Spruch
W220 2259041-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.08.2022, Zl.: 1280800708-210995053, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.05.2023, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, wurde nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Schubhaft genommen und stellte am 21.07.2021 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Zu diesem Antrag wurde der Beschwerdeführer am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu seinen Fluchtgründen brachte er zusammengefasst vor, dass er amerikanische Soldaten auf eine Tretmiene der Taliban aufmerksam gemacht habe. Die Taliban hätten das mitbekommen und daraufhin den Beschwerdeführer und seine Familie des öfteren bedroht.
In der Folge wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß der Dublin-Verordnung Konsultationen mit Bulgarien aufgenommen, welche negativ verliefen. Daraufhin wurde das Asylverfahren des Beschwerdeführers zugelassen und wurde er am 27.10.2021 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge auch: belangte Behörde) einvernommen.
Mit dem im Spruch zitierten Bescheid vom 01.08.2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.). In der Begründung führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers aufgrund seiner widersprüchlichen und gesteigerten Angaben als nicht glaubhaft zu beurteilen sei.
Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wurde durch die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers am 25.08.2022 fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass bei der Einvernahme des Beschwerdeführers nicht ausreichend darauf Rücksicht genommen worden wäre, dass er Analphabet sei. Die Fragen seien nicht angepasst worden, daher hätte es zu Missverständnissen kommen können. Der Beschwerdeführer habe seine Fluchtgründe sehr genau, nachvollziehbar und detailliert geschildert. Darüber hinaus seien die im Bescheid getroffenen Länderfeststellungen unvollständig und veraltet und wurden in diesem Zusammenhang Länderberichte zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zitiert. Der Bescheid würde nicht erkennen lassen, von welchem Sachverhalt die belangte Behörde ausgehe und welche Tatsachen sie als gegeben erachte. Zudem sei die von der Behörde vorgenommene Beweiswürdigung mangelhaft. Dem Beschwerdeführer sei der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, da ihm eine talibanfeindliche politische Gesinnung unterstellt würde.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.02.2023 wurde gegenständliche Rechtssache der bisherigen Gerichtsabteilung abgenommen und am 17.02.2023 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.
Am 25.05.2023 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Im Zuge dessen wurde sichergestellt, dass der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung über das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 21.03.2023, Version 9, verfügen. Zur Einbringung einer diesbezüglichen schriftlichen Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer eine einwöchige Frist eingeräumt.
Mit Stellungnahme vom 31.05.2023 wurde auf Passagen aus dem aktuellen Länderinformationsblatt und weitere Länderberichte verwiesen und daraus der Schluss gezogen, dass für den Beschwerdeführer in Afghanistan eine asylrelevante Gefahr bestehe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführten Personalien; seine Identität steht nicht fest. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam sowie der Volksgruppe der Paschtunen zugehörig. Der Beschwerdeführer ist unverheiratet und kinderlos. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu, er spricht auch ein wenig Dari.
Der Beschwerdeführer stammt aus einem Dorf im Distrikt XXXX , in der Provinz Badghis, wo er geboren und aufgewachsen ist. Er besuchte in Afghanistan keine Schule, ist Analphabet und hat als Koch gearbeitet. Seine Eltern, seine beiden Schwestern, seine Brüder sowie weitere Familienangehörige des Beschwerdeführers leben in Afghanistan.
Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein, stellte am 21.07.2021 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan nicht amerikanische bzw. afghanische Truppen vor Landminen der Taliban gewarnt und wurde deshalb nicht von den Taliban gesucht oder bedroht.
Der Beschwerdeführer wurde bzw. ist aktuell in Afghanistan nicht konkret und individuell bedroht oder verfolgt.
Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan auch aufgrund der Tatsache, dass er in Europa gelebt hat, aktuell nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit konkrete und individuelle Gewalt bzw. droht nicht jedem afghanischen Rückkehrer aus Europa physische oder psychische Gewalt in Afghanistan.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 9, vom 21.03.2023, wiedergegeben:
„[…]
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 21.03.2023
Mit April bzw. Mai 2021 nahmen die Kampfhandlungen zwischen Taliban und Regierungstruppen stark zu (RFE/RL 12.5.2021; vgl. UNGA 2.9.2021). Laut Berichten war der Juni 2021 der bis dahin tödlichste Monat mit den meisten militärischen und zivilen Opfern seit 20 Jahren in Afghanistan (TN 1.7.2021; vgl. AJ 2.7.2021). Gemäß einer Quelle veränderte sich die Lage seit der Einnahme der ersten Provinzhauptstadt durch die Taliban - Zaranj in Nimroz - am 6.8.2021 (AAN 15.8.2021). Innerhalb von zehn Tagen eroberten sie 33 der 34 afghanischen Provinzhauptstädte (UNGA 2.9.2021). Am 15.8.2021 floh Präsident Ashraf Ghani ins Ausland und die Taliban zogen kampflos in Kabul ein (ORF 16.8.2021; vgl. REU 16.8.2021). Ein Bericht führt den Vormarsch der Taliban in erster Linie auf die Schwächung der Moral und des Zusammenhalts der Sicherheitskräfte und der politischen Führung der Regierung zurück (ICG 14.8.2021; vgl. AAN 15.8.2021). Die Kapitulation so vieler Distrikte und städtischer Zentren war nicht unbedingt ein Zeichen für die Unterstützung der Taliban durch die Bevölkerung, sondern unterstreicht vielmehr die tiefe Entfremdung vieler lokaler Gemeinschaften von einer stark zentralisierten Regierung, die häufig von den Prioritäten ihrer ausländischen Geber beeinflusst wird (ICG 14.8.2021), auch wurde die weitverbreitete Korruption, beispielsweise unter den Sicherheitskräften, als ein Problem genannt (BBC 13.8.2021).
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021
Seit der Machtübernahme der Taliban in Kabul am 15.8.2021 ist das allgemeine Ausmaß des Konfliktes deutlich zurückgegangen - mit weniger zivilen Opfern (UNGA 28.1.2022, vgl. UNAMA 7.2022) und weniger sicherheitsrelevanten Vorfällen im restlichen Verlauf des Jahres 2021 (USDOS 12.4.2022a). So sind nach Angaben der UN konfliktbedingte Sicherheitsvorfälle wie bewaffnete Zusammenstöße, Luftangriffe und improvisierte Sprengsätze (IEDs) seit der Eroberung des Landes durch die Taliban deutlich zurückgegangen (UNGA 28.1.2022). Seit der Beendigung der Kämpfe zwischen den Taliban und den afghanischen Streitkräften hat sich auch die Zahl der zivilen Opfer erheblich verringert (UNGA 28.1.2022; vgl. UNAMA 7.2022). Für den Zeitraum zwischen 15.8.2021 und 15.6.2022 dokumentierte UNAMA 2.106 zivile Opfer, die überwiegend durch Angriffe mit IEDs, die dem Islamischen Staat Khorasan Provinz (ISKP) zugeschrieben werden, und durch nicht explodierte Sprengkörper (UXO) verursacht wurden. Des weiteren wurden 257 außergerichtliche Tötungen und 313 willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen festgestellt, die zu einem großen Teil ehemalige Angehörige der afghanischen Streitkräfte (ANDSF) und der ehemaligen Regierung betreffen, aber auch Personen, die beschuldigt werden, dem ISKP oder der National Resistance Front (NRF) anzugehören (UNAMA 7.2022). Insbesondere die ländlichen Gebiete sind sicherer geworden, und die Menschen können in Gegenden reisen, die in den letzten 15-20 Jahren als zu gefährlich oder unzugänglich galten, da sich die Sicherheit auf den Straßen durch den Rückgang der IEDs verbessert hat (NYT 15.9.2021; vgl. DIS 12.2021).
