JudikaturBVwG

W152 2257001-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
31. Mai 2023

Spruch

W152 2257001-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX StA. Jemen, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2022, Zl. 1282274109-211110386, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.05.2023 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer reiste am 10.08.2021 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, worauf er am 10.08.2021 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und am 16.11.2021 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen wurde.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies dann den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Bescheid vom 08.06.2022, Zahl: 1282274109-211110386, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II). Gleichzeitig wurde ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt III). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte fest, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger des Jemen sei. Es drohe ihm jedoch keine asylrelevante Gefahr.

Gegen Spruchpunkt I des oben genannten Bescheides erhob der Asylwerber fristgerecht Beschwerde.

Mit Schriftsatz vom 11.07.2022 (hg. eingelangt am 14.07.2022) legte das Bundesamt die Verwaltungsakten vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen (Sachverhalt):

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Jemen und gehört der arabischen Volksgruppe und der sunnitischen Religionsgemeinschaft an. Der Beschwerdeführer wurde in Mekka in Saudi-Arabien geboren, wo er auch sein Leben verbrachte. Dessen – inzwischen im März 2023 verstorbener – Vater stammte ursprünglich aus der – nunmehr von den Huthi kontrollierten – Provinz Ibb im Jemen, begab sich jedoch bereits als junger Mann nach Saudi-Arabien. Der Vater des Beschwerdeführers entschloss sich dann in Aden im Jemen ein Haus zu bauen. Zu diesem Zwecke übermittelte der Vater des Beschwerdeführers immer wieder Geldbeträge einer Person, die er von der Arbeit in Saudi-Arabien kannte. Als der ältere Bruder des Beschwerdeführers im Jänner 2019 in den Jemen reiste, um in Aden hinsichtlich des Hausbaues Nachschau zu halten, kam es mit einer Person, die einem einflussreichen Stamm angehörte und die vom vormaligen Arbeitskollegen des Vaters geschickt wurde, zu einem Streit und einem Handgemenge. Da die geschickte Person bewaffnet war, sah sich der ältere Bruder des Beschwerdeführers gezwungen, sich im Rahmen der Notwehr zu verteidigen, wobei sein Gegner unglücklicherweise Verletzungen erlitt, an denen dieser einige Tage später verstarb. Daraufhin initiierten die Angehörigen des Stammes des Verstorbenen einen Haftbefehl gegen den älteren Bruder des Beschwerdeführers wegen Mordes. Da der ältere Bruder des Beschwerdeführers nach diesem Vorfall wieder aus dem Jemen ausreiste, war dieser für die jemenitischen Behörden nicht mehr greifbar, und es wurde auch ein Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer erlassen, wobei die Staatsanwaltschaft in Aden anordnete, dass der Vater des Beschuldigten und der Beschwerdeführer festzunehmen seien und in Haft gehalten werden sollen, bis sich der Beschuldigte stelle. Weiters besteht noch ein familiärer Konflikt, der zwischen dem Vater und dem Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers ausbrach und aus Erbschaftsstreitigkeiten enstand. Der in Rede stehende Onkel lebt numehr in Sanaa im Jemen und schloss sich den Huthi an, wobei er ein höherer Kommandant ist. Im Jahre 2021 rief dieser Onkel an und drohte vor dem Hintergrund von Abschiebungen von Jemeniten aus Saudi-Arabien dem Beschwerdeführer mit der Rekrutierung für die Huthi.

Feststellungen zur Lage im Jemen:

Politische Lage

Die Republik Jemen bezeichnet sich in ihrer am 15./16.5.1991 in einer Volksabstimmung angenommenen Verfassung (geändert am 28.9.1994) als unabhängigen, arabischen, islamischen und republikanischen Staat. Staatsreligion ist der Islam (GIZ 10.2019). Die innere Lage des Landes wird immer noch durch die geteilten historischen Erfahrungen geprägt: einerseits britische Kolonialherrschaft und danach sozialistische Einflüsse im Süden, andererseits eine konservative muslimische Herrschaft und Stammesgesellschaft im Norden. 1990 vereinigten sich beide Staaten; der Nordjemen war dabei die dominierende Kraft (DW 30.1.2018). Die gravierenden ökonomischen, sozialen und politischen Differenzen zwischen beiden Landesteilen sind jedoch nicht überwunden (GIZ 10.2019). Die politischen Herausforderungen für Jemen bestanden bereits vor Ausbruch des andauernden bewaffneten Konflikts im Jahr 2014. 2004 begann in der nordjemenitischen Provinz Saada der Huthi-Aufstand, ab 2007 erstarkte die sezessionistische Bewegung im Süden des Landes. Beide Gruppen begehren gegen die Marginalisierung ihrer jeweiligen Region auf. Zusätzlich breitete sich spätestens seit 2009 das internationale islamistische Terrornetzwerk Al-Qaida im Jemen immer weiter aus. 2011 kam es landesweit zu Massenprotesten, in denen die Demonstranten das Ende des Saleh-Regimes und einen demokratischen Wandel forderten. Gleichzeitig traten jedoch Kämpfe innerhalb der Machtelite zutage (BPB 18.10.2011).

Von 1990 bis 2012 regierte [Anm.: der später getötete] Präsident Ali Abdullah Saleh den Jemen unter Zentralisierung der Macht und Kontrolle durch Allianzen mit ausländischen Staaten und lokalen Machthabern (CRS 23.11.2021). Präsident Ali Abdullah Saleh bekämpfte während seiner Amtszeit den mutmaßlich durch den Iran unterstützten Aufstand der Huthis. 2011 trat er nach langen Verhandlungen und unter Zugeständnissen wie Immunität für sich bezüglich niedergeschlagener Proteste zugunsten seines damaligen Vizepräsidenten Abdu Rabbo Mansur Hadi zurück, der 2012 von den Wählern interimistisch im Amt bestätigt wurde. Ein Konsens für die Neuordnung des politischen Systems wurde zwar begonnen, dann aber vom Huthi-Aufstand und dem bewaffneten Konflikt zum Erliegen gebracht (FH 4.2.2019; vgl. Der Standard 4.12.2017, CRS 23.11.2021).

Die Huthi-Bewegung, auch bekannt als Ansar Allah, repräsentiert einige, aber nicht alle der Zaidi-Schiiten im Nordwesten des Jemens. Durch den Angriff auf die Übergangsregierung Hadi im Jahr 2014 nahm die Huthi-Bewegung für sich in Anspruch, breite Sorgen der Bevölkerung anzugehen, einschließlich der anhaltenden Korruption in der Regierung als auch der sich verschlechternden wirtschaftlichen und sozialen Zustände. De facto betrieben die Huthi die gewaltsame Durchsetzung ihrer radikalen Ideologie, welche unter den JemenitInnen weit umstritten ist. Die Konferenz des Nationalen Dialogs sollte explizit ihre Beschwerden behandeln, aber die Huthi lehnten die Ergebnisse der Konferenz ab und griffen stattdessen die Regierung an, was die Basis des aktuellen Konflikts darstellt (WR 5.7.2021). Im Zuge dessen eroberten die Huthi große Teile des Nordens des Landes einschließlich der Hauptstadt Sanaa im September 2014 (CRS 23.11.2021).

Nachdem Präsident Hadi nach Saudi-Arabien geflohen war und um internationale Intervention gebeten hatte, versammelte Saudi-Arabien eine Koalition von mehreren ihrer arabischen Verbündeten und begann mit einer Militäroffensive mit dem Ziel, Hadis Herrschaft wiederherzustellen und die Huthi-Kämpfer aus Sanaa und anderen wichtigen Städten zu vertreiben. Doch handelt es sich nicht um einen Konflikt von nur zwei Parteien, sondern es gibt eine Vielzahl an Kämpfenden deren Allianzen und Loyalitäten eher fließend sind. Im Sommer 2019 eruptierten die lange vorhandenen Spannungen zwischen der international anerkannten Regierung Hadi und dem separatistischen Southern Transitional Council (STC) in offene Kampfhandlungen zwischen den lokalen Verbündeten Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate. Seither kam es zu sporadischen Zusammenstößen, auch wenn beide Seiten ein Abkommen zur Machtteilung Ende 2020 umgesetzt haben und eine gemeinsame fragile Koalitionsregierung gebildet wurde (CRS 23.11.2021, vgl. CIA 2.12.2021). Die südjemenitische „Bewegung des Südens“ („al-hirak al-janubi“) strebt die Unabhängigkeit bzw. Autonomie des seit 1990 mit dem Nordjemen vereinigten Südens an (AA 15.12.2021).

Seit über einer Dekade wird die Republik Jemen von verschiedenen bewaffneten Konflikten mit mehreren heimischen bewaffneten Gruppen und unter Involvierung anderer Staaten als Konfliktparteien zerrissen. Dies hat das zentrale Regierungswesen erodiert und fragmentiert das Land in lokale Machtzentren. Der Kollaps jemenitischer Institutionen im Zuge des Krieges hat die Lebensbedingungen in einem Land weiter verschlechtert, das seit Langem als das ärmste der arabischen Welt gilt. Die Lage im Jemen wird nun als eines der schlimmsten humanitären Krisen weltweit eingestuft (CRS 23.11.2021).

Hadis Regierung ist international anerkannt (FH 4.2.2019; vgl. Der Standard 4.12.2017). Aber sie ist an mehreren anderen Fronten im ganzen Land bedroht. Während die Huthi ihre Offensive gegen Marib fortsetzen und seit September 2021 fast vier Bezirke des Gouvernements eingenommen haben, wächst bei Beobachtern die Sorge, dass die international anerkannte Regierung unter Präsident Hadi zu Fall gebracht werden könnte. Im Süden bauen die nominell Verbündeten vom Südübergangsrat (STC) und dessen Unterstützer, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), ihre Kapazitäten aus und verlegen Truppeneinheiten. An der Westküste dringt Tareq Saleh, der Neffe des ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh, nach Taiz vor, und im Osten setzen die von den VAE unterstützten hadramitischen Elitekräfte Hadi-Truppen unter Druck (Zenith 14.12.2021).

Diese komplexe Situation ist eine Folge der gegensätzlichen Interessen der arabischen Koalitionsmitglieder im Jemen-Krieg, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate. Die ursprüngliche Intervention der arabischen Koalition unter saudischer Führung im März 2015 zielte darauf ab, die Hadi-Regierung in Sanaa wieder einzusetzen und die Huthi in ihr Heimatgouvernement Saada zurückzudrängen. Doch heute sind die Huthi stärker denn je. Die VAE verfolgen mit Hilfe ihrer bewaffneten Verbündeten, darunter der STC, ihre eigenen Interessen im Südjemen. Dies hat dazu geführt, dass die Hadi-Regierung von bewaffneten Gruppen, die von den VAE unterstützt werden, in Gebieten, die sie angeblich kontrolliert, nahezu überwältigt wurde.

Gleichzeitig zögern die Saudis zunehmend, ihre Unterstützung für die Hadi-Regierung aufrecht-zuerhalten, nachdem Riads Versuche gescheitert sind, die Hadi-Regierung und den STC wieder zu einer Einheitsfront gegen die Huthi zusammenzuführen (Zenith 14.12.2021).

Die Brookings Institution teilt das Land mittlerweile in „sieben Jemen“ ein:

1.) Die Huthi im Norden

Im nördlichen Hochland, wo viel der jemenitischen Bevölkerung vor dem Krieg lebte, sind die Huthi an der Macht. Im Jahr 2015 intervenierte Saudi-Arabien militärisch, um zu verhindern, dass die Huthi-Bewegung eine Hizbollah-artige vom Iran unterstützte und bewaffnete Gruppe an seiner südlichen Grenze wird [Anm.: die Hizbollah ist eine libanesische Partei und Miliz, die auch als Terrororganisation eingestuft ist]. Aber der Krieg hat die Huthi und Iran einander noch näher gebracht, z.B. in der Bereitstellung von Raketenkomponenten und Ausbildern sowie Wirtschaftshilfe durch den Iran. Im Jahr 2019 wurden Botschafter ausgetauscht, im Fall des Iran ein Mitglied der Islamischen Revolutionswächter [Anm.: eine mächtige militärische Organisation] (BI 25.3.2021).

Zum Zeitpunkt der saudischen Intervention im Jahr 2015 herrschten die Huthi noch gemeinsam mit Ex-Präsident Saleh im Hochland, nachdem sie in der Zeit 2004-2010 gegeneinander gekämpft hatten. Jetzt waren Präsident Hadi und Saudi-Arabien ihre gemeinsamen Gegner. Als die UN-Sanktionen Salehs Netzwerk schwächten wurde er auch von den Huthi ausmanövriert und schließlich im Dezember 2017 getötet. Seither widmen sich die Huthi der Umstrukturierung des Regierungsapparat in Gebieten unter ihrer Kontrolle, um so ihre Entmachtung – und auch die Wiedervereinigung des Jemen verunmöglichen soll (BI 25.3.2021).

2.) Die Küste am Roten Meer

Entlang der Küste des Roten Meers führt Salehs Neffe Tariq eine Gruppe von Kämpfern an, die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt wird und welche entlang der Front in Hodaida gegen die Huthi positioniert sind (BI 25.3.2021).

3.) Taiz

In der Region Taiz halten die Huthi den nördlichen Teil. Die Islah, eine politische Partei mit Verbindungen zur Muslimbruderschaft, hat den Machtkampf innerhalb der anti-Huthi Allianz gegen die 35. Panzerbrigade und gegen die Abu al-Abbas-Gruppe in der Kontrolle um die Stadt Taiz und den Großteil des südlichen Umlands gewonnen (BI 25.3.2021).

4.) Aden

Der sezessionistisch ausgerichtete Southern Transitional Council (STC) hält seit der Vertreibung von Präsident Hadis Truppen im August 2019 die südliche Hafenstadt Aden. Die Truppen des STC sind mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) verbündet und erhalten von diesen Unter-stützung, denn die VAE lehnt die Islah aufgrund ihrer Verbindungen zur Muslimbruderschaft ab. Der STC kontrolliert auch die Insel Sokotra (BI 25.3.2021).

5.) Lahj

Nördlich von Aden ist eine andere von den VAE unterstützte Gruppe aktive – die salafaistisch geführten Giants Brigades („Riesenbrigaden“). Viele dieser Kämpfer in Lahj sind ebenfalls für eine Sezession – aber nicht unter STC-Führung (BI 25.3.2021).

6.) Marib und Hadramawt

In Marib, dem Schauplatz der aktuellen Huthi-Offensive, hat die Islah-Partei das Sagen. Die Region Hadramawt ist gespalten zwischen den von den VAE unterstützten Hadrami Elite Forces, welche die Küste kontrollieren, und Einheiten im Landesinneren, welche mit der Islah verbündet sind. Präsident Hadis Truppen halten somit das „Machtdreieck“ des Jemen: die Öl- und Gasfelder von Marib, Shabwa und Hadramawt (BI 25.3.2021).

7.) al-Mahra

In al-Mahra an Jemens östlicher Grenze spielt sich zwischen Saudi-Arabien und dem Oman ein Kampf um Einfluss bei den lokalen Stämmen ab. Saudi-Arabien baute in den letzten drei Jahren seine Militärpräsenz an der omanischen Grenze durch mindestens zwei Dutzend Basen aus und rekrutierte lokale Kämpfer für paramilitärische Einheiten. Der Oman sieht al-Mahra als Teil seines Einflussbereichs und arbeitet daran, die saudische Präsenz zu untergraben (BI 25.3.2021).

- Zu der gesellschaftspolitischen Rolle von Stammesführern im Jemen-Krieg

Überall im Jemen wurde der Einfluss der Stammesführer durch den Verlust von Finanzhilfe durch die Regierung in Sanaa und durch Saudi-Arabien im Jahr 2014 geringer. Einige Stammesführer auf beiden Seiten sind Teil der aktuellen Patronage-Netzwerke und haben sich bereichert. Die Mehrheit wurde jedoch an den Rand gedrängt und kämpft mit immer komplexeren Lagen, welche sie und ihre Gemeinschaften bedrohen (Masdar 17.2.2020).

