Spruch
I412 2110935-4/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch: Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion XXXX vom 08.11.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte erstmals nach illegaler Einreise am 08.06.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.07.2018, Zl. I404 2110935-1/13E rechtskräftig abgewiesen wurde, gleichzeitig wurde die von der belangten Behörde getroffene Rückkehrentscheidung bestätigt.
I.2. Am 24.08.2018 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2019, Zl. I411 2110935-3/3E rechtskräftig abgewiesen wurde, gleichzeitig wurde die von der belangten Behörde getroffene Rückkehrentscheidung und das auf die Dauer von zwei Jahren befristete Einreiseverbot bestätigt.
I.3. Der Beschwerdeführer stellte am 22.07.2019 einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigung plus. Mit Verbesserungsauftrag vom 22.07.2019 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, binnen vier Wochen ein Lichtbild gemäß § 5 Asylgesetz-Durchführungsverordnung (AsylG-DV), ein gültiges Reisedokument (Original, Kopie, Übersetzung), eine Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument (Original, Kopie, Übersetzung), einen Nachweis der ortsüblichen Unterkunft (zB. Mietvertrag), einen Nachweis der Krankenversicherung (zB. Versicherungspolizze) sowie Nachwiese über Rechtsanspruch auf Unterhalt (zB. Lohnzettel) vorzulegen und den Antrag in deutscher Sprache ausführlich schriftlich zu begründen. Er wurde zudem darüber belehrt, dass sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht behandelt und zurückgewiesen werde, sollten die Mängel nicht behoben werden.
I.4. Der Beschwerdeführer brachte eine entsprechende Stellungnahme bzw. weitere Dokumente (Empfehlungs- und Unterstützungsschreiben, Zertifikat über A2 Prüfung, Dienstvorvertrag) in Vorlage.
I.5. Mit Schreiben vom 17.05.2021 wurde der Antrag in einen Antrag gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK) abgeändert und dieser mit Bescheid der belangten Behörde vom 08.11.2021 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) sowie der Antrag auf Mängelheilung vom 10.08.2019 gemäß § 4 Abs. 1 iVm § 8 AsylG-DV 2005 abgewiesen.
I.6. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 05.12.2021 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
I.7. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 04.01.2022 wurde das gegenständliche Verfahren dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt und langte der Akt am 10.01.2022 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.
In der Entscheidung des Bundesverwaltungsgersichts vom 18.07.2019, GZ I411 2110935-3/3E wurden folgende Feststellungen getroffen:
„Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Urhobo an. Seine Identität steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer leidet unter Gastritis; hierbei handelt es sich um keine lebensbedrohliche Krankheit und ist er darüber hinaus gesund und arbeitsfähig.
Er hält sich seit (zumindest) 08.06.2014 in Österreich auf.
Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus seiner Frau, seinen beiden Kindern, Eltern und Brüdern, leben in Nigeria; zu einigen Familienangehörigen pflegt er auch Kontakt. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.
Der Beschwerdeführer besuchte 16 Jahre lang die Schule und hat seine Ausbildung mit einem Diplom in Kunst in Nigeria abgeschlossen. Er wohnte zuletzt zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern in Lagos und hat als Musiker sowie Maler gearbeitet und so das Leben für sich und seine Familie finanziert. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung in Nigeria hat er eine Chance, auch hinkünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.
Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht auch keine Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.
Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers sind gering. Er ist Mitglied in einer Kirchengemeinde und gibt Kindern Schlagzeug-, Klavier- und Gitarreunterricht. Ansonsten weist er in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.“
Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest.
Der Beschwerdeführer, der insgesamt zwei Anträge auf internationalen Schutz (am 08.06.2014 und am 24.08.2018; beide rechtskräftig negativ entschieden) stellte, ist trotz der aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.07.2019, Zl. I411 2110935-3/3E) seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht freiwillig nachgekommen, sondern hält sich weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Aus dem Antragsvorbringen des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG 2005 geht im Vergleich zur rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 18.07.2019 ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervor.
Dem Verbesserungsauftrag der belangten Behörde vom 11.06.2021 betreffend Vorlage eines Lichtbildes gemäß § 5 AsylG-DV, eines gültigen Reisedokumentes, einer Geburtsurkunde oder eines diesem gleichzuhaltenden Dokuments, eines Nachweises für die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung oder eines Nachweises bei Ausübung einer erlaubten Erwerbstätigkeit und einer Antragsbegründung kam der Beschwerdeführer nicht nach.
Es ist dem Beschwerdeführer nicht unmöglich oder unzumutbar, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatlandes zu beschaffen.
2. Beweiswürdigung:
Da der Beschwerdeführer entweder nicht im Stande oder nicht Willens war, den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorzulegen, steht seine Identität nicht fest.
Die Feststellung zu seinen negativ entschiedenen Anträgen auf internationalen Schutz ergibt sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt sowie den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zu I404 2110935-1/13E und I412 2110935-3/3E.