Nach Angaben der Vereinten Nationen entwickelten sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle seit der Machtübernahme der Taliban folgend:
19.8.2021 - 31.12.2021: 985 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 91 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 28.1.2022)
1.1.2022 - 21.5.2022: 2.105 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 467 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 15.6.2022)
22.5.2022 - 16.8.2022: 1.642 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 77,5 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 14.9.2022)
17.8.2022 - 13.11.2022: 1,587 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 23 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 7.12.2022)
Trotz des Rückgangs der Gewalt sahen sich die Taliban-Behörden mit mehreren Herausforderungen konfrontiert, darunter eine Zunahme der Angriffe auf deren Mitglieder (UNGA 28.1.2022) und verstärkten Aktivitäten der bewaffneten Opposition. UNAMA registrierte 22 bewaffnete Gruppen, die behaupten, in 11 Provinzen zu operieren (UNGA 7.12.2022). So kam es auch in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 zu Kämpfen zwischen NRF und den Taliban. Zusammenstöße gibt es in den Provinzen Panjsher (Afintl 15.8.2022; vgl. AJ 14.9.2022, 8am 13.10.2022, AMU 13.12.2022), Takhar (8am 14.8.2022; vgl. AaNe 21.8.2022, 8am 23.10.2022), Baghlan (8am 17.8.2022; vgl. KP 21.8.2022, Afintl 12.12.2022), Khost (8am 13.8.2022), Kapisa (AaNe 24.8.2022; vgl. 8am 21.11.2022a) und Badakhshan (Afintl 11.10.2022a; AMU 13.12.2022, Afintl 26.12.2022).
Die Aktivitäten des ISKP haben sich seit der Machtübernahme der Taliban verstärkt (UNGA 28.1.2022; vgl. UNGA 15.6.2022, UNGA 14.9.2022, UNGA 7.12.2022) und auch wenn diese im Lauf des Jahres 2022 wieder abnahmen, so blieben die Opferzahlen weiterhin erheblich (UNGA 7.12.2022). Die Gruppe verübte weiterhin Anschläge auf die Zivilbevölkerung, insbesondere auf die schiitischen Hazara sowie auf Hindus, Sikhs, Sufis aber auch die Taliban (UNGA 14.9.2022; vgl. HRW 12.1.2023).
Zu mehreren größeren Anschlägen gegen religiöse Ziele bekannte sich niemand, darunter ein Selbstmordattentat in der Gazargah-Moschee in Herat City am 2.9.2022, bei dem 20 Menschen getötet wurden, darunter ein pro-Taliban-Kleriker, und 22 weitere verletzt wurden; die Detonation eines improvisierten Sprengsatzes in Kabul am 23.9.2022, bei der vier Zivilisten getötet und 52 verwundet wurden; und ein Selbstmordattentat am 5.10.2022 in der Moschee des Innenministeriums, bei dem neun Menschen getötet und 30 verletzt wurden (UNGA 7.12.2022).
Im Zuge einer im Auftrag der Staatendokumentation von ATR Consulting im November 2021 in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif durchgeführten Studie gaben 68,3 % der Befragten an, sich in ihrer Nachbarschaft sicher zu fühlen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese Ergebnisse nicht auf die gesamte Region oder das ganze Land hochgerechnet werden können. Die Befragten wurden gefragt, wie sicher sie sich in ihrer Nachbarschaft fühlen, was sich davon unterscheidet, ob sie sich unter dem Taliban-Regime sicher fühlen oder ob sie die Taliban als Sicherheitsgaranten betrachten, oder ob sie sich in anderen Teilen ihrer Stadt oder anderswo im Land sicher fühlen würden. Das Sicherheitsgefühl ist auch davon abhängig, in welchem Ausmaß die Befragten ihre Nachbarn kennen und wie vertraut sie mit ihrer Nachbarschaft sind und nicht darauf, wie sehr sie sich in Sachen Sicherheit auf externe Akteure verlassen. Nicht erfasst wurde in der Studie, inwieweit bei den Befragten Sicherheitsängste oder Bedenken in Hinblick auf die Taliban oder Gruppen wie den ISKP vorliegen. In Bezug auf Straßenkriminalität und Gewalt gaben 79,7 % bzw. 70,7 % der Befragen an, zwischen September und Oktober 2021 keiner Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein. An dieser Stelle ist zu beachten, dass die Ergebnisse nicht erfassen, welche Maßnahmen der Risikominderung von den Befragten durchgeführt werden, wie z. B.: die Verringerung der Zeit, die sie außerhalb ihres Hauses verbringen, die Änderung ihres Verhaltens, einschließlich ihres Kaufverhaltens, um weniger Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sowie die Einschränkung der Bewegung von Frauen und Mädchen im Freien (ATR/STDOK 18.1.2022).
Im Dezember 2022 wurde von ATR Consulting erneut eine Studie im Auftrag der Staatendokumentation durchgeführt. Diesmal ausschließlich in Kabul. Hier variiert das Sicherheitsempfinden der Befragten, was laut den Autoren der Studie daran liegt, dass sich Ansichten der weiblichen und männlichen Befragten deutlich unterscheiden. Insgesamt gaben die meisten Befragten an, sich in ihrer Nachbarschaft sicher zu fühlen, wobei die relativ positive Wahrnehmung der Sicherheit und die Antworten der Befragten, nach Meinung der Autoren, daran liegt, dass es vielen Befragten aus Angst vor den Taliban unangenehm war, über Sicherheitsfragen zu sprechen. Sie weisen auch darauf hin, dass die Sicherheit in der Nachbarschaft ein schlechtes Maß für das Sicherheitsempfinden der Menschen und ihre Gedanken über das Leben unter dem Taliban-Regime ist (ATR/STDOK 3.2.2023).
[…]
Verfolgungspraxis der Taliban, neue technische Möglichkeiten
Letzte Änderung: 21.03.2023
Trotz mehrfacher Versicherungen der Taliban, von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen der ehemaligen Regierung und Sicherheitskräften abzusehen (AA 20.7.2022; vgl. USDOS 12.4.2022a), wurde nach der Machtübernahme der Taliban berichtet, dass diese auf der Suche nach ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung von Tür zu Tür gingen und deren Angehörige bedrohten. Ein Mitglied einer Rechercheorganisation, welche einen (nicht öffentlich zugänglichen) Bericht zu diesem Thema für die Vereinten Nationen verfasste, sprach von einer "schwarzen Liste" der Taliban und großer Gefahr für jeden, der sich auf dieser Liste befände (BBC 20.8.2021a; vgl. DW 20.8.2021). Im Zuge der Machtübernahme im August 2021 hatten die Taliban Zugriff auf Mitarbeiterlisten der Behörden (HRW 1.11.2021; vgl. NYT 29.8.2021) unter anderem auf eine biometrische Datenbank mit Angaben zu aktuellen und ehemaligen Angehörigen der Armee und Polizei bzw. zu Afghanen, die den internationalen Truppen geholfen haben (Intercept 17.8.2021). Auch Human Rights Watch (HRW) zufolge kontrollieren die Taliban Systeme mit sensiblen biometrischen Daten, die westliche Geberregierungen im August 2021 in Afghanistan zurückgelassen haben. Diese digitalen Identitäts- und Gehaltsabrechnungssysteme enthalten persönliche und biometrische Daten von Afghanen, darunter Iris-Scans, Fingerabdrücke, Fotos, Beruf, Wohnadressen und Namen von Verwandten. Die Taliban könnten diese Daten nutzen, um vermeintliche Gegner ins Visier zu nehmen, und Untersuchungen von Human Rights Watch deuten darauf hin, dass sie die Daten in einigen Fällen bereits genutzt haben könnten (HRW 30.3.2022).
Die Taliban sind in den sozialen Medien aktiv, unter anderem zu Propagandazwecken. Die Gruppierung soziale Medien und Internettechnik jedoch nicht nur für Propagandazwecke und ihre eigene Kommunikation, sondern auch, um Gegner des Taliban-Regimes aufzuspüren (Golem 20.8.2021; vgl. BBC 20.8.2021a, 8am 14.11.2022). So wurde beispielsweise ein afghanischer Professor verhaftet, nachdem er die Taliban via Social Media kritisierte (FR24 9.1.2022), während ein junger Mann in der Provinz Ghor Berichten zufolge nach einer Onlinekritik an den Taliban verhaftet wurde (8am 14.11.2022). Einem afghanischen Journalisten zufolge verwenden die Taliban soziale Netzwerke wie Facebook und LinkedIn, um jene Afghanen zu identifizieren, die mit westlichen Gruppen und der US-amerikanischen Hilfsagentur USAID zusammengearbeitet haben (ROW 20.8.2021).
