20.7.2022; vgl. BAMF 5.2022). Die Mehrheit der Hazara lebt im Hazarajat (oder "Land der Hazara") (MRG 5.1.2022; vgl. EB o.D., BAMF 5.2022), das im zerklüfteten zentralen Bergland Afghanistans liegt und eine Fläche von etwa 50.000 Quadratkilometern umfasst. Die Region erstreckt sich auf die Provinzen Bamyan und Daikundi sowie mehrere angrenzende Distrikte in den Provinzen Ghazni, Uruzgan, (Maidan) Wardak, Parwan, Baghlan, Samangan und Sar-e Pul. Es gibt auch sunnitische Hazara-Gemeinschaften in den Provinzen Badghis, Ghor, Kunduz, Baghlan, Panjsher und anderen Gebieten im Nordosten Afghanistans (MRG 5.1.2022). Ethnische Hazara sind mehrheitlich Zwölfer-Schiiten (JP o.D.; vgl. BAMF 5.2022), auch bekannt als Jaafari Schiiten (USDOS 2.6.2022). Eine Minderheit der Hazara ist ismailitisch (USDOS 2.6.2022; vgl. MRG 5.1.2022). Ismailitische Hazara leben in den Provinzen Parwan, Baghlan und Bamyan. Darüber hinaus sind sowohl schiitische als auch sunnitische Hazara in erheblicher Zahl in mehreren städtischen Zentren Afghanistans vertreten, darunter Kabul, Mazar-e Sharif und Herat (MRG 5.1.2022).
Nach ihrer Machtübernahme im August 2021 haben die Taliban insbesondere den Hazara, die während des ersten Taliban-Regimes benachteiligt und teilweise verfolgt wurden, Zusicherungen gemacht (AA 20.7.2022). Dennoch berichtete AI (Amnesty International) im Juli 2021 über die Tötung von neun Angehörigen der Hazara in der Provinz Ghazni (AI 19.8.2021; vgl. BBC 20.8.2021b) und im August 2021 sollen nach Angaben der NGO in der Provinz Daikundi 13 Angehörige der Hazara-Minderheit, darunter ein 17-jähriges Mädchen, von den Taliban getötet worden sein (AI 5.10.2021; vgl. BBC 5.10.2021).
Es gibt weiters Berichte, dass Angehörige der Taliban beschuldigt werden, Zwangsumsiedlungen, vor allem unter Angehörigen der schiitischen Hazara, vorzunehmen, um das Land unter ihren eigenen Anhängern aufzuteilen. Die Quellen verweisen auf Vertreibungen in Daikundi, Uruzgan, Kandahar, Helmand und Balkh (HRW 22.10.2021). In der Provinz Daikundi sollen im September 2021 ca. 400 Hazara-Familien gewaltsam von ihrem Land vertrieben worden sein. Laut Erkenntnissen der UN konnten die meisten mittlerweile wieder zurückkehren (AA 20.7.2022). In Helmand und Balkh wurden Anfang Oktober "Hunderte von Hazara-Familien", und in 14 Dörfern in Daikundi und Uruzgan im September mindestens 2.800 Hazara-Bewohner vertrieben (HRW 22.10.2021; vgl. USDOS 12.4.2022a). Nach Einschätzung von HRW beruht die Diskriminierung von Hazara bei illegaler Landnahme v. a. auf lokalen Konflikten, wird aber von der Taliban-Führung toleriert (AA 20.7.2022). So kam es auch im Frühjahr 2022 dazu, dass Hazara ihre Häuser nach Streitigkeiten mit Nomaden verlassen mussten (AAN 11.1.2023).
Auch sind Hazara weiterhin besonders gefährdet, Opfer von Anschlägen des Islamischen Staats Khorasan Provinz (ISKP) zu werden (AA 20.7.2022: vgl. HRW 25.10.2021). So kam es auch im Jahr 2022 zu Angriffen des ISKP, welche auf Hazara abgezielt haben (AA 20.7.2022; vgl. UNGA 14.9.2022, HRW 12.1.2023). Beispielsweise wurden bei einem Anschlag auf eine schiitische Moschee in Mazar-e Sharif im April 2022 mindestens 31 Menschen getötet (UNGA 15.6.2022; vgl. PAN 23.4.2022). Am 24.1.2022 wurden bei einem ISKP-Anschlag im Hazara-Viertel Haji Abbas in Herat sieben Menschen getötet und zehn Weitere verletzt (8am 24.1.2022; vgl. REU 23.1.2022). Ebenso in Herat kam es am 1.4.2022 im Hazara-Viertel Jebrail zu einem Bombenanschlag, bei dem 12 junge Männer getötet und 25 weitere verletzt wurden (8am 6.4.2022; vgl. TN 24.1.2023). Mindestens 26 junge Hazara wurden bei zwei Angriffen auf Bildungseinrichtungen in Kabul am 19.4.2022 getötet (8am 20.10.2022; vgl. AN 19.4.2022). Acht Menschen wurden im August in Kabul getötet, als eine Bombe in der Nähe einer schiitischen Moschee explodierte (VOA 5.8.2022; vgl. REU 5.8.2022).
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Rückkehr
Letzte Änderung: 15.03.2023
[Anmerkung: Zur Situation rückkehrender Geflüchteter aus Österreich liegen nur vereinzelt Erkenntnisse vor, da Rückführungen aus Österreich und anderen EU-Mitgliedstaaten gegenwärtig ausgesetzt sind]
Im Jahr 2022 kehrten laut UNHCR mit Stand Dezember, 6.148 Flüchtlinge freiwillig nach Afghanistan zurück, wobei 94 % aus Pakistan kamen. Der Rest kehrte aus Iran, Russland, Tadschikistan oder Aserbaidschan zurück. Als Hauptgründe für ihre Rückkehr werden die hohen Lebenshaltungskosten und der Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten in den Aufnahmeländern sowie der Wunsch, wieder mit ihrer Familie zusammenzukommen, und die empfundene bessere Sicherheitslage in Afghanistan genannt (UNHCR 4.12.2022).
