JudikaturBVwG

W170 2272992-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 2023

Spruch

W170 2272992-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2023, Zl. 1290962007/211901205, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 28 Abs. 2 VwGVG, 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) ist ein volljähriger, syrischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Araber und der Konfession der Sunniten zugehörig, in Österreich unbescholten und steht dessen Identität fest.

1.2. Der Beschwerdeführer hat am 09.12.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem jedoch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattgegeben wurde. Dem Beschwerdeführer wurde der diesbezügliche Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Behörde) am 28.04.2023 zugestellt.

Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 19.05.2023, am selben Tag bei der Behörde eingebracht, Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten, die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten blieb unbekämpft.

Die Beschwerde wurden am 05.06.2023 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

1.3. Das Bundesamt hat in seinem Bescheid festgestellt, dass der Beschwerdeführer in der Stadt Idlib geboren wurde und dort sein gesamtes Leben verbracht habe, bis dieser 2012 wegen eines Studiums in das Gouvernement Lataktia gezogen sei, wo er bis 2014 gelebt und studiert habe. 2014 sei er nach Idlib zurückgekehrt, wo er bis zu seiner Ausreise in den Libanon im Jahr 2018 verblieben sei. 2021 sei der Beschwerdeführer kurzfristig nach Syrien zurückgekehrt, um in die Türkei auszureisen.

Diese Feststellungen entsprechen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung, vor dem Bundesamt hat der Beschwerdeführer keinen anderen Herkunftsort bezeichnet.

In der Beschwerde hat der Beschwerdeführer diese Feststellung nicht bekämpft, viel mehr führt er an, dass der Beschwerdeführer Tishrin (richtig: Tishreen Gouvernement Latakia) nach einer Demonstration 2013 verlassen und sich „in einer Region versteckt [hat], die nicht unter der Kontrolle des Regimes stand“. Damit werden die Feststellungen des Bundesamtes im Wesentlichen bestätigt, nach denen der Beschwerdeführer das Gouvernement Lataktia nach einem kurzen Aufenthalt wieder verlassen hat.

1.4. Die Stadt Idlib ist in der Hand der HTS, die Regierung bzw. das Regime und seine Sicherheitsbehörde haben in der Stadt Idlib keinen Zugriff auf den Beschwerdeführer.

Dem ist die Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten.

1.5. Das Bundesamt hat festgestellt, dass anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), bewaffnete oppositionelle Gruppen wie SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay’at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auferlegen. Im Mai 2021 kündigte HTS an, künftig in ldlib Freiwilligenmeldungen anzuerkennen, um scheinbar Vorarbeit für den Aufbau einer „regulären Armee“ zu leisten. Der Grund dieses Schrittes dürfte aber eher darin gelegen sein, dass man in weiterer Zukunft mit einer regelrechten „HTS-Wehrpflicht“ in ldlib liebäugelte, damit dem „Staatsvolk“ von ldlib eine „staatliche“ Legitimation der Gruppierung präsentiert werden könnte.

Diese Feststellungen entsprechen dem Inhalt des LI, diesen wurde in der Beschwerde nicht substantiiert widersprochen.

Der Beschwerdeführer hat in der Erstbefragung und vor der Behörde niemals angegeben, dass er fürchte, von der HTS zwangsrekrutiert zu werden. Er weist lediglich auf zwei Brüder hin, die (im Gebiet der HTS, in der Stadt Idlib) in einem Militärkrankenhaus arbeiten würden; von einer Zwangsrekrutierung ist nicht die Rede.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu 1.1. gründen sich hinsichtlich der Unbescholtenheit auf die vom Bundesamt eingeholte Strafregisterauskunft des Beschwerdeführers, ansonsten auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten unbedenklichen syrischen Ausweise, insbesondere seinen Personalausweis.

2.2. Die Feststellungen zu 1.2. gründen sich auf die unbedenkliche Aktenlage der jeweiligen Verwaltungs- und Gerichtsakte.

2.3. Die Feststellungen zu 1.3. hinsichtlich der Feststellungen des Bundesamtes ergeben sich aus dem Bescheid, AS 210, hinsichtlich der Ausführungen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung aus dem Protokoll dieser (AS 39) und hinsichtlich der Ausführungen des Beschwerdeführers in der behördlichen Einvernahme aus dem Protokoll dieser (siehe AS 103: „LA: Entsprachen die Angaben in der Erstbefragung vom 09.12.2021 insbesondere zu Fluchtgrund und Reiseroute der Wahrheit: VP: Ja.“).

Die Feststellungen zum gegenständlichen Inhalt der Beschwerde ergeben sich aus dieser, insbesondere auf AS 305.

2.4. Die Feststellungen zu 1.4. ergeben sich aus dem Bescheid, der insoweit die Länderinformation der Staatendokumentation, Version 8, 29.12.2022 [in Folge: LI], zitiert, insbesondere ist auf die AS.en 214, 225 ff zu verweisen.

Die Feststellungen zum gegenständlichen Inhalt der Beschwerde ergeben sich aus dieser; zwar wird in der Beschwerde immer wieder auf die dem Beschwerdeführer vorbringlich durch die Regierung drohende Verfolgung verwiesen. Dass diese in der Stadt Idlib des Beschwerdeführers in der Lage sein sollte, des Beschwerdeführers habhaft zu werden, bringt die Beschwerde nicht substantiiert vor.