[…]
Zentrale Akteure
Taliban
Letzte Änderung: 21.03.2023
Die Taliban sind eine überwiegend paschtunische, islamisch-fundamentalistische Gruppe, die 2021 nach einem zwanzigjährigen Aufstand wieder an die Macht in Afghanistan kam (CFR 17.8.2022; vgl. USDOS 12.4.2022a). Die Taliban bezeichnen ihre Regierung als das "Islamische Emirat Afghanistan" (USIP 17.8.2022; vgl. VOA 1.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen (USIP 17.8.2022).
Nach der US-geführten Invasion, mit der das ursprüngliche Regime 2001 gestürzt wurde, gruppierten sich die Taliban jenseits der Grenze in Pakistan neu und begannen weniger als zehn Jahre nach ihrem Sturz mit der Rückeroberung von Gebieten (CFR 17.8.2022). Nachdem die Vereinigten Staaten ihre verbleibenden Truppen im August 2021 aus Afghanistan abzogen, eroberten die Taliban mit einer raschen Offensive die Macht in Afghanistan (CFR 17.8.2022; vgl. USDOS 12.4.2022a). Am 15.8.2021 floh der bisherige afghanische Präsident Ashraf Ghani aus Afghanistan und die Taliban nahmen Kabul als die letzte aller großen afghanischen Städte ein (BBC 15.8.2022; vgl. AI 29.3.2022).
Die Taliban-Regierung weist eine starre hierarchische Struktur auf, deren oberstes Gremium die Quetta-Shura ist (EER 10.2022), benannt nach der Stadt in Pakistan, in der Mullah Mohammed Omar, der erste Anführer der Taliban, und seine wichtigsten Helfer nach der US-Invasion Zuflucht gesucht haben sollen. Sie wird von Mawlawi Hibatullah Akhundzada geleitet (CFR 17.8.2022; vgl. Rehman A./PJIA 6.2022), dem obersten Führer der Taliban (Afghan Bios 7.7.2022a; vgl. CFR 17.8.2022, Rehman A./PJIA 6.2022). Er gilt als die ultimative Autorität' in allen religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten (EUAA 8.2022a; vgl. Afghan Bios 7.7.2022a, REU 7.9.2021a).
Vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021 unterstand die militärische Befehlskette der Kommission für militärische Angelegenheiten der Taliban. Diese Einrichtung wurde von Mullah Yaqoob, der 2020 zum Leiter der militärischen Operationen der Taliban ernannt wurde, sowie Sirajuddin Haqqani, dem Anführer des Haqqani-Netzwerks, dominiert (EUAA 8.2022a, RFE/RL 6.8.2021). Die Kommission für militärische Angelegenheiten funktionierte ähnlich wie ein Ministerium, mit "Vertretern auf Zonen-, Provinz- und Distriktebene" (VOA 5.9.2021; vgl. EUAA 8.2022a).
In der Befehlskette von der untersten Ebene aufwärts untersteht jeder Taliban-Befehlshaber auf Distriktebene einem Provinzkommando. Drei oder mehr Provinzkommandos bilden Berichten zufolge einen von sieben regionalen "Kreisen". Diese "Kreise" werden von zwei stellvertretenden Leitern der Kommission für militärische Angelegenheiten beaufsichtigt, von denen einer für die "westliche Zone" der militärischen Führung der Taliban (die 21 Provinzen umfasst) und der andere für die "östliche Zone" (13 Provinzen) zuständig war (RFE/RL 6.8.2021; vgl. EUAA 8.2022a). Nach Einschätzung des United States Institute of Peace (USIP) wurde diese Aufteilung der Zuständigkeiten für militärische Angelegenheiten zwischen Yaqoob und Haqqani offenbar durch ihre jeweilige Ernennung zum Innen- und Verteidigungsminister der Taliban im September 2021 gefestigt (USIP 9.9.2021; vgl. EUAA 8.2022a).
Nach der Machtübernahme versuchten die Taliban sich von "einem dezentralisierten, flexiblen Aufstand zu einer staatlichen Autorität" zu entwickeln (EUAA 8.2022a; vgl. NI 24.11.2021). Im Zuge dessen herrschten Berichten zufolge zunächst Unklarheiten unter den Taliban über die militärischen Strukturen der Bewegung (EUAA 8.2022a; vgl. DW 11.10.2021) und es gab in vielen Fällen keine erkennbare Befehlskette (EUAA 8.2022a; vgl. REU 10.9.2021). Dies zeigte sich beispielsweise in Kabul, wo mehrere Taliban-Kommandeure behaupteten, für dasselbe Gebiet oder dieselbe Angelegenheit zuständig zu sein. Während die frühere Taliban-Kommission für militärische Angelegenheiten das Kommando über alle Taliban-Kämpfer hatte, herrschte Berichten zufolge nach der Übernahme der Kontrolle über das Land unter den Kämpfern vor Ort Unsicherheit darüber, ob sie dem Verteidigungsministerium oder dem Innenministerium unterstellt sind (EUAA 8.2022a; vgl. DW 11.10.2021).
Haqqani-Netzwerk
Das Haqqani-Netzwerk hat seine Wurzeln im Afghanistan-Konflikt der späten 1970er-Jahre. Mitte der 1980er-Jahre knüpfte Jalaluddin Haqqani, der Gründer des Haqqani-Netzwerks, eine Beziehung zum Führer von Al-Qaida, Usama bin Laden (UNSC o.D.c; vgl. FR24 21.8.2021). Jalaluddin schloss sich 1995 der Taliban-Bewegung an (UNSC o.D.c; vgl. ASP 1.9.2020), behielt aber seine eigene Machtbasis an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan (UNSC o.D.c). Nach dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 übernahm Jalaluddins Sohn, Sirajuddin Haqqani, die Kontrolle über das Netzwerk (UNSC o.D.c, vgl. VOA 4.8.2022). Er ist seit 2015 auch einer der Stellvertreter des Taliban-Anführers Haibatullah Akhundzada (FR24 21.8.2021; vgl. UNSC o.D.c). Das Haqqani-Netzwerk gilt dank seiner finanziellen und militärischen Stärke - und seines Rufs als skrupelloses Netzwerk - als halbautonom, auch wenn es den Taliban angehört (FR24 21.8.2021).
Es befehligt eine Truppe von 3.000 bis 10.000 traditionellen bewaffneten Kämpfern in den Provinzen Khost, Paktika und Paktia (VOA 30.8.2022). Berichten zufolge kontrolliert die Gruppe inzwischen auch mindestens eine Eliteeinheit und überwacht die Sicherheit in Kabul und in weiten Teilen Afghanistans (VOA 30.8.2022; vgl. UNSC 26.5.2022).
Das Netzwerk unterhält Verbindungen zu Al-Qaida und, zumindest zeitweise bis zur Machtübernahme der Taliban, dem Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) (VOA 30.8.2022; vgl. UNSC 26.5.2022). Es wird angemerkt, dass nach der Machtübernahme und der Eskalation der ISKP-Angriffe kein Raum mehr für Unklarheiten in der strategischen Konfrontation der Taliban mit ISKP bestand und es daher nicht im Interesse der Haqqanis lag, solche Verbindungen zu pflegen (UNSC 26.5.2022). Zudem wird vermutet, dass auch enge Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst (VOA 30.8.2022; vgl. DT 7.5.2022) und den Tehreek-e Taliban (TTP), den pakistanischen Taliban, bestehen (UNSC 26.5.2022).
[…]
Ethnische Gruppen
Letzte Änderung: 21.03.2023
In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 34,3 (NSIA 4.2022) und 38,3 Millionen Menschen (8am 30.3.2022; vgl. CIA 29.12.2022). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (STDOK 7.2016; vgl. CIA 29.12.2022), da die Behörden des Landes nie eine nationale Volkszählung durchgeführt haben. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass keine der ethnischen Gruppen des Landes eine Mehrheit bildet, und die genauen prozentualen Anteile der einzelnen Gruppen an der Gesamtbevölkerung Schätzungen sind und oft stark politisiert werden (MRG 5.1.2022).
Die größten Bevölkerungsgruppen sind Paschtunen (32-42 %), Tadschiken (ca. 27 %), Hazara (ca. 9-20 %) und Usbeken (ca. 9 %), gefolgt von Turkmenen und Belutschen (jeweils ca. 2 %) (AA 20.7.2022).
Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 12.4.2022a).
Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an. Seit der Machtübernahme der Taliban werden nicht-paschtunische Ethnien in staatlichen Stellen zunehmend marginalisiert. So gibt es in der Taliban-Regierung z. B. nur wenige Vertreter der usbekischen und tadschikischen Minderheit sowie lediglich einen Vertreter der Hazara (AA 20.7.2022).
Die Taliban haben wiederholt erklärt, alle Teile der afghanischen Gesellschaft zu akzeptieren und ihre Interessen berücksichtigen zu wollen. Aber selbst auf lokaler Ebene werden Minderheiten, mit Ausnahmen in ethnisch von Nicht-Paschtunen dominierten Gebieten vor allem im Norden, kaum für Positionen im Regierungsapparat berücksichtigt, da diese v. a. paschtunischen Taliban-Mitgliedern vorbehalten sind (AA 20.7.2022). So waren zum Beispiel am 20.12.2021 alle 34 Provinzgouverneure überwiegend Paschtunen, während andere ethnische Gruppen kaum vertreten waren (UNGA 28.1.2022). Darüber hinaus lässt sich keine klare, systematische Diskriminierung von Minderheiten durch die Taliban-Regierung feststellen, solange diese den Machtanspruch der Taliban akzeptieren (AA 20.7.2022).
[…]
Paschtunen
Letzte Änderung: 09.03.2023
Ethnische Paschtunen sind mit ca. 42 % der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans (MRG 5.2.2021a; vgl. AA 20.7.2022). Sie sprechen Paschtu/Pashto; als Verkehrssprache sprechen viele auch Dari. Sie sind sunnitische Muslime und leben hauptsächlich im Süden und Osten des Landes (MRG 5.2.2021a; vgl. Print 21.9.2021). Traditionell waren die Paschtunen nomadisierende oder halbnomadische Viehzüchter, Ackerbauern und Händler. Seit langer Zeit sind sie in Städten ansässig geworden, wo sie verschiedensten Tätigkeiten nachgehen. Paschtunische Stämme waren stets die militärische Stütze des afghanischen Königshauses und wurden dafür mit einigen Privilegien (Steuervergünstigungen, weitgehende Autonomie in inneren Angelegenheiten u.a.) versehen (STDOK 1.7.2016).
Die Sozialstruktur der Paschtunen basiert auf dem Paschtunwali-Kodex (oder Pukhtunwali-Kodex), der eine Mischung aus einem Stammes-Ehrenkodex und lokalen Auslegungen der Scharia ist. Dies erfordert die Beherrschung der paschtunischen Sprache und die Einhaltung der bestehenden Bräuche. Gastfreundschaft, Schutz der Gäste, Verteidigung des Eigentums, Familienehre und Schutz der weiblichen Verwandten sind einige der wichtigsten Grundsätze für Paschtunen. Sie stützen sich auf die Jirga des Stammesrates zur Beilegung von Streitigkeiten und zur lokalen Entscheidungsfindung sowie auf die Abschirmung der Frauen von allen Angelegenheiten außerhalb des Hauses (MRG 5.2.2021a; vgl. BBC 12.8.2022, STDOK 7.2016).
Anmerkung: Ausführliche Informationen zu Paschtunen und dem Paschtunwali können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.
[…]
Rückkehr
Letzte Änderung: 15.03.2023
[Anmerkung: Zur Situation rückkehrender Geflüchteter aus Österreich liegen nur vereinzelt Erkenntnisse vor, da Rückführungen aus Österreich und anderen EU-Mitgliedstaaten gegenwärtig ausgesetzt sind]
Im Jahr 2022 kehrten laut UNHCR mit Stand Dezember, 6.148 Flüchtlinge freiwillig nach Afghanistan zurück, wobei 94 % aus Pakistan kamen. Der Rest kehrte aus Iran, Russland, Tadschikistan oder Aserbaidschan zurück. Als Hauptgründe für ihre Rückkehr werden die hohen Lebenshaltungskosten und der Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten in den Aufnahmeländern sowie der Wunsch, wieder mit ihrer Familie zusammenzukommen, und die empfundene bessere Sicherheitslage in Afghanistan genannt (UNHCR 4.12.2022).
Nach Angaben von UNHCR befinden sich Rückkehrende aus dem Ausland in einer wirtschaftlichen Notlage und wenden negative Bewältigungsstrategien an (Einsparung von Lebensmitteln, Aufnahme von Schulden, Kinderarbeit, -verkauf). Die Taliban haben in öffentlichen Verlautbarungen im Ausland lebende Afghaninnen und Afghanen aufgefordert, nach Afghanistan zurückzukehren. Außerhalb offizieller Kommunikation verbreiten Taliban-Vertreter bzw. ihnen nahestehende Kommentatoren das Narrativ, dass ehemalige Regierungsmitglieder bzw. Angestellte, aber auch Personen, die mit ausländischen Regierungen gearbeitet haben, Verräterinnen und Verräter am Islam und an Afghanistan seien. Auch in den Sozialen Medien werden diese immer wieder als Verräter bzw. „verwestlicht“ bezeichnet, die aufgrund ihrer Ablehnung für „islamische Werte“ ins Ausland gegangen seien. Nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen sind aus Europa Rückkehrende sowie Personen, die mit dem (westlichen) Ausland assoziiert werden, unmittelbar bedroht (AA 20.7.2022).
Rückkehrende dürften nur in Einzelfällen über die notwendigen sozialen und familiären Netzwerke verfügen, um die desolaten wirtschaftlichen Umstände abzufedern. Die Taliban haben internationale Organisationen der humanitären Hilfe um Unterstützung bei der Versorgung und Umsiedlung Binnenvertriebener gebeten, die selbst in der Regel nicht über ausreichend Mittel zur Rückkehr verfügen (AA 20.7.2022).
Eine Studie von IOM, bei der Afghanen interviewt wurden, die zwischen Jänner 2018 und Juli 2021 aus der Türkei oder der EU nach Afghanistan zurückkehrten, berichtet, dass die Rückkehrer weiterhin mit erheblichen wirtschaftlichen und ernährungsbedingten Herausforderungen konfrontiert sind. Der größte Anteil der Befragten (45 %) gab an, arbeitslos zu sein, während 40 % sagten, sie arbeiteten für einen Tageslohn und fast 90 % der Befragten gaben an, dass sich ihre wirtschaftliche Situation im ersten Halbjahr 2022 verschlechtert habe (IOM 5.9.2022).
IOM hat aufgrund der aktuellen Lage vor Ort die Option der Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration seit 16.8.2021 für Afghanistan bis auf Weiteres weltweit ausgesetzt. Es können somit derzeit keine freiwilligen Rückkehrer aus Österreich nach Afghanistan im Rahmen des Projektes RESTART III unterstützt werden (IOM 12.1.2023). Das Reintegrations- und Entwicklungshilfeprojekt (RADA), welches 2017 ins Leben gerufen wurde, hat das Ziel, "eine geordnete, sichere, regelmäßige und verantwortungsvolle Migration und Mobilität von Menschen zu erleichtern, unter anderem durch die Umsetzung geplanter und gut verwalteter Maßnahmen". Es unterstützt Gemeinden mit einer hohen Anzahl an Rückkehrern durch Projekte wie den Bau von Bewässerungskanälen. Die Beratungstätigkeit des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) durch IOM wurde mit der Machtübernahme der Taliban eingestellt. Auch ist die Bereitstellung von sofortiger Aufnahmeunterstützung am Flughafen Kabul derzeit ausgesetzt (IOM 12.1.2023).
Am 30.8.2021 gab Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid in einem Interview an, dass viele aus Angst aufgrund von Propaganda aus Afghanistan ausgereist wären und die Taliban seien nicht glücklich darüber, dass Menschen Afghanistan verlassen, obwohl jeder, der über Dokumente verfüge, zur Ausreise berechtigt sein sollte. Auf die Frage, ob afghanische Asylwerber in Deutschland oder Österreich mit abgelehnten Asylanträgen, die möglicherweise auch Straftaten begangen haben, wieder aufgenommen würden, antwortete Mujahid, dass sie aufgenommen würden, wenn sie abgeschoben und einem Gericht zur Entscheidung über das weitere Vorgehen vorgeführt würden (KrZ 30.8.2021). Es war nicht klar, ob sich Mujahid mit dieser Aussage auf Rückkehrer im Allgemeinen oder nur auf Rückkehrer bezog, die Straftaten begangen haben (EASO 1.1.2022). Nach Einschätzung von UNAMA besteht die Möglichkeit, dass im Ausland straffällig gewordene Rückkehrende, wenn die Tat einen Bezug zu Afghanistan aufweist, in Afghanistan zum Opfer von Racheakten z. B. von Familienmitgliedern der Betroffenen werden können; auch eine erneute Verurteilung durch das von Taliban kontrollierte Justizsystem ist nicht ausgeschlossen, wenn der Fall den Behörden bekannt würde (AA 20.7.2022).