Nach Angaben von UNHCR befinden sich Rückkehrende aus dem Ausland in einer wirtschaftlichen Notlage und wenden negative Bewältigungsstrategien an (Einsparung von Lebensmitteln, Aufnahme von Schulden, Kinderarbeit, -verkauf). Die Taliban haben in öffentlichen Verlautbarungen im Ausland lebende Afghaninnen und Afghanen aufgefordert, nach Afghanistan zurückzukehren. Außerhalb offizieller Kommunikation verbreiten Taliban-Vertreter bzw. ihnen nahestehende Kommentatoren das Narrativ, dass ehemalige Regierungsmitglieder bzw. Angestellte, aber auch Personen, die mit ausländischen Regierungen gearbeitet haben, Verräterinnen und Verräter am Islam und an Afghanistan seien. Auch in den Sozialen Medien werden diese immer wieder als Verräter bzw. „verwestlicht“ bezeichnet, die aufgrund ihrer Ablehnung für „islamische Werte“ ins Ausland gegangen seien. Nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen sind aus Europa Rückkehrende sowie Personen, die mit dem (westlichen) Ausland assoziiert werden, unmittelbar bedroht (AA 20.7.2022).
Rückkehrende dürften nur in Einzelfällen über die notwendigen sozialen und familiären Netzwerke verfügen, um die desolaten wirtschaftlichen Umstände abzufedern. Die Taliban haben internationale Organisationen der humanitären Hilfe um Unterstützung bei der Versorgung und Umsiedlung Binnenvertriebener gebeten, die selbst in der Regel nicht über ausreichend Mittel zur Rückkehr verfügen (AA 20.7.2022).
Eine Studie von IOM, bei der Afghanen interviewt wurden, die zwischen Jänner 2018 und Juli 2021 aus der Türkei oder der EU nach Afghanistan zurückkehrten, berichtet, dass die Rückkehrer weiterhin mit erheblichen wirtschaftlichen und ernährungsbedingten Herausforderungen konfrontiert sind. Der größte Anteil der Befragten (45 %) gab an, arbeitslos zu sein, während 40 % sagten, sie arbeiteten für einen Tageslohn und fast 90 % der Befragten gaben an, dass sich ihre wirtschaftliche Situation im ersten Halbjahr 2022 verschlechtert habe (IOM 5.9.2022).
IOM hat aufgrund der aktuellen Lage vor Ort die Option der Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration seit 16.8.2021 für Afghanistan bis auf Weiteres weltweit ausgesetzt. Es können somit derzeit keine freiwilligen Rückkehrer aus Österreich nach Afghanistan im Rahmen des Projektes RESTART III unterstützt werden (IOM 12.1.2023). Das Reintegrations- und Entwicklungshilfeprojekt (RADA), welches 2017 ins Leben gerufen wurde, hat das Ziel, "eine geordnete, sichere, regelmäßige und verantwortungsvolle Migration und Mobilität von Menschen zu erleichtern, unter anderem durch die Umsetzung geplanter und gut verwalteter Maßnahmen". Es unterstützt Gemeinden mit einer hohen Anzahl an Rückkehrern durch Projekte wie den Bau von Bewässerungskanälen. Die Beratungstätigkeit des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) durch IOM wurde mit der Machtübernahme der Taliban eingestellt. Auch ist die Bereitstellung von sofortiger Aufnahmeunterstützung am Flughafen Kabul derzeit ausgesetzt (IOM 12.1.2023).
Am 30.8.2021 gab Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid in einem Interview an, dass viele aus Angst aufgrund von Propaganda aus Afghanistan ausgereist wären und die Taliban seien nicht glücklich darüber, dass Menschen Afghanistan verlassen, obwohl jeder, der über Dokumente verfüge, zur Ausreise berechtigt sein sollte. Auf die Frage, ob afghanische Asylwerber in Deutschland oder Österreich mit abgelehnten Asylanträgen, die möglicherweise auch Straftaten begangen haben, wieder aufgenommen würden, antwortete Mujahid, dass sie aufgenommen würden, wenn sie abgeschoben und einem Gericht zur Entscheidung über das weitere Vorgehen vorgeführt würden (KrZ 30.8.2021). Es war nicht klar, ob sich Mujahid mit dieser Aussage auf Rückkehrer im Allgemeinen oder nur auf Rückkehrer bezog, die Straftaten begangen haben (EASO 1.1.2022). Nach Einschätzung von UNAMA besteht die Möglichkeit, dass im Ausland straffällig gewordene Rückkehrende, wenn die Tat einen Bezug zu Afghanistan aufweist, in Afghanistan zum Opfer von Racheakten z. B. von Familienmitgliedern der Betroffenen werden können; auch eine erneute Verurteilung durch das von Taliban kontrollierte Justizsystem ist nicht ausgeschlossen, wenn der Fall den Behörden bekannt würde (AA 20.7.2022).
Die Taliban haben am 16.3.2022 eine Kommission unter Leitung des Taliban-Ministers für Bergbau und Petroleum Delawar ins Leben gerufen, die Mitglieder der ehemaligen wirtschaftlichen und politischen Elite überzeugen soll, nach Afghanistan zurückzukehren. Im Rahmen dieser Bemühungen sollen inzwischen 200 mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten nach Afghanistan zurückgekehrt sein, darunter auch ehemalige Minister und Parlamentarier. Die Taliban-Regierung trifft widersprüchliche Aussagen darüber, ob es den Rückkehrern gestattet sein wird, sich politisch zu engagieren (AA 20.7.2022).
Einem afghanischen Menschenrechtsexperten zufolge gab es unter Taliban-Sympathisanten und einigen Taliban-Segmenten ein negatives Bild von Afghanen, die Afghanistan verlassen hatten. Menschen, die Afghanistan verlassen hatten, würden als Personen angesehen, die keine islamischen Werte vertraten oder auf der Flucht vor Dingen seien, die sie getan haben. Auf der anderen Seite haben die Taliban den Pässen für afghanische Arbeiter, die im Ausland arbeiten, Vorrang eingeräumt, da dies ein Einkommen für das Land bedeuten würde. Auf einer Ebene mögen die Taliban also den wirtschaftlichen Aspekt verstehen, aber sie wissen auch, dass viele derjenigen Afghanen, die ins Ausland gehen, nicht mit ihnen einverstanden sind. Ein afghanischer Rechtsprofessor beschrieb zwei Darstellungen der Taliban über Personen, die Afghanistan verlassen, um in westlichen Ländern zu leben. Einerseits jene, die Afghanistan aufgrund von Armut, nicht aus Angst vor den Taliban, verlassen und auf eine bessere wirtschaftliche Lage in westlichen Ländern hoffen. Die andere Darstellung bezog sich auf die "Eliten" die das Land verließen. Sie würden nicht als "Afghanen", sondern als korrupte "Marionetten" der "Besatzung" angesehen, die sich gegen die Bevölkerung stellten. Dieses Narrativ könnte beispielsweise auch Aktivisten, Medienschaffende und Intellektuelle einschließen und nicht nur ehemalige Regierungsbeamte. Der Quelle zufolge sagten die Taliban oft, dass ein "guter Muslim" nicht gehen würde und dass viele, die in den Westen gingen, nicht "gut genug als Muslime" seien. Zwei Anthropologen an der Zayed-Universität, beschrieben ein ähnliches Narrativ, nämlich dass Menschen, die das Land verlassen wollen, nicht als "die richtige Art von Mensch" bzw. nicht als "gute Muslime" wahrgenommen werden. Sie unterschieden jedoch die seit Langem bestehende Tradition der paschtunischen Männer, ins Ausland zu gehen, um dort zu arbeiten, von anderen Afghanen, die weggehen und sich in nicht-muslimischen Ländern aufhalten - was nicht "der richtige Weg" sei. Sie erklärten ferner, dass in ländlichen paschtunischen Gebieten eine Person, die nach Europa oder in die USA gehen will, im Allgemeinen mit Misstrauen betrachtet wird, ebenso wie Personen mit westlichen Kontakten (EASO 1.1.2022).
