Spruch
W274 2259250-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Lughofer als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. KommR Pollirer und Dr. Gogola als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde, Barrichgasse 40-42, 1030 Wien, vom 10.05.2022, GZ: D124.0201/22 2022-0.088.129, Mitbeteiligter Bundesminister für XXXX , wegen Verletzung im Recht auf Auskunft gemäß § 15 DSGVO, hier wegen Ablehnung der Behandlung gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und der Behörde die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens aufgetragen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Schreiben vom 17.12.2021 wandte sich der als Rechtsanwalt tätige XXXX (im Folgenden Beschwerdeführer, BF) - ohne Verwendung akademischer Titel - an das „Bundesministerium XXXX “ (im Folgenden als Bundesminister XXXX bezeichnet als Mitbeteiligter, MB) und brachte vor, nach Medienberichten sei es zu einem schwerwiegenden Datensicherheitsvorfall gekommen, von dem offenbar sowohl das Register der anzeigepflichtigen Krankheiten gemäß § 4 EpiG als auch das Register für Screeningprogramme gemäß § 5 EpiG betroffen sein dürften. Für diese Datenverarbeitung sei der für das Gesundheitswesen zuständige Minister Verantwortlicher. Der BF gehe davon aus, dass in den genannten Datenverarbeitungen auch ihn betreffende Daten verarbeitet würden. Er ersuche daher gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO zunächst um Bestätigung, dass von der Behörde des MB den BF betreffende personenbezogene Daten verarbeitet würden. Soweit solche Daten des BF verarbeitet würden, ersuche dieser um Bekanntgabe der folgenden Informationen (in weiterer Folge gibt der BF die verba legalia des § 15 Abs. 2 DSGVO wieder). Weiters ersuche er um Übermittlung einer Kopie der ihn betreffenden personenbezogenen Daten.
Mit Schreiben vom 02.02.2022 wandte sich der BF an die Datenschutzbehörde (im Folgenden: belangte Behörde) mit den Anträgen, diese wolle feststellen, dass der BF vom MB in seinem Recht auf Auskunft verletzt worden sei und diesem auftragen, eine vollständige und den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Auskunft zu erteilen. Er verwies auf sein Schreiben vom 17.12.2021 an dem MB und darauf, dass bis zum heutigen Tag keine Auskunft erteilt worden sei.
Ohne weitere Verfahrensschritte erließ die belangte Behörde den bekämpften Bescheid, mit welchem die Behandlung der Beschwerde abgelehnt wurde.
Die belangte Behörde stellte folgenden Sachverhalt fest:
„Der BF brachte am 03.09.2018 seine erste Beschwerde nach In- Geltung-Treten der DSGVO bei der belangten Behörde ein, die unter der GZ D123.429 protokolliert wurde. Seit diesem Zeitpunkt brachte der BF folgende weitere (Bescheid-, Säumnis-) Beschwerden bei der Datenschutzbehörde ein, die unter nachfolgenden Geschäftszahlen protokolliert wurden:“
Es folgt eine Aufstellung von 63 Positionen, beinhaltend Geschäftszahlen, die Person des Beschwerdeführers und allfälliger weiterer Beschwerdeführer sowie eine Kurzbezeichnung, z.B. „ XXXX (D124.4416)“.
Die Feststellungen ergäben sich aus einer amtswegigen Recherche per 06.04.2022 im Aktenverwaltungssystem ELAK der belangten Behörde.
Rechtlich folgerte die belangte Behörde daraus, einer betroffenen Person stehe es grundsätzlich offen, ihre Betroffenenrechte ohne weitere Begründung durch Beschwerdeerhebung geltend zu machen. Davon ausgenommen seien gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO offenkundig unbegründete oder – insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung – exzessive Anfragen. Auch wenn es der Verordnungsgeber grundsätzlich offen lasse, in welchen Fällen konkret von einer „exzessiven“ Beschwerdeerhebung gesprochen werden könne, indiziere der Wortlaut des Art. 57 abs. 4 DSGVO, dass dies im Speziellen bei einer signifikant erhöhten Anzahl von Anträgen und Verfahren anzunehmen sei.
Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass die nunmehr über 60 Beschwerden des BF jedenfalls als „häufige Wiederholung“ iSd Art. 57 Abs. 4 DSGVO zu qualifizieren seien. Der Komplexitätsgrad der vom BF bei der belangten Behörde in Gang gesetzten Verfahren sei hoch und es würden, auch aufgrund durchwegs sehr umfangreicher Stellungnahmen des BF, überdurchschnittlich viele Ressourcen der belangten Behörde auf diesen gebunden.
Im Falle von exzessiven Anfragen könne die Aufsichtsbehörde eine angemessene Gebühr verlangen oder sich weigern aufgrund der Anfrage tätig zu werden.
