Spruch
W176 2249882-1/4E
Im namen der republik!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Vorsitzenden und den fachkundigen Laienrichter Mag. BOGENDORFER und die fachkundige Laienrichterin Mag. ZIMMER als Beisitzer bzw. als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch DIETRICH Rechtsanwalts GmbH, gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 06.08.2021, Zl. D124.4190, 2021-0.391.040, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt (Mitbeteiligte Partei: Präsident des Landesgerichtes für Strafsachen Wien):
A) Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Datenschutzbeschwerden des Beschwerdeführers vom 31.05.2021 als unzulässig zurückgewiesen werden.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 02.06.2020 gab während des XXXX Tages der Hauptverhandlung in dem vom Landesgerichts für Strafsachen Wien zu Zl. XXXX geführten Verfahrens die Verteidigung des Erstangeklagten bekannt, dass sie bei der Durchsicht der vom Gericht erstellten Bild- und Tonaufzeichnungen entdeckt habe, dass nicht nur die Hauptverhandlung selbst, sondern auch die Hauptverhandlungspausen sowie Abschnitte vor Beginn und nach Ende der jeweiligen Hauptverhandlungstage in Bild und Ton aufgezeichnet worden waren, und beantragte Auskunft darüber, ob noch weitere Varianten von Bild- und Tonaufnahmen tatsächlich existieren.
Dem schloss sich der nunmehrige Beschwerdeführer, der im genannten Verfahren als Vertreter der XXXX für zwei Angeklagte einschritt, an, wobei er folgende Anträge stellte:
„ANTRAG
das Schöffengericht möge bekanntgeben, ob noch weitere Varianten von Bild- und Tonaufnahmen tatsächlich existieren und falls dem so ist, diese ebenfalls der Verteidigung betreffend sämtliche Verhandlungstage zur Verfügung zu stellen. […]
das Schöffengericht möge klären und bekanntgeben, ob die Vertretung der Anklage über die Bild- und Tonaufnahmen außerhalb der Hauptverhandlung Kenntnis hatte […]
ANTRÄGE
das Schöffengericht möge die gesetzwidrig aufgenommenen Bild- und Tonaufnahmen umgehend vernichten und die erfolgte Vernichtung den Verfahrensbeteiligten anschließend nachweisen und
das Schöffengericht möge darlegen, welche Personen Einsicht in die gesetzwidrig angefertigten Bild- und Tonaufnahmen gewährt wurde. […]
ANTRÄGE
das Schöffengericht möge bekanntgeben, welchen [sic!] gesetzwidrig aufgenommenen Bild- und Tonaufnahmen bereits vom Schöffensenat gesichtet wurden und allenfalls in der Zwischenzeit gelöscht bzw. der Verteidigung des Erstangeklagten nicht zur Verfügung gestellt wurden.“
2. Das Landesgericht für Strafsachen Wien entsprach keinem dieser Anträge und wies insbesondere den Antrag auf Löschung ab.
3. In einem E-Mail vom 10.06.2020 an die Verteidigung des Erstangeklagten bezog sich die Mitbeteiligte Partei auf ihre Funktion als „datenschutzrechtlich Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Z 7 DSGVO" und betonte, dass aus ihrer Sicht die „Verarbeitung sowie Aufnahme und Weitergabe [...] Ausfluss einer Entscheidung der (monokratischen) Justizverwaltung" seien. Das Schöffengericht habe daher keine Zuständigkeit für eine Entscheidung über die Erstellung von Aufnahmen, dies liege vielmehr im Verantwortungsbereich der Mitbeteiligten Partei als datenschutzrechtlich Verantwortlicher.
4. Am 31.05.2021 brachte der Beschwerdeführer bei der Datenschutzbehörde (im Folgenden: belangte Behörde) zwei Datenschutzbeschwerden gegen die Mitbeteiligte Partei ein, in der er Verletzungen in den Rechten auf Auskunft und Löschung geltend machte.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Datenschutzbeschwerden als unbegründet ab, wobei sie begründend im Wesentlichen Folgendes ausführte:
Der Beschwerdeführer habe in den Datenschutzbeschwerden ausdrücklich den Präsidenten des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Beschwerdegegner bezeichnet, weshalb das Verfahren gegen diesen zu führen gewesen sei.
