Spruch
W211 2267693-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX 2002, StA. Syrien, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, idF BF, ist ein männlicher Staatsangehöriger Syriens. Er stellte am XXXX 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei seiner Erstbefragung am XXXX 2022 gab der BF zusammengefasst und soweit wesentlich an, er komme aus Kobane in Syrien, habe Syrien XXXX über die Grenze in die Türkei verlassen und sei zum syrischen und kurdischen Militärdienst einberufen worden. Er wolle aber keine Waffen tragen und niemanden töten.
3. Im Rahmen seiner Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX 2022 führte der BF zusammengefasst und soweit wesentlich aus, er habe Kobane XXXX als XXXX jähriger verlassen. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter und sechs Geschwister würden sich in der Türkei aufhalten. Zuletzt habe er die Türkei 2021 Richtung Griechenland verlassen. Er sei Kurde und gehöre zu einer Familie, die gesucht werde. Cousins hätten vor ca. drei Jahren eine Person umgebracht, weshalb auch er selbst wegen einer Blutrache gesucht werde. Zu seinen Befürchtungen in Bezug auf Syrien führte der BF aus, dass er dort den Militärdienst ableisten müsste und keine Waffe tragen wolle. Er habe noch keinen Einberufungsbefehl erhalten.
4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid wies das BFA den Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG für ein Jahr (Spruchpunkt III).
5. In der gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde ua und zusammengefasst ausgeführt, dass der BF im typischen wehrfähigen Alter sei. Kobane befinde sich in kurdischer Hand, sei aber auch durch türkische Milizen besetzt. Der BF sei geradezu prädestiniert, um für den kurdischen und den syrischen Militärdienst herangezogen zu werden.
6. Am XXXX 2023 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und in Anwesenheit des BF und seiner Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der der BF Gelegenheit hatte, zu seinen Fluchtgründen im Detail Stellung zu nehmen, und die Länderinformation besprochen und ergänzt wurde. Die belangte Behörde hatte sich mit Schreiben vom XXXX 2023 für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum BF: Der BF ist ein Staatsangehöriger Syriens, der am XXXX 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte. Er gehört der Volksgruppe der Kurden an und ist sunnitischer Muslim.
Der BF stammt aus Kobane, wo er bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Jahr XXXX lebte. In Kobane befinden sich noch Onkel väterlicherseits des BF; andere Onkel väterlicherseits leben auch an anderen Orten in Syrien, wo genau, weiß der BF nicht. Er hat zu diesen Verwandten in Syrien keinen Kontakt. Seine Mutter und einige Geschwister des BF halten sich in der Türkei auf, der älteste und der jüngste Bruder sind in den Niederlanden.
1.2. Relevante Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Syrien:
1.2.1.: Aus dem Länderinformationsblatt:
Nordost-Syrien – Politische Situation:
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya YekTtiya Demokrat, PYD) gründeten, gekommen sein. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine „zweite Front" in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba’ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrin, ’Ain al-’Arab (Kobane) und die Jaziravon der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017). Im März 2016 wurde in dem Gebiet, das zuvor unter dem Namen „Rojava" bekannt war, die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte (SWP 7.2018; vgl. KAS 4.12.2018). 2018 übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrin mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022).
Der militärische Arm der PYD, die YPG, ist die dominierende Kraft innerhalb des Militärbündnisses Syrian Democratic Forces (SDF). Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet „belohnt" zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018a). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 12.4.2022). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung (Syrian Democratic Council; politischer Arm der SDF) und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren. Die Zusammenarbeit auf technischer Ebene resp. der Güteraustausch (Raffinierung/Kauf von Erdöl; Aufkauf von Weizen) hat sich auch verkompliziert (ÖB 1.10.2021). Im Juni 2022 erklärte Präsident Erdogan, dass eine neue türkische Militäroperation geplant sei, die sich gegen Gebiete an der syrisch-türkischen Grenze wie Kobane (’Ayn al-’Arab), Tal Rifa’at und Manbij richten würde, die von den kurdisch SDF kontrolliert werden (AJ 18.11.2022).
Das syrische Regime, die HTS und andere bewaffnete Gruppen in Idlib sowie die PYD in ihren Regionen haben autoritäre Systeme beibehalten oder aufgebaut. Dabei setzt das Regime am meisten und die PYD am wenigsten auf gewaltsame Unterdrückung zur Machterhaltung. Doch selbst im günstigsten Fall sind die Möglichkeiten der Bürger, ihren Interessen Gehör zu verschaffen, stark eingeschränkt (BS 23.2.2022). Die syrischen Kurden unter Führung der PYD beanspruchen in den Selbstverwaltungskantonen ein Gesellschaftsprojekt aufzubauen, das von basisdemokratischen Ideen, von Geschlechtergerechtigkeit, Ökologie und Inklusion von Minderheiten geleitet ist. Während Befürworter das syrisch-kurdische Gesellschaftsprojekt als Chance für eine künftige demokratische Struktur Syriens sehen, betrachten Kritiker es als realitätsfremd und autoritär (KAS 4.12.2018). Die kurdischen Führungskräfte der YPG erklären, ihr Ziel sei die regionale Autonomie innerhalb eines dezentralisierten Syriens, nicht die Unabhängigkeit (Reuters 14.11.2022). Die PYD ist weniger gewalttätig in ihrer Repression, übt aber eine strikte Kontrolle in ihrem Einflussbereich aus. Während die kurdische Verfassung demokratisch ist, trägt die Herrschaft der PYD starke autoritäre Züge; der politische Wettbewerb ist nicht offen, sondern wird sorgfältig kontrolliert (BS 23.2.2022). Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP (Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak) nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der Democratic Union Party (PYD), welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (ÖB 1.10.2021). Die Türkei betrachtet die YPG als syrischen Ableger der PKK. Obwohl die USA und die EU die PKK als Terrororganisation betrachten, betrachten sie die YPG als eine eigenständige Organisation und führen sie nicht auf ihren Terrorlisten (SWP 30.5.2022).
