JudikaturBVwG

W170 2273425-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Verwaltungsgerichtsbarkeit
03. Juli 2023

Spruch

W170 2273425-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts St. Pölten vom 24.05.2023, Pers 9-St-22, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 6 Abs. 2 1. Satz SDG, 28 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) wurde zuletzt mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts St. Pölten (in Folge: Behörde) vom 09.05.2018, Pers 9-St-22, für näher bestimmte Fachgebiete bis zum 09.05.2023 in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen eingetragen bzw. die bestehende Eintragung bis zu diesem Zeitpunkt verlängert. Gegen den Bescheid wurden keine Rechtsmittel ergriffen.

Am 22.05.2023 langte bei der Behörde der Antrag des Beschwerdeführers auf Rezertifizierung ein.

Mit Bescheid der Behörde vom 24.05.2023, Pers 9-St-22, wurde der Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen; begründend wurde ausgeführt, dass der Antrag verspätet sei, weil dieser erst am 23.05.2023, somit nach Ablauf der Befristung der Eintragung bei Gericht überreicht worden sei. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zugestellt, dieser hat auf der Übernahmebestätigung kein Datum vermerkt.

Mit Schriftsatz vom 31.05.2023, am 05.06.2023 bei der Behörde eingebracht, wurde gegen den Bescheid Beschwerde erhoben; begründend wurde ausgeführt, dass die Zertifizierung des Beschwerdeführers bis zum 31.12.2023 verlängert worden sei und der Antrag daher nicht verspätet sei. Auch der Sachverständigen-Ausweis – von diesem wurde eine Ablichtung beigelegt – sei bis 31.12.2023 gültig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der unstrittigen Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Mit Bescheid der Behörde vom 09.05.2018, Pers 9-St-22, wurde der Beschwerdeführer für näher bestimmte Fachgebiete in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen eingetragen bzw. die Eintragung verlängert und diese bis zum 09.05.2023 befristet. Der Bescheid ist nach der Aktenlage in Rechtskraft erwachsen.

Hingegen ist der Sachverständigenausweis bis zum 31.12.2023 gültig.

Allerdings kommt dem Sachverständigenausweis nur deklaratorische Bedeutung zu, ebenso wie eine Aufenthaltskarte nach § 54 NAG 2005 keinen Aufenthaltstitel darstellt, sondern nur deklaratorische Bedeutung hat (VwGH 26.04.2016, Ra 2015/09/0137) oder ein Konventionsreisepass keine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten per se darstellt, sondern ebenso nur deklaratorische Bedeutung hat (VwGH 16.03.2023Ro 2022/22/0003).

Dass dies auch im SDG der Fall ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass gemäß § 8 Abs. 4 2. Satz SDG der Sachverständigte bei Streichung aus der Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste die Ausweiskarte unverzüglich zurückzustellen hat und nicht etwa die Ausweiskarte entzogen werden muss.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine deklarative Bescheinigung keine Auswirkungen auf das Bestehen oder Nichtbestehen des zugrundeliegenden Rechts haben (VwGH 17.06.2019, Ro 2019/22/0001).

Daher ist für die Frage, wie lange die Zertifizierung befristet war, der Sachverständigenausweis ohne Bedeutung und kommt es nur auf den der (Re-)Zertifizierung zugrundeliegenden Bescheid an. Hier endete die Zertifizierung daher mit 09.05.2023.

3.2. Gemäß § 6 Abs. 2 1. Satz SDG ist der Antrag auf Rezertifizierung frühestens ein Jahr und spätestens drei Monate vor Ablauf der jeweiligen Frist zu stellen (§ 4 Abs. 1 erster Satz SDG), es handelt sich hierbei um eine gesetzliche Frist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist etwa auch die Berufungsfrist eine zwingende, auch durch Behörden nicht erstreckbare gesetzliche Frist. Selbst eine unrichtige Rechtsauskunft darüber seitens der Behörde vermag keine Erstreckung derselben zu erwirken (VwGH 30.06.2004, 2004/09/0073).

Selbiges gilt auch für die Frist nach § 6 Abs. 2 1. Satz SDG, diese kann – selbst durch eine ausdrückliche Genehmigung eines entsprechenden Antrags durch die Behörde – nicht erstreckt werden.

3.3. Da die Zertifizierung des Beschwerdeführers als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger am 09.05.2023 endete, hätte er gemäß § 6 Abs. 2 1. Satz SDG seinen Rezertifizierungsantrag zwischen dem 10.05.2022 und dem 09.02.2023 stellen müssen; gestellt wurde der Antrag am 22.05.2023 (nicht am 23.05.2023), weil es bei einer materiellrechtlichen Frist (siehe unten) auf das Einlangen bei der Behörde ankommt. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass die Frist des § 6 Abs. 2 1. Satz SDG eine materiellrechtliche Frist ist, die Unterscheidung zwischen verfahrensrechtlichen (prozessualen) und materiellrechtlichen Fristen wird in der Rechtsprechung wie folgt getroffen: Soll eine Handlung prozessuale Rechtswirkungen auslösen (Verfahrenshandlung), dann stellen die dafür gesetzten Fristen verfahrensrechtliche (formelle) Fristen dar; ist eine Handlung hingegen auf den Eintritt materieller Rechtswirkungen gerichtet, so stellt eine allenfalls dafür vorgesehene Frist eine materiellrechtliche Frist dar (VwGH 21.12.2004, 2003/04/0138). Diesbezüglich hat der Verwaltungsgerichtshof etwa ausgesprochen, dass die in § 2 Abs. 3 dritter Satz Studienbeitragsverordnung 2004 normierte Frist bis zum nächstfolgenden 30. September, während der ein Antrag auf Rückzahlung des Studienbeitrages für das Sommersemester zulässig ist, eine materiellrechtliche Frist ist, da der (materiellrechtliche) Anspruch des Studierenden auf Rückzahlung des Studienbeitrages von der rechtzeitigen Geltendmachung innerhalb der genannten Frist abhängt und bei deren Versäumung erlischt (VwGH 09.12.2013, 2011/10/0179 unter Bezugnahme auf Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 13). Im Licht der dargestellten Judikatur handelt es sich bei der Frist des § 6 Abs. 2 SDG, die die für die Stellung des Antrags auf Rezertifizierung als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger zu beachtende Frist normiert, daher auch um eine materiellrechtliche Frist. Materiellrechtliche Fristen zeichnen sich (im Vergleich zu verfahrensrechtlichen Fristen) insbesondere dadurch aus, dass etwa auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht anwendbar ist.

Daher ist der Antrag zu spät eingebracht worden und erfolgte die Zurückweisung somit zu Recht. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die relevante Rechtslage unter A) dargestellt, es finden sich keine offenen Rechtsfragen.

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