An diesen sei jedoch weder ein Auskunftsbegehren noch ein Löschungsbegehren nach §§ 44 bzw. 45 Datenschutzgesetz (DSG) gerichtet worden, welches innerhalb der Frist nach § 42 Abs. 4 DSG zu beantworten gewesen wäre.
Denn die vom Beschwerdeführer am 02.06.2020 gestellten Auskunfts- und Löschungsbegehren seien ausdrücklich an das Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht gerichtet worden. Eine Zurechnung der genannten Begehren zur Mitbeteiligten Partei sei auszuschließen, zumal das Schöffengericht als Senat des Landesgerichts für Strafsachen Wien in seiner Eigenschaft als Teil der Strafgerichtsbarkeit tätig gewesen sei, während der Präsident des Landesgerichts für Strafsachen Wien davon getrennt als monokratisches Justizverwaltungsorgan anzusehen sei.
Daher erwiesen sich die Datenschutzbeschwerden ungeachtet der Frage, ob es sich bei den, den Begehren des Beschwerdeführers zugrundeliegenden Hauptverhandlungsprotokollen tatsächlich um Angelegenheiten der Justizverwaltung handle, als unbegründet.
6. Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 14.09.2021 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.
Darin brachte er ua. vor, dass der Frage der Einordnung als Angelegenheit der Justizverwaltung oder der Strafgerichtsbarkeit entgegen der Ansicht der belangten Behörde erhebliche Bedeutung zukomme, da die Aufsichtsbehörden – in Österreich die belangte Behörde – gemäß Art. 55 Abs. 3 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) für die Aufsicht über die von Gerichten im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit vorgenommenen Verarbeitungen nicht zuständig sein. Läge daher eine Verarbeitung im Rahmen der Strafgerichtsbarkeit vor, wäre die belangte Behörde zu einer Entscheidung gar nicht berufen gewesen und hätte sie seine Datenschutzbeschwerden zurückweisen müssen, bevor eine inhaltliche Prüfung zu einer Abweisung hätte führen können.
7. Mit als „Beschwerdevorentscheidung“ bezeichnetem Bescheid vom 03.11.2021 sprach die die belangte Behörde aus, dass über Datenschutzbeschwerden des Beschwerdeführers vom 31.05.2021 in Folge der Beschwerde dahingehend entschieden werde, dass das Verfahren bis zur Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) über das Vorabentscheidungsverfahren zur Rechtssache C-245/20 ausgesetzt wird.
Begründend führte die Behörde aus, dass die Rechtbank Midden-Nederland (Bezirksgericht Midden-Nederland) dem Europäischen Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt habe:
„1. Ist Art. 55 Abs. 3 der DSGVO dahin auszulegen, dass unter der Wendung „die von Gerichten im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit vorgenommenen Verarbeitungen“ die Gewährung von Einsicht in Verfahrensunterlagen mit personenbezogenen Daten durch eine Justizbehörde verstanden werden kann, wobei diese Einsicht durch die Bereitstellung von Kopien dieser Verfahrensunterlagen an einen Journalisten, wie in der Vorlageentscheidung ausgeführt, gewährt wird?
1a. Ist es für die Beantwortung dieser Frage von Bedeutung, ob die Ausübung der Aufsicht über diese Art der Datenverarbeitung durch die nationale Aufsichtsbehörde das unabhängige richterliche Urteilen im Hinblick auf einzelne Rechtssachen beeinträchtigt?
1b. Ist es für die Beantwortung dieser Frage von Bedeutung, dass die Art und das Ziel der Datenverarbeitung der Justizbehörde zufolge darin besteht, einen Journalisten zu informieren und es ihm dadurch zu ermöglichen, besser über die öffentliche Sitzung in einem Gerichtsverfahren zu berichten, was dem Grundsatz der Öffentlichkeit und Transparenz von Gerichtsverfahren dienen soll?
