JudikaturBVwG

W170 2273548-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 2023

Spruch

W170 2273548-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 28.04.2023, Zl. 1307449210/221563205, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß §§ 28 Abs. 2 VwGVG, 3 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) ist ein volljähriger, syrischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Kurden und der Konfession der Sunniten zugehörig, in Österreich unbescholten und steht dessen Identität nicht fest.

1.2. Der Beschwerdeführer hat am 12.05.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem jedoch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattgegeben wurde. Dem Beschwerdeführer wurde der diesbezügliche Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Behörde) am 04.05.2023 zugestellt.

Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 25.05.2023, am selben Tag bei der Behörde eingebracht, Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten, die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten blieb unbekämpft.

Die Beschwerde wurden am 14.06.2023 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

1.3. Das Bundesamt hat festgestellt, dass der Beschwerdeführer aus dem Dorf Ali Shar (in Folge: Herkunftsgebiet), in der Nähe der Stadt Kobane stammt; dem ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten.

1.4. Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers befindet sich in einem Bereich, der sowohl von der kurdischen Zivilverwaltung als auch der syrischen Armee gemeinsam kontrolliert wird, da die Kurden das syrische Militär zur Abwehr der Türken eingeladen haben, sich in diesem Gebiet aufzuhalten.

Sowohl die kurdische Zivilverwaltung als auch das syrische Militär kann im Herkunftsgebiet auf den Beschwerdeführer greifen.

1.5. In Bezug auf den Wehrdienst in der syrischen Armee wurde vom Bundesamt unter anderem festgestellt, dass für männliche syrische Staatsbürger im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend ist. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren. Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt. Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Insbesondere die Ausnahmen für Studenten können immer schwieriger in Anspruch genommen werden. Fallweise wurden auch Studenten eingezogen. In letzter Zeit mehren sich auch Berichte über die Einziehung von Männern, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Während manche Quellen berichten, dass sich die syrische Regierung bei der Rekrutierung auf Alawiten und regierungstreue Gebiete konzentrierte, berichten andere, dass die syrische Regierung Alawiten und Christen nun weniger stark in Anspruch nimmt. Glaubhaften Berichten zufolge gab es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet. Die im März 2020 und Mai 2021 vom Präsidenten erlassenen Generalamnestien umfassten auch einen Straferlass für Vergehen gegen das Militärstrafgesetzbuch, darunter Fahnenflucht; die Verpflichtung zum Wehrdienst bleibt davon unberührt. Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert. Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen. Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse. Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palästinensischen Befreiungsarmee (Palestinian Liberation Army - PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten. Die syrische Regierung hat im Jahr 2016 begonnen, irreguläre Milizen im begrenzten Ausmaß in die regulären Streitkräfte zu integrieren. Mit Stand Dezember 2022 werden die regulären syrischen Streitkräfte immer noch von zahlreichen regierungsfreundlichen Milizen unterstützt.

Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet. Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen. Rekrutierungskampagnen werden aus allen Gebieten unter Regimekontrolle gemeldet, besonders auch aus wiedereroberten Gebieten. Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten, wie zum Beispiel Ost-Ghouta, Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt. Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. In Homs führt die Militärpolizei beispielsweise stichprobenartig unvorhersehbare Straßenkontrollen durch. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden. Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden. Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z.B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden, berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden. Unbestätigten Berichten zufolge wird der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit informiert, wenn die Gründe für einen Aufschub nicht mehr gegeben sind, und diese werden auch digital überprüft. Früher mussten die Studenten den Status ihres Studiums selbst an das Militär melden, doch jetzt wird der Status der Studenten aktiv überwacht. Generell werden die Universitäten nun strenger überwacht und sind verpflichtet, das Militär über die An- oder Abwesenheit von Studenten zu informieren. Berichten zufolge wurden Studenten trotz einer Ausnahmegenehmigung gelegentlich an Kontrollpunkten rekrutiert. Ein befragter Rechtsexperte der ÖB Damaskus berichtet, dass die syrische Regierung in den Gebieten unter Kontrolle der Autonomous Administration of North and East Syria (AANES) in der Lage ist, zu rekrutieren, jedoch nicht in allen Gebieten der AANES, in denen die kurdischen Gruppierungen vor Ort die Oberhand haben. Die syrische Regierung ist nach wie vor in einigen von der AANES kontrollierten Gebieten präsent und kann dort rekrutieren, wo sie im Sicherheitsdistrikt oder muraba’a amni im Zentrum der Gouvernements präsent ist, wie in Qamishli oder in Deir ez-Zor. In einigen Gebieten wie Afrin hat die syrische Regierung jedoch keine Kontrolle und kann dort keine Personen einberufen. Nach dem Abkommen zwischen den Syrian Democratic Forces (SDF) und der syrischen Regierung Mitte Oktober 2019, das die Stationierung von Truppen der syrischen Regierung in zuvor kurdisch kontrollierten Gebieten vorsah, wurde berichtet, dass syrische Kurden aus dem Gebiet in den Irak geflohen sind, weil sie Angst hatten, in die Syrische Arabische Armee eingezogen zu werden.