Die meisten Kämpfer auf beiden Seiten sind Mitglieder von Stämmen und wurden direkt oder indirekt von Stammesführern rekrutiert. Zehntausende dieser Männer wurden im Kampf getötet, und ihre Stammesführer tragen gegenüber ihren Stämmen die Verantwortung für die von ihnen Rekrutierten. Daraus ergibt sich die Erwartungshaltung, dass die Stammesführer für die Familien der Gefallenen sorgen und medizinische Hilfe für die Verwundeten organisieren. Das bedingt einen starken Wunsch der Stammesführer nach einem Ende des Kriegs (Masdar 17.2.2020).

Die Huthi gingen in den von ihnen beherrschten Gebieten systematisch gegen Stammesstrukturen vor und unterwarfen die Stämme als potentielle Bedrohung ihrer Macht. Die Mittel der Huthi umfassen unter anderem Entführungen, Folter, Hinrichtungen, das Sprengen von Häusern und die Konfiszierung von Besitz. Die überlebenden Scheichs wurden Großteils durch Netzwerke von „mushrifeen“ (Anm.: eine Art Administratoren) an den Rand gedrängt. Diese stammen normalerweise nicht aus dem betreffenden Stamm, sondern kommen oft aus Saada und Hajjah, und verfügen nun über mehr Macht über die Stämme als die Scheichs je hatten (Masdar 17.2.2020).

Trotz der Schlüsselrolle der Stammesführer bei der Mobilisierung von Kämpfern variieren die Motive und Umstände. Im Norden, wo die Huthi eine Art „Polizeistaat“ eingerichtet haben, soll die Rekrutierung von Kämpfern der Machtstärkung der Huthi dienen, was aber viele Scheichs als Rückkehr zum Imamat als Herrschaftsform auf Kosten der Stämme ablehnen. Daher kommt es im Norden zu vielen Zwangsrekrutierungen: Scheichs, welche nicht bei der Rekrutierung helfen, werden marginalisiert oder brutal bestraft. Aus den Provinzen Al-Baydha, Amran und Ibb werden Hinrichtungen von Stammesführern berichtet. Die Huthi fördern andere, ihnen loyale Personen in den Stämmen mit Geld und Ressourcen als Konkurrenz zu den Scheichs, um unkooperative Stammensführer zu deklassieren. Immer mehr sind die Mushrifeen für die Rekrutierung zuständig. Einige Scheichs kooperieren durch indirekte Rekrutierungen, z.B. wenn sie auf Befehl der Huthi eine Anzahl von Kinder für „Kulturkurse“ bereitstellen sollen, weil sie sonst ihren Kopf riskieren. Diese zweimonatigen „Kulturkurse“ dienen der Indoktrinierung mit Huthi-Ideologie und der Kampfausbildung. Viele Scheichs beugen sich den Huthi angesichts ihres schwindenden Einflusses (Masdar 17.2.2020).

In den Gebieten, welche nicht von den Huthi kontrolliert werden, haben die Scheichs nicht ihren Status verloren. Sie werden ermutigt und belohnt, aber nicht zur Rekrutierung von Kämpfern gezwungen. Hauptmotivation für Stammesführer wie -mitglieder ist der Wunsch nach Verteidigung ihrer Heime gegen die Houthi (Masdar 17.2.2020).

Da Deeskalation Teil der Stammeskultur ist, halten Stammesführer von beiden Seiten ihren Respekt auch im Fall politischer Differenzen aufrecht. Sie können manchmal erfolgreich kurze Waffenstillstände und die Evakuierung von ZivilistInnen aushandeln. Sie konnten auch z.B. erfolgreich den Austausch Tausender Gefangener zwischen Houthis, Regierung und den Stämmen einfädeln. Aber trotzdem sind die Möglichkeiten der Stammesführer zur Milderung des Kriegs auf nationaler Ebene oder bei politischen Konflikten beschränkt. Die Scheichs halten sich nach Möglichkeit aus den Machtkämpfen der politischen Elite aus Angst, ihre Stämme in Gewalt hineinzuziehen, heraus. Eine De-Eskalation des Kriegs bleibt allein vom politischen Willen der Konfliktparteien und ihrer regionalen Verbündeten abhängig (Masdar 17.2.2020).

In Marib stellen die Stämme bei aller Unterschiedlichkeit die letzte Verteidigungslinie der Regierung [Hadi] gegen die Huthi dar. Dort behandeln die Stämme die Islah-Partei wie einen Staat, was durch Gouverneur al-Aradah als Scheich des Abidah-Stammes gefördert wurde (SCSS 4.5.2021).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (Stand 15.12.2021): Jemen: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung) (Unverändert gültig seit: 22.10.2021), Letzte Änderungen: Gesundheit (Aktuelles, Cholera), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/jemen-node/jemensicherheit/202260?openAccordionId=item-301216-1-panel#content_3, Zugriff 15.12.2021

- BI - Brookings Institution (Johnsen, Gregory D.) (25.3.2021): The end of Yemen, https://www.brookings.edu/blog/order-from-chaos/2021/03/25/the-end-of-yemen/, Zugriff 15.12.2021

- BPB – Bundeszentrale für Politische Bildung (18.10.2011): Pro-demokratische Proteste im Jemen, https://www.bpb.de/internationales/afrika/arabischer-fruehling/52404/jemen?p=all, Zugriff 15.11.2019

- CIA World Factbook (2.12.2021): Yemen - Military and Security, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/yemen/#military-and-security, Zugriff 15.12.2021

- CRS – Congressional Research Service (23.11.2021): Yemen: Civil War and Regional Intervention, 23. November 2021, https://sgp.fas.org/crs/mideast/R43960.pdf, Zugriff 15.12.2021

- Der Standard (4.12.2017): Jemens Expräsident tot: Seitenwechsel wurden Saleh zum Verhängnis, https://www.derstandard.at/story/2000069031715/jemen-ein-seitenwechsel-zu-viel-wurde-expraesident-saleh-zum-verhaengnis, Zugriff 15.11.2019

- DW – Deutsche Welle (30.1.2018): Separatisten erobern Regierungssitz des Jemen, https://www.dw.com/de/separatisten-erobern-regierungssitz-des-jemen/a-42363242, Zugriff 15.11.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2016065.html, Zugriff 11.11.2019

- GIZ – Länderinformationsportal (10.2019): Jemen, Geschichte Staat, https://www.liportal.de/jemen/geschichte-staat/, Zugriff 15.11.2019 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und abrufbar]

- Masdar - Al-Masdar Online (17.2.2020): Analysis: Tribal sheikhs and the war in Yemen, https://al-masdaronline.net/national/345, Zugriff 15.12.2021

- SCSS - Sana'a Center for Strategic Studies (Al-Arami, Ahmed Al-Tars ) (4.5.2021): Tribes and the State in Marib, https://sanaacenter.org/publications/analysis/13901, Zugriff 16.12.2021

- WR - War on the Rocks (Feierstein, Gerald; Abo Alasrar, Fatima) (5.7.2021): How Biden Can Help Yemen, https://warontherocks.com/2021/07/how-biden-can-help-yemen/, Zugriff 15.12.2021

- Zenith (Al-Sharjabi, Ahmed) (14.12.2021): Hadis Tage sind gezählt, https://magazin.zenith.me/de/politik/machtkampf-und-der-buergerkrieg-im-jemen, Zugriff 16.12.2021

Sicherheitslage

Centanni, Evan; DjukiDjordje (11.2021): Karte basierend auf Koen Adams’s Karte auf onestopmap.com. In: Political Geography Now (PolGeoNow) (1.12.2021): Yemen Control Map Report: Hadi Forces, Leave Hodeida – November 2021, https://www.polgeonow.com/2021/12/yemen-houthis-sieze-hodeida-map.html, Zugriff 15.12.2021

Der Krieg im Jemen brach im Jahr 2014 aus, als die Huthi weite Teile des Landes, darunter die Hauptstadt Sanaa, überrannten. Seit 2015 versucht eine von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition, die Huthi mit Luftangriffen zurückzudrängen, und die Regierung wiederherzustellen. Beiden Seiten werden schwere Verstöße gegen die Menschenrechte vorgeworfen (TAZ 10.12.2021).

Das Land ist instabil und von bewaffneten Konflikten geprägt. Es bestehen erhebliche Sicherheitsrisiken. Die Entwicklung der Lage ist ungewiss In verschiedenen Landesteilen bekämpfen sich Regierungstruppen (unterstützt durch eine ausländische Koalition) und verschiedene aufständische Gruppierungen. Es finden regelmäßig Luftangriffe auf verschiedene Ziele statt. Auch Sana’a und Aden sind immer wieder von bewaffneten Auseinandersetzungen und Angriffen mit Raketen und Drohnen betroffen. Im Land und in den Küstengewässern werden auch Minen eingesetzt (EDA 30.08.2021).

Zeitweise werden Blockaden über sämtliche Land-, Flug- und Schiffsverbindungen verhängt (EDA 30.08.2021). Im ganzen Land besteht ein hohes Risiko von terroristischen Akten gegen in- und ausländische Personen und Einrichtungen, einschließlich gegen humanitäre Organisationen. Regelmäßig fordern Anschläge Todesopfer und Verletzte (EDA 30.08.2021). Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) operierte im Jemen nicht immer unter ihrem eigentlichen Namen, sondern nannte sich z.B. im Jahr 2011 bei seiner teilweisen Eroberung von Abyan und Shabwa „Gefolgsleute der Scharia“ („Ansar al-Shariah“). Als die Gruppe 2014 bis 2015 die Stadt Mukallah besetzte, trat sie unter dem Namen „Söhne von Hadramawt“ („Sons of Hadramawt“) auf (SCSS 5.1.2021).

Im Indischen Ozean und auch in den jemenitischen Gewässern ist Piraterie verbreitet, besonders im Golf von Aden (EDA 30.08.2021).

Die Gewährleistung der Sicherheit durch staatliche Behörden ist nicht sichergestellt. Der bewaffnete Konflikt zwischen Huthi-Rebellen und der Regierung und ihren Unterstützern dauert weiter an. Anfang August 2019 kam es zu schweren Gefechten zwischen südlichen Separatisten und der Regierung loyalen Truppen in der Hafenstadt Aden. In der Folge kommt es immer wieder zu Kämpfen zwischen diesen Gruppen in den südlichen Provinzen Abyan, Shabwai sowie vereinzelt in Aden selbst. Daneben kommt es auch in Taiz immer wieder zu Kämpfen. Teile des Landes sind von täglichen Bombardierungen, Raketenangriffen und Kampfhandlungen am Boden betroffen. Die weiterhin fortdauernden Kampfhandlungen stellen für die Zivilbevölkerung weiterhin eine erhebliche Gefährdung dar. Ein Ende des Jemen-Konflikts ist nicht absehbar (AA 15.12.2021).

Die staatlichen Institutionen sind landesweit nur noch sehr eingeschränkt funktionsfähig. Bereits im September 2014 hatten Milizen der schiitisch-zaiditischen Huthi-Bewegung die Kontrolle über weite Landesteile, darunter auch die Hauptstadt Sanaa, übernommen und auch Teile der Sicherheitskräfte unter ihre Kontrolle gebracht. Die staatlichen Sicherheitsorgane sind nur bedingt funktionsfähig und können im Einzelfall keinen ausreichenden Schutz garantieren (AA 15.12.2021).

Es kommt weiterhin sehr rasch zu Versorgungsengpässen und Massendemonstrationen, zum Teil verbunden mit gewaltsamen Ausschreitungen (AA 15.12.2021). Bei Demonstrationen kann es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften kommen (EDA 30.08.2021).

Nach sechs Jahren saudischer Militäraktionen im Jemen haben diese keines der Ziele erreicht: Präsiden Hadi befindet sich weiter im Exil, und seine Regierung ist schwach, während die Huthi aktuell stärker sind als zu Kriegsbeginn. Angesichts hunderttausender Toter und der weltweit schlimmsten humanitären Krise ist der Jemen so weit fragmentiert, dass es unwahrscheinlich erscheint, dass aus ihm wieder ein einziger Staat werden kann – oder eine Zweiteilung wie vor 1990. Es gibt stattdessen viele Jemen, kleine Gebiete, die von einer steigenden Zahl an bewaffneten Gruppen gehalten werden, und die unterschiedliche Ziele verfolgen. Keine der bewaffneten Gruppen hat genug Macht, um den Rest des Landes zu beherrschen. Aber fast alle diese Gruppen besitzen genug Truppenstärke und Munition, um ein eventuelles nationales Friedensabkommen zu torpedieren, wenn sie ihre Interessen nicht adäquat vertreten sehen sollten (BI 25.3.2021).

The Armed Conflict Location Event Data Project (ACLED) schätzt, dass seit Beginn der regionalen Intervention im Jemen im März 2015 bis Oktober 2021 über 145.000 JemenitInnen durch Gewalt getötet wurden (CRS 23.11.2021). In einem am 23.11.2021 veröffentlichten Report gibt das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) an, bis Ende des Jahres 2021 mit 377.000 Kriegstoten seit Ausbruch des Konflikts im Jahr 2014 zu rechnen. Rund 60 % der Todesfälle werden dabei den indirekten Folgen des Krieges zugerechnet, etwa Hunger oder mangelnde medizinische Versorgung. Betroffen sind zumeist Kinder unter fünf Jahren, die 70 % der Todesopfer stellen (BAMF 29.11.2021). Ausländische Beobachter verurteilten die Menschenrechtsverletzungen durch alle Konfliktparteien (CRS 23.11.2021). Es gab zahlreiche Berichte über willkürliche oder rechtswidrige Tötungen durch derzeitige oder ehemalige Mitglieder der Sicherheitskräfte der Regierung. Auch politisch motivierte Tötungen durch nichtstaatliche Akteure, einschließlich der Houthi-Truppen, militanter sezessionistischer Elemente und terroristischer und aufständischer Gruppen, die sich zu Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) oder zur Organisation Islamischen Staat bekennen, setzten sich im Laufe des Jahres fort (USDOS 30.3.2021).

Die lange Zeit geteilte Hafenstadt Hodaida am Roten Meer fiel plötzlich unter komplette Houthi-Kontrolle, nachdem sich die mit Präsident Hadi verbündeten Truppen aus dem Gebiet zurückgezogen hatten (PolGeoNow 1.12.2021). Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und den Huthi-Rebellen vertrieben seit November mehr als 25.000 Menschen aus der Umgebung der Hafenstadt Hodaida. Drei Fünftel der Zivilisten flohen in die von der Regierung gehaltenen Gebiete, der Rest zu den Rebellen (TAZ 10.12.2021).

Die bewaffnete Gruppe der Huthi hat seit September wahllos Artillerie und ballistische Raketen in bewohnte Gebiete der Provinz Marib abgefeuert, was zu zivilen Opfern, darunter Frauen und Kindern, und zu einer neuen Welle ziviler Vertreibungen geführt hat. Die Angriffe sind Teil der verschärften Kämpfe zwischen den Huthi-Kräften und der jemenitischen Regierung und ihren verbündeten Streitkräften um Marib. Die Kämpfe tragen dazu bei, dass sich die humanitären Bedingungen für Millionen von Zivilisten und Binnenvertriebenen in der Region verschlechtern. Der große militärische Vormarsch der Huthi-Kräfte zur Eroberung Maribs, der rohstoffreichen Provinz 170 Kilometer östlich von Sanaa und eine der letzten Hochburgen der jemenitischen Regierungstruppen, begann 2020 und hat sich seit Februar intensiviert. Zivilisten und Vertriebene in Marib befinden seit fast zwei Jahren in dieser Lage, und einige leiden unter schweren Entbehrungen. Die Huthi führten wiederholt wahllose Angriffe auf zivile Gebiete durch und blockierten humanitärer Hilfe (HRW 24.11.2021, vgl. CRS 23.11.2021).

