G316 2270920-1/3Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina MUCKENHUBER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Polen, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2023, Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, zu Recht:
A) Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 28.03.2023 wurde gegen den polnischen Staatsangehörigen XXXX (im Folgenden: BF) gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Zu Spruchpunkt III. führte die belangte Behörde aus, dass gegen den BF bereits ein Aufenthaltsverbot bestanden habe, welches der BF wiederholt missachtet habe. Schließlich sei der BF erneut straffällig geworden und sei daher die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbotes geboten.
Der BF erhob durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde und führte unter anderem aus, dass sein Lebensmittelpunkt in Österreich bestehe und er seine Straftaten, aufgrund welcher er seit eineinhalb Jahren in psychologischer Behandlung stehe, zutiefst bereue.
Die gegenständliche Beschwerde wurde mit dem maßgeblichen Verwaltungsakt am 27.04.2023 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist polnischer Staatsangehöriger.
1.2. Der BF wurde im Bundesgebiet mehrfach straffällig:
1) Am 22.11.2011 wurde er von einem Landesgericht wegen versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.
2) Am 03.11.2014 wurde er von einem Landesgericht wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs. 1, 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, davon 7 Monate bedingt verurteilt.
Der BF befand sich daraufhin von 18.07.2013 bis 18.11.2014 in Haft.
3) Am 17.09.2021 wurde der BF von einem Landesgericht wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1, 1. Fall und der schweren Körperverletzung §§ 15, 84 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt verurteilt.
Dem Urteil lag zugrunde, dass der BF im Juli 2021 zwei Personen am Körper verletzte, indem er einer Person einen Faustschlag in deren Gesicht sowie Fußtritte gegen deren am Boden befindlichen Körper versetzte, wodurch diese einen Nasenbeinbruch, Hämatome am Kopf sowie Schnittwunden an den Händen und Knien erlitt und eine andere Person ins Gesicht schlug, wodurch diese einen Bluterguss erlitt. Weiters versuchte der BF im August 2021 Beamte bei seiner Festnahme zu hindern, indem er einen gezielten Kopfstoß in Richtung des einen Beamten setzte und einen anderen Beamten ruckartig nach hinten wegstieß. Letzterer erlitt dadurch Hautabschürfungen und eine Schwellung am Ellbogen.
Bei der Strafbemessung wurde der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb und das teilweise reumütige Geständnis als mildernd und das Zusammentreffen von fünf Vergehen und die einschlägige Vorstrafe als erschwerend gewertet.
4) Am 07.06.2022 wurde der BF von einem Landesgericht wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs. 1 StGB und der Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs. 2, 2. Satz StGB unter Bedachtnahme des Urteils vom 17.09.2021 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt.
Dem Urteil lag zugrunde, dass der BF im Zeitraum von Februar bis Juli 2021 an 17 verschiedenen Tagen, teilweise auch an mehreren Zeitpunkten pro Tag mit einer Frau, die aufgrund einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustandes dadurch sexuell missbrauchte, dass er mit ihr mehrfach den Beischlaf bzw. eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vornahm, indem er mit ihr vaginalen Geschlechtsverkehr durchführte und ihr zumindest einen Finger in die Scheide und den After einführte. Weiters verschaffte sich und besaß der BF bis August 2021 pornographische Darstellungen minderjähriger Personen, und zwar 437 Bilddateien, auf denen wirklichkeitsnahe Abbildungen geschlechtlicher Handlungen durch und an unmündigen Personen im Sinne des § 207a Abs. 4 Z 1 und von geschehen im Sinne des § 207a Abs. 4 Z 2 und die Gentalien bzw. die Schamgegend Minderjähriger, soweit es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen, abgebildet sind.
Bei der Strafbemessung wurde das teilweise Geständnis als mildernd und das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen sowie die Ausnützung der Vertrauensstellung gegenüber dem Opfer als erschwerend gewertet.
Gemäß § 21 Abs. 2 StGB wurde der BF in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, als er die Taten unter Einfluss seiner kombinierten Persönlichkeitsstörung und der Störung der Sexualpräferenz und zwar einer kombinierten sexuellen Störung Pädophilie und Somnophilie sowie einer kombinierten Persönlichkeitsstörung beging.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Urteil vom OLG vom 17.02.2023 nicht Folge gegeben.
Zudem wurde der BF in Polen fünfmal, unter anderem weil er ein fünfjähriges Mädchen sexuell missbrauchte, strafgerichtlich verurteilt.
1.3. Gegen den BF wurde im Jahr 2012 aufgrund seiner ersten strafgerichtlichen Verurteilung von der damals zuständigen Behörde ein Aufenthaltsverbot erlassen, welches unangefochten in Rechtskraft erwuchs.
Der BF kehrte jedoch ins Bundesgebiet zurück und beging die oben genannte zweite Straftat. Nach seiner Haftentlassung wurde er am 19.11.2014 nach Polen abgeschoben. Der BF kehrte daraufhin wiederholt ins Bundesgebiet zurück und wurde am 28.11.2016, am 29.03.2019, am 21.08.2019, am 27.06.2020, am 19.10.2020 und am 27.05.2021 nach Polen abgeschoben.