1c. Ist es für die Beantwortung dieser Frage von Bedeutung, ob die Datenverarbeitung auf einer ausdrücklichen nationalen Rechtsgrundlage beruht?“
Generalanwalt Bobek habe in seinen Schlussanträgen vom 06.10.2021 klar zum Ausdruck gebracht, dass seiner Ansicht nach die Wendung „die von Gerichten im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit vorgenommenen Verarbeitungen“ weit auszulegen sei. Seiner Ansicht nach sei grundsätzlich zu vermuten, dass, wenn die betreffende Einrichtung innerhalb der Rechtsordnung der Mitgliedstaaten als „Gericht“ bezeichnet wird, sie im Rahmen ihrer „justiziellen Tätigkeit“ handelt, wenn nicht im Einzelfall das Gegenteil festgestellt wird.
Da die beschwerdegegenständlich zu klärende Rechtsfrage, was als „justizielle Tätigkeit“ eines Gerichts anzusehen ist, im Wesentlichen gleichlautend dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt worden sei, sei das Beschwerdeverfahren gemäß § 38 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) bis zur rechtskräftigen Entscheidung desEuGH in der Rechtssache C-245/20 auszusetzen gewesen.
Aufgrund der Ausführungen in den Schlussanträgen könne nämlich nicht gesagt werden, dass Tätigkeiten eines Organs der monokratischen Justizverwaltung – wie hier dem Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien – nicht auch unter die Wendung „die von Gerichten im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit vorgenommenen Verarbeitungen“ fallen.
8. In der Folge brachte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Vorlageantrag ein, wobei angemerkt wurde, dass das Aussetzen des Verfahrens für eine Beschwerdevorentscheidung im VwGVG nicht vorgesehen sei.
9. Daraufhin legte die belangte Behörde mit Schreiben vom 23.12.2021 die Beschwerde, den Vorlageantrag sowie die Bezug habenden Verwaltungsunterlagen in elektronischer Form dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Dabei führte sie zum Vorbringen im Vorlageantrag, dass ein Aussetzen des Beschwerdevorverfahrens nicht vorgesehen sei aus, dass die Verfahrensaussetzung in der Beschwerdevorentscheidung in Abänderung des Bescheides vom 06.08.2021 erfolgt sei. In der Literatur zu § 14 Abs. 1 VwGVG werde festgehalten, dass in der Beschwerdevorentscheidung der Bescheid „in jede Richtung“ abgeändert werden könne; dies schließe eine Verfahrensaussetzung nach § 38 AVG mit ein (Hinweis auf Goldstein/Neudorfer in Raschauer/Wessely [Hrsg], VwGVG § 14, Rz 3).
10. Mit Urteil vom 24.03.2022, Rs C-245/20, sprach der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Midden-Nederland dahingehend ab, dass Art. 55 Abs. 3 DSGVO dahingehend auszulegen ist, dass ein Gericht, das Journalisten vorübergehend Unterlagen aus einem Gerichtsverfahren bereitstellt, die personenbezogene Daten enthalten, um sie in die Lage zu versetzen, besser über den Ablauf des Gerichtsverfahrens zu berichten, seine „justizielle Tätigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung ausübt.
In Rz 34 des Urteils wird ausgeführt, dass die Bezugnahme in Art. 55 Abs. 3 DSGVO auf die von Gerichten „im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit“ vorgenommenen Verarbeitungen im Kontext der Verordnung so zu verstehen ist, dass sie nicht auf die Verarbeitung personenbezogener Daten beschränkt ist, die von den Gerichten im Rahmen konkreter Rechtssachen durchgeführt wird, sondern in weiterem Sinn alle Verarbeitungsvorgänge erfasst, die von den Gerichten im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeiten vorgenommen werden, sodass Verarbeitungsvorgänge von der Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde ausgeschlossen sind, deren Kontrolle durch diese Behörde mittelbar oder unmittelbar die Unabhängigkeit der Mitglieder oder der Entscheidungen der Gerichte beeinflussen könnte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Entscheidung wird zum einen der unter Punkt I. dargestellte Sachverhalt zugrunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die die vorgelegten Verwaltungsunterlagen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Dem angefochtenen Bescheid liegt eine Entscheidung der belangten Behörde gemäß § 24 DSG iVm § 13 AVG zugrunde. Diese Angelegenheit ist gemäß § 27 DSG von Senatsentscheidungen erfasst.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
3.2.1. §§ 14 und 15 VwGVG lauten wie folgt:
„Beschwerdevorentscheidung
§ 14. (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.