Die Taliban haben am 16.3.2022 eine Kommission unter Leitung des Taliban-Ministers für Bergbau und Petroleum Delawar ins Leben gerufen, die Mitglieder der ehemaligen wirtschaftlichen und politischen Elite überzeugen soll, nach Afghanistan zurückzukehren. Im Rahmen dieser Bemühungen sollen inzwischen 200 mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten nach Afghanistan zurückgekehrt sein, darunter auch ehemalige Minister und Parlamentarier. Die Taliban-Regierung trifft widersprüchliche Aussagen darüber, ob es den Rückkehrern gestattet sein wird, sich politisch zu engagieren (AA 20.7.2022).
Einem afghanischen Menschenrechtsexperten zufolge gab es unter Taliban-Sympathisanten und einigen Taliban-Segmenten ein negatives Bild von Afghanen, die Afghanistan verlassen hatten. Menschen, die Afghanistan verlassen hatten, würden als Personen angesehen, die keine islamischen Werte vertraten oder auf der Flucht vor Dingen seien, die sie getan haben. Auf der anderen Seite haben die Taliban den Pässen für afghanische Arbeiter, die im Ausland arbeiten, Vorrang eingeräumt, da dies ein Einkommen für das Land bedeuten würde. Auf einer Ebene mögen die Taliban also den wirtschaftlichen Aspekt verstehen, aber sie wissen auch, dass viele derjenigen Afghanen, die ins Ausland gehen, nicht mit ihnen einverstanden sind. Ein afghanischer Rechtsprofessor beschrieb zwei Darstellungen der Taliban über Personen, die Afghanistan verlassen, um in westlichen Ländern zu leben. Einerseits jene, die Afghanistan aufgrund von Armut, nicht aus Angst vor den Taliban, verlassen und auf eine bessere wirtschaftliche Lage in westlichen Ländern hoffen. Die andere Darstellung bezog sich auf die "Eliten" die das Land verließen. Sie würden nicht als "Afghanen", sondern als korrupte "Marionetten" der "Besatzung" angesehen, die sich gegen die Bevölkerung stellten. Dieses Narrativ könnte beispielsweise auch Aktivisten, Medienschaffende und Intellektuelle einschließen und nicht nur ehemalige Regierungsbeamte. Der Quelle zufolge sagten die Taliban oft, dass ein "guter Muslim" nicht gehen würde und dass viele, die in den Westen gingen, nicht "gut genug als Muslime" seien. Zwei Anthropologen an der Zayed-Universität, beschrieben ein ähnliches Narrativ, nämlich dass Menschen, die das Land verlassen wollen, nicht als "die richtige Art von Mensch" bzw. nicht als "gute Muslime" wahrgenommen werden. Sie unterschieden jedoch die seit Langem bestehende Tradition der paschtunischen Männer, ins Ausland zu gehen, um dort zu arbeiten, von anderen Afghanen, die weggehen und sich in nicht-muslimischen Ländern aufhalten - was nicht "der richtige Weg" sei. Sie erklärten ferner, dass in ländlichen paschtunischen Gebieten eine Person, die nach Europa oder in die USA gehen will, im Allgemeinen mit Misstrauen betrachtet wird, ebenso wie Personen mit westlichen Kontakten (EASO 1.1.2022).
[…]“
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu den Personalien des Beschwerdeführers gründen auf dem Akteninhalt (vgl. die Angaben des Beschwerdeführers in AS 39 und 120 im Verwaltungsakt sowie Seite 4 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung und die Personalien des Beschwerdeführers im Schreiben der bulgarischen Behörde in AS 83 im Verwaltungsakt). Mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente und aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers steht seine Identität nicht fest; die getroffenen Feststellungen zu Namen und Geburtsdaten des Beschwerdeführers dienen ausschließlich der Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und der Religionszugehörigkeit, der Kinderlosigkeit sowie den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers beruhen auf seinen gleichbleibenden Angaben im Verfahren (Seiten 4 bis 6 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung; AS 25, 27 und 121 im Verwaltungsakt). Hingegen ergibt sich die Feststellung, dass der Beschwerdeführer unverheiratet ist, aus folgenden Erwägungen: In der Erstbefragung wurde beim Familienstand des Beschwerdeführers „unbekannt“ vermerkt (AS 25 im Verwaltungsakt); nach Familienangehörigen befragt, nannte der Beschwerdeführer seine Eltern und Geschwister (AS 29 im Verwaltungsakt). Dagegen führte er in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde sodann aus, dass er seit drei Jahren verlobt sei (AS 120 im Verwaltungsakt). Auf die Frage, wann die Eheschließung stattfinden hätte sollen, vermeinte der Beschwerdeführer, dass er es nicht wüsste. Er sei hier und sie sei „dort“. Die Lage sei aktuell sehr schlecht. Er wisse nicht, wann sie heiraten könnten. Auf Vorhalt, weshalb er dies in der Erstbefragung nicht erwähnt hätte, antwortete der Beschwerdeführer, dass er nicht danach gefragt worden sei (AS 121 im Verwaltungsakt). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer dem widersprechend an, dass er seit ca. vier Jahren traditionell verheiratet sei (Seite 5 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Diese widersprüchlichen Angaben zum Familienstand des Beschwerdeführers waren nicht mit einander in Einklang zu bringen und konnte der Beschwerdeführer diese Widersprüche in der mündlichen Verhandlung nicht nachvollziehbar aufklären. Seine Rechtfertigung, er habe dem Dolmetscher „ausführlich“ gesagt, dass er verheiratet sei, und dass er von einer Verlobung nicht gesprochen habe, war mit Blick auf das Einvernahmeprotokoll und der mit Unterschrift bestätigten Rückübersetzung desselben (AS 133 im Verwaltungsakt) nicht überzeugend, sodass davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer unverheiratet ist.
Die Feststellungen zum Herkunftsort, der mangelnden Schulbildung und der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers in Afghanistan fußen auf seinen plausiblen, sohin glaubhaften Angaben (Seiten 6 bis 8 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung; AS 27, 29, 120 und 121 im Verwaltungsakt). Zwar wichen die im Zuge des Verfahrens zu Protokoll gegebenen Angaben zum Heimatdorf des Beschwerdeführers zum Teil voneinander ab, doch konnte der Beschwerdeführer aufgrund der übrigen, stimmigen Angaben zu Heimatbezirk und -provinz von seiner Herkunft überzeugen. Insbesondere der Umstand, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Analphabeten handelt, musste bei den abweichenden Schreibweisen seines Heimatdorfes entsprechend berücksichtigt werden.
Die Feststellungen zu den Eltern und Schwestern des Beschwerdeführers in Afghanistan basieren auf seinen stimmigen Angaben (vgl. Seiten 7 und 8 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung, wo er seine zunächst getätigten Angaben zurücknahm; AS 29 und 122 im Verwaltungsakt). Widersprüchlich gestalteten sich jedoch seine Aussagen zur Anzahl seiner Brüder. Während der Beschwerdeführer in der Erstbefragung vier Brüder anführte (AS 29 im Verwaltungsakt), nannte er vor der belangten Behörde bloß zwei Brüder (AS 122 im Verwaltungsakt). In der Beschwerde wurde daraufhin vorgebracht, dass der Beschwerdeführer tatsächlich drei Brüder hätte. Den dritten Bruder hätte er vergessen und sei ihm dieser Fehler erst im Zuge der Rechtsberatung aufgefallen (Seite 3 der Beschwerde in AS 329 im Verwaltungsakt). Es ist jedoch nicht lebensnah, dass der Beschwerdeführer bei der namentlichen Aufzählung seiner Brüder – ohne ersichtlichen Grund – einfach vergisst, einen seiner Brüder zu erwähnen. Insbesondere, da dem Beschwerdeführer eine Unstimmigkeit zum Aufenthalt seiner Brüder in Zusammenhang mit seinem Fluchtvorbringen vorgehalten wurde (AS 129 und 130 im Verwaltungsakt; siehe sogleich unter Punkt 2.2. der Beweiswürdigung), hätte ihm spätestens an dieser Stelle auffallen müssen, dass er einen Bruder zu erwähnen vergessen hatte. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers konnte daher keine konkrete Anzahl seiner Brüder festgestellt werden.