[…]“
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu den Personalien gründen auf dem Akteninhalt (vgl. die Angaben des Beschwerdeführers in AS 23 im Verwaltungsakt sowie Seite 4 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung und die Personalien des Beschwerdeführers im Schreiben der italienischen Behörde in AS 49 im Verwaltungsakt). Mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente und aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers steht seine Identität nicht fest; die getroffenen Feststellungen zu Namen und Geburtsdaten des Beschwerdeführers dienen ausschließlich der Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Volksgruppenzugehörigkeit, der Erziehung als schiitischer Moslem, dem Familienstand sowie der Muttersprache des Beschwerdeführers beruhen auf seinen gleichbleibenden Angaben im Verfahren (Seite 4 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung; AS 23, 24, 83 und 85 im Verwaltungsakt).
Die Feststellungen zum Herkunftsort, der Schulbildung und der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers in Afghanistan fußen auf seinen plausiblen, sohin glaubhaften Angaben (Seiten 4 bis 5 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung; AS 24, 25, 28, 82 und 85 im Verwaltungsakt). Die Dauer seiner Schulbildung konnte hingegen nur mit zumindest acht Jahren festgestellt werden. Denn während der Beschwerdeführer im Zuge seiner Erstbefragung acht Jahren Grundschule in Afghanistan angab (AS 24 im Verwaltungsakt), behauptete er in der mündlichen Verhandlung, dass er bis zur 9. und 10. Schulstufe zur Schule gegangen sei (Seite 4 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Die Feststellungen zu entfernten Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Afghanistan basieren auf seinen stimmigen Angaben (vgl. Seite 7 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung, wo er seine zunächst getätigten Angaben zurücknahm; AS 83 im Verwaltungsakt).
Die Feststellungen zur Asylantragstellung in Italien, zur Einreise und zur Asylantragsstellung des Beschwerdeführers in Österreich und seinem Aufenthalt stützen sich auf seine Angaben in der Erstbefragung (AS 24 und 28 im Verwaltungsakt) sowie Einsichtnahmen in das Zentrale Fremdenregister, das Zentrale Melderegister und das Grundversorgungs-Informationssystem.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers beruht auf einer Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers:
Das Bundesverwaltungsgericht geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des dabei gewonnenen persönlichen Eindrucks der erkennenden Richterin davon aus, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan nicht individuell und konkret bedroht oder verfolgt (worden) ist.
Vorweg ist festzuhalten, dass die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bereits durch seine widersprüchlichen Angaben zu seiner Ausreise aus Afghanistan und seinen Familienangehörigen beeinträchtigt wurde: In seiner Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, dass seine Mutter, ein Bruder und eine Schwester in Afghanistan aufhältig seien (AS 25 im Verwaltungsakt); seine Familienangehörigen hätten seine Reise organisiert (AS 28 im Verwaltungsakt). Hingegen brachte er im weiteren Verfahren vor, dass er keine nahen Verwandten in Afghanistan habe. Seine eigene Familie habe er im Zuge der Flucht in den Iran verloren und er wisse nichts mehr von ihnen (AS 83 im Verwaltungsakt, Seite 7 und 8 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Auf Vorhalt dieses Widerspruchs rechtfertigte der Beschwerdeführer sich damit, dass, wie die erkennende Richterin schon wisse, Afghanen, wenn sie nach einer so langen Reise in Österreich angekommen seien, psychisch meistens nicht in der Lage wären, alles wahrheitsgemäß und richtig zu sagen. Diese Erklärung war jedoch nicht nachvollziehbar, befand sich der Beschwerdeführer bereits spätestens bei seiner Asylantragstellung am 22.11.2021 in Italien in Sicherheit, wurde erst am auf seine Asylantragstellung am 15.12.2021 in Österreich folgenden Tag vor der Polizei einvernommen und ist ohnedies nicht ersichtlich, weshalb eine anstrengende Reise für eine wahrheitsgemäße Beantwortung von einfachen Fragen hinderlich sein soll. Die dem widersprechende und erst im zweiten Anlauf abgegebene Erklärung, dass wohl der Dolmetscher etwas anders übersetzt habe, war im Hinblick auf die mit Unterschrift bestätigte gute Verständigung mit dem Dolmetscher und die anderslautende, erste Rechtfertigung nicht überzeugend. Durch diese widersprüchlichen Angaben war bereits die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers als gemindert anzusehen.