Sicherheitssituation:
Mit Stand Dezember 2022 befinden sich die Gouvernorate al-Hassakah und Ar-Raqqa sowie Teile von Deir Ez-Zor nördlich des Flusses Euphrat und Teile des Gouvernements Aleppo um Manbij und Kobane sowie das Gebiet um Tal Rifa’at unter der Kontrolle der kurdisch geführten SDF [Anm.: Syrian Democratic Forces - Syrische Demokratischen Kräfte der selbsternannten Selbstverwaltungsregion, auch Autonomous Administration of North and East Syria-AANES] (Liveuamap Stand 2.12.2022).
Wehr- und Reservedienst, Rekrutierungen: Wehrpflichtgesetz der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“
Mit Stand Juni 2022 ist das Dekret Nr. 3 vom 4.9.2021 weiterhin in Kraft, welches Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 oder später) zum „Wehrdienst" in der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien" verpflichtet. Das Alter ist nun in allen betreffenden Gebieten dasselbe, während es zuvor je nach Gebiet variierte. Vor dem Dekret Nr. 3 war auch das Alterslimit höher - bis 40 Jahre. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war (DIS 6.2022).
Die Aufrufe für die „Selbstverteidigungspflicht" erfolgen durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männern eingezogen wird. Es gibt keine individuellen Verständigungen an die Wehrpflichtigen an ihrem Wohnsitz. Die Wehrpflichtigen erhalten dann beim Büro für Selbstverteidigungspflicht ein Buch, in welchem ihr Status bezüglich Ableistung des „Wehrdiensts" dokumentiert wird - z.B. die erfolgte Ableistung oder Ausnahme von der Ableistung. Es ist das einzige Dokument, das im Zusammenhang mit der Selbstverteidigungspflicht ausgestellt wird (DIS 6.2022).
Nach Protesten gab es auch ein temporäres Aussetzen der Wehrpflicht wie z.B.in Manbij im Juni 2021. Die „Wehrpflicht" gilt nicht für Personen außerhalb des „Selbstverwaltungsgebiets", außer der Betreffende hat mindestens fünf Jahre im „Selbstverwaltungsgebiet" gewohnt (DIS 6.2022).
Manche Ausnahmen vom „Wehrdienst" sind temporär und kostenpflichtig. Frühere Befreiungen für Mitarbeiter des Gesundheitsbereichs und von NGOs sowie von Lehrern gelten nicht mehr (DIS 6.2022). Es wurden auch mehrere Fälle von willkürlichen Verhaftungen zum Zwecke der Rekrutierung dokumentiert, obwohl die Wehrpflicht aufgrund der Ausbildung aufgeschoben wurde oder einige Jugendliche aus medizinischen oder anderen Gründen vom Wehrdienst befreit wurden (EB 12.7.2019). Laut Medienberichten waren insbesondere Lehrer von Zwangsrekrutierungsmaßnahmen betroffen. Berichten zufolge kommt es auch zu Zwangsrekrutierungen von Burschen und Mädchen (AA 29.11.2021). Laut DIS beziehen sich die Berichte von Zwangsrekrutierungen manchmal eher auf den Selbstverteidigungsdienst oder auf andere Gruppen als die SDF (Syrian Democratic Forces) (DIS 6.2022).
Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen (ÖB 29.9.2020). Laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird dieses Gesetz auch mit Gewalt durchgesetzt (AA 29.11.2021), während das Danish Immigration Service nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen dem Militärdienst zu entgehen, laut dem Gesetz zur Selbstverteidigungspflicht durch die Verlängerung der „Wehrpflicht" um einen Monat bestraft würden - zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft „für eine Zeitspanne“. Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für den Betreffenden zu finden (DIS 6.2022). Im Fall von Verweigerung aus Gewissensgründen oder im Fall einer Verhaftung wegen Wehrdienstverweigerung erhöht sich der Wehrdienst laut EASO [Anm.: inzwischen in European Union Asylum Agency, EUAA umbenannt] auf 15 Monate. Spät eintreffende Wehrdienstpflichtige müssen einen Monat länger Wehrdienst leisten (EASO 11.2021). Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: zur nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Wehrdiensts (ÖB 29.9.2020). Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (ÖB 29.9.2020).
Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem „Wehrdienst“ Entziehenden zweimal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz, und wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die „Militärpolizei“ unter seiner Adresse. Die meisten sich der „Wehrpflicht“ entziehenden Männer werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht (DIS 6.2022).
Im Ausland (Ausnahme Türkei und Irak) lebende, unter die „Selbstverteidigungspflicht“ fallende Männer können gegen eine Befreiungsgebühr für kurzfristige Besuche zurückkehren, ohne den „Wehrdienst“ antreten zu müssen, wobei zusätzliche Bedingungen eine Rolle spielen, ob dies möglich ist (DIS 6.2022).
Ursprünglich betrug die Länge des „Wehrdiensts“ sechs Monate, wurde aber im Jänner 2016 auf neun Monate verlängert. Aktuell beträgt die Dauer ein Jahr, und im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen (DIS 6.2022). Einer anderen Quelle zufolge dauert der Wehrdienst sechs Monate mit Ausnahme des Zeitraums Mai 2018 bis Mai 2019, als dieser zwölf Monate umfasste (EASO 11.2021). In Situationen höherer Gewalt kann die Dauer des Wehrdiensts verlängert werden, was je Gebiet entschieden wird, z.B. die Verlängerung um einen Monat im Jahr 2018 wegen der Lage in Baghouz. In Afrin wurde der Wehrdienst zu drei Gelegenheiten in den Jahren 2016 und 2017 um je zwei Monate ausgeweitet. Auch nach Angaben der Vertretung der „Selbstverwaltung“ gab es auch Fälle, in welchen Personen der Wehrdienst um einige Monate verlängert wurde (DIS 6.2022).
Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der „Selbstverteidigungspflicht“ erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in al-Hassakah, wo es im Jänner 2022 zu dem IS-Befreiungsversuch mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten bei Konfliktbedarf an die Front verlegt, wie z.B. bei den Kämpfen gegen den sogenannten Islamischen Staat von 2016-2017 in Raqqa (DIS 6.2022).
Nach dem abgeleisteten „Wehrdienst“ gehören die Absolventen zur Reserve und können im Fall „höherer Gewalt“ einberufen werden. Diese Entscheidung trifft der Militärrat des jeweiligen Gebiets. Derartige Einberufungen waren den vom DIS befragten Quellen nicht bekannt (DIS 6.2022).
Bei Deserteuren hängen die Konsequenzen abseits von einer Zurücksendung zur Einheit und einer eventuellen Haft von ein bis zwei Monaten von den näheren Umständen und eventuellem Schaden ab. Dann könnte es zu einem Prozess vor einem Kriegsgericht kommen (DIS 6.2022).
Proteste gegen die „Wehrpflicht“
Das Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“ stößt bei den Bürgern in den von den SDF kontrollierten Gebieten auf heftige Ablehnung, insbesondere bei vielen jungen Männern, welche die vom Regime kontrollierten Gebiete verlassen hatten, um dem Militärdienst zu entgehen (EB 12.7.2021). Im Jahr 2021 hat die Wehrpflicht besonders in den östlichen ländlichen Gouvernements Deir ez-Zour und Raqqa Proteste ausgelöst. Lehrer haben sich besonders gegen die Einberufungskampagnen der SDF gewehrt. Proteste im Mai 2021 richteten sich außerdem gegen die unzureichende Bereitstellung von Dienstleistungen und die Korruption oder Unfähigkeit der autonomen Verwaltungseinheiten. Sechs bis acht Menschen wurden am 1.6.2021 in Manbij (Menbij) bei einem Protest getötet, dessen Auslöser eine Reihe von Razzien der SDF auf der Suche nach wehrpflichtigen Männern war. Am 2. Juni einigten sich die SDF, der Militärrat von Manbij und der Zivilrat von Manbij mit Stammesvertretern und lokalen Persönlichkeiten auf eine deeskalierende Vereinbarung, die vorsieht, die Rekrutierungskampagne einzustellen, während der Proteste festgenommene Personen freizulassen und eine Untersuchungskommission zu bilden, um diejenigen, die auf Demonstranten geschossen hatten, zur Rechenschaft zu ziehen (COAR 7.6.2021).
Rekrutierung für den nationalen syrischen Wehrdienst in Nordost-Syrien:
Die Absolvierung des „Wehrdiensts“ gemäß der Selbstverwaltung befreit nicht von der nationalen Wehrpflicht in Syrien. Die syrische Regierung verfügt über mehrere kleine Gebiete im Selbstverwaltungsgebiet. In Qamishli und al-Hassakah tragen diese die Bezeichnung „Sicherheitsquadrate“ (Al-Morabat Al-Amniya), wo sich verschiedene staatliche Behörden, darunter auch solche mit Zuständigkeit für die Rekrutierung befinden. Am 14.4.2022 besetzten die SDF und die Asayish für einen Tag die Verwaltungseinrichtungen, was Berichten zufolge eine Reaktion auf die Belagerung des kurdischen Stadtteils Sheikh Maqsoud in Aleppo durch das Regime war (DIS 6.2022).
Während die syrischen Behörden im Allgemeinen keine Rekrutierungen im Selbstverwaltungsgebiet durchführen können, gehen die Aussagen über das Rekrutierungsverhalten in den Regimeenklaven auseinander - auch bezüglich etwaiger Unterschiede zwischen dort wohnenden Wehrpflichtigen und Personen von außerhalb der Enklaven (DIS 6.2022). Ein befragter Rechtsexperte der ÖB Damaskus berichtet, dass die syrische Regierung in den Gebieten unter Kontrolle der Autonomous Administration of North and East Syria (AANES) in der Lage ist, zu rekrutieren, jedoch nicht in allen Gebieten. Die syrische Regierung ist nach wie vor in einigen von der AANES kontrollierten Gebieten präsent und kann dort rekrutieren, wo sie über eine Präsenz im Sicherheitsdistrikt oder muraba’a amni im Zentrum der Gouvernorate verfügt, wie in Qamishli oder in Deir ez-Zor. In einigen Gebieten wie Afrin hat die syrische Regierung jedoch keine Kontrolle und kann dort keine Personen einberufen. Nach dem Abkommen zwischen den Syrian Democratic Forces (SDF) und der syrischen Regierung Mitte Oktober 2019, das die Stationierung von Truppen der syrischen Regierung in zuvor kurdisch kontrollierten Gebieten vorsah, wurde berichtet, dass syrische Kurden aus dem Gebiet in den Irak geflohen sind, weil sie Angst hatten, in die Syrische Arabische Armee eingezogen zu werden (Rechtsexperte 14.9.2022). Ein befragter Militärexperte gab dagegen an, dass die syrische Regierung grundsätzlich Zugriff auf die Wehrpflichtigen in den Gebieten unter der Kontrolle der PYD hat, diese aber als illoyal ansieht und daher gar nicht versucht, sie zu rekrutieren (BMLV 12.10.2022).