Die syrische Regierung hat das syrische Militärdienstgesetz während des Konflikts mehrfach geändert, um die Zahl der Rekruten zu erhöhen. Mit der COVID-19-Pandemie und der Beendigung umfangreicher Militäroperationen im Nordwesten Syriens im Jahr 2020 haben sich die groß angelegten militärischen Rekrutierungskampagnen der syrischen Regierung in den von ihr kontrollierten Gebieten jedoch verlangsamt, und im Jahr 2021 hat die syrische Regierung damit begonnen, Soldaten mit entsprechender Dienstzeit abrüsten zu lassen. Nichtsdestotrotz wird die syrische Armee auch weiterhin an der Wehrpflicht festhalten, nicht nur zur Aufrechterhaltung des laufenden Dienstbetriebs, sondern auch, um eingeschränkt militärisch operativ sein zu können. Ein neuerliches „Hochfahren“ dieses Systems scheint derzeit [Anm.: Stand 16.9.2022] nicht wahrscheinlich, kann aber vom Regime bei Notwendigkeit jederzeit wieder umgesetzt werden. Vor 2011 lag die Dauer der Wehrpflicht zwischen eineinhalb und zweieinhalb Jahren. Seit 2011 leisten die meisten Reservisten und Militärangehörigen ihren Dienst auf unbestimmte Zeit, nachdem die syrische Regierung die Abrüstung von Rekruten einstellte. Nachdem die Regierung große Teile des Gebiets von bewaffneten Oppositionellen zurückerobert hatte, wurde mit der Entlassung der ältesten Rekrutenklassen begonnen, welche seit 2011 im Dienst waren. Mitte Oktober 2018 berichteten regierungsnahe Medien, dass etwa 800.000 Männer nicht mehr für den Reservedienst benötigt werden. Eine Reihe Syrer kehrten daraufhin nach Syrien zurück, wobei manche über Beziehungen in der Heimat ihren Wehrdienststatus überprüfen ließen und sich versicherten, dass sie tatsächlich nicht mehr gesucht werden. Zumindest manche der Rückkehrer wurden wenige Wochen später eingezogen, nachdem das Verteidigungsministerium im Dezember 2018 neue Einberufungslisten für den Reservedienst veröffentlichte, und so die vorherige Entscheidung aufhob. Die Gründe für diese Verkettung von Ereignissen ist jedoch laut International CrisisGroup schwer zu ermitteln. Im November 2020 erließ die Armeeführung der syrischen Regierung zwei Verwaltungserlässe, mit denen der Militärdienst für bestimmte Kategorien von Offizieren und Ärzten, die bis Januar 2021 zwei, bzw. siebeneinhalb Jahre als Reservisten gedient haben, faktisch beendet wird. Zwei Erlässe beendeten mit 7.4.2020 den Militärdienst für bestimmte Kategorien von ehemals Wehrpflichtigen, welche nach dem Wehrdienst nicht abgerüstet worden waren, sowie von einberufenen Reservisten. Zwei weitere Erlässe – Berichten zufolge im November 2020 – beendeten den Einsatz und die Einberufung bestimmter Profile von Reservisten. Zahlreiche Männer leisten ihren Wehrdienst jedoch weiterhin über den verpflichtenden Zeitraum hinaus ab. Gleichzeitig werden Berichten aus dem Jahr 2021 zufolge weiterhin neue Rekruten und Reservisten eingezogen, und Rekrutierungskampagnen werden aus allen Gebieten unter Regimekontrolle gemeldet, besonders auch aus wiedereroberten Gebieten. Grundsätzlich vermeidet es die syrische Armee, neu ausgebildete Rekruten zu Kampfeinsätzen heranzuziehen, jedoch können diese aufgrund der asymmetrischen Art der Kriegsführung mit seinen Hinterhalten und Anschlägen, wie zuletzt beispielsweise in Dara’a, trotzdem in Kampfhandlungen verwickelt werden. Alle Eingezogenen können dagegen laut EASO [Anm.: inzwischen in European Union Agency for Asylum (EUAA) umbenannt] potenziell an die Front abkommandiert werden. Ihr Einsatz hängt vom Bedarf der Armee für Truppen sowie von den individuellen Qualifikationen der Eingezogenen und ihrem Hintergrund oder ihrer Kampferfahrung ab. Eingezogene Männer aus „versöhnten“ Gebieten werden disproportional oft kurz nach ihrer Einberufung mit minimaler Kampfausbildung als Bestrafung für ihre Illoyalität gegenüber dem Regime an die Front geschickt. Reservisten werden in (vergleichsweise) kleinerer Zahl an die Front geschickt. [Anm.: In welcher Relation die Zahl der Reservisten zu den Wehrpflichtigen steht, geht aus dem Bericht nicht hervor.]