2.2.1. Zum ausreisekausalen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Einleitend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner Erstbefragung angegeben hatte, dass er seit drei Jahren in Ghazni ein Lebensmittelgeschäft gehabt habe. Neben den Lebensmitteln habe er auch Schnaps und Erotikfilme verkauft. Die Taliban hätten davon erfahren und ihn deshalb umbringen wollen, weshalb der Beschwerdeführer das Land verlassen habe (AS 28 im Verwaltungsakt). Vor der belangten Behörde schilderte der Beschwerdeführer zusammengefasst, dass er ein Lebensmittelgeschäft gehabt, aber auch alkoholische Getränke und Sexfilme verkauft habe. Die Regierung und die Taliban seien informiert worden. Seine Freunde, denen er Alkohol verkauft habe, hätten ihn verraten und die Regierung habe den Beschwerdeführer daraufhin mitgenommen und gefoltert. Durch die Zahlung von Schmiergeld sei der Beschwerdeführer freigelassen worden. Zudem seien sowohl sein Vater als auch sein Bruder in der Regierung gewesen. Die Taliban hätten seinen Bruder im Jahr 2018 und seinen Vater nach der Eroberung von Ghazni im Jahr 2021 ermordet. Seine Rechtfertigung, dass er nicht danach gefragt worden sei (AS 88 im Verwaltungsakt und Seiten 11 und 12 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), überzeugte nicht. Es wird in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung nicht in erster Linie auf die Fluchtgründe des Beschwerdeführers bezog und diese nur in aller Kürze angegeben sowie protokolliert wurden; dass der Beschwerdeführer jedoch seine Festnahme und Folter durch die damalige afghanische Regierung und die Regierungstätigkeit seiner Familienangehörigen gar nicht erwähnte, sondern bloß von vergleichsweise unbedeutendem Schnapsverkauf und Erotikfilmen sowie einer Bedrohung durch die Taliban berichtete, ist angesichts der einschneidenden Intensität der später behaupteten Folterhandlungen durch die ehemalige afghanische Regierung nicht nachvollziehbar und stellt ein erstes Indiz für ein nicht glaubhaftes Fluchtvorbringen dar.
Doch auch abgesehen davon, konnte der Beschwerdeführer sein ausreisekausales Fluchtvorbringen aufgrund nachstehender Erwägungen nicht glaubhaft machen. So brachte der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde zu seinen Fluchtgründen in freier Erzählung vor (AS 85 im Verwaltungsakt):
„Ich hatte ein Lebensmittelgeschäft, habe aber auch alkoholische Getränke und Sexfilme verkauft. Das ist der Grund warum ich mein Land verlassen habe, denn die Regierung und die Taliban wurden informiert. Der Regierung hätte ich eventuell Geld geben können. Die Taliban hätten mich aber bestimmt getötet, weil es gegen die Religion ist.“
Auf eine Nachfrage, von wem die Regierung und die Taliban informiert worden wären, führte der Beschwerdeführer näher aus, dass seine Freunde, die von ihm Alkohol gekauft, sich bei einer Hochzeit betrunken hätten. Durch ihren Zustand hätten sie andere belästigt. Die Älteren, die Weißbärtigen, hätten das der Regierung gemeldet. Die Regierung hätte diese mitgenommen und gefoltert. Unter Folter hätten sie angegeben, dass sie den Alkohol vom Beschwerdeführer bekommen hätten. Dann hätte die Regierung ihn mitgenommen und gefoltert. Er hätte ihnen etwas gezahlt und wurde so freigelassen. Die Älteren hätten jedoch gesagt, dass es nicht sein könne, dass die Regierung nichts Weiteres unternehme, da er ja durch seine Taten ein Ungläubiger sei. Daher hätten sie es den Taliban berichtet. Die Taliban hätten aber damals nicht zum Wohnort des Beschwerdeführers gekonnt, da der Ort unter Kontrolle der Regierung gewesen sei (siehe neuerlich AS 85 im Verwaltungsakt).
Dabei fällt bereits auf, dass der Beschwerdeführer auch vor der belangten Behörde in freier Erzählung gar nichts von einer Mitnahme und Folter durch die ehemalige afghanische Regierung schilderte, sondern im Gegenteil anfänglich sogar davon sprach, dass er der Regierung eventuell (!) Geld hätte geben können. Erst über Nachfrage erwähnte der Beschwerdeführer die angebliche Festnahme, Inhaftierung, Folter und Schmiergeldzahlung.
Überhaupt blieben die Angaben des Beschwerdeführers zu diesen angeblichen Vorfällen völlig vage und unkonkret. Seine Schilderungen waren – angesichts der damit einhergehenden Intensität – auffallend knapp, detailarm und wiesen kaum Realkennzeichen auf (so insbesondere Interaktionsschilderungen, inhaltliche Besonderheiten, Fehlen von ungewöhnlichen Details).
Insbesondere die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Festnahme, Inhaftierung und den angeblichen Folterhandlungen durch die ehemalige afghanische Regierung erweckten nicht den Eindruck von tatsächlich Erlebtem. Darüber hinaus waren seine wenigen und vagen Angaben zu Folterhandlungen nicht einheitlich und stellte er insbesondere die Ursache für eine Verletzung an seinem Bein/Fuß völlig konträr dar: Während er vor der belangten Behörde von verbundenen Händen, Ziehen am Leib und dem Schlagen mit einer Waffe auf sein Bein, wo Abrücke noch immer zu sehen seien (AS 87 im Verwaltungsakt), sprach, war in der mündlichen Verhandlung von „vielen Methoden“ die Rede. Eine davon sei gewesen, dass sie ihn mit dem Schlauch geschlagen, ihn mit kaltem Wasser aufgeweckt und in eine Kalaschnikow ein Messer gesteckt hätten und der Beschwerdeführer mit diesem in den Fuß gestochen worden wäre, wodurch er am Fuß verletzt worden sei (Seite 11 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Dass der Beschwerdeführer nicht einmal die Ursache für seine Verletzung einheitlich anzugeben vermochte, ist nicht erklärlich und als weiteres Indiz für ein unglaubhaftes Vorbringen zu werten.
Bemerkenswert erschien im Übrigen auch, dass der Beschwerdeführer nach eignen Angaben von einem „Kommandanten des Gebiets“ (AS 86 im Verwaltungsakt) mitgenommen und inhaftiert worden sei, sein Vater, der laut Aussagen des Beschwerdeführers selbst „Kommandant in einer Ortschaft“ (Seite 9 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) gewesen sei, jedoch diesbezüglich gar nichts unternommen haben soll, sogar hinsichtlich Festnahme und Inhaftierung in den Schilderungen des Beschwerdeführers gar nicht vorkam, sondern den Beschwerdeführer erst nach seiner Freilassung ins Krankenhaus gebracht hätte (AS 87 im Verwaltungsakt).