Das Wort „oder“ in Art. 57 Abs. 4 DSGVO indiziere dabei, dass es im pflichtgemäßen Ermessen einer Aufsichtsbehörde liege, ob sie Kosten vorschreibe oder sich weigere, tätig zu werden. Eine Verpflichtung, zuerst Kosten vorzuschreiben und erst im Falle der Ineffektivität dieses Schrittes eine Weigerung zur Behandlung auszusprechen, sei Art. 57 Abs. 4 DSGVO nicht zu entnehmen. Im Übrigen entspreche diese Bestimmung inhaltlich der „Missbrauchsklausel“ des Art. 12 Abs. 5 leg.cit und es könne daher auch auf hiezu vorliegende Literatur zurückgegriffen werden. Diesbezüglich werde vertreten, dass von einem Wahlrecht des Verantwortlichen auszugehen sei.
Vor diesem Hintergrund sei die belangte Behörde zum Ergebnis gekommen, dass die Behandlung der Beschwerde aufgrund der Exzessivität der Anträge des BF abzulehnen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des BF wegen unrichtiger und unvollständiger Sachverhaltsfeststellungen und - erkennbar - unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem primären Antrag, das Verwaltungsgericht wolle den Bescheid ersatzlos beheben und der belangten Behörde die Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens auftragen. Beantragt wird auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt elektronischem Akt dem BVwG - einlangend per 07.09.2022 - vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Die Beschwerde ist im Sinn einer Behebung samt Auftrag zur Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens berechtigt:
Festgestellt wird:
Beginnend mit 03.09.2018 wurden bei der belangten Behörde betreffend den BF 63 Geschäftszahlen vergeben, jene wie auf den Seiten 2 bis 5 des Bescheides dargestellten. Darunter finden sich ausdrücklich 6 als Beschwerden wegen „Auskunft“ bezeichnete Verfahren. Darunter findet sich auch - als einzige Geschäftszahl den nunmehrigen MB (Bundesminister für XXXX ) betreffend - die GZ D124.0201/22.
Die Feststellungen ergeben sich aus der in der Beschwerde angeführten Aufstellung.
Rechtlich folgt:
Gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO kann die Aufsichtsbehörde bei offenkundig unbegründeten oder - insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung - exzessiven Anfragen eine angemessene Gebühr auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen oder sich weigern, aufgrund der Anfrage tätig zu werden. In diesem Fall trägt die Aufsichtsbehörde die Beweislast für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter der Anfrage.
Zusammengefasst ist die belangte Behörde der Ansicht, dass eine „exzessive Anfrage“ des BF vorliegt, dies im Hinblick auf nunmehr über 60 Beschwerden des BF, die als „häufige Wiederholung“ im Sinne des Art. 57 Abs. 4 DSGVO zu qualifizieren seien. Der Komplexitätsgrad der vom BF in Gang gesetzten Verfahren sei hoch und hiedurch würden überdurchschnittlich viele Ressourcen der belangten Behörde auf diesen gebunden. Es bestehe ein Wahlrecht zwischen einer angemessenen Gebühr oder einer Weigerung, tätig zu werden. Die Behandlung der Beschwerde werde aufgrund der Exzessivität der Anträge (über 60 Beschwerden) abgelehnt.
Dem hält der BF in seiner Beschwerde zusammengefasst entgegen, er habe tatsächlich seit 03.09.2018 lediglich 45 (nicht 63) Beschwerdeverfahren bei der belangten Behörde eingeleitet. Näher erläuternd führt der BF aus, dass die belangte Behörde in Bezug auf einen Sachverhalt oder eine Beschwerde teilweise mehrere Verfahrenszahlen vergeben habe. Der BF führt diesbezüglich Beispiele im Hinblick auf die Aufstellung der belangten Behörde an. Wenn die belangte Behörde auf eine „häufige Wiederholung“ Bezug nehme, fehlten Feststellungen, bei welchen der vom BF eingebrachten Beschwerden es sich um „Wiederholungen“ anderer Beschwerden oder Anträge handle. Von Wiederholungen könne nur gesprochen werden, wenn ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen mehreren Anträgen oder Beschwerden bestehe. Tatsächlich beziehe sich keine einzige der angeführten Beschwerden auf denselben Beschwerdegegenstand. Eine absolute Anzahl an Anfragen könne für sich genommen schon nach der Rechtsprechung des BVwG nicht der entscheidende Punkt für die Frage sein, ob eine Anfrage „exzessiv“ im Sinne des Art. 57 Abs. 4 DSGVO sei. Dem Bescheid seien auch keinerlei Hinweise zu entnehmen, ob und welche der vom BF gestellten Anträge allenfalls rechtsmissbräuchlich seien. Wenn die belangte Behörde ausführe, dass der Komplexitätsgrad der vom BF in Gang gesetzten Verfahren hoch sei und hiedurch überdurchschnittlich viele Ressourcen gebunden würden, so sei dies im Hinblick auf die gegenständliche Beschwerde befremdlich, zumal diese einschließlich des Deckblatts genau zwei Seiten umfasse und lediglich den gesetzlichen Mindestinhalt einer Beschwerde aufweise.