Das syrische Militärdienstgesetz erlaubt es syrischen Männern und registrierten Palästinensern aus Syrien im Militärdienstalter (18-42 Jahre) und mit Wohnsitz im Ausland, eine Gebühr („badal an-naqdi“) zu entrichten, um von der Wehrpflicht befreit und nicht wieder einberufen zu werden. Bis 2020 konnten Männer, die sich mindestens vier aufeinanderfolgende Jahre außerhalb Syriens aufgehalten haben, einen Betrag von 8.000 US-Dollar zahlen, um vom Militärdienst befreit zu werden, wobei noch weitere Konsulargebühren anfallen. Im November 2020 wurde mit dem Gesetzesdekret Nr. 31 die Dauer des erforderlichen Auslandsaufenthalts auf ein Jahr reduziert, und die Gebühr auf 10.000 USD erhöht. Wer zwei, drei, vier oder mehr Jahre im Ausland wohnhaft ist, muss 9.000, 8.000 bzw. 7.000 USD bezahlen, um befreit zu werden. Wer außerhalb Syriens lebt und als Reservist einberufen wird, kann eine Befreiung erhalten, indem er 5.000 USD bezahlt. Für außerhalb Syriens geborene Syrer im wehrpflichtigen Alter, welche bis zum Erreichen des wehrpflichtigten Alters dauerhaft und ununterbrochen im Ausland lebten, gilt eine Befreiungsgebühr von 3.000 USD. Wehrpflichtige, die im Ausland geboren wurden und dort mindestens zehn Jahre vor dem Einberufungsalter gelebt haben, müssen einen Betrag von 6.500 USD entrichten. Ein Besuch von bis zu drei Monaten in Syrien wird dabei nicht als Unterbrechung des Aufenthalts einer Person in dem fremden Land gewertet. Für jedes Jahr, in welchem ein Wehrpflichtiger weder eine Befreiungsgebühr bezahlt, noch den Wehrdienst aufschiebt oder sich zu diesem meldet, fallen zusätzliche Gebühren an. Eine Quelle berichtet, dass auch Männer, die Syrien illegal verlassen haben, durch die Zahlung der Gebühr vom Militärdienst befreit werden können. Diese müssen ihren rechtlichen Status allerdings zuvor bei einer syrischen Auslandsvertretung bereinigen. Informationen über den Prozess der Kompensationszahlung können auf den Webseiten der syrischen Botschaften in Ländern wie Deutschland, Ägypten, Libanon und der Russischen Föderation aufgerufen werden. Bevor die Zahlung durchgeführt wird, kontaktiert die Botschaft das syrische Verteidigungsministerium, um eine Genehmigung zu erhalten. Dabei wird ermittelt, ob die antragstellende Person sich vom Wehrdienst freikaufen kann. Laut z.B. der syrischen Botschaft in Berlin müssen u.a. entweder ein Reisepass oder Personalausweis sowie eine Bestätigung der Ein- und Ausreise vorgelegt werden, welche von der syrischen Einwanderungs- und Passbehörde ausgestellt wird („bayan harakat“). So vorhanden, sollten die Antragsteller auch das Wehrbuch oder eine Kopie davon vorlegen. Offiziell ist dieser Prozess relativ einfach, jedoch dauert er in Wirklichkeit sehr lange, und es müssen viele zusätzliche Kosten aufgewendet werden, unter anderem Bestechungsgelder für die Bürokratie. Beispielsweise müssen junge Männer, die mit der Opposition in Verbindung standen, aber aus wohlhabenden Familien kommen, wahrscheinlich mehr bezahlen, um vorab ihre Akte zu bereinigen.