Die Provinz Marib ist weiterhin ungeminderter Schauplatz von Gefechten, wobei die nicht international anerkannte Regierung der Huthi langsam an Boden gegenüber den von Saudi-Arabien unterstützten Truppen von Präsident Hadi gewinnt (PolGeoNow 1.12.2021). Marib ist die letzte von der Regierung kontrollierte Großstadt im nördlichen Teil des Landes (BAMF 27.9.2021).

Die Stadt Marib im Jemen ist von einst wenigen hunderttausend Einwohnern zu einer Millionenstadt angewachsen – einigen Schätzungen zufolge bis zu fast drei Millionen Menschen. In dem seit sieben Jahren andauernden jemenitischen Bürgerkrieg hat sich die Stadt zur wichtigsten Zufluchtsstätte der im Land Vertriebenen entwickelt (TAZ 10.12.2021).

War Marib bis Anfang des Jahres noch ein Ruhepol im jemenitischen Bürgerkrieg und daher als Fluchtort beliebt, ist die Stadt inzwischen der am heftigsten umkämpfte Ort in diesem Krieg. Die Huthi-Rebellen versuchen derzeit, zunächst das Umland von Marib zu erobern. Die Stadt selbst kontrollieren noch die jemenitischen Regierungstruppen, die von Saudi-Arabien unterstützt werden. Bisher ist es vor allem die saudische Luftwaffe, die die Rebellen mit ihrem Bombardement noch abhält, sich bis an den Stadtrand vorzukämpfen (TAZ 10.12.2021).

Seit Oktober 2021 haben die Huthi-Truppen die Kontrolle über die Bezirke Al-Abdiyah und Harib im südlichen Gouvernement Marib übernommen, während die Kämpfe in den Bezirken al-Jubah und Jabal Murad andauern und 93.000 Zivilisten zwingen, aus ihren Häusern zu fliehen und in der Stadt Marib, die bereits zwei Millionen Vertriebene beherbergt, Sicherheit zu suchen. Der Oktober 2021 war der tödlichste Monat seit Jahren im Gouvernement mit mehr als 100 Zivilisten, darunter Kinder, die getötet oder verwundet wurden (HRW 24.11.2021).

Die Anti-Huthi-Koalition unter Führung Saudi-Arabiens hat zwischen dem 23.11.2021 und 27.11.2021 mehrere Luftschläge gegen Ziele in Sanaa durchgeführt. Laut Angaben der Koalition richteten sich die Bombardierungen gegen militärische Einrichtungen. Die Huthi hingegen geben an, dass auch Wohnhäuser und eine Fabrik beschädigt worden seien und vermeldeten zwei Tote. Die Huthi hatten am 20.11.2021 mehr als ein Dutzend Drohnen gegen Ziele in Saudi-Arabien abgefeuert. In einem am 23.11.2021 veröffentlichten Report gibt das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) an, bis Ende des Jahres 2021 mit 377.000 Kriegstoten seit Ausbruch des Konflikts im Jahr 2014 zu rechnen. Rund 60 % der Todesfälle werden dabei den indirekten Folgen des Krieges zugerechnet, etwa Hunger oder mangelnde medizinische Versorgung. Betroffen sind zumeist Kinder unter fünf Jahren, die 70 % der Todesopfer stellen (BN 29.11.2021).

Die bewaffnete Gruppe der Huthi hat seit September 2021 wahllos Artillerie und ballistische Raketen in bewohnte Gebiete des jemenitischen Gouvernements Marib abgefeuert, was zu zivilen Opfern, darunter Frauen und Kindern, und zu einer neuen Welle ziviler Vertreibungen geführt hat. Die Angriffe sind Teil der verschärften Kämpfe um Marib zwischen den Huthi-Kräften und der jemenitischen Regierung und ihren verbündeten Streitkräften. Die Kämpfe tragen dazu bei, dass sich die humanitären Bedingungen für Millionen von Zivilisten und Binnenvertriebenen in der Region verschlechtern. Der große militärische Vormarsch der Huthi-Kräfte zur Eroberung des Gouvernements Marib, des rohstoffreichen Gouvernements 170 Kilometer östlich von Sanaa, einer der letzten Hochburgen der jemenitischen Regierungstruppen, begann 2020 und hat sich seit Februar 2021 intensiviert. Zivilisten und Vertriebene in Marib sind seit fast zwei Jahren im Fadenkreuz gefangen, einige leiden unter schwerer Entbehrung. Die Houthi greifen wiederholt und scheinbar wahllos zivile Gebiete an und blockieren den Zugang zu humanitärer Hilfe (HRW 24.11.2021).

Seit dem 17.9.2021 sind bei Kämpfen in den Gouvernments Marib und Shabwa mindestens 190 Soldaten ums Leben gekommen, davon rund 130 auf Seiten der Huthi. Die Huthi-Rebellen haben ihren Vormarsch auf die Stadt Marib im September 2021 nochmals intensiviert und griffen nun auch verstärkt aus dem benachbarten Gouvernement Shabwa an, wo sie erst kurz zuvor einige Bezirke erobert hatten. Marib ist die letzte von der Regierung kontrollierte Großstadt im nördlichen Teil des Landes und reich an Öl und Gas (BN 27.9.2021).

Es gab zahlreiche Berichte über willkürliche oder rechtswidrige Tötungen durch derzeitige oder ehemalige Mitglieder der ROYG-Sicherheitskräfte. Politisch motivierte Tötungen durch nichtstaatliche Akteure, einschließlich der Huthi-Truppen, militanter sezessionistischer Elemente und terroristischer und aufständischer Gruppen, die sich zu Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) oder zu einer Tochterorganisation des sogenannten Islamischen Staats (ISIS) bekennen, gab es auch im Laufe des Jahres 2020 (USDOS 30.3.2021).

Seit Oktober 2021 haben die Huthi-Truppen die Kontrolle über die Bezirke Al-Abdiyah und Harib im südlichen Gouvernement Marib übernommen, während die Kämpfe in den Bezirken al-Jubah und Jabal Murad andauern. 93.000 Zivilisten wurden dadurch gezwungen, aus ihren Häusern zu fliehen und in der Stadt Marib im Norden, die bereits zwei Millionen Vertriebene beherbergt, Sicherheit zu suchen. Die Bodenkämpfe zwischen der bewaffneten Huthi-Gruppe und den jemenitischen Regierungstruppen gehen weiter, während die Huthi-Kräfte das Gouvernement von drei Fronten aus umkreisen: von al-Jawf im Norden, al-Baydah im Süden und Sirwah und Nehem im Westen. Der Oktober 2021 war der tödlichste Monat seit Jahren im Gouvernement, mit mehr als 100 Zivilisten, darunter Kinder, die getötet oder verwundet wurden. Am 3.10.2021 haben laut jemenitischer Regierungsbehörden, drei Huthi-Raketen das Viertel al-Rawdah in der Stadt Marib getroffen, die zwei Kinder getötet und 33 Menschen, darunter auch Kinder, verletzt haben (HRW 24.11.2021).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (Stand 15.12.2021): Jemen: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung) (Unverändert gültig seit: 22.10.2021), Letzte Änderungen: Gesundheit (Aktuelles, Cholera), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/jemen-node/jemensicherheit/202260?openAccordionId=item-301216-1-panel#content_3, Zugriff 15.12.2021

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (29.11.2021): BN - Briefing Notes, Jemen, per E-Mail

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.9.2021): BN - Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw39-2021.pdf?__blob=publicationFile amp;v=3, Zugriff 10.12.2021

- BI - Brookings Institution (Johnsen, Gregory D.) (25.3.2021): The end of Yemen, https://www.brookings.edu/blog/order-from-chaos/2021/03/25/the-end-of-yemen/, Zugriff 15.12.2021

- CRS - Congressional Research Service (23.11.201): Yemen: Civil War and Regional Intervention, https://sgp.fas.org/crs/mideast/R43960.pdf, Zugriff 15.12.2021

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA (30.08.2021): Reisehinweise für Jemen (gültig am: 15.12.2021), https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/jemen/reisehinweise-fuerjemen.html#eda853c26, Zugriff 15.12.2021

- HRW - Human Rights Watch (24.11.2021):Yemen, Ma'rib governorate: Fighting between Houthi forces and government troops lead to displacement; in October 2021, more than 100 civilians have been killed or injured, https://www.ecoi.net/de/dokument/2064430.html, Zugriff 7.11.2021

- PolGeoNow - Political Geography Now (1.12.2021): Yemen Control Map Report: Hadi Forces, Leave Hodeida – November 2021, https://www.polgeonow.com/2021/12/yemen-houthis-sieze-hodeida-map.html, Zugriff 15.12.2021

- SCSS - Sana'a Center For Strategic Studies (5.1.2021): 387 Days of Power: How Al-Qaeda Seized, Held and Ultimately Lost a Yemeni City, https://sanaacenter.org/publications/main-publications/12247, Zugriff 15.12.2021

- TAZ (10.12.2021): Vom Zufluchtsort zur Riesenstadt, https://taz.de/Krieg-im-Jemen/!5817044/, Zugriff 15.12.2021

- USDOS - US Department of State (5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051733.html, Zugriff 30.11.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Justiz in den von der Regierung kontrollierten Gebieten ist zwar nominell unabhängig, aber anfällig für die Einmischung verschiedener politischer Gruppierungen und bewaffneter Gruppen. Die Behörden setzen Gerichtsurteile, insbesondere solche gegen prominente Stammesführer oder Politiker, nur selten durch. In Ermangelung eines wirksamen Gerichtssystems greifen die Bürger häufig auf Formen der Stammesjustiz und des Gewohnheitsrechts zurück - Praktiken, die in dem Maße zugenommen haben, wie sich die Situation der staatlichen Institutionen weiter verschlechtert (FH 3.3.2021).

Die Strafgerichte in den von den Huthi kontrollierten Gebieten sind nach wie vor aktiv, werden aber nach Angaben von UN-Experten von der Huthi-Führung als politisches Instrument eingesetzt (FH 3.3.2021). Das Justizwesen ist schwach und wird durch Korruption, politische Einflussnahme und das Fehlen einer angemessenen juristischen Ausbildung behindert. Die soziale und politische Zugehörigkeit von Richtern sowie Bestechung beeinflussten Urteile. Die mangelnde Fähigkeit der ROYG, Gerichtsbeschlüsse durchzusetzen, untergräbt die Glaubwürdigkeit der Justiz. Kriminelle bedrohen und schikanieren Mitglieder des Justizwesens, um Einfluss auf Fälle zu nehmen. Personalmangel, Ineffizienz der Justiz und Korruption führen zu Prozessverzögerungen (USDOS 30.3.2021).

In anderen Teilen des Landes ist das Justizsystem größtenteils nicht funktionsfähig (FH 3.3.2021).

Laut Gesetz gelten in den von der Regierung kontrollierten Gebieten Angeklagte als unschuldig, bis ihre Schuld nachgewiesen ist. Die Gerichtsverhandlungen sind in der Regel öffentlich, aber alle Gerichte können „aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder der Moral" geschlossene Sitzungen abhalten. Richter, die eine aktive Rolle bei der Befragung von Zeugen und Angeklagten spielen, entscheiden über Strafsachen. Die Angeklagten haben das Recht, anwesend zu sein und sich rechtzeitig mit einem Anwalt zu beraten. Angeklagte können Zeugen, die gegen sie aussagen, konfrontieren oder befragen sowie Zeugen und Beweise in ihrem Namen vorlegen. Die Regierung muss laut Gesetz in schweren Kriminalfällen mittellosen Angeklagte einen Anwalt zur Verfügung stellen, wobei dies in der Vergangenheit nicht immer geschehen ist. Grundsätzlich haben Angeklagte und deren Anwälte Zugang zu relevanten Beweisen und Anwälten wird ermöglicht, Klienten und Zeugen zu befragen sowie Beweise zu prüfen. Die Angeklagten haben das Recht, Berufung einzulegen, und können nicht gezwungen werden, auszusagen oder sich schuldig zu bekennen. Im Laufe des Jahres 2020 lagen nur wenige Informationen über die Einhaltung eines ordnungsgemäßen Verfahrens vor. Es gibt außerdem ein spezielles Staatssicherheitsgericht, welches unter anderen Bedingungen arbeitet und Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchführt. Dieses Gericht garantiert den Angeklagten nicht dieselben Rechte wie die ordentlichen Gerichte. Anwälte bekommen oft nicht ausreichend Informationen über die Anklagepunkte, sowie Zugang zu Beweismitteln oder Gerichtsakten (USDOS 30.3.2021).

Die Vielzahl der Menschenrechtsverletzungen zeigt, dass die Justiz in vielen Regionen ihre Aufgabe nicht erfüllen kann. Die wenigen aktuellen Berichte über die Justiz im Jemen deuten darauf hin, dass sie wie auch andere staatliche Institutionen den Konfliktparteien zum Opfer gefallen ist. Die Gerichte können nicht unabhängig von der jeweiligen Gruppe funktionieren, die in dem jeweiligen Gebeiet die Macht innehat, manchmal übernehmen auch Milizen selbst, die Rolle der Justiz. Gerichte und Richter werden umgegangen, ersetzt oder sogar angegriffen. Zwar funktionieren zumindest einige Gerichte in der Hauptstadt und den Provinzhauptstädten noch, aber es ist fraglich inwieweit die Verfahren fair sind oder einen Mindeststandard erfüllen. Spezialisierte Gerichte sprechen immer mehr Todesurteile aus, auch wenn sie nicht immer die Umsetzung ihrer Urteile zu verfolgen scheinen (BTI 29.4.2020).

Die fehlende Geburtenregistrierung erschwert den Altersnachweis, was die Gerichte Berichten zufolge dazu veranlasste, Jugendliche als Erwachsene zu verurteilen, auch für Verbrechen, die mit der Todesstrafe geahndet werden können. Zusätzlich zu den etablierten Gerichten gibt es ein Stammesjustizsystem für nicht strafrechtliche Angelegenheiten. Stammesrichter, in der Regel angesehene Scheichs, urteilten häufig auch über Strafsachen nach Stammesrecht, wobei es sich in der Regel um eine öffentliche Anklage handelt, ohne dass eine förmliche Anklage erhoben wird. Bei der Stammesmediation steht der soziale Zusammenhalt oft mehr im Vordergrund als die Bestrafung. Die Öffentlichkeit respektiert die Ergebnisse von Stammesverfahren oft mehr als das formelle Gerichtssystem, das von vielen als korrupt und nicht unabhängig angesehen wird (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- BTI - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): 2020 Country Report Yemen, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029484/country_report_2020_YEM.pdf, Zugriff 15.12.2021

- FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052879.html, Zugriff 3.12.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

Sicherheitsbehörden

Mit Stand 2020/2021 bestanden die Militär- und Sicherheitskräfte des Jemen aus staatlichen, nicht-staatlichen und ausländisch-unterstützten Truppen regulärer, semi-regulärer und paramilitärischer Art – oft mit informellen Kommandostrukturen und widersprüchlichen, fließenden oder überlappenden Agenden, Loyalitäten und Beziehungen. Bis zu 70 % der jemenitischen Militär- und Sicherheitskräfte liefen in den Jahren 2011 bis 2015 zum ehemaligen Präsidenten Saleh und den Huthi über. Die Huthi unterhalten ihre eigenen Militär- und Sicherheitskräfte (CIA 2.12.2021).