Nicht stimmig waren ferner die Angaben des Beschwerdeführers zur Weiterführung des Verkaufs von illegalen Sachen nach seiner Inhaftierung, denn vor der belangten Behörde vermeinte der Beschwerdeführer dazu, wenn die Regierung noch einmal draufgekommen wäre, wäre es „vorbei“ gewesen (AS 86 im Verwaltungsakt). Im Widerspruch dazu führte er in der mündlichen Verhandlung aus, dass er in der alten Regierung jemanden bestechen hätte können, dies aber in der jetzigen Regierung nicht möglich sei (Seite 6 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), wodurch er seine Bedrohungssituation durch die ehemalige afghanische Regierung gänzlich anders darstellte. Dabei wirkte der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer angesichts der behauptetermaßen erlittenen Folterhandlungen auf die bloße Möglichkeit der Bestechung verließ, nur wenig lebensnah, zumal seine einzige Motivation, damit „sehr gut“ verdient zu haben (Seite 6 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), im Hinblick auf die zumindest durchschnittliche wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers in Afghanistan (vgl. „Die finanzielle Lage war mittelmäßig“ in AS 82 im Verwaltungsakt) und die ihm drohenden, angeblich bereits verspürten massiven Repressalien, als nicht nachvollziehbar erscheint.
Als nicht plausibel stellte sich zudem dar, wie es dem Beschwerdeführer überhaupt gelungen sein soll, seine illegalen Geschäfte nach seiner Inhaftierung unbehelligt über einen längeren Zeitraum fortzuführen. Nach seiner Schilderung wäre er schon im Jahr 2019 an die Taliban verraten worden (Seite 11 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung; AS 85 im Verwaltungsakt). Wären die Taliban jedoch tatsächlich an der Person des Beschwerdeführers interessiert gewesen, so hätten sie seiner bis zu seiner Ausreise im Jahr 2021 sicherlich einmal persönlich habhaft werden können. Seine auf Vorhalt abgegebene Rechtfertigung, dass der Ort stark von der Regierung besiedelt gewesen sei (Seite 13 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), überzeugte nicht, war es den Taliban doch auch vor ihrer Machtübernahme durchaus möglich, einzelner Personen habhaft zu werden.
Dass dem Beschwerdeführer schließlich nicht einmal eine grobe zeitliche Einordnung solch einschneidender Erlebnisse möglich war, sondern er bloß das Jahr 2019 nannte (Seite 11 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung, AS 85 im Verwaltungsakt), rundete das Bild der Unglaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens ab.
Auch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, dass sein Vater und sein Bruder für die ehemalige afghanische Regierung gearbeitet hätten, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen:
Wie bereits eingangs ausgeführt, war bereits der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Regierungstätigkeit seiner Familie in der Erstbefragung mit keinem Wort erwähnte, zumindest als erstes Indiz für die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens zu werten. Dass der Beschwerdeführer nämlich gerade diesen Aspekt nach seiner Flucht nach dem Regierungsumsturz in Form der Machtübernahme durch die Taliban unerwähnt ließ, ist angesichts der damit einhergehenden evidenten Bedrohungssituation, die ihn letztlich zum Verlassen von Afghanistan bewegt haben soll, nicht nachvollziehbar. Auch der Umstand, dass der Vater des Beschwerdeführers als Kommandant ihn bei seiner Inhaftierung durch einen anderen Kommandanten überhaupt nicht unterstützt hätte, in diesem Sachverhaltskomplex gar nicht vom Beschwerdeführer erwähnt wurde, spricht dafür, dass es sich bei der Regierungstätigkeit seines Vaters um ein bloßes Konstrukt des Beschwerdeführers handelt (siehe dazu schon oben).
Ferner gestaltete sich die Schilderung des Beschwerdeführers der mit der Tätigkeit seines Vaters eng im Zusammenhang stehenden Ermordung durch die Taliban und der darauffolgenden Flucht des Beschwerdeführers nicht schlüssig. Vor der belangten Behörde erzählte der Beschwerdeführer, dass sein Vater, als die Taliban Ghazni gestürzt hätten, Waffen an die Hazara geben hätte wollen und im Flachland Ghiagh getötet worden sei (AS 83 im Verwaltungsakt). In der mündlichen Verhandlung berichtete er dagegen davon, dass sie, nachdem sie davon ausgegangen seien, dass sein Vater umgebracht worden wäre, am selben Abend bzw. in der Nacht die Ausreise begonnen hätten. Dass seine Familie aufgrund einer bloßen Vermutung sofort und ohne Vorbereitungshandlungen geflohen sein soll, erscheint nicht plausibel. Seine Rechtfertigung, dass sein Vater vor der Abfahrt aus Ghazni angerufen und gesagt hätte, dass er sich wieder melden würde, wenn er an seinem Zielort ankäme und er „100 %“ anrufen würde, wodurch sie davon ausgegangen wären, dass er umgebracht worden sei, weil er sich nicht mehr gemeldet hätte (Seite 10 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), war nicht überzeugend und konnte nur als bloße Schutzbehauptung gewertet werden.
Der Beschwerdeführer machte mit seinem diesbezüglichen Vorbringen schlichtweg insgesamt den Eindruck, damit bloß einen weiteren Fluchtgrund für sich schaffen zu wollen.
Selbst bei Wahrunterstellung, dass es sich beim Bruder des Beschwerdeführers um ein Mitglied der afghanischen Armee gehandelt hätte, ist zu bedenken, dass sein Bruder bereits im Jahr 2018 verstorben ist, sodass eine Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund der bereits mit 2018 beendeten Tätigkeit seines Bruders nicht maßgeblich wahrscheinlich erscheint.
Das ausreisekausale Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ist sohin insgesamt aufgrund seiner gesteigerten, unplausiblen und widersprüchlichen Angaben als nicht glaubhaft zu beurteilen. Weder ist glaubhaft, dass der Beschwerdeführer Alkohol sowie erotische Filme verkauft hat und deshalb festgenommen und gefoltert wurde noch, dass sein Vater und sein Bruder für die ehemalige afghanische Regierung gearbeitet haben.
2.2.2. Zur behaupteten Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum:
Die Feststellungen zur Mitgliedschaft des Beschwerdeführers in der genannten Gemeinde, dem Besuch von Gottesdiensten und Taufvorbereitungskursen dieser Gemeinde und der Taufe des Beschwerdeführers ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und des als Zeugen einvernommenen Paters sowie dem Schreiben dieses Paters vom 19.11.2023 (AS 99 im Verwaltungsakt), dem in Kopie vorgelegten Taufschein des Beschwerdeführers (Beilage ./A zur Niederschrift der mündlichen Verhandlung) und den vorgelegten Unterschriftenlisten (OZ 6 im Gerichtsakt).