Diesen Feststellungen ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten und schließt sich das Bundesverwaltungsgericht diesen an.

1.6. Das Bundesamt hat festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht für den Militärdienst einberufen wurde und auch wegen des nicht geleisteten Militärdienstes vom Regime nicht gesucht wird. Das Bundesamt hat weiters festgestellt, dass man sich darüber hinaus durch die Leistung einer Ausgleichszahlung von der Ableistung des Militärdienstes befreien könne und der Beschwerdeführer diese Möglichkeit nicht in Anspruch genommen hat.

Dass der Beschwerdeführer bis dato nicht zum Militärdienst einberufen wurde, entspricht der Aktenlage und dem Vorbringen des Beschwerdeführers; dass er wegen des nicht geleisteten Militärdienstes vom Regime nicht gesucht werde, widerspricht dem Akteninhalt. Es besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer vom syrischen Militär wegen des nicht abgeleisteten Militärdienstes gesucht wird.

Dass man sich darüber durch die Leistung einer Ausgleichszahlung von der Ableistung des Militärdienstes befreien könne und der Beschwerdeführer diese Möglichkeit nicht in Anspruch genommen hat, entspricht der Aktenlage. Mangels eines Reisepasses oder eines Personalausweises, der nach den Feststellungen des Bundesamtes (und unter 1.5.) Voraussetzung für die Leistung einer Ausgleichszahlung sind, kann sich der Beschwerdeführer zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt (unabhängig von der rechtlichen Relevanz) nicht vom Wehrdienst freikaufen.

1.7. In Bezug auf den Selbstverteidigungsdienst in den kurdischen Einheiten wird festgestellt, dass Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren im kurdisch kontrollierten Teil Syriens zum „Wehrdienst“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ verpflichtet sind. Nach Angaben verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird dieses Gesetz auch mit Gewalt durchgesetzt. Es wurden auch mehrere Fälle von willkürlichen Verhaftungen zum Zwecke der Rekrutierung dokumentiert. Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung umfassen Haftstrafen sowie eine Verlängerung des Wehrdienstes. Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen. Die Autonomiebehörden dürften laut der Österreichischen Botschaft Damaskus eine Verweigerung aber nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen.

Weiters ergibt sich aus der zitierten Länderquelle, dass das in absoluten Zahlen größere Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen durch das Regime andere Konfliktparteien ausdrücklich nicht entlaste. Es ließen sich unter anderem durch die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) über den Konfliktzeitraum hinweg zahlreiche Menschenrechtsverstöße unterschiedlicher Schwere und Ausprägung dokumentieren. Hierzu zählen für alle Akteure willkürliche Verhaftungen, Praktiken wie Folter, grausames und herabwürdigendes Verhalten und sexualisierte Gewalt sowie Verschwindenlassen Verhafteter. Teile der SDF, einer Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheiten, zu der auch Mitglieder der Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gehören, sollen für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein, darunter willkürliche Inhaftierungen, Folter, Korruption und Einschränkungen der Versammlungsfreiheit. Die SDF führen Massenverhaftungen von Zivilisten, darunter Aktivisten, Journalisten und Lehrer, durch. In der ersten Jahreshälfte 2021 belief sich die Zahl der Verhafteten laut dem SNHR auf 369 Personen. Das US-Außenministerium berichtet hingegen von „gelegentlichen“ Einschränkungen von Menschenrechtsorganisationen und Schikanen gegen Aktivisten vonseiten der SDF und anderen Oppositionsgruppen, darunter „in manchen Fällen“ willkürliche Haft.