(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Gleichzeitig hat die Behörde den Parteien eine Mitteilung über die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zuzustellen; diese Mitteilung hat den Hinweis zu enthalten, dass Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen sind.
(Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch Art. 5 Z 11, BGBl. I Nr. 138/2017)
Vorlageantrag
§ 15. (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.
(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde
1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;
2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.
Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen. Gleichzeitig hat die Behörde den Parteien eine Mitteilung über die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zuzustellen; diese Mitteilung hat den Hinweis zu enthalten, dass Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen sind.
(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen. Gleichzeitig hat die Behörde den Parteien eine Mitteilung über die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zuzustellen; diese Mitteilung hat den Hinweis zu enthalten, dass Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen sind.“
3.2.2. Was die sich eingangs stellende Frage angeht, was Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist, beschränkt sich diese nach Ansicht des entscheidenden Senates des Bundesverwaltungsgerichtshofes nicht auf die Beurteilung+, ob die belangte Behörde mit dem als „Beschwerdevorentscheidung“ bezeichneten Bescheid vom 03.11.2021 das (Beschwerdevor)Verfahren aussetzen durfte.
Vielmehr geht er davon aus, dass dem Bescheid der belangten Behörde vom 06.08.2021 durch deren Bescheid vom 03.11.2021 nicht mit der Folge derogiert wurde, dass letzterer jener Akt ist, der vom Verwaltungsgericht iSd Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu §§ 14 f. VwGVG (vgl. insbesondere (VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026) aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen ist:
Denn zum einen kommt eine solche Wirkung nur meritorischen Beschwerdevorentscheidungen zu (vgl. etwa Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG, Rz 150, uHa VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026; VwGH 20.05.2015, Ra 2015/09/0025; 14.12.2015, Ra 2015/09/0057 [Stand 15.2.2017, rdb.at]) zu, was auf den Bescheid der belangten Behörde vom 03.11.2021 jedenfalls nicht zutrifft.
Zum andern ist davon auszugehen, dass Beschwerdevorentscheidung, welcher eine solche derogatorischen Wirkung zukommt, in der Systematik des VwGVG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG, Rz 149ff [Stand 15.2.2017, rdb.at]) überhaupt nur ein Bescheid sein kann, der auf die (End)Erledigung des Verfahrens abzielt und nicht (wie etwa im Fall der Aussetzung des Verfahrens) bloß einen Zwischenschritt auf dem Weg dorthin darstellt. Dabei ist festzuhalten, dass sich auch in der unter Punkt I.9 dargestellten Stellungnahme der belangten Behörde angeführten Literaturstelle (Goldstein/Neudorfer in Raschauer/Wessely [Hrsg], VwGVG § 14, Rz 3) kein Hinweis darauf findet, dass – etwa für eine Aussetzung des Verfahrens – anderes gelten soll.
3.3.1. Art. 51 Abs. 1, 57 Abs. 1 lit. f sowie 77 Abs. 1 DSGVO lauten:
„Art. 51
Aufsichtsbehörde
(1) Jeder Mitgliedstaat sieht vor, dass eine oder mehrere unabhängige Behörden für die Überwachung der Anwendung dieser Verordnung zuständig sind, damit die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung geschützt werden und der freie Verkehr personenbezogener Daten in der Union erleichtert wird.“
„Art. 57 DSGVO
Aufgaben
(1) Unbeschadet anderer in dieser Verordnung dargelegter Aufgaben muss jede Aufsichtsbehörde in ihrem Hoheitsgebiet
[…]
f) sich mit Beschwerden einer betroffenen Person oder Beschwerden einer Stelle, einer Organisation oder eines Verbandes gemäß Artikel 80 befassen, den Gegenstand der Beschwerde in angemessenem Umfang untersuchen und den Beschwerdeführer innerhalb einer angemessenen Frist über den Fortgang und das Ergebnis der Untersuchung unterrichten, insbesondere, wenn eine weitere Untersuchung oder Koordinierung mit einer anderen Aufsichtsbehörde notwendig ist;
[…]
(4) Bei offenkundig unbegründeten oder – insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung – exzessiven Anträgen kann die Aufsichtsbehörde eine angemessene Gebühr auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen oder sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden. 2In diesem Fall trägt die Aufsichtsbehörde die Beweislast für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrags.“
„Art. 77 DSGVO
Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde
(1) Jede betroffene Person hat unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, insbesondere in dem Mitgliedstaat ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts, ihres Arbeitsplatzes oder des Orts des mutmaßlichen Verstoßes, wenn die betroffene Person der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen diese Verordnung verstößt.“
§§ 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1, 5 und 8 DSG lauten:
„Art. 2 § 18
2. Abschnitt
Datenschutzbehörde
Einrichtung
§ 18. (1) Die Datenschutzbehörde wird als nationale Aufsichtsbehörde gemäß Art. 51 DSGVO eingerichtet.