1.4. Der BF ist ledig und hat keine Sorgepflichten.
Er verfügt für die Jahre 2008 und 2011 bis 2012 über Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet. Danach liegen für seine Person, abgesehen von seinen Aufenthalten in Haftanstalten, keine Eintragungen im Zentralen Melderegister vor.
Er verfügt in Österreich über keine Anmeldebescheinigung. Er verfügt in Österreich über keine Anmeldebescheinigung. Der BF war von 30.08.2011 bis 31.12.2012 und von 01.04.2015 bis 31.12.2015 in Österreich selbständig erwerbstätig.
Der BF verfügt im Bundesgebiet über keine Familienangehörigen. Der BF verfügt über Verwandte (Vater und Schwester) in Polen und hat zu diesen derzeit keinen Kontakt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Identität des BF steht unstrittig fest.
2.2. Die Feststellungen zur Straffälligkeit beruhen auf den im Akt inliegenden Urteilen der Strafgerichte und dem Strafregisterauszug.
Die Aufenthalte in Haft ergeben sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
2.3. Die Feststellung zum Aufenthaltsverbot aus dem Jahr 2012 ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid und wurden vom BF im Rahmen der Beschwerde bestätigt.
Die Feststellungen zu den durchgeführten Abschiebungen des BF beruhen auf einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister.
2.4. Dass der BF ledig ist und keine Sorgepflichten hat, ergibt sich aus den Strafurteilen.
Die Meldungen im Bundesgebiet beruhen auf einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Dass der BF über keine Anmeldebescheinigung verfügt, ergibt sich aus dem Zentralen Fremdenregister. Die Erwerbstätigkeit des BF im Bundesgebiet ergibt sich aus einer Abfrage seiner Sozialversicherungsdaten.
Die familiären Verhältnisse des BF beruhen auf den Angaben in der Beschwerde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Vorweg ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden Entscheidung nur jener – trennbare – Spruchteil des mit der Beschwerde angefochtenen Bescheides ist, mit dem gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt wurde, weshalb sich die Prüfung auf jene Teile des Beschwerdevorbringens beschränkt, die sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) richten.
Die Entscheidung in der Hauptsache (dh. konkret gegen die Spruchpunkte I.-II. des angefochtenen Bescheides) ergeht zu einem späteren Zeitpunkt gesondert.
3.2. 3.2. § 18 BFA-VG, „Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde“, lautet auszugsweise:
(…)
(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
(…)
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.
§ 18 Abs. 5 BFA-VG bestimmt, unter welchen Voraussetzungen das VwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, diese aufschiebende Wirkung zuzuerkennen bzw. der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben hat. Dafür gilt eine Entscheidungsfrist von einer Woche ab Vorlage der Beschwerde (VwGH 05.03.2021, Ra 2020/21/0175).
Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (VwGH vom 27.08.2020, Ra 2020/21/0172).
Gegenständlich wurde der BF im Bundesgebiet im Zeitraum von 2011 bis 2022 viermal strafgerichtlich verurteilt. Die Straftaten umfassen Diebstahl, Widerstand gegen die Staatsgewalt, (schwere) Körperverletzung und schließlich sexueller Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person und pornografische Darstellung Minderjähriger.
Wie die belangte Behörde zutreffend ausführte, steht der weitere Aufenthalt des BF dem öffentlichen Interesse an Ruhe und Ordnung, der Verhinderung von Gewalt – und Sexualdelikten entgegen und besteht in Hinblick auf das gezeigte Verhalten in der Vergangenheit akute Wiederholungsgefahr. Zudem wurde gegen den BF aufgrund der ersten Verurteilung im Jahr 2012 ein Aufenthaltsverbot erlassen, dem er sich wiederholt widersetzte und insgesamt siebenmal nach Polen abgeschoben werde musste, ehe er schließlich im Rahmen des dritten Strafverfahrens festgenommen wurde und seitdem in Haft verbringt.
Die sofortige Ausreise des BF ist im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Die belangte Behörde stützte die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde somit zu Recht auf § 18 Abs. 3 BFA-VG.
Zu dem in der Beschwerde vorgebrachten Einwand, dass sich der Lebensmittelpunkt des BF seit 2005 im Bundesgebiet befindet, ist auszuführen, dass gegen den BF ab dem Jahr 2012 ein Aufenthaltsverbot bestand und der ab diesem Zeitpunkt durch seine Abschiebungen nach Polen unterbrochene Aufenthalt in Österreich jedenfalls unrechtmäßig war und zur Begehung von Straftaten genutzt wurde. Dem BF ist es aufgrund seines festgestellten Verhaltens jedenfalls zuzumuten, den Ausgang seines Verfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten.
Darüber hinaus haben sich auch sonst keine Umstände ergeben, wonach die aufschiebende Wirkung von Amts wegen zuzuerkennen gewesen wäre.
Nach dem Gesagten ist aus derzeitiger Sicht (auf Basis der aktuell vorliegenden Aktenlage) nicht anzunehmen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde bzw. gebracht hat. Ein diesbezügliches Vorbringen wurde auch nicht erstattet.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen vor dem Hintergrund der in der rechtlichen Beurteilung angeführten Rechtsprechung des VwGH keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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