Die Einsätze der Rekruten erfolgen im Rahmen der „Selbstverteidigungspflicht“ normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in al-Hassakah, wo es im Jänner 2022 zu dem IS-Befreiungsversuch mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt auf eigenen Wunsch oder bei Konfliktbedarf. Die kurdischen „Selbstverteidigungseinheiten“ (YPG) stellen einen wesentlichen Teil der Kämpfer und v.a. der Führungsebene der SDF, welche in Kooperation mit der internationalen Anti-IS-Koalition militärisch gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in Syrien vorgehen. Die SDF, YPG und YPJ (Frauenverteidigungseinheiten) stoßen nicht nur mit türkischen Streitkräften und verschiedenen islamistischen Extremistengruppen in der Region zusammen, sondern gelegentlich auch mit kurdischen bewaffneten Gruppen, den Streitkräften des Assad-Regimes, Rebellen der Freien Syrischen Armee und anderen Gruppierungen. Die kurdisch kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens umfassen den größten Teil des Gebietes, der zuvor durch den IS kontrolliert wurde, und führt der IS nach wie vor militärische Operationen und Gegenangriffe im Gebiet durch.

Zu den Haftbedingungen in Syrien ist anzuführen, dass diese laut Auswärtigem Amt „unverändert grausam und menschenverachtend“ sind, systematische Folter, Hinrichtungen und die Haftbedingungen führen zu einer hohen Sterblichkeitsrate von Gefangenen. Die Gefängnisse sind stark überfüllt, es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Hygiene und Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Zwischen März 2011 und Juni 2021 dokumentierte das Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SNHR) den Tod von mindestens 14.565 Personen, darunter 181 Kinder und 93 (erwachsene) Frauen, durch Folter durch die Konfliktparteien und die kontrollierenden Kräfte in Syrien, wobei das syrische Regime für 98,6 % dieser Todesfälle verantwortlich ist. Auch die Rebellengruppierungen werden außergerichtlicher Tötungen, der Folter von Inhaftierten, Verschwindenlassen und willkürlicher Verhaftungen beschuldigt, diese Berichte betreffen unter anderem die SDF. Die kurdischen Sicherheitskräfte kontrollieren weiterhin knapp 30 Lager mit 11.000 internierten IS-Kämpfern (davon 500 aus Europa) sowie die Lager mit Familienangehörigen; der Großteil davon in al-Hol. Die Gesamtzahl der Menschen in al-Hol beläuft sich nun auf etwa 53.000, das Lager hat sich zunehmen zunehmend zu einem unsicheren und unhygienischen Freiluftgefängnis entwickelt. 64 % der Bewohner von al-Hol sind Kinder, die täglicher Gewalt und Kriminalität ausgesetzt sind. Im Jahr 2021 war die häufigste Todesursache in al-Hol, mit 38 % aller Todesfälle im Lager, der Tod im Zusammenhang mit Straftaten. Laut Ärzte ohne Grenzen wurden zusätzlich zu den 85 kriminalitätsbedingten Todesfällen in dem Lager auch 30 Mordversuche gemeldet.