Allgemeine Menschenrechtslage – Nordost Syrien:
Teile der SDF, einer Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheiten, zu der auch Mitglieder der Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gehören, sollen ebenfalls für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein, darunter willkürliche Inhaftierungen, Folter, Korruption, Rekrutierung von Kindersoldaten und Einschränkungen der Versammlungsfreiheit. Die SDF untersuchen weiterhin die gegen sie vorgebrachten Klagen. Es liegen keine Informationen über die gerichtliche Anklage einzelner Mitglieder der SDF vor (USDOS 12.4.2022). Die SDF führen Massenverhaftungen von Zivilisten, darunter Aktivisten, Journalisten und Lehrer, durch. In der ersten Jahreshälfte 2021 belief sich die Zahl der Verhafteten laut dem SNHR auf 369 Personen (HRW 13.1.2022). Das US-Außenministerium berichtet hingegen von „gelegentlichen“ Einschränkungen von Menschenrechtsorganisationen und Schikanen gegen Aktivisten vonseiten der SDF und anderen Oppositionsgruppen, darunter „in manchen Fällen“ willkürliche Haft (USDOS 12.4.2022). Die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich insgesamt jedoch laut Einschätzung des Auswärtigen Amtes erkennbar weniger gravierend dar als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer und dschihadistischer Gruppen befinden (AA 4.12.2020).
1.2.2 Ergänzende Information aus relevanten EUAA (ehemals EASO)-Publikationen:
Zur Frage des Zugriffs der SAA in Nordost-Syrien auf Wehrpflichtige wird ergänzend festgestellt:
Häufigkeit der SAA-Wehrpflicht in von den SDF kontrollierten Gebieten
In den von den SDF kontrollierten Gebieten ist die SAA in Hasaka, Qamischli, Manbij und Tal Tamr präsent. Der US-Verteidigungsnachrichtendienst schätzte in einem Bericht vom November 2020, dass die SAA zwischen 4 000 und 10 000 Soldaten im Nordosten Syriens zwischen den Städten Manbij (Gouvernement Aleppo) und Tal Tamr (Gouvernement Hasaka) stationiert hat. Laut mehreren Quellen, die DIS zwischen Januar und Februar 2020 befragte, hat der Staat die Wehrpflicht in den von den SDF kontrollierten Gebieten im Nordosten Syriens noch nicht wiedereingeführt, da es an Verwaltungsbefugnissen fehlt. Nach Angaben einer internationalen humanitären Organisation, die in Syrien tätig ist und von EASO im Januar 2021 befragt wurde, führt die SAA in den von den SDF kontrollierten Gebieten keine Einberufungskampagnen durch. Suhail Al-Ghazi schätzte im Januar 2021 ein, dass die Rekrutierung für die SAA in den von den SDF kontrollierten Gebieten auf freiwilliger Basis erfolgt. Die SAA führt in den von den SDF kontrollierten Gebieten keine Rekrutierungskampagnen durch, und diejenigen, die nicht rekrutiert werden wollen, können sich dem entziehen, indem sie sich außerhalb der von der SAA kontrollierten Gebiete aufhalten und bewegen.
Andere von DIS im Jahr 2020 befragte Quellen gaben an, dass die Rekrutierung für die SAA in den von den SDF kontrollierten Gebieten zwar stattfand, aber auf freiwilliger Basis. Der US-Verteidigungsnachrichtendienst (Defense Intelligence Agency) stellte in einem Bericht des US-Verteidigungsministeriums für den Zeitraum zwischen Juli und September 2020 fest, dass die Regierung von Syrien "ihre lokalen Rekrutierungsbemühungen verstärkt hat, um die bestehenden Einheiten im Nordosten Syriens zu ergänzen", ohne weitere Einzelheiten über die Art der Rekrutierung zu nennen.
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie waren die meisten medizinischen Lieferungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die im April 2020 in den Nordosten Syriens gingen, für das Nationale Krankenhaus von Qamischli bestimmt, das unter der Kontrolle der Regierung steht. Laut den Syrien-Forschern Elizabeth Tsurkov und Qussai Jukhadar wird diese Maßnahme viele Menschen, auch solche, die zum Militärdienst eingezogen werden sollen, davon abhalten, sich medizinisch versorgen zu lassen, da sie Angst vor Verhaftung und Zwangseinberufung haben. Laut einer von EASO im Januar 2021 befragten Quelle werden staatenlose Kurden (Ajanibs und Maktumeen) von der SAA nicht eingezogen. Diejenigen, die die syrische Staatsbürgerschaft besitzen und nach 1992 geboren sind, können in der SAA eingezogen werden (EUAA, Military Service, April 2021, S 18f (übersetzt durch die erkennende Richterin)).
Das GoS („Government of Syria“) ist im Allgemeinen nicht in der Lage, in den von den SDF kontrollierten Gebieten Wehrpflichtige zu rekrutieren. Einige Quellen berichteten, dass Zwangsrekrutierungen in der SAA auf den vom GoS kontrollierten Sicherheitsplätzen in Hasaka und Qamischli durchgeführt werden, während andere Quellen nicht davon ausgingen, dass Personen, die diese Sicherheitsplätze betreten, zwangsrekrutiert werden (EUAA, Targeting of Individuals, September 2022, S 40 (übersetzt durch die erkennende Richterin)).
1.2.3 Zur Kontrollsituation in Ain Al Arab (Kobane):
Die Kontrolle in der Region um Ain al-Arab (Kobanê) liegt derzeit bei kurdischen Gruppierungen wie den Yekîneyên Parastina Gel (YPG, deutsch Volksverteidigungseinheiten), der Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK, deutsch Arbeiterpartei Kurdistans), den Peschmerga [Anm.: Streitkräfte der Autonomen Region Kurdistan im Irak] und anderen. Die Quellen weisen zudem darauf hin, dass die syrische Regierung in der Region präsent ist.
Als die Türkei am 9.10.2019 ihre Offensive in Nordsyrien startete, baten die Kurden, die im Zuge des Syrien Konflikts eine autonome Verwaltung aufgebaut hatten, Damaskus um Hilfe. Einer regionalen Quelle zufolge dient die Präsenz der syrische Armee in Teilen der Stadt Ain al Arab ( Kobanê ) vor allem dem Schutz der Außengrenze.