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer jedoch nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist und sich nicht aus tiefer innerer Überzeugung vom Islam abgewendet hat, beruht auf nachstehenden Erwägungen:
Zunächst wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer sich durchaus gewisse Kenntnisse über das Christentum angeeignet hat (vgl. etwa Seite 23 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung, wo der Beschwerdeführer zwei Bibelstellen zitiert), jedoch entstand in der mündlichen Verhandlung der Eindruck, dass die entsprechenden Antworten des Beschwerdeführers im Vorfeld der Verhandlung vorbereitet wurden. Dies wurde etwa durch seine Antwort auf die Frage nach jenen Schriften der Bibel, auf die er sich zuvor mehrfach bezog (Seite 24 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), veranschaulicht:
„Das Buch hat 73 Kapitel; diese Kapitel werden in 2 große Kapitelgruppen geteilt. Diese 2 großen Kapitelgruppen werden dann noch einmal in 46 Kapitel und in 27 Kapitel aufgeteilt. Beide ergeben dann die 73. Die genannten 27 Kapitel habe ich alle gelesen. Die Heilung des Blinden kommt im Buch „Injil“ auf Seite 105 vor.“
Der Beschwerdeführer vermochte insgesamt nicht überzeugend und nachvollziehbar darzulegen, weshalb er sich vom Islam abgewendet, was ihn zur Konversion zum christlichen Glauben bewogen und welche Bedeutung der christliche Glaube für ihn habe. Zunächst gab er lediglich allgemein an, zwar schiitischer Moslem gewesen, aber der Religion nicht so richtig nachgegangen zu sein. Auf konkrete Nachfrage, was „so richtig“ heiße, vermeinte er vage, dass er diese Religion nicht gemocht habe und sie auch nicht wichtig für ihn gewesen sei. Wenn er in einer Moschee bei einem Mullah gewesen sei und gehört habe, was gesagt worden sei und wenn er es nicht verstanden habe, habe er es nicht wichtig gefunden. Er habe vom Islam nichts Gutes gesehen, wie die Frauen in Afghanistan behandelt würden und ihnen die Rechte weggenommen worden seien. Zum Zeitpunkt seiner Abwendung vom Islam befragt, erklärte der Beschwerdeführer weiters, dass er sehr jung gewesen sei, und vermeinte, seiner vorherigen Aussage widersprechend, dass, wenn er den Mullah etwas gefragt hätte, dieser ihn geschlagen und gemeint hätte, dass es nicht wichtig wäre (Seite 14 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Obwohl der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge seit seiner Kindheit gemerkt habe, dass diese Religion nicht das Richtige für ihn sei, bezeichnete er sich nach seiner Einreise nach Österreich im Dezember 2021 im Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz als dem schiitischen Islam zugehörig (AS 24 im Verwaltungsakt) und brachte bis zu seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im November 2022, nie vor, sich bereits vom Islam abgewendet zu haben. Die diesbezügliche Erklärung des Beschwerdeführers, dass er am Anfang nicht gewusst habe, dass man auch sagen könne, dass man religionslos sei, er deshalb noch seine „alte“ Religion angegeben und sich erst später dazu entschieden habe, zu konvertieren (Seite 14 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), vermochte insofern nicht zu überzeugen, als er im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung sehr wohl angab, bereits in Afghanistan sehr Vieles über die christliche Religion bzw. über die „Nichtgläubigen“ gehört zu haben (Seite 15 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Der Beschwerdeführer war auch in weiterer Folge nicht in der Lage, seine Abwendung vom Islam nachvollziehbar darzustellen und behauptete auf die Frage nach seinen Gründen zunächst lediglich oberflächlich, dass es im Islam ja so sei, dass, wenn man irgendwelche Taten begehe, man am Ende bestraft würde, wenn man sterbe. Wenn man zum Christentum konvertiere, dann würde alles Schlechte „gelöscht“ (Seite 16 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Auch auf weitere Fragen im späteren Verlauf seiner Einvernahme, etwa weshalb er seine Beziehung zu seinem einzigen Gott nicht im Wege des Islam finden habe können, antwortete der Beschwerdeführer bloß vage damit, dass dies der „falsche Weg“ gewesen sei. Mit seiner Erklärung zu den wesentlichen Unterschieden zum Christentum und weshalb er sich gerade beim Christentum am richtigen Weg fühle, nannte der Beschwerdeführer als Beispiel, dass es im Christentum Leute gebe, die sehr barmherzig seien und sie deutlich mehr Liebe zeigten als im Islam, was sich am Beispiel, wie mit Frauen im Islam umgegangen würde, dass diese keine Rechte hätten, erweise. Auf Vorhalt der erkennenden Richterin, dass der Beschwerdeführer bislang nur gesagt habe, dass man mit der Konversion zum Christentum wie ein Neugeborenes ohne Sünden sei und dass im Christentum die meisten Leute lieb und barmherzig wären, man den Glauben aber darauf nicht reduzieren könne, antwortete der Beschwerdeführer bloß lapidar und wenig überzeugend mit einer Gegenfrage, nämlich, weshalb die Schulen in Afghanistan für Mädchen verboten seien (Seite 21 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Im Verlauf der Einvernahme des Beschwerdeführers verfestigte sich damit nach und nach der Eindruck dahingehend, dass der Beschwerdeführer nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist.
Der Beschwerdeführer begnügte sich mit seinen Antworten zum Teil mit rein theoretischen Postulaten, ohne auch nur ein Beispiel für deren Auswirkungen auf ihn nennen zu können. So erklärte er auf die Frage, was das Christentum für ihn verwirkliche, was der Islam nicht verwirklichen gekonnt habe, dass, was die Leute in der Bibel lesen auch verwirklichen würden, zum Beispiel stehe in der Bibel, dass man für seinen eigenen Feind beten solle. Eine nähere Erklärung blieb der Beschwerdeführer jedoch auch auf weitere Nachfragen schuldig. Ferner blieb der Beschwerdeführer auch völlig allgemein und unkonkret, weshalb er sich überhaupt dem Christentum zugewendet habe. Er führte in diesem Zusammenhang aus, dass es viele gute Sachen gebe, die man darüber erzählen könne, aber er habe nur den richtigen Weg gefunden. Um Konkretisierung gebeten, gab der Beschwerdeführer an, dass er alles am Christentum möge, es sei alles richtig, barmherzig, menschlich. Alle Menschen seien gleich (Seite 22 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Im Zuge der Befragung stellte sich heraus, dass der Beschwerdeführer einfach den Wohlstand, die Sicherheit und den guten Umgang mit Migranten in europäischen Ländern mit dem Christentum gleichzusetzen scheint (vgl. Seite 21 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Auffällig war schließlich auch, dass sich der Beschwerdeführer direkt mit dem Wunsch getauft zu werden an den Pater wandte (siehe die Aussage des Paters auf Seite 27 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung; vgl. auch die Angaben des Beschwerdeführers, dass er von Anfang an ein Interesse gehabt habe, getauft zu werden, nur habe der Pater gesagt, dass er ein Jahr warten müsse, auf Seite 17 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Dies ist durchaus bemerkenswert, da der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge zuvor nichts mit Christentum zu tun gehabt hatte und erst „später“ konvertieren habe wollen (vgl. Seiten 14 und 15 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) und wird damit das Bild der mangelnden Glaubhaftigkeit abgerundet.