Daher besteht eine hinreichende, wenn auch nicht überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Dienst bei den Kurdischen Volksverteidigungseinheiten mit dem Zwang zur Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen – vor allem bei der Bewachung von Gefangenen – verbunden ist, dies auch unter Berücksichtigung, dass die Rekruten vordergründlich in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz und nur bei Bedarf an der Front eingesetzt werden. Es kommt im Nordostsyrien mehrfach zu Zusammenstößen der kurdischen Streitkräfte mit anderen Gruppierungen, sodass die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass Rekruten der kurdischen Selbstverteidigungspflicht aufgrund des Bedarfes in Kampfeinsätzen eingesetzt werden im Zusammenhang mit diesen Einsätzen ist auch die maßgebliche, wenn auch nicht überwiegende, Wahrscheinlichkeit gegeben, dass Rekruten – zumindest indirekt – am Menschenrechtsverletzungen beteiligt wäre. Auch wird von systematischer Folter in den syrischen Haftanstalten berichtet, wobei auch den SDF Folter von Inhaftierten vorgeworfen wird, vor diesem Hintergrund ist auch bei einem Einsatz zur Überwachung einer Haftanstalt die maßgebliche Wahrscheinlichkeit gegeben, dass Rekruten – zumindest indirekt – am Menschenrechtsverletzungen beteiligt wäre.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu 1.1. gründen sich hinsichtlich der Unbescholtenheit auf die vom Bundesverwaltungsgericht zeitnah eingeholte und in das Verfahren eingeführte Strafregisterauskunft des Beschwerdeführers, ansonsten auf die Angaben des Beschwerdeführers, die das Bundesamt auch als Verfahrensidentität festgestellt hat.

Dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststeht, hat das Bundesamt mit dem Fehlen überprüfbarer Personaldokumente begründet, dem ist der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht entgegengetreten; allerdings hat der Beschwerdeführer einen mit einem Foto versehenen Auszug aus dem Personenregister vorgelegt. Hierbei handelt es sich jedoch um keinen Identitätsausweis, insoweit kann dem Bundesamt hinsichtlich des Schlusses, die Identität stehe nicht fest, nicht entgegengetreten werden.

2.2. Die Feststellungen zu 1.2. gründen sich auf die unbedenkliche Aktenlage der jeweiligen Verwaltungs- und Gerichtsakte.

2.3. Die Feststellung zum Herkunftsort findet sich auf AS 74 (Seite 12 des Bescheides); dass der Beschwerdeführer dieser Feststellung nicht entgegengetreten ist, ergibt sich aus der Beschwerde. Die Feststellung deckt sich auch mit den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (siehe AS.en 11 [Erstbefragung] und 48, 50 [behördliche Einvernahme]); es gibt daher keinen Grund, diese nicht der Sachverhaltsfeststellung zu Grunde zu legen.

2.4. Die Feststellung gründet sich auf die Feststellungen des Bundesamtes, AS 86 ff; zwar wurden die Karten aus der Länderinformation der Staatendokumentation, Version 8, 29.12.2022 [in Folge: LI], S. 13, S. 28 ff) irrtümlich nicht im Bescheid abgedruckt, jedoch hat das Bundesamt das LI dem Parteiengehör (AS 53) unterzogen und ist der Beschwerdeführer dieser Feststellung nicht entgegengetreten (siehe AS 311 ff).

2.5. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage; dass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Feststellungen anschließt, begründet sich darin, dass diese ausnahmslos dem LI entnommen sind.

2.6. Die Feststellungen zu den Feststellungen des Bundesamtes ergeben sich aus der Aktenlage (AS 75).

Zwar ist es richtig, dass der Beschwerdeführer bis dato nicht einberufen wurde, dabei übersieht das Bundesamt aber, dass der Beschwerdeführer Syrien verlassen hat, bevor er das wehrdienstpflichtige Alter erreicht hat.

Dass der Beschwerdeführer in Syrien wegen des Wehrdienstes vom Regime nicht gesucht wird, ist ein unzulässiger Schluss des Bundesamtes, da dieser Syrien vor Erreichen des wehrdienstfähigen Alters verlassen hat und nach den Feststellungen unter 1.5. (bzw. den entsprechenden Feststellungen im Bescheid) das Militär selbst über Idlib, das nicht unter Kontrolle des Regimes ist, so hinreichend Bescheid weiß, dass es Personen, die dort leben und wehrdienstpflichtig werden, auf die Liste der gesuchten Personen setzen kann. Es besteht auf Grund der Feststellungen im Bescheid und unter 1.5. die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer seit dem Erreichen des 18. Lebensjahres als Wehrdienstverweigerer gesucht wird.