Zur Frage, ob Kobane eindeutig der Kontrolle einer Gruppierung zuzurechnen ist, wird ausgeführt, dass die YPG und die SDF den Großteil der Region um Ain al-Arab (Kobanê) kontrollieren. In der Region Ain al-Arab (Kobanê) sind auch Regierungs-und regierungsnahe Kräfte präsent. Berichten zufolge bereiten sich auch US-Streitkräfte auf eine Rückkehr zum Stützpunkt Kharab Ishk, 43 Kilometer südöstlich von Ain al-Arab (Kobanê) in der Provinz Aleppo, vor. Trotz der Arbeiten zur Instandsetzung des US-Stützpunkts in Kharab Ishk haben sich die russischen Streitkräfte entgegen den Berichten über ihren Rückzug nach dem Einmarsch in die Ukraine nicht aus Ain al-Arab (Kobanê) und Umgebung zurückgezogen.
Der UN Human Rights Council (UNHRC) veröffentlichte am 7.2.2023 den Bericht der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission zur Arabischen Republik Syrien. Im Anhang dieses Berichts ist nachfolgende Karte abgebildet, welche die ungefähren Einflussbereiche in der Republik Syrien veranschaulicht. Auf der Karte wird deutlich, dass die YPG und die SDF den Großteil der Region um Ain al Arab ( Kobanê ) kontrollieren. Die Karte zeigt auch, dass auch Regierungs- und regierungsnahe Kräfte in der Gegend um Ain al Arab (Kobanê ) präsent sind. Rund um das Gebiet Ain al--Arab (Kobanê)) muss laut Karte –– Stand Dezember 2022–– mit einer (pro--)Regime--Militärpräsenz gerechnet werden.
1.3. Feststellungen zum relevanten Vorbringen des BF iZm einer Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten:
Der BF stammt aus Kobane, das zur Zeit zum Großteil unter der Kontrolle der YPG und SDF steht. Es sind in der Region Kobane auch Regierungs- und regierungsnahe Kräfte präsent.
In Kobane leben noch Onkel väterlicherseits des BF, zu denen der BF aber keinen Kontakt mehr hat.
Der BF hat den verpflichtenden syrischen Wehrdienst nicht abgeleistet. Eine drohende Rekrutierung des BF durch die syrische Armee kann nicht festgestellt werden, ebenso wenig wie eine Gefährdung durch die syrische Regierung wegen einer illegalen Ausreise des BF über die türkische Grenze.
Für den Fall, dass der BF im Rahmen der kurdischen Selbstverwaltung zum „Militärdienst“ eingezogen würde, dauert dieser „Wehrdienst“ aktuell ein Jahr. Der Einsatz der Rekruten erfolgt normalerweise im Bereich des Nachschubs und des Objektschutzes. Eine Verlegung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch bzw. im Konfliktfall. Eine Verweigerung des „Wehrdienstes“ wird von den kurdischen Autonomiebehörden nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung gesehen. Unter Umständen kann bei einem Entzug eine Verhaftung, berichtsweise von ein bis zwei Wochen, drohen, sowie eine Verlängerung des Wehrdienstes um ein Monat bis auf insgesamt 15 Monate.
Eine Gefährdung des BF aus einem eskalierten Grundstückstreit in Kobane, im Zuge dessen die Onkel väterlicherseits ein Mitglied eines Clans aus dem Nachbardorf getötet haben sollen, wird nicht festgestellt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zum Punkt 1.1. beruhen in erster Linie auf den glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des BF im Laufe des Verfahrens, auch in der mündlichen Verhandlung, und auf dem Verwaltungsakt der belangten Behörde.
2.2.
2.2.1. Die Länderfeststellungen zu 1.2.1. beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.12.2022, und darin auf den folgenden Detailquellen:
Quellen zu den Kapiteln Politische Situation in Nordostsyrien und Sicherheitssituation:
■ AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.11.2021): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2072999/Ausw%C3%A4rtiges_ Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_LageJn_der_Arabischen_Republik_Syrien%2C_%28Stan d_November_2021%29%2C_29.11.2021.pdf, Zugriff 19.12.2022
■ AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht -ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff
18.8.2020
■ AJ - Al Jazeera (18.11.2022): Analysis: Is Turkey set for a new military operation in Syria?, https:// www.aljazeera.com/news/2022/11/18/analysis-is-turkey-set-for-a-new-military-operation-in-syria, Zugriff 19.12.2022
■ AAN/MEI - Ayman Abdel Nour in Middle East Institute (24.7.2020): Syria’s 2020 parliamentary elections: The worst joke yet, https://www.mei.edu/publications/syrias-2020-parliamentary-electio ns-worst-joke-yet, Zugriff 18.8.2020
■ BBC - BBC News (25.2.2019): Why is there a war in Syria?, https://www.bbc.com/news/world-mid dle-east-35806229, Zugriff 18.8.2020
■ BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Syria, https://bti-project.org/filea dmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SYR.pdfZugriff 18.3.2022
■ BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Syria, https://www.ecoi.net/en/ file/local/2029497/country_report_2020_SYR.pdf, Zugriff 19.8.2020
■ COAR - Center for Operational Analysis and Research (27.7.2020): Potemkin parliament: Baathists consolidate control as access to power shifts, https://coar-global.org/2020/07/27/potemkin-parli ament-baathists-consolidate-control-as-access-to-power-shifts/, Zugriff 15.9.2021
■ DF - Deutschlandfunk (16.11.2022): Krieg in Syrien. Umgang mit einem erstarrten Konflikt, https: //www.deutschlandfunk.de/syrien-tuerkei-fluechtlinge-buergerkrieg-assad-kurden-100.html, Zugriff 19.12.2022
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■ Savelsberg, Eva: Der Aufstieg der kurdischen PYD im syrischen Bürgerkrieg (2011 bis 2017). In STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/561 8_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020
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■ taz - Die Tageszeitung (15.10.2022): Kurdischer Kanton Afrin in Nordsyrien: Eine Bande durch die andere ersetzt, https://taz.de/Kurdischer-Kanton-Afrin-in-Nordsyrien/!5888260/, Zugriff 19.12.2022