3. Abschnitt
Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen
Beschwerde an die Datenschutzbehörde
§ 24. (1) Jede betroffene Person hat das Recht auf Beschwerde bei der Datenschutzbehörde, wenn sie der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen die DSGVO oder gegen § 1 oder Artikel 2 1. Hauptstück verstößt.
[…]
(5) Soweit sich eine Beschwerde als berechtigt erweist, ist ihr Folge zu geben. Ist eine Verletzung einem Verantwortlichen des privaten Bereichs zuzurechnen, so ist diesem aufzutragen, den Anträgen des Beschwerdeführers auf Auskunft, Berichtigung, Löschung, Einschränkung oder Datenübertragung in jenem Umfang zu entsprechen, der erforderlich ist, um die festgestellte Rechtsverletzung zu beseitigen. Soweit sich die Beschwerde als nicht berechtigt erweist, ist sie abzuweisen.
[…]
(8) Jede betroffene Person kann das Bundesverwaltungsgericht befassen, wenn die Datenschutzbehörde sich nicht mit der Beschwerde befasst oder die betroffene Person nicht innerhalb von drei Monaten über den Stand oder das Ergebnis der erhobenen Beschwerde in Kenntnis gesetzt hat.“
3.3.2. Wie oben unter Punkt I.10. ausgeführt, kommt der EuGH in seinem Urteil vom 24.03.2022, Rs C-245/20, zum Ergebnis, dass die vorübergehende Bereitstellung von – personenbezogene Daten enthaltenden – Unterlagen an Journalisten, um sie in die Lage zu versetzen, besser über den Ablauf des Gerichtsverfahrens zu berichten, eine „justizielle Tätigkeit“ des Gerichtes iSv Art. 55 Abs. 3 DSGVO ist.
Nach Ansicht des entscheidenden Senates des Bundesverwaltungsgerichtes ist kein Grund ersichtlich, warum Gleiches nicht auch für die verfahrensgegenständlichen Bild- und Tonaufnahmen gelten soll, zumal der angeführten Entscheidung nicht entnommen werden kann, dass es von Relevanz wäre, ob die betroffenen Vorgänge nach nationalem Recht als Akte von Verwaltungsbehörden („Justizverwaltung“) zu sehen sind.
3.3.3. Der Bescheid der belangten Behörde vom 06.08.2021 war daher dahingehend abzuändern, dass die Datenschutzbeschwerden des Beschwerdeführers mangels Zuständigkeit der belangten Behörde als unzulässig zurückgewiesen werden.
3.1.4. 3 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG abgesehen werden.
3.3 Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist zulässig, weil eine Rechtsfrage iSv Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt:
Aus den oben unter 3.2.2. dargelegten Gründen geht das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Bescheid der belangten Behörde vom 06.08.2021 (und nicht der als „Beschwerdevorentscheidung“ bezeichnete Bescheid vom 03.11.2021) jener Akt ist, der im gegenständlichen Beschwerdeverfahren aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen ist. Zur Frage, ob ein das Verfahren nicht beendender Bescheid Beschwerdevorentscheidung iSv § 14 VwVGG sein kann und der damit zusammenhängenden Problematik, ob dadurch dem Bescheid, gegen den Beschwerde erhoben wurde, derogiert wird, liegt jedoch – soweit für das Bundesverwaltungsgericht überblickbar – keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.