Die Feststellungen zur Einreise und zur Asylantragsstellung des Beschwerdeführers in Österreich und seinem Aufenthalt stützen sich auf seine Angaben in der Erstbefragung (AS 27 im Verwaltungsakt) sowie Einsichtnahmen in das Zentrale Fremdenregister, das Zentrale Melderegister und das Grundversorgungs-Informationssystem.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers beruht auf einer Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers:
Das Bundesverwaltungsgericht geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des dabei gewonnenen persönlichen Eindrucks der erkennenden Richterin davon aus, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan nicht individuell und konkret bedroht oder verfolgt (worden) ist.
Eingangs ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner Erstbefragung angegeben hatte, dass er einmal die amerikanischen Soldaten auf eine Tretmiene der Taliban aufmerksam gemacht habe. Diese sei dann von den Soldaten entfernt worden. Die Taliban hätten das mitbekommen, als er die „Amis“ gewarnt habe. Daraufhin hätten sie ihn und seine Familie des öfteren bedroht, indem sie in ihrem Garten mehrere Sprengkörper explodieren lassen hätten. Dabei seien zwei Brüder am Arm und am Kopf verletzt worden. Weiters sei sein Bruder Englisch-Lehrer und habe mehr als 200 Studenten. Damit kämen die Taliban auch nicht klar. Deshalb würden sie diesen ebenfalls bedrohen. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass er schon mehrmals bedroht und angegriffen worden sei. Man könnte die Dorfbewohner befragen, die würden alles bestätigen (AS 35 im Verwaltungsakt).
Vor der belangten Behörde legte der Beschwerdeführer zunächst in freier Erzählung zusammengefasst dar, dass die Taliban Minen gegen die militärischen Truppen eingesetzt hätten. Er habe die Taliban beobachten können und hätte dies den Amerikanern mitgeteilt. Er hätte ihnen ebenso gesagt, in welchem Abstand die Minen platziert würden. Er habe auch mitbekommen, wie die Amerikaner zwei dieser Minen entschärft hätten. Als er nach Hause zurückgekehrt sei, hätte es eineinhalb Monate keine Vorfälle gegeben. Sodann hätten die Taliban begonnen, sie zu belästigen, indem sie zwei Granaten in ihr Haus geworfen hätten. Beide Brüder seien dabei schwer verletzt worden. Ab dort sei es nur schlimmer geworden. Einmal sei es so gewesen, dass unbekannte Personen auf ihr Fahrzeug geschossen hätten. Wer geschossen hätte, wüssten sie nicht (AS 123 und 124 im Verwaltungsakt).
Zu diesem erstatteten Vorbringen fällt zunächst auf, dass die Angaben zu den Granatenanschlägen auf seine Familie nicht einheitlich dargestellt wurden. Während der Beschwerdeführer in der Erstbefragung berichtete, dass die Taliban Granaten in ihrem Garten explodieren lassen hätten (AS 35 im Verwaltungsakt), wären die Granaten den Angaben vor der belangten Behörde zufolge in ihr Haus geworfen worden (AS 124 im Verwaltungsakt; siehe auch weiter auf AS 125 im Verwaltungsakt). Auch seine Angaben zu den dabei entstandenen Verletzungen seiner Brüder divergierten deutlich: Laut Erstbefragung wären seine Brüder am Arm und am Kopf verletzt worden (AS 35 im Verwaltungsakt); nach den Schilderungen vor der belangten Behörde hätte sein jüngster Bruder sogar ein Bein verloren und auch das andere Bein sei schwer getroffen worden, sodass man ihn sogar zur ärztlichen Behandlung nach Indien habe bringen müssen (AS 126 im Verwaltungsakt). Es wird in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung nicht in erster Linie auf die Fluchtgründe des Beschwerdeführers bezog und diese nur in aller Kürze angegeben sowie protokolliert wurden; dass der Beschwerdeführer sich jedoch in derartig grobe Widersprüche verstrickte, ist nicht nachvollziehbar. Auf Vorhalt dieser Abweichungen durch die belangte Behörde widersprach sich der Beschwerdeführer zunächst nur weiter, indem er sodann angab, dass die Taliban in ihr Haus hereingekommen seien und die Granaten im Haus geworfen hätten. Der älteste Bruder sei am Hals verletzt worden, der jüngste hätte seinen Fuß verloren (AS 130 im Verwaltungsakt). Seine im zweiten Anlauf abgegebene Erklärung, dass der Dolmetscher einen anderen Akzent spreche, war nicht glaubhaft: So gab der Beschwerdeführer noch eingangs an, dass die Verständigung mit dem Dolmetscher gut funktioniere (AS 119 im Verwaltungsakt) und berichtete er auch bis zu diesem Zeitpunkt von keinerlei Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher. Auch sein letzter Erklärungsversuch, dass er es leider nicht konkret sagen könne, weil er es nicht selbst gesehen hätte, überzeugte angesichts der zuvor mit Selbstverständlichkeit geschilderten Ereignisse nicht und waren diese Widersprüche bereits als erste Indizien für ein nicht glaubhaftes Fluchtvorbringen zu werten.
Doch auch abgesehen davon, konnte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen, sondern verstrickte sich der Beschwerdeführer im weiteren Verlauf der Einvernahme vor der belangten Behörde in zahlreiche Widersprüche:
Besonders auffällig war, dass der Beschwerdeführer zunächst an mehreren Stellen ausdrücklich betonte, dass es nach seiner Meldung der Minen eineinhalb Monate keine Vorfälle gegeben habe (AS 124 und 125 im Verwaltungsakt). Im weiteren Verlauf seiner Einvernahme hielt er dies jedoch nicht aufrecht, sondern brachte gänzlich neue Vorfälle vor und steigerte dadurch sein bisheriges Fluchtvorbringen. So erzählte der Beschwerdeführer über mehrere Nachfragen plötzlich, dass die Taliban seinen Vater dreimal geschlagen hätten und sein Vater drei Drohbriefe von den Taliban erhalten hätte (AS 126 und 127 im Verwaltungsakt). Auf nähere Befragung schilderte er weiters, dass sein Vater von den Taliban mitgenommen sowie festgehalten worden sei und die Taliban ihr Haus durchsucht hätten (AS 128 im Verwaltungsakt). In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer sehr nervös gewesen sei und zuerst vergessen hätte, die Drohbriefe zu erwähnen (Seite 12 der Beschwerde in AS 347 im Verwaltungsakt). Das erklärt jedoch nicht, weshalb der Beschwerdeführer zunächst an mehreren Stellen explizit ausgesagt hat, dass eineinhalb Monate nichts passiert sei (vgl. neuerlich AS 124 und 125 im Verwaltungsakt). Dies ist umso bemerkenswerter, als der Beschwerdeführer – im Gegensatz zu den nachfolgenden Vorfällen – gerade den ersten Drohbrief selbst miterlebt haben will und sich seinem (späteren) Vorbringen zufolge nach dem ersten Drohbrief bei seiner Tante mütterlicherseits versteckt hätte (AS 127 im Verwaltungsakt). Dass der Beschwerdeführer gerade diesen Vorfall sowohl in der Erstbefragung als auch in freier Erzählung vor der belangten Behörde vergaß, zu erwähnen, ist angesichts der mit einem ersten Drohbrief einhergehenden Intensität nicht plausibel. Eine schlüssige Erklärung für dieses Aussageverhalten vermochte der Beschwerdeführer insgesamt nicht dazutun (vgl. auch die Vorhalte der belangten Behörde in AS 127 und 129 im Verwaltungsakt) und stellte dies ein weiteres Indiz für die Unglaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens dar.