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■ WP - Washington Post, The (22.7.2020): Syria’s elections have always been fixed. This time, even candidates are complaining., https://www.washingtonpost.com/world/middle_east/syrias-elections -have-always-been-fixed-this-time-even-candidates-are-complaining/2020/07/22/76e0bb12-cb5 f-11ea-99b0-8426e26d203b_story.html, Zugriff 18.8.2020
Quellen zum Kapitel Wehrdienst in Nordost-Syrien:
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■ AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/60
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■ BMLV - Militärexperte des Bundesministeriums für Landesverteidigung (12.10.2022): Antwortschreiben Version 2 (Stand 16.9.2022)
■ COAR - Center for Operational Analysis and Research (7.6.2021): Deadly SDF Crackdown as Conscription Sparks Menbij Unrest, https://coar-global.org/2021/06/07/deadly-sdf-crackdown-a s-conscription-sparks-menbij-unrest/, Zugriff 9.12.2022
■ DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (6.2022): Syria: Military recruitment in Hasakah Governorate, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075255/syria_fmm_rappport_military_recruitment _hasakah_governorate_june2022.pdf, Zugriff 9.12.2022
■ EB - Enab Baladi (12.7.2019): Compulsory military recruitment in Jazira Region: SDF imposing their authority, https://english.enabbaladi.net/archives/2019/07/compulsory-military-recruitment-i n-jazira-region-sdf-imposing-their-authority/#, Zugriff 9.12.2022
■ EASO - European Asylum Support Office (11.2021): Country Guidance: Syria; Common analysis and guidance note, November 2021 https://www.ecoi.net/en/file/local/2064844/Country_Guidanc e_Syria_2021.pdf, Zugriff 9.12.2022
■ HRW - Human Rights Watch (11.10.2019): Turkey/Syria: Civilians at Risk in Syria Operation, https://www.hrw.org/news/2019/10/11/turkey/syria-civilians-risk-syria-operation, Zugriff 9.12.2022
■ NMFA- Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands - Department for Country of Origin Information Reports [Niederlande] (7.2019): Country of Origin Information Report Syria - The security situation, per E-Mail am 27.8.2019
■ ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff
9.12.2022
■ Rechtsexperte der ÖB Damaskus [Österreich] (14.9.2022): Antwortschreiben per e-Mail
■ Savelsberg, Eva [Vorsitzende des Europäischen Zentrum für Kurdische Studien] (3.11.2017): Informationen per E-Mail
■ SNHR - Syrian Network for Human Rights (26.1.2021): The Bleeding Decade -Tenth Annual Report: The Most Notable Human Rights Violations in Syria in 2020, https://sn4hr.org/wp-content/pdf/engli sh/Tenth_Annual_Report_The_Most_Notable_Human_Rights_Violations_in_Syria_in_2020_en. pdf, Zugriff 9.12.2022
■ UNGASC - United Nations General Assembly (20.6.2019): Report of the Secretary-General [A/73/907-S/2019/509], https://www.ecoi.net/en/file/local/2013574/A_73_907_E.pdf, Zugriff 9.12.2022
Quellen zum Kapitel Allgemeine Menschenrechtslage:
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■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071124.html, Zugriff 6.12.2022
2.2.2 Die ergänzende Information unter 1.2.2. beruht auf den frei im Internet abrufbaren zitierten Berichten der EUAA (vgl. COI Publications | European Union Agency for Asylum (europa.eu)).
2.2.3. Die Länderinformation zur Kontrollsituation in Kobane beruht auf einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 16.05.2023 – „Kontrolle in Ain al-Arab (Kobane)“ –, die die Vertretung des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorlegte. Unter oben 1.2.3. wurden die wesentlichen Inhalte daraus dargestellt.
An der Aktualität, Relevanz und Richtigkeit der Informationen hat die erkennende Richterin keinen Zweifel. Anderslautende Stellungnahmen der Parteien wurden zu diesen Informationen nicht eingebracht.
2.3.
2.3.1. Die Feststellungen unter 1.3. zum Herkunfts- und Wohnort des BF (Kobane) und zu den in Syrien verbliebenen Verwandten beruhen auf den nachvollziehbaren und damit glaubhaften Angaben des BF im Laufe des behördlichen und des gerichtlichen Verfahrens.
Die Feststellungen zur Kontrollsituation in Kobane und in der Region um die Stadt Kobane gründen sich in erster Linie auf einer Nachschau auf der Website Map of Syrian Civil War - Syria news and incidents today - syria.liveuamap.com sowie auf der aktuellen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 16.05.2023.
2.3.2. Der BF bringt in Bezug auf die Zuerkennung des Titels eines Asylberechtigten zuerst vor, für die Kurdinnen und Kurden genauso wie für die syrische Regierung einen („)Wehrdienst(“) ableisten zu müssen und dies nicht zu wollen. Dazu wird beweiswürdigend folgendes ausgeführt:
Einziehung zum „Wehrdienst“ im Rahmen der kurdischen Selbstverwaltung:
Die dazu unter 1.3. weiter getroffenen Feststellungen zum „Wehrdienst“ im Rahmen der kurdischen Selbstverwaltung stellen eine zusammengefasste Wiederholung der unter 1.2. getroffenen Länderinformation dar; zu den Quellen dazu wird auf gleich weiter oben unter 2.2. verwiesen.
Eine drohende Zwangsrekrutierung zur Ableistung der Selbstverteidigungspflicht bei den Kurdinnen und Kurden stellt keine Verfolgung dar, wobei hier, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die rechtliche Beurteilung verwiesen wird. Aus den Länderfeststellungen lassen sich keine ausreichend belastbaren Hinweise daraufhin ablesen, dass der BF im Falle einer Einziehung zur „Selbstverteidigung“ an Kampfhandlungen und/oder Menschenrechtsverletzungen beteiligt sein würde, da die Rekruten normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz eingesetzt werden.