Dazu ist auszuführen:
Der Tatbestand des Art. 57 Abs. 4 DSGVO enthält die unbestimmten Gesetzesbegriffe „offenkundig unbegründete“ oder „exzessive“ Anfragen und knüpft daran als Kann-Bestimmung als mögliche Rechtsfolge die Auferlegung einer angemessenen Gebühr oder eine Weigerung, tätig zu werden.
Eine ausdrückliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Interpretation dieser Tatbestandselemente ist bislang nicht ergangen. Auch eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu Art. 57 Abs. 4 DSGVO ist bislang nicht ersichtlich. Betreffend einige diesbezügliche Entscheidungen des BVwG (W274 2224656 vom 28.05.2020, W253 2246873 vom 17.12.2021 und W245 2244313 vom 22.04.2022) sind Revisionen beim VwGH anhängig.
Die genannten Entscheidungen des BVwG setzen sich mit bisherigen Lehrmeinungen zur genannten Bestimmung bzw. zur beinahe wortidenten Bestimmung des Art. 12 Abs. 5 DSGVO auseinander.
Zum hier zu beurteilenden Fall ist auszuführen:
Dem Verfahren liegt ein nicht begründungspflichtiges Auskunftsbegehren an einen Verantwortlichen des öffentlichen Rechts (Bundesminister für XXXX ) zugrunde, das sich auf allenfalls vorhandene Daten des BF in zwei näher bezeichneten dem Gesetz nach zu führende Register bezieht, dem nach den Ausführungen des BF nicht nachgekommen worden sei. Aufgrund dessen brachte der BF diesbezüglich eine kurze ordnungsgemäß ausgeführte Beschwerde ein.
Die belangte Behörde lehnte ohne weitere Ermittlungsschritte die Behandlung der Beschwerde ab und bezog sich im Wesentlichen allein auf den Umstand, dass bei ihr 63 Beschwerden des BF anhängig seien, wobei die Behörde 63 Geschäftszahlen und teilweise Antragsgegner bzw. die jeweilige Art des Verfahrens (z.B. Auskunft) anführte. Die belangte Behörde bezieht die „häufige Wiederholung“ aus Art. 57 Abs. 4 DSGVO, dabei ausdrücklich auf die absolute Anzahl der bei ihr anhängigen Verfahren eines Beschwerdeführers.
Demgegenüber wird die Exzessivität von Auskunftsbegehren in der bisherigen Literatur in dem Zusammenhang diskutiert, dass Auskunftsbegehren (gegenüber dem gleichen Verantwortlichen) in kurzen Zeitabständen erfolgen oder sich auf bereits bekannte Informationen beziehen. Diesbezüglich genannte Kriterien können zu erwartende Veränderungen am Datenbestand sein bzw. das wiederholte Erfragen derselben Informationen, die bereits aufgrund vorheriger Auskünfte vorhanden sind. Nach der EDSA- Leitlinie können auch andere als wiederholt gestellte Auskunftsersuchen als exzessiv erachtet werden, wenn sie mit dem Ziel gestellt werden, der für die Verarbeitung verantwortlichen Person Schaden oder Nachteile zuzufügen.
Der Umstand, dass ein möglicher Betroffener ihm zustehende Rechte einer Vielzahl von Verantwortlichen gegenüber ausübt, wird nach Ansicht dieses Gerichts ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht als exzessive Anfragen zu werten sein, zumal die zulässige Ausübung von Rechten ohne Anhaltspunkte eines Missbrauchscharakters nach der gesamten Intention der DSGVO zu keiner Einschränkung der Rechtsausübung möglicher Betroffener führen darf. Ohne dass es auf die abschließende Klärung ankäme, wie viele Verfahren der BF tatsächlich bei der belangten Behörde anhängig hat bzw. anhängig gemacht hat, liefert die von der belangten Behörde herangezogene Begründung keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die konkret zugrundeliegende Beschwerde offenkundig unbegründet oder exzessiv im Sinne des Art. 57 Abs. 4 wäre und die belangte Behörde daher berechtigt wäre, deren Behandlung abzulehnen.
Der Bescheid war daher zu beheben und der belangten Behörde die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens aufzutragen.
Der Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision gründet auf dem Umstand, dass zwar bislang höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung der Tatbestandselemente des Art. 57 DSGVO und insbesondere der Exzessivität von Anfragen nicht vorliegt, einzelfallbezogen aber offenbar keine Wiederholung im Sinne eines mehrfachen Auskunftsbegehrens gegenüber dem gleichen Verantwortlichen vorliegt und keine Anhaltspunkte für eine mißbräuchliche Rechtsausübung vorliegen und daher schon dem Wortlaut und Telos der Bestimmung nach eine Exzessivität der konkreten Anfrage zu verneinen war.