Daneben gelang es dem Beschwerdeführer nicht, den zeitlichen Ablauf dieser im Verlauf der Einvernahme neu vorgebrachten Ereignisse schlüssig darzustellen. Zuerst sprach er davon, dass sein Vater, bevor er „verschlagen“ (wohl gemeint: geschlagen) worden sei, drei Drohbriefe von den Taliban erhalten hätte. Auf eine nachfolgende Frage widersprach er sich sogleich und vermeinte, dass der erste Drohbrief gekommen und sein Vater dann bereits geschlagen worden sei (AS 127 im Verwaltungsakt). Im Zuge der Einvernahme verstrickte sich der Beschwerdeführer bei der chronologischen Einordnung des dritten Mals, als sein Vater von den Taliban geschlagen worden sei, immer weiter in Widersprüche, bis er angab, bekannt zu geben, dass sein Vater drei Mal mitgenommen und drei Mal geschlagen worden sei (vgl. AS 128 im Verwaltungsakt).
Weiters passten auch die Angaben des Beschwerdeführers zum Aufenthalt seines Bruders im Iran (AS 125 im Verwaltungsakt) mit der Verletzung beider Brüder bei dem Granatenanschlag (AS 124 im Verwaltungsakt) nicht zusammen, wäre doch der Bruder nach der zeitlichen Einordnung des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Granatenangriffs noch gar nicht wieder in Afghanistan gewesen. In der Beschwerde wurde dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer vergessen hätte, seinen dritten Bruder zu erwähnen, und sich sein dritter Bruder im Ausland aufgehalten hätte (Seite 12 der Beschwerde in AS 347 im Verwaltungsakt; siehe dazu bereits die Beweiswürdigung unter Punkt 2.1.). Dies deckt sich jedoch nicht mit den Angaben des Beschwerdeführers, der sich auf diesbezüglichen Vorhalt damit rechtfertigte, Analphabet zu sein und nicht zu wissen, wann die zweite Granate geworfen worden sei (AS 129 f im Verwaltungsakt). Wie bereits ausgeführt, hätte dem Beschwerdeführer jedoch spätestens aus Anlass dieses Vorhalts auffallen müssen, dass er bei seiner Schilderung einen Bruder, der nach dem Beschwerdevorbringen gar nicht beim Granatenanschlag dabei gewesen wäre, vergessen hätte.
Auch die Anzahl der von den Taliban eingesetzten Granaten wurden vom Beschwerdeführer nicht einheitlich angegeben. In freier Erzählung war noch pauschal von zwei Granaten die Rede (AS 124 im Verwaltungsakt). Dagegen differenzierte der Beschwerdeführer in weiterer Folge, indem er von „ca.“ zwei Granaten beim ersten sowie einer Granate beim zweiten Angriff berichtete (AS 126 im Verwaltungsakt). Ferner divergierten auch seine Aussagen, wo die Granaten geworfen worden seien: Wären die Granaten von den Taliban beim ersten Angriff durch ein Fenstergitter und beim zweiten Angriff durch den Kamin in das Haus geworfen worden (AS 125 im Verwaltungsakt), so hätten die Taliban seinem späteren Vorbringen zufolge Granaten „im“ Haus geworfen (AS 130 im Verwaltungsakt). Derartige Abweichungen konnten nicht aufgeklärt werden und indizierten diese weiter die Unglaubhaftigkeit der behaupteten Vorfälle.
Nicht stimmig gestalteten sich überdies die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem letzten Arbeitstag und dem Verstecken bei seiner Tante. Eingangs schilderte der Beschwerdeführer, dass er bis ca. einen Monat vor seiner Ausreise noch gearbeitet habe (AS 122 im Verwaltungsakt). Dagegen behauptete er in weiterer Folge, dass er die ganze Zeit zu Hause gewesen und nie hinausgegangen sei. Der Beschwerdeführer erklärte auf Vorhalt, dass er nicht arbeiten gegangen sei, er habe nur nicht gekündigt und sein Arbeitgeber hätte Bescheid gewusst (AS 129 im Verwaltungsakt). In der Beschwerde wurde dazu dargetan, dass es sich womöglich um eine unpräzise Ausdrucksweise seitens des Beschwerdeführers bzw. möglicherweise um eine ungenaue Übersetzung des Dolmetschers handeln könnte. Keinesfalls aber liege dabei ein Widerspruch vor, denn der Beschwerdeführer habe diesen Umstand bereits in der Einvernahme aufgeklärt (Seite 12 der Beschwerde in AS 347 im Verwaltungsakt). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer explizit nach seinem letzten Arbeitstag gefragt wurde, sodass seine diesbezügliche Rechtfertigung ins Leere ging und auch diese Unstimmigkeit zu Lasten der Glaubhaftigkeit gewertet werden musste.
Aufgrund dieser grob unstimmigen Angaben vor der belangten Behörde, wäre es somit umso wichtiger gewesen, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtmotive in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und schlüssig darlegt. Doch ist dies dem Beschwerdeführer nicht gelungen, sondern gestaltete sich sein Fluchtvorbringen ausgesprochen vage und kamen in der mündlichen Verhandlung nur noch weitere Widersprüchlichkeiten und Unstimmigkeiten hervor:
So erwähnte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erstmals, dass er die Minen der Taliban auf einem Militärstützpunkt gemeldet hätte (Seite 9 in der mündlichen Verhandlung). Auf Befragung seiner Rechtsvertretung nach diesem Militärstützpunkt gab er dagegen an, dass er dies bei einem Militärkonvoi auf der Straße gemeldet habe (Seite 15 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), ohne auf diesen Widerspruch näher einzugehen. Es macht jedoch einen deutlichen Unterschied, ob der Beschwerdeführer die Minen auf einem Militärstützpunkt oder bei einem Militärkonvoi gemeldet hat und indizieren diese abweichenden Angaben weiter die Unglaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens.
Zudem vermeinte der Beschwerdeführer auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung zu den angeblichen Drohbriefen, dass es öfters (Droh-)Briefe gegeben hätte, er sich aber nur an die ersten sechs erinnere (Seite 12 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), während er vor der belangten Behörde bloß drei Drohbriefe nannte (AS 127 im Verwaltungsakt). Dass der Beschwerdeführer nunmehr von mehr als doppelt so vielen Drohbriefen sprach, ist schlicht nicht nachvollziehbar und untermauert dies das Kalkül der Unglaubhaftigkeit seines Vorbringens.
Hinsichtlich der behaupteten Granatenanschläge brachte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor, dass die Granaten durch die Ofenrohre in das Haus geworfen worden seien (Seite 12 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) und fügte damit eine neue Version zu den bereits bestehenden, abweichenden Angaben hinzu (siehe dazu schon oben). Auf Vorhalt erklärte der Beschwerdeführer wiederum, dass eine Granate in den Garten geworfen worden sei (Seite 13 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), wodurch dieser Widerspruch nicht aufgeklärt werden konnte, sondern dies nur weiter zur Unglaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens beitrug.
Darüber hinaus wichen seine Angaben dahingehend voneinander ab, bei welchem Granatenanschlag seine Brüder verletzt worden wären: Vor der belangten Behörde behauptete er, dass beide Brüder beim ersten Angriff verletzt worden seien. Dies begründete er sogar, und zwar damit, dass seine Brüder beim ersten Vorfall in dem Zimmer gewesen seien, in das die Granate geworfen worden wäre (AS 125 im Verwaltungsakt). In der mündlichen Verhandlung gab er dagegen an, dass beim ersten Granatenanschlag ein Bruder, beim zweiten Anschlag der zweite Bruder verletzt worden wäre (Seite 12 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Seine auf Vorhalt abgegebene Rechtfertigung, dass es sein könnte, dass der vormalige Dolmetscher ihn falsch verstanden hätte und die Protokollierung deswegen anders erfolgt sei (Seite 14 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), war angesichts der mit Unterschrift bestätigten Rückübersetzung des Einvernahmeprotokolls nicht überzeugend und die dahingehende Rechtfertigung des Beschwerdeführers als bloße Schutzbehauptung zu verwerfen.
Auffällig war auch, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angab, dass sein Vater ein- bis zweimal von Taliban mitgenommen worden sei (Seite 10 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) und seine bisherigen Aussagen dahingehend relativierte, dass er „eventuell“ auch geschlagen worden sei (Seiten 12 und 13 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Im Übrigen erwähnte der Beschwerdeführer die vor der belangten Behörde in freier Erzählung geschilderten Schüsse auf ihr Fahrzeug (AS 124 im Verwaltungsakt) in der mündlichen Verhandlung gar nicht mehr. Auch dieses Aussageverhalten unterstrich die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens.