An der Einschätzung der erkennenden Richterin, dass der Beschwerdeführer nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist, vermögen auch die Ausführungen des in der mündlichen Verhandlung als Zeugen einvernommenen Paters der genannten Gemeinde nichts zu ändern. Dabei wird nicht bezweifelt, dass der Zeuge aufgrund der regelmäßigen Teilnahme des Beschwerdeführers an Gottesdiensten und Veranstaltungen der Gemeinde der Auffassung ist, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung Christ ist (vgl. sein Schreiben vom 19.11.2023 in AS 99 im Verwaltungsakt). Der Zeuge vermittelte jedoch den Eindruck, dass er selbst wenig direkte Wahrnehmung von der inneren Einstellung des Beschwerdeführers erlangt hat. So ergaben sich zunächst sogar Widersprüche, an welchen Tagen der Beschwerdeführer an Veranstaltungen der Gemeinde teilgenommen hätte: Sprach der Beschwerdeführer durchgehend davon, dass er regelmäßig am Wochenende an Veranstaltungen der Gemeinde teilgenommen habe, gab der Zeuge an, dass er sagen würde, dass der Beschwerdeführer in der Regel am Donnerstag anwesend gewesen sei (Seite 27 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), wobei aus den nachträglich vorgelegten Kopien der Unterschriftenlisten ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer fast ausschließlich an Samstagen anwesend war (vgl. OZ 6 im Gerichtsakt). Nach persönlichen Gesprächen mit dem Beschwerdeführer befragt, führte der Zeuge aus, dass er abseits von Smalltalk mindestens zwei Gespräche mit diesem geführt habe, wobei ein Gespräch davon in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung stattgefunden habe (Seite 30 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). An ein Gespräch im Mai 2022, das der Beschwerdeführer zuvor in der mündlichen Verhandlung erwähnte und bei welchem es sich um das Erstgespräch gehandelt hätte (Seiten 22 und 23 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), konnte sich der Zeuge gar nicht erinnern (Seite 31 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Der Zeuge vermochte zum Gespräch mit dem Beschwerdeführer befragt, weshalb sich dieser beim christlichen Glauben, nicht aber beim Islam zuhause fühle, lediglich anzugeben, dass der Beschwerdeführer dem Zeugen berichtet hätte, dass er seinen Weg gefunden habe, wobei der Zeuge diesem kurzen Satz eine umfassende, eigene Bedeutung beimaß (Seite 31 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Der Zeuge führte schließlich aus, dass der Beschwerdeführer auf ihn einen authentischen Eindruck mache, weil sein neuer Glaube mit seinem Leben übereinstimme bzw. dass er sich zumindest redlich bemühe, die deutsche Sprache zu lernen und ein ordentliches Leben zu führen, wobei er dazu befragt angab, den Beschwerdeführer bloß maximal zwei Mal im Monat zu sehen (Seite 32 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Die ohnedies bloß wenigen Aussagen, die der Zeuge aufgrund seiner eingeschränkten Wahrnehmung zum Beschwerdeführer tätigen konnte, mussten sodann noch vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass der Zeuge aus Eigenem angab, nichts sagen zu wollen, was den Beschwerdeführer benachteiligen könne (Seite 28 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), wodurch seine Aussagen sogar noch weiter zu relativieren waren. Konkrete Wahrnehmungen der inneren Überzeugung des Beschwerdeführers vermochte der Zeuge somit insgesamt nicht darzulegen.
In einer Gesamtbetrachtung konnte daher auch der als Zeuge einvernommene Pater den Eindruck der erkennenden Richterin nicht widerlegen, dass sich der Beschwerdeführer zwar mit christlichen Inhalten beschäftigt und diese gelernt hat sowie am sozialen Gemeindeleben teilnimmt, sich jedoch nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum hingewandt und dieses nicht identitätsstiftend in seiner Lebensführung verankert hat. Auch der in Kopie vorgelegte Taufschein lässt schließlich keinerlei Rückschlüsse auf die innere Überzeugung des Beschwerdeführers vom christlichen Glauben zu, zumal es für die innere Konversion bedeutungslos ist, ob die Taufe bereits durchgeführt wurde oder bloß beabsichtigt ist.
Bei einer Gesamtwürdigung gelangt das Bundesverwaltungsgericht zu der Einschätzung, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine Person handelt, die sich zwar gegenwärtig mit dem Christentum beschäftigt. Von einer innerlichen Überzeugung des Beschwerdeführers und einem echten Glaubenswechsel im Sinne einer ernsthaften, ehrlichen inneren Zuwendung zum christlichen Glauben und davon, dass der christliche Glaube wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden ist, vermochte das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis aber nicht überzeugt zu werden.
Dass eine Person mit einem Profil wie jenem des Beschwerdeführers, der sich nicht aktiv überzeugt und tatsächlich aufgrund eines inneren Entschlusses zum Christentum bekennt und dieses lebt, sondern daran allenfalls gewisses Interesse gezeigt hat, bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ausgesetzt wäre, ergibt sich aus einer Gesamtschau der im Verfahren erörterten Länderinformationen.
Da der Beschwerdeführer somit nicht glaubhaft dargelegt hat, aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert zu sein, ist auch nicht davon auszugehen, dass er im Sinne einer Prognose unter geänderten Rahmenbedingungen, wie einer Rückkehr nach Afghanistan, das Bedürfnis hätte, die derzeit äußerlich gelebte Glaubenspraxis aufrechtzuerhalten. Dass in Afghanistan bekannt würde, dass der Beschwerdeführer in Österreich eine Kirche besucht hat und getauft wenig, ist demnach ebenso wenig wahrscheinlich.