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen auch eine Reihe (para-)militärischer Einheiten. So zogen die Emirate zwar ihre Hauptstreitkräfte im 2019 aus dem Jemen ab, es verblieb aber eine kleine militärische Präsenz, die mit Alliierten, besonders dem Southern Transitional Council (STC) zusammenarbeitet. Mit Stand 2021 haben die Emirate geschätzte 150-200.000 jemenitische Kämpfer rekrutiert und aus ihnen Dutzende Milizen zusammengestellt (CIA 2.12.2021).

Die Straffreiheit der Sicherheitsbeamten bleibt weiterhin ein Problem, teilweise, weil die Regierung nur begrenzte Befugnisse hat, und teilweise, weil es keine wirksamen Mechanismen zur Untersuchung und Verfolgung von Missbrauch und Korruption gibt. Die Kontrolle der Huthi über die staatlichen Institutionen im Norden schränkt die Fähigkeit der Regierung der Republik Jemen zur Durchführung von Ermittlungen erheblich ein. Straflosigkeit ist nach wie vor ein großes Problem bei den Sicherheitskräften. Die zivile Kontrolle der Sicherheitsbehörden verschlechterte sich weiter, weil die regionalen Bemühungen um eine nationale Aussöhnung ins Stocken gerieten. Das Problem der Straflosigkeit wurde noch dadurch verschärft, dass Interessengruppen - darunter die Familie des ehemaligen Präsidenten Saleh und andere Stammes- und Parteisegmente - ihren Einfluss auf die Sicherheitskräfte ausweiteten, und zwar häufig über inoffizielle Kanäle und nicht über die formelle Kommandostruktur (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- CIA World Factbook (2.12.2021): Yemen - Military and Security, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/yemen/#military-and-security, Zugriff 15.12.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter und ähnliche andere Missbräuche. Es gibt Bestimmungen, dass Folter mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden kann, dem Gesetz mangelt es jedoch an einer umfassenden Definition von Folter (USDOS 30.3.2021). Willkürliche Inhaftierungen sind weit verbreitet, und in den letzten Jahren wurden Hunderte von Fällen dokumentiert. Viele kommen dem Verschwindenlassen gleich, ohne dass Informationen über den Status oder den Aufenthaltsort der Opfer vorliegen. Die Inhaftierten werden häufig in inoffiziellen Haftanstalten festgehalten. In Gebieten, die im südlichen Jemen im Einflussbereich der Vereinigten Arabischen Emirate liegen, betreiben Spezialeinheiten der Emirate ein Netz von geheimen Gefängnissen und Haftanstalten, in denen Folter weit verbreitet sein soll (FH 3.3.2021).

Untersuchungen von Human Rights Watch und anderen Rechtsgruppen haben weit verbreitete Missbräuche wie willkürliche Verhaftungen, gewaltsames Verschwindenlassen, Misshandlungen und Folter in von Konfliktparteien kontrollierten Hafteinrichtungen festgestellt. Die Huthi-Truppen verhaften und verfolgen Andersdenkende, darunter religiöse Minderheiten, Frauen und Journalisten. Der von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützte Südliche Übergangsrat (STC) war für willkürliche Verhaftungen und das Verschwindenlassen von Personen verantwortlich und hat Gefangene unter extrem überfüllten Bedingungen festgehalten, auch trotz der Gesundheitsrisiken aufgrund der Covid-19-Pandemie. Im März 2020 dokumentierte Human Rights Watch Übergriffe saudischer und von Saudi-Arabien unterstützter jemenitischer Streitkräfte auf Zivilisten im Gouvernement al-Mahra im Osten des Jemen, darunter Folter, gewaltsames Verschwindenlassen und willkürliche Inhaftierungen. Die jemenitische Regierung ist auch für Misshandlungen im Zusammenhang mit der Inhaftierung, einschließlich Folter und Vergewaltigung von Migranten vom Horn von Afrika, verantwortlich (HRW 12.9.2021).

Die Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen berichten weiterhin, dass Folter und andere Formen der Misshandlung in den von der ROYG, den Huthi und den von Emiraten kontrollierten Hafteinrichtungen an der Tagesordnung sind. Die UN-Expertengruppe berichtet von Misshandlungen in der Haft, darunter sexuelle Gewalt, lange Einzelhaft, Elektroschocks, Verbrennungen und andere Formen der Folter. Nach mehreren Berichten der in Ma'rib ansässigen Erada-Organisation gegen Folter und gewaltsames Verschwindenlassen haben Huthi-Milizionäre in al-Bayda im August 2020 einen ROYG-Soldaten, Abdul Hafidh Abd al-Rab al-Tahiri, gefangen genommen, gefoltert und getötet. Am 25.8.2020 berichtete Erada, dass Huthi in Dhammar Ahmed Ali al-Saqhani, einen ROYG-Soldaten, gefangen genommen und in der Haft zu Tode gefoltert haben. Folter und andere Formen der Misshandlung sind in allen Hafteinrichtungen üblich. Die UN-Sachverständigengruppe fand hinreichende Gründe für die Annahme, dass die Konfliktparteien Folter, einschließlich sexueller Gewalt, anwenden (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052879.html, Zugriff 3.12.2021

- HRW - Human Rights Watch (12.9.2021): Yemen: Key Human Rights Concerns for UN Envoy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2060155.html, Zugriff 14.12.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

Korruption

Jemen wurde im 2020 Corruption Perceptions Index von Transparency International mit 15 (von 100) Punkten bewertet (0=highly corrupt, 100=very clean) und belegt damit Platz 176 von insgesamt 180 (TI 2020).

Korruption ist ein ernstes Problem in fast allen Bereichen und auf allen Ebenen der Regierung, besonders im Sicherheitssektor. Das Gesetz sieht Strafen für amtliche Korruption vor, doch die Regierung setzt dieses Gesetz nicht effektiv durch. Straflosigkeit für Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden ist ein Problem. Kleinere Fälle von Korruption kommen häufig und in fast allen Ämtern vor. Von Bewerbern für eine Stelle wird oft erwartet, dass sie sich ihre Stelle erkaufen. Zahlreiche Regierungsbeamte und öffentliche Bedienstete erhalten Bezahlungen für Tätigkeiten, die sie nicht ausführen, oder mehrere Gehälter für ein und dieselbe Arbeitsstelle. Auch das öffentliche Beschaffungswesen ist regelmäßig von Korruption betroffen. In Teilen der von den Huthi kontrollierten Gebiete, insbesondere in den von Sana'a aus kontrollierten Einrichtungen, nahmen Korruption und der Handel von Waren auf dem Schwarzmarkt insgesamt zu (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung übt nur begrenzte Kontrolle aus, und effektive Mechanismen zur Korruptionsbekämpfung fehlen. Politiker und die meisten Regierungsbehörden unternehmen nichts, um gegen Korruption vorzugehen. Nach Ansicht informierter lokaler Beobachter war die Hauptursache für die Proteste von 2011, die schließlich zu dem internen Konflikt führten, die Wut über die jahrzehntelange, allgegenwärtige Korruption in der Zentralregierung. Ein Aufwändiges Strafverfahren schafft ein eigenes Strafrechtssystem für die politische Elite. Laut Verfassung ist die Zustimmung von einem Fünftel der Parlamentsmitglieder erforderlich, um eine strafrechtliche Untersuchung gegen einen stellvertretenden Minister oder einen hochrangigen Beamten einzuleiten. Das Gesetz erfordert dann eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und die Zustimmung des Präsidenten, um die Ergebnisse der strafrechtlichen Ermittlungen dem Generalstaatsanwalt zur Anklageerhebung vorzulegen. Die Regierung hat von diesem Verfahren noch nie Gebrauch gemacht (USDOS 30.3.2021).

Die Transparenz und Rechenschaftspflicht der Regierung war schon vor Kriegsausbruch im Jahr 2015 minimal, und das Netzwerk an Korruption und Vetternwirtschaft, das unter Saleh aufgebaut wurde, existiert weiterhin. Durch die Zerstörung der regulären Handelsbeziehungen während des bewaffneten Konflikts ist die Bedeutung des Schwarzmarkts angestiegen. Unter anderem wird Lebensmittelhilfe oft von Beamten aller Konfliktparteien gestohlen und am Schwarzmarkt weiterverkauft. Der Bürgerkrieg und die unkontrollierte Korruption haben die Eigentumsrechte und die Wirtschaftstätigkeit stark beeinträchtigt (FH 3.3.2021).

Vor dem Ausbruch des Konflikts nahm die unabhängige Oberste Nationale Behörde für Korruptionsbekämpfung (SNACC) Beschwerden entgegen und entwickelte Programme zur Sensibilisierung für Korruption. Ihr gehörte ein Rat aus Vertretern der Regierung, der Zivilgesellschaft und des Privatsektors an. Die SNACC wurde durch mangelnde Kapazitäten, insbesondere im Bereich der Finanzanalyse, behindert. In der Riad-Vereinbarung vom November 2019 wurde gefordert, den SNACC zu reaktivieren und „mit ehrlichen und professionellen Persönlichkeiten zu stärken und seine Aufsichtsfunktion zu aktivieren". Der ROYG-Premierminister kündigte die „Wiedereinsetzung" des SNACC im Dezember 2019 förmlich an (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052879.html, Zugriff 3.12.2021

- TI - Transparency International (2020): Corruption Perceptions Index 2020, Yemen, https://www.transparency.org/en/cpi/2020/index/yem, Zugriff 14.12.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

Wehrdienst und Rekrutierungen

2001 wurde im Jemen die zweijährige Wehrpflicht abgeschafft. Das Mindestalter für einen freiwilligen zweijährigen Wehrdienst beträgt 18 Jahre (Anmerkung: seit Beginn des Bürgerkriegs sind die Informationen limitiert) (CIA 24.11.2021).

Al-Masdar schreibt im Jänner 2021, dass die Huthi sich darauf konzentrieren, eine ideologische Armee junger Menschen zu formieren, die in Nachbarschaftsvierteln und Schulen rekrutiert und die mit religiöser, kultureller und politischer Propaganda versorgen. Die Huthi setzen für Rekrutierungen auch Einschüchterung und Zwang ein. Jede Familie mit heranwachsenden Buben sieht sich dem Druck ausgesetzt, diese für das Militär zu verpflichten, sonst droht ihnen Inhaftierung oder es wird ihnen Verrat vorgeworfen. Die Rekrutierung erfolgt vornehmlich auf Gemeinschaftsebene. Verantwortliche der Huthi, die Muschrifin genannt werden, werden junge Männer, manche nur 16 Jahre alt, jedoch überwiegend im Alter von 18-22 Jahren, dazu überreden, sich den Huthi-Truppen anzuschließen. Die meisten der Rekruten aus ländlichen Gebieten hätten ihre Volksschule nicht abgeschlossen. Hunger ist ein weit verbreiteter Grund, sich anzuschließen, da Rekruten Zugang zu Nahrung hätten. Rekruten kommen eher aus den ärmsten Bevölkerungsschichten (ACCORD 4.10.2021).

Obwohl das Gesetz und die Regierungspolitik die Praxis ausdrücklich verbieten, nahmen Kinder unter 18 Jahren direkt an bewaffneten Konflikten teil, wobei es Fälle von Rekrutierung und Einsatz von Buben im Alter von sieben Jahren gab. Nach Angaben der UN-Expertengruppe haben die jemenitischen Streitkräfte, die mit den Huthi verbundenen Widerstandsgruppen und die verschiedenen Streitkräfte des Südens, insbesondere der STC, nachweislich Kinder rekrutiert. Die meisten Fälle von Kindersoldaten werden den Huthi-Kräften zugeschrieben. Die UN-Expertengruppe berichtete, dass die Huthi das Bildungssystem nutzen, um Schüler mit der Huthi-Ideologie zu indoktrinieren, zur Gewalt anzustiften und Kinder aus 34 Schulen in sechs Gouvernements (Amran, Dhamar, Raymah, Sa'ada, Sana'a und Ta'iz) zu rekrutieren. Die Gruppe dokumentierte auch die Rekrutierung von Mädchen durch die Huthi für die Zainabiyat-Kräfte, den weiblichen Sicherheitsapparat der Huthi. Seit 2015 sollen zwölf Mädchen im Alter von 13 bis 17 Jahren sexuelle Gewalt sowie Zwangs- und Frühverheiratung in direktem Zusammenhang mit ihrer Rekrutierung erlebt haben. Das Fehlen eines einheitlichen Systems für die Geburtenregistrierung erschwert den Altersnachweis, was mitunter zur Rekrutierung von Minderjährigen für das Militär beiträgt (USDOS 30.3.2021).

Laut einer jemenitischen Nachrichtenquelle, haben die Huthi-Milizen die Wehrpflicht eingeführt, um neue Rekruten in der Provinz Ibb zu gewinnen, da sich dort die Kämpfe an mehreren Fronten intensivieren. Die Huthi haben Feldkomitees gebildet, um die Wehrpflicht in Ibb durchzusetzen. Stammesführer, die den Huthi gegenüber loyal eingestellt sind, werden verpflichtet, mindestens zwei Personen aus jedem Dorf zu rekrutieren und sie an die Front zu schicken. Gegen diejenigen, die die Rekrutierung verweigern, werden finanzielle Strafen verhängt. Um den Mangel an Wehrpflichtigen auszugleichen, greifen die Huthi - oft gewaltsam - vermehrt zu Rekrutierung von Ausländern, darunter auch solche, die vor dem Konflikt in der äthiopischen Region Tigray geflohen sind. MitarbeiterInnen humanitärer Organisationen haben berichtet, dass die Huthi die Verteilung humanitärer Bargeldzahlungen als Einschränkung ihrer Möglichkeiten zur Rekrutierung von Kämpfern ansehen. Sie nutzen nämlich die schwierige wirtschaftliche Lage, darunter die nicht erfolgte Auszahlung von Gehältern im öffentlichen Dienst, aus, um Kämpfer (einschließlich Kinder) zu rekrutieren, indem sie den Familien der Rekrutierten kleine Bargeldbeträge oder lebensnotwendige Güter wie Lebensmittel anbieten. Die Bargeldhilfe humanitärer Organisationen für solche Familien wirkt der Rekrutierung der Huthi entgegen (ACCORD 4.10.2021).

Die Huthi haben im Jemen seit 2014 10.300 Kinder zwangsrekrutiert. Die NGOs Euro-Mediterranean Human Rights Monitor und SAM for Rights and Liberties haben vor den gefährlichen Folgen gewarnt, die entstehen könnten, wenn dieses Phänomen nicht bekämpft wird. In gleichem Bericht heißt es, dass die Huthi komplexe Muster anwenden, um Kinder zu rekrutieren und sie in feindlichen Gebieten einzusetzen. Infolgedessen kamen viele Kinder ums Leben, Hunderte wurden verletzt. Der Bericht dokumentiert Namen von 111 Kindern, die allein zwischen Juli und August 2020 bei den Kämpfen getötet wurden. Aus dem Bericht geht hervor, dass die Huthi in den letzten drei Jahren (2018, 2019, 2020) eine offene und obligatorische Kampagne zur Rekrutierung von Kindern begonnen haben. Die Gruppe eröffnete 52 Ausbildungslager für Tausende von Jugendlichen und Kindern in Saada, Sanaa, Al Mahwit, Hodeidah, Tihama, Hajjah und Dhamar, die sich an Kinder im Alter von zehn Jahren oder älter richten (Reliefweb 15.2.2021).