2.7. Die Feststellungen zu 1.7. ergeben sich aus dem im Bescheid wiedergegebenem LI (siehe insbesondere ab AS.en 198), denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist und die das Bundesverwaltungsgericht teilt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 3 AsylG 2005 ist einem Asylwerber auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesem im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und diesem keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien.

3.2. Die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz durch das Bundesamt steht mangels einer diesbezüglichen relevanten Änderung der Rechts- oder Tatsachenlage einer Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative entgegen (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/18/0054); es ist nicht zu erkennen, dass es seit Ablauf des 08.06.2023 (Datum der Rechtskraft des II. Spruchpunktes) zu einer relevanten Änderung der Tatsachenlage gekommen ist, zumal das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers immer noch in der Hand des Regimes und der kurdischen Selbstverwaltung ist.

3.3. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung kommt es hinsichtlich der Frage, ob der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist, nicht auf die Sicherheitslage, die Rückkehrsituation und/oder die Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Asylwerbers an (VwGH 27.05.2015, Ra 2015/18/0041). Daraus folgt, dass hinsichtlich der Gewährung des Status des Asylberechtigten (anders wäre dies hinsichtlich der Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu sehen, siehe abermals VwGH 27.05.2015, Ra 2015/18/0041) unter anderem die Anreise außer Bedacht zu bleiben hat und es nur darauf ankommt, ob den Beschwerdeführern Verfolgung im Herkunftsgebiet droht.

Die bedeutet, dass nur zu prüfen ist, ob dem Beschwerdeführer im Herkunftsgebiet in Syrien, also im Dorf Ali Shar (in Folge: Herkunftsgebiet), in der Nähe der Stadt Kobane asylrelevante Verfolgung droht. Das Herkunftsgebiet ist – wie festgestellt – sowohl in der Hand des syrischen Militärs als auch der kurdischen Selbstverwaltung.

3.4. Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr in sein Herkunftsgebiet, das in der Hand des Regimes ist, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Einziehung zum syrischen Militär; dieser Militärdienst wäre mit hinreichender Sicherheit mit dem Zwang zur Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen verbunden. In der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird ausgeführt, dass drohende Bestrafung wegen der Weigerung der Teilnahme an einem von der Völkergemeinschaft verurteilten Kriegseinsatz dann zur Asylgewährung führen könne, wenn dem jeweiligen Asylwerber eine feindliche politische Gesinnung unterstellt werde (siehe etwa VwGH 21.12.2000, 2000/01/0072). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt darüber hinaus ausdrücklich die Auffassung, dass unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen – etwa gegen die Zivilbevölkerung – auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung darstellen kann (VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009). Dies ist auch in Art. 9 Abs. 2 lit e der Richtlinie 2011/95/EU ausdrücklich festgehalten. Daher ist eine (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 der genannten Richtlinie fallen, eine (drohende) asylrelevante Verfolgung. Genau eine solche droht dem Beschwerdeführer.

Der Beschwerdeführer hat sich bis dato nicht vom Wehrdienst freigekauft, er ist mangels Personalausweises oder Reisepasses dazu auch nicht in der Lage.

3.5. Darüber hinaus kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (VwGH 27.04.2011, 2008/23/0124).

Zu den Gründen, die es rechtfertigen, den Wehrdienst zu verweigern, wird unter anderem gezählt, dass der Militärdienst in einem Konflikt Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 der Statusrichtlinie fallen, also etwa Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen werden. Eine Strafverfolgung oder Bestrafung kann in diesem Fall nach Art. 9 Abs. 2 lit. e Statusrichtlinie als Verfolgung gelten. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 26.2.2015 in der Rechtssache C-472/13, Shepherd, klargestellt, dass sich auf den Flüchtlingsschutz nicht nur derjenige berufen kann, der den Wehrdienst verweigert, weil er persönlich solche Verbrechen begehen müsste. Es reicht vielmehr aus, dass der Betroffene an solchen Verbrechen nur indirekt beteiligt wäre, etwa weil er nicht zu den Kampftruppen gehört, sondern z.B. einer logistischen oder unterstützenden Einheit zugeteilt ist. Allerdings ist nach den Darlegungen des EuGH erforderlich, dass es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheint, dass der Betroffene sich bei der Ausübung seiner Funktionen in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müsste (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0330).