Darüber hinaus führen die relevanten Länderfeststellungen aus, dass die kurdischen Autonomiebehörden eine allfällige Verweigerung einer Einziehung zur Selbstverteidigung nicht als Ausdruck einer bestimmten, insbesondere gegnerischen, Gesinnung ansehen. Der Wehrdienst ist mit ca. einem Jahr, im Falle einer früheren Entziehung mit berichtsweise max. 15 Monaten Dauer beschränkt.
Es wird nicht übersehen, dass die Länderinformationen auch teilweise davon ausgehen, dass eine, berichtsweise ein- bis zweiwöchige, Inhaftierung für Personen, die sich dem Wehrdienst entzogen haben, vorgesehen sein kann; nach einer Quelle, um in dieser Zeit die Einziehung und den Ort der Dienstversehung zu planen. Aus diesen Informationen der aktuellen Länderberichte lässt sich nun aber nicht ableiten, dass mit der Versehung der „Wehrpflicht“ im Rahmen der kurdischen Selbstverwaltung eine unverhältnismäßige Belastung, noch eine unverhältnismäßige Bestrafung der betroffenen Personen im Falle der Entziehung einhergeht.
Einziehung zum Wehrdienst in der syrischen Armee:
In Hinblick auf die rechtskräftige Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus und die damit einhergehend erforderliche Prüfung des konkreten Rückkehrortes geht die erkennende Richterin von einem Herkunfts- bzw. theoretischen Rückkehrort Kobane aus, da der BF dort bis zu seiner Ausreise in die Türkei gelebt hat.
Eine Gefährdung des BF, zum syrischen Militärdienst eingezogen zu werden, lässt sich entsprechend nicht annehmen: in Bezug auf seinen Herkunftsort Kobane, der grundsätzlich nach den relevanten Länderberichten kurdisch kontrolliert wird, ist auf die Länderfeststellungen dahingehend zu verweisen, wonach die syrischen Behörden im Allgemeinen keine Rekrutierungen im Selbstverwaltungsgebiet durchführen können.
Dabei wird nicht übersehen, dass ganz aktuell aus der in der Verhandlung vorgelegten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation hervorgeht, dass die syrische Regierung in der Region präsent ist. Als die Türkei am 9.10.2019 ihre Offensive in Nordsyrien startete, baten die Kurdinnen und Kurden, die im Zuge des Syrien Konflikts eine autonome Verwaltung in der Region aufgebaut hatten, Damaskus um Hilfe. Einer regionalen Quelle zufolge dient die Präsenz der syrische Armee in Teilen der Stadt Ain al Arab (Kobanê) vor allem dem Schutz der Außengrenze.
Aus dieser Information zu einer Präsenz der syrischen Regierung in der Region geht keine darüberhinausgehende Information über die Möglichkeit der syrischen Regierung, dort auch zu rekrutieren, hervor. Dazu geben die aktuellen Länderfeststellungen bekannt, dass Rekrutierungen der SAA in den entsprechenden Enklaven (Sicherheitszonen) [der Regierung] auf freiwilliger Basis stattgefunden haben. Der neuere Bericht der EUAA, Targeting of Individuals aus dem September 2022, führt hierzu an, dass einige Quellen von Zwangsrekrutierungen in den Sicherheitszonen berichten würden, andere jedoch nicht davon ausgehen würden, dass solche in den Sicherheitszonen stattfinden.
Kobane und die Region rundherum kann nun nicht mit den „Sicherheitszonen“, wie sie in Hasaka oder Qamishli bestehen, gleichgesetzt werden; dennoch besteht nachweislich eine militärische Präsenz der syrischen Armee gerade auch in dieser Region. Da aber bereits für die „Sicherheitsquadrate“ keine ausreichend belastbaren Informationen für die Möglichkeit der Durchführung von unfreiwilligen Rekrutierungen durch die syrische Armee bestehen, kann diese umso weniger für eine Region angenommen werden, die grundsätzlich unter der Kontrolle der kurdischen Kräfte steht, aber eine militärische Präsenz der Syrer:innen vorhanden ist. Demnach ist die Berichtslage nicht ausreichend belastbar, um von einer entsprechend dringlich anstehenden („wahrscheinlichen“) (Zwangs-)Rekrutierung des BF im Falle einer Rückkehr nach Kobane durch die syrische Armee ausgehen zu können.
Ob eine Einreise nach Syrien einen entsprechenden Behördenkontakt voraussetzen würde, ist an dieser Stelle nicht zu prüfen, da es bei der Verneinung einer Verfolgung nach § 3 AsylG 2005 für die Klärung des Sachverhalts im Hinblick auf den Asylstatus auf die Erreichbarkeit der Herkunftsregion nicht ankommt (vgl. VwGH 09.03.2023, Ra 2022/20/0211; 03.01.2023, Ra 2022/01/0328 mwN).
Da daher von einer Rekrutierungsmöglichkeit durch die syrische Armee in Kobane nicht ausgegangen wird, wird auf das Vorbringen der Vertretung des BF betreffend die Folgen einer Wehrdienstverweigerung nicht weiter eingegangen.
2.3.3. Das gleiche gilt betreffend das Vorbringen einer illegalen Ausreise und einer allgemeinen Rückkehrproblematik: da nicht von einem Kontakt mit dem syrischen Regime ausgegangen wird (siehe dazu auch erneut VwGH 09.03.2023, Ra 2022/20/0211; 03.01.2023, Ra 2022/01/0328 mwN), können die von der Vertretung in der Beschwerde geschilderten Gefahren durch die syrische Regierung in Bezug auf den BF nicht angenommen werden.