Ferner steigerte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen weiter, indem er in der mündlichen Verhandlung vermeinte, dass die Taliban täglich nach ihm gefragt hätten (Seite 10 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Dass der Beschwerdeführer dies erst in diesem Verfahrensstadium vorbrachte, ist nicht erklärlich und zeigte eindrucksvoll, dass der Beschwerdeführer hierbei nicht von tatsächlich stattgefundenen Ereignissen berichtete.
Es wird auch durchaus nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer beim Großteil der geschilderten Vorfälle selbst gar nicht anwesend gewesen sein soll und er Analphabet ist (vgl. den Einwand der Rechtsvertretung in Seite 17 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Dennoch ist angesichts der soeben dargelegten, massiven Widersprüche in seiner Schilderung, die sich zum Teil durchaus auch auf vom Beschwerdeführer angeblich selbst erlebte Ereignisse bezogen, nicht davon auszugehen, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers den Tatsachen entspricht. Denn auch wenn der Beschwerdeführer manches bloß von Dritten erzählt bekommen hätte, erklärt dies in keiner Weise, weshalb er die angeblichen Ereignisse derart unterschiedlich erzählte. Dabei rundete die mangelhafte zeitliche Einordnung der Ereignisse durch den Beschwerdeführer das Gesamtbild der Unglaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens ab.
Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer bei der Schilderung der Vorfälle, die ihn seinen Angaben zufolge zur Flucht aus seiner Heimat bewegten, lachte (Seite 10 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), deutet nicht darauf hin, dass der Beschwerdeführer von echten Ereignissen erzählte (mag er auch zuvor geweint haben – vgl. die Anmerkung der Rechtsvertretung in Seite 17 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Ungeachtet dieser – zum Teil massiven – Widersprüche erscheint sein Fluchtvorbringen nicht schlüssig. Nicht nachvollziehbar ist nämlich, weshalb nur der Beschwerdeführer sich verstecken und schließlich flüchten hätte müssen, immerhin hätten die geschilderten Angriffshandlungen der Taliban seinen Vater und seine Brüder betroffen. Dass seine Familie nach der Ausreise des Beschwerdeführers weiter im Heimatdorf verbleibt und dort offenbar unbehelligt lebt (vgl. seine Angaben vor der belangten Behörde in AS 123 im Verwaltungsakt), erscheint angesichts der Intensität und Häufung der vor der Ausreise des Beschwerdeführers behaupteten Vorfälle nicht schlüssig.
Schließlich stellte sich auch nicht lebensnah dar, dass es dem Beschwerdeführer gelang, sich über einen längeren Zeitraum im selben Heimatdorf bei seiner Tante zu verstecken, hätten die Taliban tatsächlich ein derart großes Interesse an ihm gehabt. Auch dafür fand der Beschwerdeführer keine nachvollziehbare Begründung (Seite 14 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ist sohin insgesamt aufgrund seiner gesteigerten, unplausiblen und widersprüchlichen Angaben als nicht glaubhaft zu beurteilen. Weder ist glaubhaft, dass der Beschwerdeführer amerikanische bzw. afghanische Truppen vor Landminen der Taliban gewarnt hat noch dass er von den Taliban gesucht oder bedroht wurde.
Seine noch vor der belangten Behörde weiters behaupteten Probleme aufgrund seiner Volksgruppe (AS 123 im Verwaltungsakt) hielt der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht weiter aufrecht (siehe Seite 17 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Dabei ergibt sich aus den Länderberichten, dass in Afghanistan ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer jedoch der Volksgruppe der Paschtunen angehört, welche ausweislich der Länderberichte mit ca. 42 % der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans stellen und welcher die Taliban mehrheitlich angehören, ist eine diesbezügliche Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht maßgeblich wahrscheinlich.
Auch seine noch in der Erstbefragung behaupteten Probleme seines Bruders mit den Taliban aufgrund seiner Tätigkeit als Englisch-Lehrer (AS 35 im Verwaltungsakt) führte er im weiteren Verlauf seines Verfahrens nicht mehr an. Da jedenfalls weitere nahe Angehörige seines Bruders unbehelligt in Afghanistan leben können, ist nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer aus der bloßen Angehörigeneigenschaft zu seinem Bruder irgendeine Gefahr in Afghanistan droht.
Abschließend haben sich im Hinblick auf die vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Rückkehrern in Afghanistan derzeit keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle Rückkehrer aus Europa gleichermaßen bloß auf Grund ihrer Eigenschaft als Rückkehrer aus dem „Westen“ und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, konkreter und individueller physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein. Hinsichtlich des jungen, gesunden und männlichen Beschwerdeführers, der der größten Ethnie Afghanistans angehört, sind keinerlei konkrete oder individuelle Eigenschaften hervorgekommen. Zwar ist den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Länderfeststellungen zu entnehmen, dass Rückkehrer aus Europa häufig misstrauisch wahrgenommen werden, es ist derzeit daraus jedoch nicht das Bestehen einer im gegenständlichen Fall konkret drohenden Verfolgungsgefahr ersichtlich. Dabei wird auch nicht verkannt, dass es zu Diskriminierung und unmittelbaren Bedrohungen von Rückkehrern kommen kann und es Berichte über Personen gibt, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan zurückkehrten und bedroht, gefoltert oder getötet wurden, etwa weil sie sich vermeintlich die diesen Ländern zugeschriebenen Werte zu eigen gemacht hätten. Es ist daraus nicht zu schließen, dass jeder Rückkehrer aus Europa generell in besonderer Form von Gewalt und Bedrohungen betroffen wäre und legte der Beschwerdeführer auch nicht dar, weshalb er sich im Fall einer Rückkehr in einer besonders exponierten Stellung befinden würde. Zwar sind zum aktuellen Zeitpunkt noch keine validen Informationen über den Umgang der Taliban mit Rückkehrern bekannt; derzeit ist aber nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan als Rückkehrer aus Europa mit einer über die bloße Möglichkeit hinausgehenden Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt ist, aus diesem Grund physische oder psychische Gewalt zu erleiden.
2.3. Zu den Feststellungen hinsichtlich der Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht (wesentlich) geändert haben.
In der mündlichen Verhandlung wurde sichergestellt, dass der Beschwerdeführer bzw. seine Rechtsvertretung über die der gegenständlichen Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation verfügen und eine einwöchige Frist zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme eingeräumt (Seite 17 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Länderfeststellungen wurde darin nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig.
3.2. Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 mwN.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Herkunftsstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055; vgl. auch VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Herkunftsstaates bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Herkunftsstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (vgl. etwa VwGH 25.09.2018, Ra 2017/01/0203; 26.06.2018, Ra 2018/20/0307, mwN).
Eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention kann gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Herkunftsstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 12.06.2018, Ra 2018/20/0177; 19.10.2017, Ra 2017/20/0069). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinne der ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, das heißt er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden Verwaltungsgerichtes vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom Verwaltungsgericht nicht getroffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2018/19/0262; vgl. auch VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0237-0240, mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkrieges hinausgehende „Gruppenverfolgung“, hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 31.07.2018, Ra 2018/20/0182, mwN).
3.2.2. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, vermochte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft zu machen, dass er amerikanische bzw. afghanische Truppen vor Landminen der Taliban gewarnt hat und deshalb von den Taliban gesucht oder bedroht wurde. Der Schluss auf die mangelnde Glaubhaftigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf diesen Fluchtgrund ergibt sich aus einer Gesamtschau seiner Angaben und dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck.
Weiters droht dem Beschwerdeführer in Afghanistan, wie dargelegt, derzeit auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der Tatsache, dass er in Europa gelebt hat, konkrete und individuelle Gewalt bzw. droht nicht jedem afghanischen Rückkehrer aus Europa physische oder psychische Gewalt in Afghanistan.
Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Afghanistan und der individuellen Situation des Beschwerdeführers sowie der mangelnden Glaubhaftigkeit seines erstatteten Fluchtvorbringens ist insgesamt nicht zu erkennen, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat aktuell eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist somit als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (vgl. beispielsweise VwGH 21.12.2022, Ra 2021/18/0411, mwN).
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.