Quellen:

- ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (4.10.2021): Anfragebeantwortung zu Jemen: Zwangsrekrutierungen, insbesondere durch Huthi-Milizen (Ansar Allah); Konsequenzen, wenn man sich der Rekrutierung entzieht [a-11678-2 (11679)], https://www.ecoi.net/de/dokument/2062146.html, Zugriff 10.12.2021

- CIA (24.11.2021): World Factbook, Middle East, Yemen, People and Society, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/yemen, Zugriff 7.12.2021

- Reliefweb (OCHA Services) (15.2.2021): Militarized Childhood: A report on the Houthis’ recruitment of Yemeni children during war - February 2021 [EN/AR], https://reliefweb.int/report/yemen/militarized-childhood-report-houthis-recruitment-yemeni-children-during-war-february, Zugriff 14.12.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

Bis Mitte 2021 hat der bewaffnete Konflikt im Jemen fast eine Viertelmillion Menschenopfer gefordert, was zur einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt führte und zu schweren Menschenrechtsverletzungen beitrug, deren Ende nicht abzusehen ist (HRW 24.11.2021). Alle Konfliktparteien haben im anhaltenden Konflikt im Jemen auch 2020 weiterhin ungestraft Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht begangen. Sowohl die von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz, die die international anerkannte Regierung des Jemen unterstützte, als auch die bewaffnete Gruppe der Huthi verübten weiterhin Angriffe, auch auf dicht besiedelte Gebiete, bei denen Zivilpersonen verletzt oder getötet wurden und zivile Infrastruktur beschädigt oder zerstört wurde (AI 7.4.2021). Die Angriffe der Huthi auf zivile Einrichtungen haben im laufenden Kampf um Marib die Zivilbevölkerung, darunter mindestens zwei Millionen Binnenvertriebene, in große Gefahr gebracht (HRW 24.11.2021). Alle Konfliktparteien griffen auf rechtswidrige Praktiken wie willkürliche Inhaftierungen, Verschwindenlassen, Schikanen, Folter und andere Misshandlungen zurück. Personen, die lediglich aufgrund ihrer politischen, religiösen oder beruflichen Zugehörigkeit oder wegen ihres friedlichen Eintretens für die Menschenrechte ins Visier geraten waren, wurden in unfairen Verfahren vor Gericht gestellt (AI 7.4.2021).

Nichtstaatliche Akteure, darunter die Huthi, Stammesmilizen, militante abtrünnige Elemente, Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel und ein lokaler Ableger von ISIS, begingen ungestraft erhebliche Menschenrechtsverletzungen. Die ROYG ist aufgrund des anhaltenden Bürgerkriegs nur begrenzt in der Lage, gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. Die Kontrolle der Huthi über die staatlichen Institutionen im Norden schränkt die Fähigkeit der ROYG zur Durchführung von Ermittlungen erheblich ein. Das Gesetz sieht eine begrenzte Möglichkeit vor, zivilrechtliche Rechtsmittel bei Verstößen gegen die Menschenrechte in Form von Klagen gegen Privatpersonen einzulegen. 2020 gab es keine Berichte über derartige Maßnahmen. Die Bürger können die Regierung nicht direkt verklagen, sondern müssen die Staatsanwaltschaft um die Einleitung von Ermittlungen ersuchen (USDOS 30.3.2021).

Alle Konfliktparteien unterdrücken weiterhin die Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit durch willkürliche Inhaftierungen, Verschwindenlassen, Schikanen, Folter und andere Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren. Im April verurteilte der unter der Kontrolle der Huthi stehende Sonderstrafgerichtshof vier Journalisten in einem grob unfairen Prozess, der auf erfundenen Anschuldigungen beruhte, zum Tode. Im selben Monat gab das Gericht die Freilassung von sechs anderen Journalisten bekannt, darunter Salah al-Qaedi, der zu drei Jahren Hausarrest verurteilt worden war. Die zehn Journalisten hatten fünf Jahre ohne Anklage oder Gerichtsverfahren im Gefängnis verbracht (AI 7.4.2021). Am 9.11.2021 wurde die schwangere Journalistin Rasha al-Harazi getötet, als sie mit ihrem Mann im Auto unterwegs war und eine Bombe an ihrem Wagen detonierte. Ihr Ehemann, der auch als Journalist tätig ist, wurde bei der Explosion schwer verletzt. Die Eheleute arbeiteten Berichten zufolge für einen Fernsehsender aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (BN 15.11.2021).

Nichtstaatliche Akteure behindern das Recht auf freie Meinungsäußerung, auch für Pressevertreter. Das OHCHR berichtet, dass seit Beginn des Konflikts im März 2015 357 Menschenrechtsverletzungen gegen Journalisten begangen wurden, darunter 28 Tötungen, zwei gewaltsame Verschleppungen, eine Entführung, 45 tätliche Angriffe und 184 willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen. Diese Verstöße wurden sowohl von Regierungsbehörden als auch von nichtstaatlichen Akteuren begangen. Obwohl in der Verfassung Meinungs- und Pressefreiheit vorgesehen ist, darf die Staatsführung nicht kritisiert werden. Die Huthi-Rebellen respektieren diese Rechte nicht, und die Hadi-Regierung kann ihre Einhaltung nicht durchsetzen. Alle Konfliktparteien schränken das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit ein. Weibliche Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Aktivisten sind aufgrund ihres Geschlechts besonderen Repressionen ausgesetzt. Lokale Menschenrechtsverteidiger sind Schikanen, Drohungen und Verleumdungskampagnen seitens der Regierung, der von den Saudis angeführten Koalition und der Huthi-Truppen ausgesetzt (USDOS 30.3.2021).

Die NCIAVHR (ROYG’s National Commission to Investigate Alleged Violations to Human Rights) wurde 2015 als unabhängige Gruppe eingerichtet, die für die Untersuchung aller mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen seit 2011 zuständig ist. Die Kommission besteht aus einem Vorsitzenden und acht Mitgliedern mit juristischem oder Menschenrechtshintergrund. Das NCIAVHR untersuchte im Jahr 2020 weiterhin die Menschenrechtslage, erstattete darüber Bericht und führte Schulungen mit den Vereinten Nationen durch (USDOS 30.3.2021).

Die 47 Mitglieder des UN-Menschenrechtsrates haben am 7.10.2021 gegen eine Verlängerung des Mandates der Untersuchungsmission zur Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen (Group of Eminent International and Regional Experts on Yemen, GEE) gestimmt. Die Expertenkommission hat seit 2018 mehrfach Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht sowie Kriegsverbrechen festgestellt, sowohl von Seiten der Huthi als auch seitens der von Saudi-Arabien angeführten Anti-Huthi-Koalition. Saudi-Arabien hat die Untersuchungen der Expertengruppe heftig kritisiert und als nicht objektiv bezeichnet. Das Mandat wurde seit 2017 jährlich verlängert. Die Nichtverlängerung eines Mandats stellt ein Novum in der Geschichte des seit 2006 bestehenden Menschenrechtsrates dar. Amnesty International zufolge hat Saudi-Arabien im Vorfeld der Abstimmung die Mitglieder des Menschenrechtsrates unter Druck gesetzt, damit diese gegen eine Verlängerung des Mandates stimmen (BN 11.10.2021).

Quellen:

- AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Jemen 2020, Berichtszeitraum: 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048860.html, Zugriff 30.11.2021

- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (15.11.2021): BN - Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw46-2021.pdf?__blob=publicationFile amp;v=2, Zugriff

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (11.10.2021): BN - Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw41-2021.pdf?__blob=publicationFile amp;v=3, 15.12.2021

- HRW - Human Rights Watch (24.11.2021): Yemen, Ma'rib governorate: Fighting between Houthi forces and government troops lead to displacement; in October 2021, more than 100 civilians have been killed or injured, Yemen: Houthi Forces Attack, Displace Villagers, Zugriff 7.11.2021

- USDOS - US Department of State (5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051733.html, Zugriff 30.11.2021

Haftbedingungen

Die Situation in den Gefängnissen und Haftanstalten ist durch überfüllte Zellen, mangelnde medizinische Versorgung und schlechte sanitäre und hygienische Verhältnisse gekennzeichnet. Die Ausbreitung des Coronavirus sorge zusätzlich dafür, dass den Inhaftierten erhebliche gesundheitliche Risiken drohen. Die Behörden ergriffen keine Maßnahmen, um die Häftlinge zu schützen und die Ausbreitung des Virus in den Gefängnissen einzudämmen, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Masken und anderen Hygieneartikeln. Nach Ansicht der UN-Gruppe regional und international angesehener Jemen-Experten war die international anerkannte jemenitische Regierung für Misshandlungen und in einigen Fällen Folterungen von Häftlingen im Sicherheitsgefängnis von Marib verantwortlich. Die Rede war von Schlägen, Elektroschocks, Verbrennungen an den Genitalien und angedrohter Sterilisation. Häftlinge wurden außerdem gezwungen, über Glasscherben zu kriechen (AI 7.4.2021).

Die ROYG übt nur eine begrenzte Kontrolle über die Gefängniseinrichtungen aus. Regierungsbeamte und NGOs nennen als Probleme in den 18 Zentralgefängnissen und 25 Ersatzgefängnissen (auch als Untersuchungshaftanstalten bekannt) Überbelegung, mangelnde Berufsausbildung der Vollzugsbeamten, schlechte sanitäre Verhältnisse, unzureichenden Zugang zur Justiz, Vermischung von Untersuchungshäftlingen und Verurteilten, fehlendes effektives Fallmanagement und sich verschlechternde Infrastruktur. Folter und andere Formen der Misshandlung sind in allen Hafteinrichtungen üblich. Die UN-Sachverständigengruppe fand hinreichende Gründe für die Annahme, dass die Konfliktparteien Folter, einschließlich sexueller Gewalt, anwenden (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Jemen 2020, Berichtszeitraum: 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048860.html, Zugriff 30.11.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

Todesstrafe

Die Todesstrafe war 2020 weiterhin in Kraft und wurde für viele Straftaten verhängt, und es wurden Hinrichtungen vollstreckt. Die Behörden greifen nach wie vor darauf zurück, um Andersdenkende zum Schweigen zu bringen. Alle Konfliktparteien vollstreckten Exekutionen. Der von den Huthi kontrollierte Sonderstrafgerichtshof verurteilte Personen in Abwesenheit wegen Hochverrats zum Tode (AI 7.4.2021).

Die Huthi-Rebellen haben neun Personen, darunter einen 17-jährigen Jugendlichen, hingerichtet (Die Presse 18.9.2021; vgl. BN 20.9.2021), nachdem diese im August 2020 von einem Gericht der Huthi verurteilt worden waren (Die Presse 18.9.2021). Den Personen wurde eine Beteiligung am Luftangriff auf Hudaida im April 2018 vorgeworfen (BN 20.9.2021), bei dem der politische Anführer der Huthi getötet wurde (Die Presse 18.9.2021). Sieben weitere Personen waren in Abwesenheit ebenfalls zum Tode verurteilt worden, darunter der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, der ehemalige US-Präsident Donald Trump (BN 20.9.2021) und der Präsident des Jemen Abed Rabbo Mansur Hadi. Menschenrechtler haben die Urteile für illegal erklärt. Den Angeklagten sei mit falschen Vorwürfen und ohne Rechtsverteidigung der Prozess gemacht worden (Die Presse 18.9.2021).

Von offizieller Seite wurden im Jemen zumindest 13 Todesurteile durch Erschießen vollstreckt. In einigen Landesteilen ist die staatliche Kontrolle nur schwach ausgeprägt. Dort werden durch Al-Qaida Hinrichtungen vollzogen (Die Presse o.D.).

Quellen:

- AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Jemen 2020, Berichtszeitraum: 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048860.html, Zugriff 30.11.2021

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (20.9.2021): BN - Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw38-2021.pdf?__blob=publicationFile amp;v=4, Zugriff 14.12.2021

- Die Presse (18.9.2021): Houthis im Jemen richten neun Menschen hin - darunter ein Kind, https://www.diepresse.com/6035708/houthis-im-jemen-richten-neun-menschen-hin-darunter-ein-kind, Zugriff 14.12.2021

- Die Presse (o.D.): Todesstrafe weltweit: Die zehn größten Henker, https://www.diepresse.com/1582640/todesstrafe-weltweit-die-zehn-grossten-henker, Zugriff 14.12.2021

Religionsfreiheit

Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion und die Scharia zur Quelle aller Gesetze. Sie sieht Gedanken- und Meinungsfreiheit „innerhalb der Grenzen des Gesetzes" vor, lässt aber die Erwähnung der Religionsfreiheit aus. Das Gesetz verbietet die Herabwürdigung des Islams, die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion und Missionierungsversuche, die auf Muslime gerichtet sind, um diese zur Konversion zu einer anderen Religion zu bringen. Apostasie ist ein Kapitalverbrechen. Angeklagte haben dreimal die Möglichkeit, ihr Verhalten zu „bereuen“ [Anm. der arabische Ausdruck tawba bezeichnet wörtlich die „Rückkehr zum Islam“, „das sich Umdrehen“]; wenn sie dies tun, sind die von der Todesstrafe ausgenommen. Im Norden, der von den Huthi kontrolliert wird, setzen diese ihre religiösen Praktiken auch bei Nicht-Zaiditen durch. Mitglieder der kleinen jüdischen Gemeinde, die sich in Sana'a und Raydah, im Gouvernement Amran nördlich von Sana'a, konzentrieren, berichten von anhaltenden sozialen Schikanen und rückläufigen Mitgliederzahlen, die es schwierig machten, ihre religiösen Praktiken aufrechtzuerhalten. Aufgrund des Konflikts gab es keine Möglichkeit, den Status der kleinen, isolierten ismailitischen Gemeinschaft zu überprüfen (USDOS 5.2021).

99,1 % der Bevölkerung des Jemen sind Muslime, ca. 65 % davon Sunniten und 35 % Schiiten (Zaiditen). Die restlichen 0,9 % beinhalten Juden, Bahai, Hindus und Christen, von denen viele Flüchtlinge sind oder nur eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung haben (CIA 24.11.2021). Es gibt auch einige Zwölfer-Schiiten (vor allem im Norden), Ismailis und Sufis. Das Familiengesetz verbietet die Ehe zwischen einem Muslim und einem Apostaten. Frauen, die das Sorgerecht für ein Kind beantragen, „sollen“ keine Apostaten sein, und ein Mann „soll“ denselben Glauben wie das Kind haben. Muslimische Frauen dürfen keine nicht-muslimischen Männer heiraten und muslimische Männer keine Frauen, die weder muslimisch, christlich noch jüdisch sind (USDOS 5.2021).

Alle Konfliktparteien inhaftierten und folterten weiterhin Hunderte Personen allein wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit (AI 7.4.2021).

Öffentliche Schulen müssen Islam-Unterricht anbieten, nicht aber Unterricht in anderen Religionen. Das Gesetz besagt, dass der Grundschulunterricht Kenntnisse über islamische Rituale und die Geschichte und Kultur des Landes im Kontext der islamischen Zivilisation umfassen muss. Das Gesetz legt auch fest, dass die Kenntnis des islamischen Glaubens ein Ziel der Sekundarschulbildung ist. Öffentliche Schulen sind verpflichtet, sunnitische und schiitische Schüler nach demselben Lehrplan zu unterrichten (USDOS 5.2021).

Quellen:

- AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Jemen 2020, Berichtszeitraum: 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048860.html, Zugriff 30.11.2021

- CIA (24.11.2021): World Factbook, Middle East, Yemen, People and Society, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/yemen, Zugriff 7.12.2021

- USDOS - US Department of State (5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051733.html, Zugriff 30.11.2021

Religiöse Gruppe: Zaiditen

99,1 % der Bevölkerung des Jemen sind Muslime, davon 35 % Schiiten (Zaiditen) (CIA 24.11.2021).

Die Regierung verurteilt öffentlich die religiöse Verfolgung durch die Huthi-Bewegung. Quellen verweisen auf die Unterstützung der schiitischen Mehrheit im Iran für die Huthi, die historischen Wurzeln als zaidische Erweckungsbewegung haben, und auf die Unterstützung der sunnitischen Mehrheit in Saudi-Arabien für die Regierung. Einige Analysten betonen, dass sich der Zaidismus der Huthi von dem im Iran vorherrschenden Zwölfer-Islam unterscheidet, obwohl beide im Allgemeinen als Teil der weit gefassten Kategorie des schiitischen Islams betrachtet werden. Öffentliche Schulen sind verpflichtet, sunnitische und schiitische Schüler nach demselben islamischen Lehrplan zu unterrichten, aber die Regierung ist nicht in der Lage, dies in den von den Huthi kontrollierten Gebieten durchzusetzen, wo aus den Unterrichtsunterlagen hervorgeht, dass die Schulen nur die zaidischen Grundsätze unterrichten (USDOS 5.2021).