Im Gegensatz zu jemandem, der sich einer allgemeinen Wehrpflicht seines Heimatstaates durch Desertion entzieht, findet eine Zwangsrekrutierung durch eine rebellierende Gruppe ihre rechtliche Deckung nicht in dem grundsätzlichen Recht eines souveränen Staates, seine Angehörigen zur Militärdienstleistung zu verpflichten und einzuziehen. Daher ist für die Desertion aus einer Zwangsrekrutierung durch rebellierende Gruppen auch nicht jener Maßstab anzulegen, der für die Verweigerung der Ableistung des staatlichen Militärdienstes und etwaigen daraus drohenden Strafen anzulegen ist. Der Verwaltungsgerichtshof unterscheidet von der Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei die Verfolgung, die an die tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung, auf Grund deren sich der Verfolgte der Zwangsrekrutierung entzogen hat, anknüpft. Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung selbst kommt es in einem solchen Fall nicht mehr an. Es ist darauf abzustellen, ob das Vorbringen des Asylwerbers hinreichend deutliche Hinweise darauf enthält, dass sein Wunsch, eine ihm widerrechtlich aufgezwungene Militärdienstleistung zu vermeiden, auf einer politischen oder moralischen Überzeugung beruhe, dass ihm eine solche unterstellt oder dass in anderer Weise an einen der in der Flüchtlingskonvention genannten Verfolgungsgründe angeknüpft werden würde (vgl. VwGH 28.11.2014, Ra 2014/01/0094).

Dem Beschwerdeführer droht als gerade 18jährigem Kurden, der im Bereich der kurdischen Selbstverwaltung sein Herkunftsgebiet hat in diesem auch, von den Kurden zwangsrekrutiert zu werden.

Der Beschwerdeführer hat hinreichend deutlich klargemacht, dass sein Wunsch, eine ihm widerrechtlich aufgezwungene Militärdienstleistung zu vermeiden, auf seiner moralischen Überzeugung beruht, nicht kämpfen zu wollen, in Frieden leben und niemanden töten zu wollen. Daran ändert auch nichts, dass die Autonomiebehörden laut den Länderfeststellungen eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen.

Auch handeln die kurdischen Machthaber quasi-staatlich, es handelt sich daher beim Selbstverteidigungsdienst um einem dem Wehrdienst gleichzuhaltenden Dienst. Es stellt daher die drohende Haftstrafe bei Weigerung gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. e Status-Richtlinie eine Verfolgungshandlung dar, da, wie festgestellt, die Ableistung des kurdischen „Selbstverteidigungsdienstes“, wenn auch nicht mit Sicherheit aber doch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, mit der direkten oder indirekten Verpflichtung der Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen verbunden ist.

In Zusammenschau haben sich im vorliegenden Fall daher ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung im Form einer Zwangsrekrutierung droht.

3.5. Da darüber hinaus keine Hinweise für vom Beschwerdeführer verwirklichten Asylausschluss- oder -endigungsgründe festzustellen sind, ist der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen; gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist weiters auszusprechen, dass diesem somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Anzumerken ist, dass dem Beschwerdeführer und der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 damit ex lege eine (ab Erlassung dieses Erkenntnisses) auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter bzw. Asylberechtigte zukommt; da eine entsprechende Feststellung aber nicht angeordnet ist, hat diese nicht spruchgemäß zu ergehen.

Daher ist spruchgemäß zu entscheiden.

3.6. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG – der diesbezüglich § 24 Abs. 4 VwGVG vorgeht (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) – kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig und in ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren erhoben wurde, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch aktuell und vollständig ist und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilt.

Das ist hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhalts hier der Fall, da dieser bereits von der Behörde ordnungsgemäß ermittelt wurde, auch ist der Beschwerdeführer dem ermittelten Sachverhalt in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten.

Es waren lediglich die Schlüsse der Behörde insoweit unrichtig, als diese die Asylrelevanz des Vorbringens nicht erkannt hat. Daher konnte eine mündliche Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die relevante Rechtsprechung unter A) dargestellt und dem gegenständlichen Fall unterstellt. Es stellt sich daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

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