2.5. Die Feststellungen hinsichtlich 1.5. zum Inhalt des Bescheides ergeben sich aus diesem, AS 259; hinsichtlich der entsprechenden Feststellungen des LI siehe dieses, S. 122. Die Feststellungen zum gegenständlichen Inhalt der Beschwerde ergeben sich aus dieser, insbesondere wird auf AS 304 nur angeführt: „Für den BF besteht die Gefahr bei Checkpoints von der syrischen Regierung oder einer anderen Gruppe rekrutiert oder aufgrund der unterstellten oppositionellen Gesinnung festgenommen zu werden.“, S. 305: „Die Behörde zählt in der Beweiswürdigung selbst ein halbes Dutzend Akteure auf, von denen man eine Zwangsrekrutierung erwarten kann …“

Die Feststellungen zum Vorbringen des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Niederschrift der Einvernahme vor dem Bundesamt, insbesondere AS 105.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 3 AsylG 2005 ist einem Asylwerber auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesem im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht, diesem keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall hinsichtlich des Beschwerdeführers zweifellos Syrien, da dieser die syrische Staatsangehörigkeit besitzt.

3.2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum AsylG 1991, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).

3.3. Die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz durch das Bundesamt steht mangels einer diesbezüglichen relevanten Änderung der Rechts- oder Tatsachenlage einer Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative entgegen (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/18/0054); es ist nicht zu erkennen, dass es seit dem 26.05.2023 (Rechtskraft des Spruchpunktes II. des Bescheides, mit dem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist) zu einer relevanten Änderung der Tatsachenlage gekommen ist, zumal die Stadt Idlib weiterhin in der Hand der HTS ist und eine andere relevante Änderung nicht zu ersehen ist.

3.4. Der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass nur zu prüfen ist, ob dem Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsgebiet droht. Es kommt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nämlich nicht auf Feststellungen zur Sicherheitslage, Rückkehrsituation und Erreichbarkeit der Herkunftsregion der Beschwerdeführer für die Klärung des Sachverhalts im Hinblick auf den Asylstatus an (VwGH 27.05.2015, Ra 2015/18/0041).

3.5. Als Herkunftsgebiet ist jener Ort zu sehen, an dem sich der der Beschwerdeführer aufgehalten hat, bevor er die Flucht – auch wenn diese vorerst nur innerhalb des Herkunftsstaates stattgefunden hat – begonnen hat (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Im Sinne des oben dargelegten ist dann zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer an diesem Ort eine asylrelevante Verfolgung droht oder nicht.

Im Sinne des oben ausgeführten ist das zu prüfende Herkunftsgebiet die Stadt Idlib, weil der Beschwerdeführer, so lange er sich in Syrien aufgehalten hat, bis auf eine kurze Zeit in Latakia immer in der Stadt Idlib gelebt hat, auch unmittelbar bevor er Syrien verlassen hat.

3.6. Dies bedeutet, dass nur zu prüfen ist, ob dem Beschwerdeführer im unter 3.5. bezeichneten Herkunftsgebiet, der Stadt Idlib, asylrelevante Verfolgung droht, die Sicherheitslage, die Rückkehrsituation und Erreichbarkeit dieses Herkunftsgebietes haben ebenso außer Betracht zu bleiben wie eine innerstaatliche Fluchtalternative.

Im Herkunftsgebiet droht dem Beschwerdeführer keine Verfolgung. Zweifelsohne müsste dieser Verfolgung durch die Regierung befürchten, weil er in Syrien an regimekritischen Demonstrationen teilgenommen und sich dem Wehrdienst entzogen hat. Allerdings kann das Regime bzw. dessen Sicherheitsbehörden in Idlib nicht auf den Beschwerdeführer greifen und sind diese daher – im Sinne des unter 3.4. ausgeführten – keine relevanten Verfolger.

In der Beschwerde wird (zumindest implizit) behauptet, dem Beschwerdeführer drohe Zwangsrekrutierung durch die in Idlib herrschende HTS. Dem widersprechen aber die Länderfeststellungen, die auf dem LI basieren und denen der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten ist. Auch hat der Beschwerdeführer eine drohende Zwangsrekrutierung durch die HTS vor der Behörde nicht vorgebracht, obwohl spätestens die Frage, ob seine Brüder zum Militärdienst eingezogen worden seien und seine Antwort, dass die „dort wo sie leben“, das ist ebenfalls in Idlib, es keinen Militärdienst gebe, einen Hinweis auf eine Zwangsrekrutierung durch die HTS hervorbringen hätte müssen, wenn der Beschwerdeführer auch nur befürchtet hätte, dass ihm eine solche droht.

Da auch andere asylrelevante Verfolgungsgründe, die dem Beschwerdeführer in Idlib drohen könnten, weder vorgebracht worden noch diese von Amts wegen zu erkennen sind, ist die Beschwerde abzuweisen.

3.7. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG – der diesbezüglich § 24 Abs. 4 VwGVG vorgeht (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) – kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig und in ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren erhoben wurde, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch aktuell und vollständig ist und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilt.

Das ist hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhalts hier der Fall, da dieser bereits von der Behörde ordnungsgemäß ermittelt wurde. Dem ist der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten und konnte daher eine mündliche Verhandlung entfallen, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt im Wesentlichen unbestritten ist und vom Bundesamt in einem ordentlichen Ermittlungsverfahren mit (spätestens im Bescheid gewährtem) hinreichenden Parteiengehör ermittelt worden ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Unter A) wurde die relevante, im Lichte der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutige Rechtslage dargestellt und der Entscheidung unterstellt. Daher ist die Revision nicht zulässig

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