Zaiditen (arab. Zaidīya) sind ein Zweig der Schiiten. Die Zaiditen führen sich zurück auf den Sohn des vierten schiitischen Imams, Zaid ibn ʿAlī. Während sich Imamatslehre und Recht wesentlich von denen der Zwölferschia und den Ismaʿiliten unterscheiden, stehen die Zaiditen den Sunniten relativ nahe (bpb o.D.).

Medienberichten zufolge unterstützt der mehrheitlich schiitische Iran die Huthi, die ihre historischen Wurzeln in einer zaidischen Erweckungsbewegung haben. Im April 2020 haben die Huthi-Behörden per Dekret die seit ihrer Übernahme von Sanaa im Jahr 2015 bestehende Praxis festgeschrieben, eine Wohltätigkeitssteuer (Zakat) von 20 % auf alle wirtschaftlichen Aktivitäten zu erheben, die mit natürlichen Ressourcen zu tun haben, und diese Einnahmen an die schiitische Minderheit der Zaidi-Haschemiten (die sich auf die Abstammung vom Propheten Mohammed berufen) umzuverteilen. Die Wiedereinführung dieser Praxis rief in den von den Huthi kontrollierten Gebieten breite und öffentliche Kritik hervor, da die Behörden versuchen, ein konfessionelles, politisch-wirtschaftliches System durchzusetzen, das nicht mit der nationalen, nicht-konfessionellen Tradition des Landes vereinbar sei. In den nördlichen Gebieten, die traditionell von den Huthi kontrolliert werden, gab es Berichte über fortgesetzte Bemühungen der Huthi, ihre religiösen Bräuche den Nicht-Zaidis aufzuzwingen, einschließlich eines Musikverbots, der Verpflichtung für Frauen, Vollschleier zu tragen, und des Verbots der Vermischung der Geschlechter in den Cafés, sofern die Paare keine Kinder haben oder keine Heiratsurkunde vorweisen können (USDOS 5.2021).

Quellen:

- bpb - Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (o.D.): Zaiditen,

https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/islam-lexikon/21746/zaiditen, Zugriff 14.12.2021

- CIA (24.11.2021): World Factbook, Middle East, Yemen, People and Society, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/yemen, Zugriff 7.12.2021

- USDOS - US Department of State (5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051733.html, Zugriff 30.11.2021

Minderheiten

Die Minderheit der Al Akhdam, mit 500.000 bis drei Millionen Zugehörigen bildet die größte ethnische Minderheit im Jemen. Die Mitglieder von Al Akhdam sind in den jemenitischen Gebieten schon mehrere hundert Jahre lang Diskriminierung, Marginalisierung sowie Gewalt ausgesetzt. Auch die schiitische Volksgruppe der Zaiditen, die sich in Form der Huthi-Rebellen politisch und militärisch organisierten, wurden seit der Vereinigung des Nord- und Südjemens von der sunnitischen Mehrheit ausgegrenzt und diskriminiert. Die Zaiditen stellen 30 bis 45 % der Gesamtbevölkerung. Seit 2015 beteiligt sich die saudische Koalition an der Seite der Exilregierung im Jemen. Dadurch hat sich die Lage für Migranten und Minderheiten sowie für die gesamte Zivilbevölkerung dramatisch verschlechtert. Neben dem Ausbruch einer Cholera-Epidemie leiden die Menschen vor allen an Hunger, Vertreibung und Gewalt (GfbV o.D).

Obwohl Rassendiskriminierung illegal ist, sehen sich einige Gruppen wie die Muhamasheen oder die Akhdam-Gemeinschaft und die Muwaladeen (Jemeniten, deren Eltern im Ausland geboren wurden) mit sozialer und institutioneller Diskriminierung aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft und sozialem Status konfrontiert. Die Muhamasheen, die traditionell wenig prestigeträchtige Dienstleistungen wie Straßenkehren erbrachten, leben im Allgemeinen in Armut und sehen sich anhaltender gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Auch die Rassendiskriminierung am Arbeitsplatz gegenüber den Muhamasheen stellt ein Problem dar. Muhamasheen-Frauen sind besonders anfällig für Vergewaltigungen und andere Misshandlungen, da die Angreifer aufgrund des niedrigen Kastenstatus der Frauen generell straffrei ausgehen. Auch die UN-Expertengruppe berichtet, dass die Muhamasheen weiterhin Opfer extremer sexueller Gewalt sind. Es gibt Berichte über die Versklavung von Muhamasheen. Im Laufe des Jahres 2020 haben die Huthi Berichten zufolge verstärkt Muhamasheen-Kämpfer für den Kampf gegen die ROYG rekrutiert. Im Juli 2020 töteten die Huthi in der Provinz Amran vier Muhamasheen und verletzten einen weiteren, da sie sich geweigert hatten, sich den Huthi-Kämpfern an der Front anzuschließen (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- GfbV - Gesellschaft für bedrohte Völker (o.D.): Länder, Regionen und Völker - Jemen, https://www.gfbv.de/de/informieren/laender-regionen-und-voelker/laender-und-regionen/jemen/, Zugriff 15.12.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Das Leben von Frauen im Jemen ist in weiten Teilen von großer familiärer Verantwortung, gleichzeitig Entbehrungen, Gewalt und Exklusion geprägt. In den Geschlechtergleichheits-Rankings global führender Organisationen belegt der Jemen regelmäßig den letzten Platz. Strukturelle Diskriminierung, ein strenges Patriarchat, Ausschluss aus dem gesellschaftlichen und politischen Leben, häusliche Gewalt, wirtschaftliche Not und Zwangsehen von Minderjährigen sind Realitäten, die die Lebenswelten vieler jemenitischer Frauen und Mädchen durchdringen. Seit März 2015 wütet im Jemen ein Krieg, der laut UN die „schlimmste humanitäre Krise der Welt” zur Folge hatte. Die Lage der jemenitischen Frauen war bereits vor 2015 von großen Ungerechtigkeiten geprägt, so wurden ihnen eine Vielzahl einfachster Rechte vorenthalten. Der Krieg hat Frauen besonders hart getroffen und viele Aspekte ihres Lebens dramatisch verschlechtert und die gegen sie begangenen Menschenrechtsverletzungen verschlimmert. Im jüngsten Bericht zum Gender Development Index des UN-Entwicklungsprogramms, in dem Gesundheit, Bildung und Lebensqualität von Frauen und Männern quantitativ bewertet werden, weist der Jemen die größte Ungleichheit zwischen den Geschlechtern aller 189 untersuchten Länder auf. Im diesjährigen Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums (WEF) lag der Jemen hinter Afghanistan auf dem vorletzten Platz. In der Kategorie der Ungleichheit im Zugang der Frauen zu medizinischer Versorgung liegt der Jemen beim WEF zwar im Mittelfeld, belegt jedoch in den anderen drei Hauptkategorien - Bildung und politische sowie wirtschaftliche Teilhabe - je einen der hintersten Plätze. Hervorzuheben ist der gravierende Unterschied im Einkommen, so liegt das Gehalt von Frauen im Jemen bei nur 7 % von dem, was Männer verdienen (RLS 6.12.2021).

Frauen sind mit tiefgreifender Diskriminierung durch das Gesetz sowie im täglichen Leben konfrontiert. Mechanismen, um Schutz zu gewährleisten, sind schwach, und die Regierung kann sie nicht effektiv umsetzen. Das Gesetz stellt Vergewaltigung unter Strafe, nicht aber die Vergewaltigung in der Ehe. Vergewaltigung wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 25 Jahren geahndet. Muhamasheen-Frauen sind besonders anfällig für Vergewaltigungen und andere Misshandlungen, da die Angreifer aufgrund des niedrigen Kastenstatus der Frauen generell straffrei ausgehen. Die UN-Expertengruppe berichtet, dass die Muhamasheen weiterhin Opfer extremer sexueller Gewalt sind. Es gibt auch Berichte über die Versklavung von Muhamasheen (USDOS 30.3.2021).

Das Gesetz bietet Frauen Schutz vor häuslicher Gewalt, ausgenommen Vergewaltigung in der Ehe. Opfer häuslicher Gewalt zeigen diese jedoch nur selten bei der Polizei an, und Strafverfahren in Fällen häuslicher Gewalt sind selten, da die Regierung das Gesetz nicht wirksam durchsetzt. Das Gesetz sieht die Hinrichtung eines Mannes vor, wenn er wegen der Tötung einer Frau verurteilt wird. Das Strafgesetzbuch sieht jedoch Nachsicht für Personen vor, die sich eines „Ehrenmordes” schuldig gemacht haben oder eine Frau wegen eines als „unanständig" oder „aufsässig" empfundenen Verhaltens gewaltsam angegriffen oder getötet haben. Andere Formen des geschlechtsspezifischen Missbrauchs wie Schläge, Zwangsisolierung, Inhaftierung sowie Früh- und Zwangsverheiratung sind nicht Gegenstand des Gesetzes (USDOS 30.3.2021). Der kriegsbedingte Niedergang des staatlichen Gebildes und der nahezu vollständige Zusammenbruch öffentlicher Institutionen führte zum Zusammenbruch der Schutzmauern für Frauen. Bei Rechtsverletzungen gibt es jetzt keinen juristischen Schutz mehr für Frauen. Die Zerstörung der bescheidenen öffentlichen Sicherungssysteme führte dazu, dass sich die Gesellschaft stärker an alte Sitten, Traditionen und die Religion klammert, was in der Folge zu einem Anstieg der Gewalt gegen Frauen führt (RLS 6.12.2021).

Das Gesetz verbietet FGM/C (Weibliche Genitalverstümmelung/Beschneidung) nicht, obwohl eine ministerielle Direktive aus dem Jahr 2001 diese Praxis in staatlichen Institutionen und medizinischen Einrichtungen verbietet. Es gibt keine Gesetze, die sexuelle Belästigung ausdrücklich verbieten, obwohl das Strafgesetzbuch „schändliche" oder „unmoralische" Handlungen unter Strafe stellt. Die Behörden setzen das Gesetz jedoch nur selten durch. Sexuelle Belästigung ist für Frauen weiterhin ein großes Problem. Es gab keine Berichte über erzwungene Abtreibungen oder unfreiwillige Sterilisationen (USDOS 30.3.2021).

Ein weiteres Feld der Menschenrechtsverletzungen von Frauen und Mädchen, die durch den Krieg dramatisch verstärkt wurden, sind Kinderehen. Über die letzten Jahrzehnte gingen die Zahlen der Kinderehen kontinuierlich zurück, was auf verbesserte Bildungsangebote und die Arbeit lokaler MenschenrechtsaktivistInnen zurückzuführen ist. Gruppen wie die jemenitische Kinderrechtsorganisation Seyaj leisten Aufklärung in den Gemeinden, Behörden und religiösen Einrichtungen und setzen sich für ein gesetzlich festgelegtes Mindestalter von 18 Jahren für Eheschließungen ein (RLS 6.12.2021).

Für die Einweisung einer Frau in ein Krankenhaus ist häufig die Zustimmung eines männlichen Verwandten erforderlich, was in einem humanitären Kontext, in dem die Männer im Haushalt häufig abwesend oder tot sind, erhebliche Probleme verursacht. Auch vor Gericht werden Frauen ungleich behandelt, da die Aussage einer Frau nur halb so viel wert ist wie die eines Mannes. Ein Ehemann kann sich von seiner Frau scheiden lassen, ohne dies vor Gericht zu begründen. Im formellen Rechtssystem muss die Frau eine Rechtfertigung vorlegen. Jeder Bürger, der einen Ausländer heiraten möchte, muss die Genehmigung des Innenministeriums einholen. Eine Frau, die einen Ausländer heiraten möchte, muss die Zustimmung ihrer Eltern vorweisen. Eine ausländische Frau, die einen männlichen Staatsbürger heiraten möchte, muss dem Ministerium nachweisen, dass sie „von guter Führung und gutem Benehmen" ist (USDOS 30.3.2021).

Nach Daten der Internationalen Arbeitsorganisation liegt das Land mit einer Frauenbeschäftigungsquote von 6 % (2019) auf dem letzten Platz. Da durch den Krieg jedoch viele Männer getötet, verstümmelt oder verhaftet wurden beziehungsweise „verschwunden” sind, fand zwangsweise eine Verschiebung in den klassischen Rollenverteilungen statt und Frauen werden immer öfter zu den Alleinernährerinnen der Familien, wodurch sie für die komplette Versorgung zuständig sind - zusätzlich zur Care-Arbeit (RLS 6.12.2021).

Im Allgemeinen haben Frauen nicht die volle Bewegungsfreiheit, wobei die Einschränkungen je nach Ort variieren. Einige Beobachter berichteten von zunehmenden Restriktionen in konservativen Gebieten, wie Safadi. In Gebieten, die unter Kontrolle von radikal-islamischen Gruppen stehen, werden Frauen aufgefordert, in der Öffentlichkeit von männlichen Verwandten begleitet zu werden. Frauen können nicht ohne die Erlaubnis ihres männlichen Vormunds heiraten, haben keine gleichen Rechte in Bezug auf Erbschaft, Scheidung oder Sorgerecht für ihre Kinder und genießen kaum Rechtsschutz. Sie werden in Bereichen wie Beschäftigung, Kreditvergabe, Entlohnung, Besitz oder Führung von Unternehmen, Bildung und Wohnen diskriminiert. Eine geschätzte Alphabetisierungsrate von 55 % bei Frauen im Vergleich zu 85 % bei Männern im Jahr 2015 verschärft diese Diskriminierung noch. Es gibt keine Gesetze, die die Beteiligung von Frauen am politischen Prozess einschränken (USDOS 30.3.2021).

Das jemenitische Model Intisar al-Hammadi wurde am 7.11.2021 von einem Huthi-Gericht in Sanaa wegen der „Verletzung öffentlicher Moral“ und der „Zuwiderhandlung gegen islamische Prinzipien“ zu fünf Jahren Haft verurteilt. Berichten zufolge waren Fotos von ihr im Internet zu sehen, die sie ohne Kopftuch zeigten. Al-Hammadi war im Februar 2021 bei einer Sicherheitskontrolle festgenommen worden und in Untersuchungshaft vermeintlich psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt (BN 15.11.2021).

Quellen:

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (15.11.2021): BN - Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw46-2021.pdf?__blob=publicationFile amp;v=2, Zugriff 15.12.2021

- RLS - Rosa Luxemburg Stiftung (06.12.2021): Frauenkämpfe im Jemen - Zwischen Armut, Bomben und Entrechtung (Autor Jakob Reimann), https://www.rosalux.de/news/id/45488/frauenkaempfe-im-jemen, Zugriff 9.12.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

Kinder

UNICEF hat am 19.10.2021 bekannt gegeben, dass seit Ausbruch der Kampfhandlungen in Jemen im März 2015 mindestens 10.000 Kinder getötet oder verstümmelt wurden. UNICEF nennt nur verifizierte Zahlen, die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Kinder sind nicht nur durch Kampfhandlungen bedroht, sondern auch eine der vulnerabelsten Gruppen hinsichtlich der humanitären Notlage in Jemen (BN 25.10.2021).