2.2.3. Auch sonst haben sich aus den vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen keine Hinweise ergeben, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Afghanistan einer wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wäre:
Es ist nicht ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aufgrund seiner religiösen Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam oder seiner ethnischen Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara konkrete und individuelle physische oder psychische Gewalt droht. Dabei wird nicht verkannt, dass aus den Länderfeststellungen hervorgeht, dass Hazara in Afghanistan Diskriminierungen ausgesetzt sind, auch über Zwangsumsiedlungen und Angriffe auf Hazara berichtet wird und Angriffe von regierungsfeindlichen Elementen auf schiitische Kultstätten, religiöse Führer und Gläubige verzeichnet werden. Daraus lässt sich aber noch nicht ableiten, dass diese Gefährdung derzeit ein Ausmaß erreicht, das die Annahme rechtfertigen würde, dass in Afghanistan lebende Hazara oder Schiiten wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind. Aus den Länderberichten geht nicht hervor, dass aktuell regelmäßig systematische und gezielt gegen Hazara oder Schiiten gerichtete Angriffe stattfinden würden. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass nach den verfügbaren Länderinformationen gewalttätige Übergriffe auf die Zivilbevölkerung allgemein zugenommen haben und die aktuelle Lage in Afghanistan daher für alle Bevölkerungsgruppen Gefahrenpotential birgt. Vor diesem Hintergrund ist derzeit nicht zu erkennen, dass Angehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft oder der Volksgruppe der Hazara ein Ausmaß an Gewaltanwendung droht, das über die gegenüber allen anderen Bevölkerungsgruppen angewendete Gewalt hinausgeht.
Abschließend haben sich im Hinblick auf die vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Rückkehrern in Afghanistan derzeit keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle Rückkehrer aus Europa gleichermaßen bloß auf Grund ihrer Eigenschaft als Rückkehrer aus dem „Westen“ und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, konkreter und individueller physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein. Zwar ist den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Länderfeststellungen zu entnehmen, dass Rückkehrer aus Europa häufig misstrauisch wahrgenommen werden, es ist derzeit daraus jedoch nicht das Bestehen einer im gegenständlichen Fall konkret drohenden Verfolgungsgefahr ersichtlich. Dabei wird auch nicht verkannt, dass es zu Diskriminierung und unmittelbaren Bedrohungen von Rückkehrern kommen kann und es Berichte über Personen gibt, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan zurückkehrten und bedroht, gefoltert oder getötet wurden, etwa weil sie sich vermeintlich die diesen Ländern zugeschriebenen Werte zu eigen gemacht hätten. Es ist daraus nicht zu schließen, dass jeder Rückkehrer aus Europa generell in besonderer Form von Gewalt und Bedrohungen betroffen wäre und legte der Beschwerdeführer auch nicht dar, weshalb er sich im Fall einer Rückkehr in einer besonders exponierten Stellung befinden würde (zur Scheinkonversion des Beschwerdeführers zum Christentum siehe oben). Zwar sind zum aktuellen Zeitpunkt noch keine validen Informationen über den Umgang der Taliban mit Rückkehrern bekannt; derzeit ist aber nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan als Rückkehrer aus Europa mit einer über die bloße Möglichkeit hinausgehenden Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt ist, aus diesem Grund physische oder psychische Gewalt zu erleiden.
2.3. Zu den Feststellungen hinsichtlich der Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht (wesentlich) geändert haben.
In der mündlichen Verhandlung wurde sichergestellt, dass der Beschwerdeführer bzw. seine Rechtsvertretung über die der gegenständlichen Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation verfügen und eine einwöchige Frist zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme eingeräumt (Seite 25 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Länderfeststellungen wurde darin nicht entgegengetreten (OZ 6 im Gerichtsakt).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig.
3.2. Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 mwN.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Herkunftsstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055; vgl. auch VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Herkunftsstaates bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Herkunftsstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (vgl. etwa VwGH 25.09.2018, Ra 2017/01/0203; 26.06.2018, Ra 2018/20/0307, mwN).
Eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention kann gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Herkunftsstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 12.06.2018, Ra 2018/20/0177; 19.10.2017, Ra 2017/20/0069). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinne der ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, das heißt er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden Verwaltungsgerichtes vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom Verwaltungsgericht nicht getroffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2018/19/0262; vgl. auch VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0237-0240, mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkrieges hinausgehende „Gruppenverfolgung“, hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 31.07.2018, Ra 2018/20/0182, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation sowie des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 29.06.2022, Ra 2021/20/0376; VwGH 05.04.2022, Ra 2021/14/0409; mwN).
3.2.2. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, vermochte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft zu machen, dass er in Afghanistan Alkohol und erotischen Filme in seinem Lebensmittelgeschäft verkauft hat, er deshalb von der ehemaligen afghanischen Regierung festgenommen und gefoltert wurde und der Vater sowie der Bruder des Beschwerdeführers für die ehemalige afghanische Regierung gearbeitet haben. Der Schluss auf die mangelnde Glaubhaftigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf diesen Fluchtgrund ergibt sich aus einer Gesamtschau seiner Angaben und dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck.
Wie beweiswürdigend dargelegt, liegt beim Beschwerdeführer weiters kein echter, aus innerem Entschluss erfolgter und auch im Fall der Rückkehr nach Afghanistan gelebter Glaubenswechsel vor, sondern kann ihm lediglich ein in Österreich vorwiegend aus durchwegs nachvollziehbaren sozialen Gründen gelebtes Interesse am Christentum zugebilligt werden, bezüglich dessen vor dem Hintergrund der Angaben des Beschwerdeführers keine Gefährdung für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan ersichtlich ist.
Auch eine dem Beschwerdeführer allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Religionsgruppe der Schiiten oder der Volksgruppe der Hazara drohende Verfolgung ist aktuell, wie aufgezeigt, nicht ersichtlich.
Schließlich droht dem Beschwerdeführer in Afghanistan, wie dargelegt, derzeit auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der Tatsache, dass er in Europa gelebt hat, konkrete und individuelle Gewalt bzw. droht nicht jedem afghanischen Rückkehrer aus Europa physische oder psychische Gewalt in Afghanistan.
Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Afghanistan und der individuellen Situation des Beschwerdeführers sowie der mangelnden Glaubhaftigkeit seines erstatteten Fluchtvorbringens ist insgesamt nicht zu erkennen, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat aktuell eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist somit als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (vgl. beispielsweise VwGH 21.12.2022, Ra 2021/18/0411, mwN).
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.