2.3.4. Der BF bringt vor dem BFA und auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor, es bestehe ein familiäres Problem, da seine Verwandten ein Mitglied einer anderen Familie wegen eines Grundstücksstreits umgebracht hätten, und auch er aus diesem Grund im Sinne einer Blutrache in Gefahr wäre. Der BF kann weder zum zugrundeliegenden Streit, noch zum Vorfall, bei dem Onkel des BF ein Mitglied eines Clans aus einem Nachbarort getötet haben soll, noch zu allfälligen Bedrohungen daraus nähere Angaben machen. In der mündlichen Verhandlung nachgefragt kam hervor, dass der BF keine Einzelheiten zu diesem Vorbringen kennt, sondern er nur Erzählungen seiner Onkel dazu zugehört hat. Aus den diesbezüglichen Angaben des BF, aus denen sich weder der konkrete zugrundeliegende Streit, noch der angebliche Vorfall mit der Tötung eines Clanmitglieds aus dem Nachbardorf, noch eine konkrete Gefährdung des BF aus einem solchen möglichen Vorfall konkretisieren lassen, kann aufgrund dieser Vagheit keine positive Feststellung zu einer entsprechenden Gefährdung getroffen werden.
2.4. Die erkennende Richterin übersieht die Länderinformationen zur Situation in Syrien nicht, wonach es ein Charakteristikum des Bürgerkriegs dort ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird, sowie das Willkürelement des Konflikts. Die Zuschreibung einer Gegnerschaft basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "(regierungs-)freundlich" oder "(regierungs-)feindlich" gilt. In Bezug auf den BF ergaben sich jedoch im Verfahren keine Hinweise darauf, dass diese allgemeinen Berichte und die darauf fußenden Möglichkeiten einer asylrelevanten Behandlung im gegenständlichen Falle für die konkrete Situation des BF anzunehmen sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Spruchpunkt I.:
3.1. Rechtsgrundlagen
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069).
Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.
3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).
3.1.4. Gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) kann Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zu gelten, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Art. 12 Abs. 2 fallen. Letztgenannte beinhalten etwa Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:
3.2.1. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, ist es dem BF insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
3.2.2. Aufgrund der Kontrolllage in der Herkunftsregion des BF in Kobane fehlt es gemäß den relevanten Länderberichten der Annahme einer Verfolgungsgefahr durch die syrische Regierung wegen einer dem BF auch nur unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung aufgrund einer möglichen Verweigerung einer Einberufung zum Militär, aber auch aufgrund seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung in Österreich, an der nötigen Wahrscheinlichkeit.
3.2.3. Die „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ ist ein de facto autonomes Gebiet im Nordosten von Syrien, das jedoch nicht anerkannt ist. Bereits aus diesem Grund, liegt gegenständlich – mangels Militärdienstes eines souveränen Staates – im Hinblick auf die „Selbstverteidigungspflicht“ in der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ der Tatbestand einer Verfolgungshandlung gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. e der Statusrichtlinie nicht vor.
Von einer – nicht asylrelevanten – Zwangsrekrutierung durch einen nichtstaatlichen Akteur ist jene Verfolgung zu unterscheiden, die an die tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Rekrutierung selbst kommt es in einem solchen Fall nicht an. Dabei ist entscheidend, mit welchen Reaktionen auf Grund der Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, zu rechnen ist und ob in dem Verhalten eine – sei es auch nur unterstellte – politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (vgl. zum Ganzen VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0079, Rz 15 mwN; auch VfGH 25.02.2019, E4032/2018, Pkt. 2.1., mwN).
Nach den oben getroffenen Feststellungen ist angesichts des Alters des Beschwerdeführers, nachdem er die „Selbstverteidigungspflicht“ noch nicht erfüllt hat und Wehrpflichtige auch einberufen und ausgeforscht werden, davon auszugehen, dass die Furcht, von der Selbstverteidigungspflicht betroffen zu sein, wohlbegründet sein kann.
Eine Verbindung zwischen einer mit zumindest maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden Rekrutierungshandlung zu einem der in Art 1 Abschnitt A Z 2 genannten Gründe der GFK kann aber nicht erkannt werden:
So folgt aus den Länderfeststellungen, dass dem BF aufgrund der Verweigerung der „Selbstverteidigungspflicht“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ keine politische oppositionelle Gesinnung unterstellt wird. Soweit der BF von den Folgen der Verweigerung der „Selbstverteidigungspflicht“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ betroffen sein könnte, haben sich (auch) keinerlei Hinweise bzw. kein Gesamtbild für eine auf Konventionsgründen beruhende unverhältnismäßige Bestrafung des BF im gesamten Verfahren ergeben.
Eine Verbindung zum Konventionsgrund der politischen Gesinnung ist daher bei gesamthafter Betrachtung der Reaktionen der de facto Behörden der kurdischen Selbstverwaltung nicht herzustellen. Auch einen sonstigen Nexus ist nicht erkennbar. Daher führt eine allfällige Weigerung des BF, der „Selbstverteidigungspflicht“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ Folge zu leisten, nicht dazu, dass ihm asylrechtlicher Schutz zu gewähren ist.
3.2.4. Da der BF während des Verfahrens keine ausreichend wahrscheinlich und aktuell drohende Verfolgungsgefahr aus Gründen der Zugehörigkeit zur bestimmten sozialen Gruppe der Familie wegen einer Blutrache glaubhaft machen konnte, kann auch daraus keine Asylzuerkennung abgeleitet werden, und eine Überlegung, ob das Vorabentscheidungsverfahren zu C-217/23 eine Vorfrage darstellt, unterbleiben.
3.2.5. Die gegenständliche Einschätzung soll keineswegs das Ausmaß an Willkür, Menschenrechtsverletzungen und die Gefahrenpotentiale banalisieren, der bzw. denen als oppositionell angesehene Personen in Syrien ausgesetzt sein können. In Bezug auf das allgemeine Sicherheitsrisiko wurde dem BF auch zu Recht subsidiärer Schutz gewährt. Dennoch fehlt es in seinen persönlichen Umständen an Hinweisen auf eine individuelle, den BF betreffende maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufgezählt sind, weshalb der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids nicht stattgegeben werden kann.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben unter 3. dargestellte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.
Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.