Die Huthi nutzen die schwierige wirtschaftliche Lage, darunter die nicht erfolgte Auszahlung von Gehältern im öffentlichen Dienst, aus, um Kämpfer (einschließlich Kinder) zu rekrutieren, indem sie den Familien der Rekrutierten kleine Bargeldbeträge oder lebensnotwendige Güter wie Lebensmittel anbieten. Die Bargeldhilfe humanitärer Organisationen für solche Familien wirkt der Rekrutierung der Huthi entgegen. Die Deutsche Welle berichtet in einem Artikel vom Juli 2021 über das Schicksal eines durch Propaganda der Huthi rekrutierten Minderjährigen und erwähnt unter Berufung auf UNO-Zahlen 163 dokumentierte Fälle von Rekrutierung Minderjähriger durch die Huthi im Jahr 2020, sowie 48 Fälle von Rekrutierungen Minderjähriger durch andere am Krieg beteiligte Parteien. Die internationalen Menschenrechtsorganisationen EuroMed Rights und SAM Rights Liberties veröffentlichen im Februar 2021 einen gemeinsamen Bericht zur Rekrutierung von Kindern durch die Huthi sowie deren Rekrutierungsstrategien und zu Regionen, in denen solche Fälle dokumentiert wurden (ACCORD 4.10.2021).

Quellen:

- ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (4.10.2021): Anfragebeantwortung zu Jemen: Zwangsrekrutierungen, insbesondere durch Huthi-Milizen (Ansar Allah); Konsequenzen, wenn man sich der Rekrutierung entzieht [a-11678-2 (11679)], https://www.ecoi.net/de/dokument/2062146.html, Zugriff 10.12.2021

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (25.10.2021): BN - Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw43-2021.pdf?__blob=publicationFile amp;v=4, Zugriff 15.12.2021

Homosexuelle/Sexuelle Minderheiten

Das jemenitische Strafgesetzbuch verbietet gleichgeschlechtliche Beziehungen (HRW 23.4.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Artikel 264 bestraft Analsex mit 100 Peitschenhieben und möglicherweise einem Jahr Freiheitsstrafe, wenn die Teilnehmer nicht verheiratet sind. Wenn verheiratet, schreibt der gleiche Artikel den Tod durch Steinigung vor. Artikel 268 bestraft Sex zwischen Frauen mit bis zu drei Jahren Gefängnis. Artikel 273 und 274 bestrafen jede Handlung, die „auf eine Verletzung der Bescheidenheit und gegen die Etikette hinweist", mit bis zu sechs Monaten Gefängnis (HRW 23.4.2021).

Lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und intersexuelle (LGBTI) Personen werden diskriminiert. Es gibt von Seiten der Regierung keine offizielle Berichterstattung zu Gewalt oder Diskriminierung gegen LGBTI-Personen. Aufgrund der schweren Strafen gehen nur wenige Homosexuelle oder LGBTI-Personen offen mit ihrer sexuellen Orientierung oder Identität um. Es gibt keine LGBTI-Organisationen (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- HRW – Human Rights Watch (23.4.2021): Human Rights Watch Country Profiles: Sexual Orientation and Gender Identity, https://www.hrw.org/video-photos/interactive/2021/04/23/country-profiles-sexual-orientation-and-gender-identity#yemen, Zugriff 15.12.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Repatriierung vor; diese Freiheiten werden jedoch in vielerlei Hinsicht eingeschränkt (USDOS 30.3.2021).

Die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes wird durch Kämpfe, Landminen, Schäden an der Infrastruktur und Kontrollpunkte beeinträchtigt, an denen verschiedene bewaffnete Gruppen Schikanen und Erpressungen ausüben (FH 3.3.2021). Rebellen, Widerstandskräfte, Sicherheitskräfte und Stämme unterhalten Kontrollpunkte an den wichtigsten Straßen. In vielen Regionen, insbesondere in Gebieten, die nicht unter der Kontrolle der zentralen Sicherheitskräfte stehen, schränken bewaffnete Stammesangehörige häufig die Bewegungsfreiheit ein, unterhalten ihre eigenen Kontrollpunkte, manchmal zusammen mit Militär- oder anderen Sicherheitsbeamten, und setzen Reisende häufig physischen Schikanen, Erpressungen, Diebstählen oder kurzfristigen Entführungen gegen Lösegeld aus. Die durch den Konflikt verursachten Schäden an Straßen, Brücken und anderen Infrastruktureinrichtungen behindern auch die Lieferung von humanitärer Hilfe und kommerziellen Transporten (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052879.html, Zugriff 3.12.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

IDPs und Flüchtlinge

Binnenflüchtlinge (IDPs)

Laut IOM hat sich die Zahl der Binnenvertriebenen im Gouvernement Marib seit September 2021 verzehnfacht. Grund dafür ist der anhaltende Vormarsch der Huthi-Rebellen auf die Stadt Marib. Die Versorgungssituation in den Flüchtlingscamps verschlechtere sich zudem (BN 29.11.2021).

Nach Angaben des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) vom Dezember 2020 gab es im Jemen im Juni 2020 3,7 Millionen Binnenflüchtlinge. Die Binnenvertriebenen im Jahr 2020 waren unverhältnismäßig stark vom Verlust ihrer Lebensgrundlage aufgrund der COVID-19-Pandemie betroffen, da die meisten von ihnen ungelernte Tätigkeiten in der Schattenwirtschaft ausübten und viele von ihnen für die Verbreitung des Virus verantwortlich gemacht wurden (FH 3.3.2021).

Laut eines Berichts des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) wurden im November 2021 bei den Kämpfen zwischen den Huthi und der Anti-Huthi-Koalition in der Hafenstadt Hodeida rund 25.000 Menschen vertrieben. Davon seien mehr als die Hälfte in Gebiete geflohen, welche von der jemenitischen Regierung und ihren Verbündeten kontrolliert werden. Nach dem Abzug von Koalitionstruppen aus Teilen Hodeidas waren Huthi-Rebellen weiter in die Stadt vorgerückt, was zu Gefechten mit den Koalitionstruppen geführt hat (BN 13.12.2021).

Das UNHCR meldete im September 2020, dass seit Jahresbeginn mehr als 156.000 Menschen zusätzlich vertrieben worden seien. Während der verstärkten Kämpfe in Ma'rib kam es zu weiteren Vertreibungen. Nahezu eine Million Binnenvertriebene leben in mehr als 1.600 Binnenvertriebenenlagern unter schlechten Bedingungen; das UNHCR und seine Partner haben Zugang zu 660 dieser Lager, um dort Hilfe zu leisten (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (29.11.2021): BN - Briefing Notes, Jemen, per E-Mail

- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (13.12.2021): BN - Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw50-2021.pdf?__blob=publicationFile amp;v=2, Zugriff 15.12.2021

- FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052879.html, Zugriff 3.12.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

Flüchtlinge

Die IOM berichtet, dass Neuankünfte von Migranten aufgrund der COVID-19-Reisebeschränkungen deutlich zurückgegangen sind. Zwischen Januar und September 2020 verzeichnete die IOM etwas mehr als 33.000 Zugänge, verglichen mit mehr als 84.000 im gleichen Zeitraum 2019. Das Land nahm Flüchtlinge aus einer Vielzahl von Ländern auf. Viele Flüchtlinge sind aufgrund der sich verschlechternden Sicherheits- und Wirtschaftslage im Land zunehmend verletzlich. Somalische, äthiopische, eritreische und andere Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten haben Anteil an der allgemeinen Armut und Unsicherheit des Landes. Nach Angaben des UNHCR hielten sich im August 2020 283.898 Flüchtlinge und Asylbewerber im Land auf, die meisten von ihnen aus Somalia und Äthiopien. Viele versuchten, nach Saudi-Arabien zu gelangen oder dorthin zurückzukehren, um dort zu arbeiten. Viele flüchteten in das Flüchtlingslager Kharaz und in Städte im Süden. Die ROYG kann den Flüchtlingen oder Migranten keinen physischen Schutz bieten; viele werden in Haftzentren festgehalten, die von den Huthi im Norden und von der Regierung im Süden betrieben werden. Das UNHCR und andere Organisationen berichteten, dass Flüchtlinge und Migranten sowohl in den von den Huthi als auch in den von der ROYG kontrollierten Einrichtungen körperlichen und sexuellen Misshandlungen, Folter und Zwangsarbeit ausgesetzt sind und dass viele Flüchtlinge und Migranten Opfer von Menschenhandel wurden (USDOS 30.3.2021).

Die Corona-Pandemie verschlimmert die Situation von MigrantInnen, die bereits zuvor unter anhaltender Diskriminierung, Stigmatisierung, Abschiebungen, sexualisierter Gewalt und anderen Misshandlungen gelitten haben. Die Huthi-Rebellen halten MigrantInnen unter schlechten Bedingungen in Haft und verweigern ihnen Schutz und Zugang zu Asylverfahren. Als sich die Pandemie ausbreitete, schoben die De-facto-Behörden der Huthi Tausende äthiopische MigrantInnen nach Saudi-Arabien ab, wo sie unter lebensbedrohlichen Bedingungen festgehalten wurden, bevor man sie in ihr Herkunftsland zurückschickte (AI 7.4.2021).

Nach Angaben der IOM sind Migranten im Land weiterhin Formen des Missbrauchs durch Schmuggler und Menschenhändler ausgesetzt, darunter sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, Folter, Entführung zur Erpressung von Lösegeld, Zwangsarbeit und körperliche Gewalt. Nach Ansicht der IOM sind Frauen und Mädchen besonders gefährdet und haben ein höheres Risiko, Opfer von Menschenhändlern zu werden und sexuellem Missbrauch ausgesetzt zu sein. Das OHCHR berichtete, dass die von den VAE unterstützten Security Belt Forces (SBF) Vergewaltigungen und andere Formen schwerer sexueller Gewalt gegen ausländische Migranten und andere gefährdete Gruppen begangen haben (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Jemen 2020, Berichtszeitraum: 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048860.html, Zugriff 30.11.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

Grundversorgung und Wirtschaft

Die humanitäre Lage im Jemen sei niemals schlimmer gewesen als jetzt. Laut UN droht eine Hungersnot. Mehr als 20 Millionen Jemeniten benötigen humanitäre Hilfe und Schutz. Zwei von drei Menschen im Jemen benötigen Nahrungsmittelhilfe, medizinische Versorgung oder andere lebensrettende Unterstützung durch humanitäre Organisationen. Rund 400.000 Mädchen und Buben unter fünf Jahren seien unterernährt, denen Tod droht, wenn sie keine Hilfe bekommen (ARD 1.3.2021).

Die Konfliktparteien behindern die Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten, Kraftstoff und anderen Gütern, die für das Überleben der Bevölkerung unabdingbar sind, und die bewaffnete Gruppe der Huthi schränkt die Arbeit humanitärer Hilfsorganisationen weiterhin willkürlich ein. Die internationalen Finanzmittel für humanitäre Hilfe waren 2020 nur noch halb so hoch wie im Vorjahr. Dies verschärft auch die Nahrungsmittelknappheit und wirkt sich negativ auf die Trinkwasser-, Sanitär- und Gesundheitsversorgung der Bevölkerung aus (AI 7.4.2021).

Der Konflikt und die Unsicherheit haben die jemenitische Wirtschaft schwer getroffen. Ein erfolgreicher Wiederaufbau nach dem Konflikt wird kostspielig sein - und da die inländischen Gesamteinnahmen weniger als 5 % des BIP betragen (Weltbank, 2020) - muss ein Großteil dieses Geldes aus privaten und externen Quellen kommen. Eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung erfordert einen effektiven und gesunden Privatsektor, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (UNDP 23.11.2021).

Jemen ist seit Jahren das ärmste Land im Nahen Osten und Nordafrika (MENA) und leidet nun unter der schlimmsten humanitären Krise der Welt. Die seit 2015 anhaltenden Kämpfe haben die Wirtschaft des Landes verwüstet, was zu einer ernsten Ernährungsunsicherheit geführt und wichtige Infrastrukturen zerstört hat. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen waren im Jahr 2021 24,3 Millionen Menschen von Hunger und Krankheit bedroht, von denen etwa 14,4 Millionen akut auf Hilfe angewiesen waren. Hinzu kommt, dass etwa 20,5 Millionen Jemeniten ohne sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen leben und 16,2 Millionen Menschen aufgrund von Ernährungsunsicherheit und Unterernährung dringend Nothilfe benötigen. Wellen von Währungsabwertungen in den Jahren 2018 und 2019 haben zu einem anhaltenden Inflationsdruck auf den jemenitischen Riyal geführt, der die humanitäre Krise noch verschärft hat. Die Unterbrechung der Infrastruktur und der Finanzdienstleistungen hat die Tätigkeit des Privatsektors stark beeinträchtigt. Für mehr als 40 % der jemenitischen Haushalte ist es schwierig auch nur das Nötigste an Lebensmitteln zu kaufen. Die Armut verschlimmert sich; während sie vor der Krise fast die Hälfte der rund 29 Millionen Einwohner des Jemen betraf, sind jetzt schätzungsweise drei Viertel davon betroffen - 71 % bis 78 % der Jemeniten. Frauen sind stärker betroffen als Männer (WB 1.11.2021).

Im Rahmen einer Geberkonferez am 23.9.2021 wurden weitere 600 Mio. USD an Hilfsmitteln für Jemen zugesagt, nachdem im März bereits 1,7 Mrd. USD an Hilfszusagen zusammengekommen waren. Benötigt werden laut UN-Generalsekretär Guterres jedoch insgesamt 3,85 Mrd. USD, somit bleibt nach wie vor eine Finanzierungslücke von über 1 Mrd. USD bestehen. Das Welternährungsprogramm hat im Rahmen der Geberkonfernz berichtet, dass Nahrungsmittelhilfen im Oktober 2021 gekürzt werden müssen, sollten keine neuen Gelder bereitgestellt werden. 16 Mio. Menschen im Jemen wären dann von Hunger bedroht (BN 27.9.2021).

Die Machtergreifung der Huthi, die Luftangriffe der Koalition und die aktiven Kämpfe machten es für humanitäre Organisationen aufgrund von Sicherheitsrisiken schwierig, viele Gebiete des Landes zu erreichen (USDOS 30.3.2021).

Auch die Versorgungssituation in den Flüchtlingscamps verschlechtert sich zusehens (BN 29.11.2021).

Quellen:

- AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Jemen 2020, Berichtszeitraum: 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048860.html, Zugriff 30.11.2021

- ARD - Tagesschau (1.3.2021): Ausland, Appell auf Geberkonferenz: "Das Leben im Jemen ist unerträglich", https://www.tagesschau.de/ausland/jemen-geberkonferenz-113.html, Zugriff 3.12.2021

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (29.11.2021): BN - Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw48-2021.pdf?__blob=publicationFile amp;v=2, Zugriff 10.12.2021

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.9.2021): BN - Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw39-2021.pdf?__blob=publicationFile amp;v=3, Zugriff 10.12.2021

- UNDP - UN Development Programme (23.11.2021): Assessing the impact of war in Yemen: Pathways for recovery, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064338/UNDP-Yemen_ImpactofWar_WEB.pdf, Zugriff 3.12.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

- WB - World Bank (1.11.2021): Yemen, Overview, https://www.worldbank.org/en/country/yemen/overview, Zugriff 3.12.2021

Medizinische Versorgung

Jemen ist Schauplatz einer der größten humanitären Krisen weltweit. Nur noch die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen im Land ist geöffnet. Das Immunsystem der Einwohner ist geschwächt und ansteckende Krankheiten verbreiten sich schneller. Laut UNICEF stirbt alle zehn Minuten ein Kind in Jemen an einer vermeidbaren Krankheit. Jedes Jahr gibt es neue Choleraausbrüche, seit Anfang 2016 haben sich mehr als eine halbe Millionen Menschen in Jemen mit Cholera infiziert. Die deutsche Bundesregierung stellt im Jahr 2021 insgesamt 200 Mio. Euro für den Hilfsplan der Vereinten Nationen bereit. Damit werden Organisationen wie ADRA (Adventist Development and Relief Agency) gefördert. ADRA unterstützt im Norden und Süden des Landes acht Gesundheitseinrichtungen. Dort erhalten Menschen lebenswichtige medizinische Versorgung, wenn sie etwa mit Cholera infiziert sind oder an Unterernährung leiden (AA 17.11.2021).

Die Corona-Pandemie stellt eine Belastung für das ohnehin schon geschwächte Gesundheitssystem dar. Stark reduzierte internationale Finanzmittel, eine Blockade, die Behinderung von Hilfslieferungen und Kraftstoffmangel sorgten dafür, dass die Krankenhäuser der Pandemie nicht gewachsen waren. Im Vergleich zum Jahr 2016 war nur noch die Hälfte der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen in Betrieb. Medizinisches Personal musste entlassen und Kliniken geschlossen werden, während sich die Infektionen in der Bevölkerung weiter ausbreiteten. Das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten warnt, dass in mehreren Provinzen die Bekämpfung der Corona-Pandemie und anderer Krankheiten nicht mehr möglich sei. Dies betreffe 18 Mio. Menschen, darunter 6 Millionen Minderjährige. Alle Konfliktparteien behinderten humanitäre Hilfe. Nach Angaben der UN waren im Jahr 2020 etwa 80 % der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe und Schutz angewiesen, weil es ihnen an medizinischer Versorgung und sauberem Wasser mangelte. Die Konfliktparteien behindern die Versorgung mit, unter anderem, Medikamenten. Z.B. im Mai blockierten die Huthi Container der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Lieferungen mit persönlicher Schutzausrüstung, die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie benötigt wurden (AI 7.4.2021).

Die medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen unzureichend, eine Notfallversorgung mit funktionierender Rettungskette meist nicht existent. Auch in Sanaa entspricht die medizinische Versorgung nicht europäischem Standard. Es muss daher mit maximalen Einschränkungen der medizinischen Versorgung in und außerhalb der Hauptstadt Sanaa gerechnet werden. Mit Wirkung vom 10.10.2021 ist Jemen als Hochrisikogebiet eingestuft (AA 30.11.2021a).

Quellen:

- AA - Das deutsche Auswärtige Amt (30.11.2021a): Jemen: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/jemen-node/jemensicherheit/202260#content_5, Zugriff 30.11.2021

- AA - Das deutsche Auswärtige Amt (17.11.2021): Jemen: Mobile Kliniken machen medizinische Versorgung in der Krise möglich, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/humanitaere-hilfe/huhi-jemen/2496418, Zugriff 30.11.2021

- AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Jemen 2020, Berichtszeitraum: 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048860.html, Zugriff 30.11.2021

Rückkehr

UNHCR fordert die Staaten weiterhin auf, jemenitische Staatsangehörige und Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Jemen haben, nicht zwangsweise in irgendeinen Teil des Landes zurückzuführen. Das Rückführungsverbot dient als Mindeststandard und sollte so lange aufrechterhalten werden, bis sich die Sicherheits-, Rechtsstaatlichkeits- und Menschenrechtslage im Jemen so weit verbessert hat, dass eine sichere und menschenwürdige Rückkehr von Personen, die keinen internationalen Schutz mehr benötigen, möglich ist (UNHCR 10.2021).

Vor 2014 arbeitete die Übergangsregierung mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Binnenvertriebenen (IDPs), Flüchtlingen, Rückkehrern, Asylbewerbern, Staatenlosen und anderen Betroffenen Schutz und Unterstützung zu bieten (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (10.2021): Position on Returns to Yemen - Update I; UNHCR Position on Returns to Yemen - Update I, https://www.ecoi.net/en/file/local/2063008/6171436e4.pdf, Zugriff 30.11.2021

- USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048179.html, Zugriff 3.12.2021

Die obigen Feststellungen zur Lage im Jemen wurden dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.12.2021 entnommen.

Weiters wird fallspezifisch festgestellt:

Huthi (Harakat Ansar Allah)

Die Huthi - offiziell bekannt als Harakat Ansar Allah (wörtl. „Bewegung der Helfer Gottes") - sind eine vom Iran unterstützte, schiitisch-muslimische militärische und politische Bewegung. Ihre Mitglieder, die sich der Minderheit der Zaiditen des schiitischen Islam zugehörig fühlen, setzen sich für die regionale Autonomie der Zaiditen im Nordjemen ein [siehe auch Abschnitt 12.1. Religiöse Gruppe: Zaiditen], Die Gruppe hat seit 2004 eine Reihe blutiger Aufstände gegen die jemenitische Regierung ausgeführt, die zu einem Sturz des Regimes Anfang 2015 geführt haben. Die Huthi- Bewegung begann als Versuch, die Autonomie der Stämme im Nordjemen aufrechtzuerhalten und gegen den westlichen Einfluss im Nahen Osten zu protestieren. Heute streben die Huthi eine größere Rolle in der jemenitischen Regierung an und setzen sich weiterhin für die Interessen der zaiditischen Minderheit ein. Die Huthi sind für ihre heftige anti-amerikanische und antisemitische Rhetorik bekannt (CEP 2019). Sie sind außerdem durch die von ihnen so wahrgenommene wirtschaftliche Diskriminierung während der Saleh-Herrschaft motiviert (DW 1.10.2019). Die Ziele der Huthi umfassen auch Entschädigungen für die Schäden während der Saada-Kriege [Anm.: Kriege zwischen Huthi und Regierung im Gouvernement Saada zwischen 2004 und 2010], die Interessensvertretung [der Zaiditen] innerhalb der Zentralregierung, und die Garantie, dass die Gruppe vor zukünftiger politischer und wirtschaftlicher Marginalisierung geschützt wird. Nicht alle Zaiditen im Jemen identifizieren sich mit der Huthi-Bewegung (CT 2019). Die Huthi-Bewegung besteht heute aus verschiedenen militärischen Kräften, darunter auch circa 60 Prozent ehemalige Angehörige der jemenitischen Armee unter Ex-Präsident Saleh. Schätzungen zufolge sollen die Huthi militärisch 180.000 bis 200.000 Mann stark sein und über verschiedene Waffensysteme verfügen (DW 1.10.2019). In den nördlichen Gebieten, die traditionell unter zaiditischer Kontrolle standen, gibt es Berichte über fortgesetzte Bemühungen der Huthi, ihre religiösen Bräuche auch Nicht-Zaiditen aufzuzwingen, unter anderem durch ein Musikverbot und die Forderung, dass Frauen eine Voll-Verschleierung tragen müssen (USDOS 21.6.2019). Bewaffnete Huthi-Kräfte nahmen häufig Geiseln und begingen andere ernsthafte Missbräuche an Personen, die sich in ihrem Gewahrsam befinden (HRW 25.9.2018).

Quellen:

- CEP - Counter Extremism Projekt (2019): Houthis, https://www.counterextremism.com/threat/houthis. 21.11.2019

- CT - Critical Threats (2019): al Houthi Movement, https://www.criticalthreats.org/organizations/al-houthi-movement. Zugriff 21.11.2019

- DW - Deutsche Welle (1.10.2019): Yemen's Houthi rebels: Who are they and what do they want?, https://www.dw.com/en/yemens-houthi-rebels-who-are-they-and-what-do-they-want/a-50667558, Zugriff 20.11.2019

- HRW - Human Rights Watch (25.9.2018): Yemen: Houthi Hostage-Taking, https://www.ecoi.net/en/document/1444267.html. Zugriff 20.11.2019

- USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Yemen, https://www.ecoi.net/en/document/2011009.html. Zugriff 20.11.2019

(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Jemen vom 16.12.2019)

Bei den bewaffneten Truppen der Huthi handelt es sich um eine heterogene Ansammlung von Milizen und professionellen Soldaten, die etwa 200.000 Kämpfer umfasst. Neben der regulären Armee gibt es spezielle militärische Einheiten und bewaffnete Milizen, die unter dem Kommando hochrangiger Huthi-Funktionäre, verbündeter Stammesanführer und anderer prominenter Persönlichkeiten stehen, die lokal Unterstützung gewinnen. Obwohl erwartet wird, dass man sich dem Anliegen der Huthi verpflichtet zeigt, genießen lokale Anführer relative Autonomie und unterhalten ein Netzwerk von Milizen, die Kämpfer zur Unterstützung der Kriegsmaßnahmen rekrutieren. Die Huthi setzen für Rekrutierungen auch Einschüchterung und Zwang ein. Jede Familie mit heranwachsenden Jungen sieht sich dem Druck ausgesetzt, diese für das Militär zu verpflichten, sonst droht Inhaftierung oder es wird ihnen Verrat vorgeworfen (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Jemen: Zwangsrekrutierungen insbesondere durch Huthi-Milizen vom 04.10.2021).

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahmen in den Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, in das dem Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des Jemen vorliegende Dokumentationsmaterial und durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.05.2023.

Die Feststellungen zur Person des Asylwerbers ergeben sich aus seinem glaubwürdigen Vorbringen, das insbesondere im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung erstattet wurde, und den vom Asylwerber vorgelegten Urkunden, wobei seine (auch im Original vorgelegten) jemenitischen Reisepässe, wobei im Rahmen einer Überprüfung des gültigen Reisepasses durch die LPD Steiermark keine offensichtlichen Hinweise auf das Vorliegen einer Fälschung oder Verfälschung festgestellt werden konnten, und die Haftbefehle, die auch gegen den Beschwerdeführer gerichtet sind, hervorzuheben sind. Weiters wird auf die Farbkopie eines jemenitischen Reisepasses, der auf den in Rede stehenden älteren Bruder des Beschwerdeführers ausgestellt ist und Ibb im Jemen als dessen Geburtssort und eine am 22.01.2019 erfolgte Einreise in den Jemen aufweist, hingewiesen.

Dass die Huthi jedenfalls bereits im Jahre 2015 die Provinz Ibb – aus der der Vater des Beschwerdeführers ursprünglich stammte – unter ihrer Kontrolle hatten und auch weiterhin haben und Aden jedoch nicht (mehr) kontrollieren, ergibt sich aus dem diesbezüglichen Kartenmaterial (Karte zu Wikipedia-Ausdruck bezüglich Huthi/Stand 2015, Karte im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Jemen vom 17.12.2021, S. 14, Stand: 11/12 2021 und Einsichtnahmen in liveuamap. com zum Jemen).

Hinsichtlich der Bescheidausführungen, es sei nicht glaubhaft, dass für die Geldübermittlungen keine Banken eingeschaltet worden seien, konnte vom Beschwerdeführer glaubhaft – vor dem Hintergrund der jemenitischen Verhältnisse – dargetan werden, dass dafür eine Person herangezogen wurde, die damals jedenfalls das Vertrauen des Vaters als vormaliger Arbeitskollege – wie sich später herausstellte, zu Unrecht – genoss.

Weiters geht auch das Argument des Bundesamtes ins Leere, dass der Streit des Vaters des Beschwerdeführers mit dem Onkel väterlicherseits keine relevanten Ausmaße erreicht haben könne, weil er sonst nicht die Absicht gehabt hätte, sich wieder im Jemen niederzulassen, weil der in Rede stehende Onkel des Beschwerdeführers in von den Huthi kontrollierten Sanaa lebt und der Vater des Beschwerdeführers das Haus im weit entfernten und von den Huthi nicht (mehr) kontrollierten Aden bauen wollte.

Die Feststellungen zur Lage im Jemen und die weiteren fallspezifischen Feststellungen ergeben sich aus den oben genannten Quellen. Hiebei ist darauf hinzuweisen, dass weder die oben genannten Länderinformationsblätter der Staatendokumentation noch die angeführte ACCORD-Anfragebeantwortung erkennen lassen, dass sich die Rekrutierungsversuche der Huthi ausschließlich auf Schiiten beziehen.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idgF (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine befristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

Gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 ist auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.November 2015 gestellt haben, § 3 Abs. 4 AsylG 2005 nicht anzuwenden.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, iVm Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich (infolge von vor dem 1. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen/diese Worte in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention sind gemäß Art. 1 Abs. 2 des oben genannten Protokolls als nicht enthalten anzusehen) aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich (infolge obiger Umstände/diese Worte in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention sind ebenfalls gemäß Art. 1 Abs. 2 des oben genannten Protokolls als nicht enthalten anzusehen) außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, ua).

Die Umstände, dass einerseits der Asylwerber, der jemenitischer Staatsangehöriger ist, aufgrund des durch den älteren Bruder des Beschwerdeführers verursachten Todes eines Angehörigen eines einflussreichen Stammes von der Blutrache bedroht wird und (gleichsam) im Rahmen der Sippenhaft auch festgenommen werden soll, um des beschuldigten Bruders des Beschwerdeführers habhaft zu werden und andererseits ein familiärer Konflikt mit dem Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers besteht, der aus Erbschaftsstreitigkeiten resultiert, wobei dieser Onkel, der nunmehr ein höherer Kommandant bei den Huthi ist, dem Beschwerdeführer mit der Rekrutierung für die Huthi droht, lassen den Asylwerber im Jemen im erheblichen Maße gefährdet erscheinen. In seinem Falle liegt daher diesbezüglich wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie vor.

Da das Asylrecht als Ausgleich für fehlenden staatlichen Schutz konzipiert ist (VwGH 13.11.2001, Zl. 2000/01/0098), kommt es aber nicht nur darauf an, ob die Verfolgungsgefahr vom Staat bzw. Trägern der Staatsgewalt oder von Privatpersonen (z.B. von Teilen der lokalen Bevölkerung) ausgeht, sondern vielmehr darauf, ob im Hinblick auf eine bestehende Verfolgungsgefahr ausreichender Schutz besteht (vgl. dazu VwGH 16.04.2002, Zl. 99/20/0483; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zur Feststellung, ob ein solcher ausreichender Schutz vorliegt – wie ganz allgemein bei der Prüfung des Vorliegens wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung – ein „Wahrscheinlichkeitskalkül" heranzuziehen (z.B. VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob es dem Asylwerber möglich ist, angesichts des ihn betreffenden Sicherheitsrisikos ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat in Anspruch zu nehmen bzw. ob der Eintritt des zu befürchtenden Risikos wahrscheinlich ist. Aufgrund der vorliegenden Feststellungen zum Jemen ist ein Funktionieren staatlicher Schutzmechanismen nicht anzunehmen und ist es den jemenitischen Behörden nicht möglich, für die grundlegenden Rechte und Freiheiten Sorge zu tragen. Vor diesem Hintergrund wäre es dem Asylwerber unter diesen Umständen nicht möglich, im Jemen zu leben, ohne seine Gesundheit oder gar sein Leben zu gefährden.

Daher muss er in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit massiven gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen rechnen, die hinsichtlich ihrer Intensität asylrechtliche Relevanz erreichen würden. Weiters ist davon auszugehen, dass die Behörden ihrer (positiven) Schutzpflicht auch bezüglich der Bedrohung des Asylwerbers nicht nachgekommen wären bzw. gar nicht in der Lage sind, dieser Pflicht nachzukommen und er somit keinen ausreichenden Schutz in seinem Herkunftsstaat finden kann.

Da die Zuerkennung subsidiären Schutzes durch die belangte Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwGH 15.10.2015, Ra 2015/20/0181) den Verweis auf eine innerstaatliche Fluchtalternative als Grundlage der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten ohnedies ausschließt, ist eine innerstaatliche Fluchtalternative für den Asylwerber nicht anzunehmen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Aufgrund der am 10.08.2021 erfolgten Antragstellung kommt dem Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 4 iVm § 75 Abs. 24 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu, die drei Jahre gilt.

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 1985/10 idgF (VwGG), hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Hiebei wird einerseits auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und andererseits darauf verwiesen, dass der gegenständliche Fall ohnedies maßgeblich auf der Tatsachenebene zu beurteilen war.

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