Die Feststellung zur Unrechtmäßigkeit des derzeitigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruht darauf, dass diesem - abgesehen von dem vorläufigen Aufenthaltsrecht während der Verfahren über seine letztlich unbegründeten Anträge auf internationalen Schutz - im Bundesgebiet nie ein Aufenthaltsrecht zugekommen war und sich vor dem Hintergrund des § 58 Abs. 13 AsylG 2005 und des § 16 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) weder aus der Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels noch aus der Beschwerdeerhebung ein Aufenthalts- oder Bleiberecht für den Beschwerdeführer in Österreich ableiten lässt.
Dass gegen den Beschwerdeführer eine aufrechte Rückkehrentscheidung besteht, ergibt sich aus der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.07.2019, I411 2110935-3/3E; dieser Umstand blieb auch vom Beschwerdeführer unbestritten.
Der Beschwerde sind keine substantiierten Ausführungen zu entnehmen, aus denen hervorgeht, dass sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt in Bezug auf Art. 8 EMRK geändert hat.
Zwischen Eintritt der Rechtskraft des oben angeführten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.07.2019 und der Stellung des Antrages am 22.07.2019 sind lediglich vier Tage bzw. bis zur Abänderung des Antrages auf einen Antrag auf Zuerkennung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 am 17.05.2021 weniger als zwei Jahre vergangen.
Zudem wurde der Beschwerdeführer am 09.09.2021 niederschriftlich von der belangten Behörde einvernommen und sind auch seinen dort getätigten Angaben keine entscheidungswesentlichen Änderungen in Bezug auf sein Privat- und Familienleben zu entnehmen.
Der Beschwerdeführer führte bereits im Verfahren zu seinem Folgeantrag eine Beziehung zu einer Österreicherin ins Treffen; dass sich in dieser Beziehung seither wesentliche Änderungen ergeben hätten, wurde auch von ihm selbst nicht behauptet. Insbesondere deuten seine eigenen Angaben bzw. die von ihm selbst vorgelegten Unterlagen, die zwar eine finanzielle Unterstützung durch die von ihm genannte Person belegen, in denen jedoch an keiner Stelle von einer Lebensgemeinschaft oder Beziehung die Rede ist, nicht auf eine wesentliche Änderung der Beziehung hin, die eine neue Abwägung gemäß Art 8 EMRK erforderlich machen würde. Ein Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet besteht damit nach wie vor nicht.
Auch die übrigen in der Beschwerde angeführten Umstände, wonach der Beschwerdeführer ein aktives ehrenamtliches Kirchenmitglied sei, privaten Musikunterricht erteile und Auftritte als Musiker gebe, auf Grund dessen er über einen umfassenden allgemeinen Kranken- und Unfallversicherungsschutz bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen genieße, sind nicht geeignet, einen geänderten Sachverhalt zu begründen, sondern wurden bereits in der Entscheidung zu seinem Folgeantrag berücksichtigt, in dem auf festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht.
Wenn der Beschwerdeführer einen Vorvertrag bezüglich einer Arbeit ins Treffen führt, so ist dazu auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach der Ausübung einer Beschäftigung, sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage an einen Fremden, der über keine Arbeitserlaubnis verfügt, keine wesentliche Bedeutung zukommt. Der Verwaltungsgerichtshof geht weiters davon aus, dass sich aus einer bedingten Einstellungszusage nicht ein bereits erreichter Grad an Integration in wirtschaftlicher Sicht ableiten lässt, sondern bloß eine noch ungewisse Möglichkeit deren künftigen Eintretens ist und daher eine Einstellungszusage keinen Beleg für seine künftige Selbsterhaltungsfähigkeit bildet, sondern allenfalls ein Hinweis dafür sein kann, dass der Beschwerdeführer, sofern er sich am entsprechenden Arbeitsplatz tatsächlich bewährt, in die Situation kommen könnte, seinen Lebensunterhalt aus eigenem zu bestreiten (VwGH 14.12.2010, 2010/22/186).
Auch betreffend die Feststellungen zum Gesundheitszustand sowie zu den Deutschkenntnissen des BF sind aus der Aktenlage keinerlei Hinweise auf eine Veränderung ableitbar.
Insgesamt war damit die Feststellung zu treffen, dass sich im Vergleich zu den im Feststellungen, die zur mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.07.2021, GZ I411 9110935-3/3E getroffenen Rückkehrentscheidung geführt haben, keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben haben.
Insoweit der BF zur Begründung seines Antrages auf Mängelheilung ausführt, dass er bereits bei der nigerianischen Botschaft gewesen sei und diese ihm schriftlich bestätigt habe, dass sie ihm keinen E-Reisepass ausstellen könne, da Fehler in den Daten seiner Person aufgetreten seien, die nur in Nigeria durch ihn behoben werden könnten, ist anzumerken, dass eine mangelnde Bereitschaft zum Ausstellen eines Reisedokumentes und eine Unmöglichkeit der Einreise nach Nigeria dem Schreiben nicht zu entnehmen ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Anzuwendendes Recht:
3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen der § 55 und § 58 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 110/2021, lauten:
„Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.“
„Antragstellung und amtswegiges Verfahren
(1-9) ...
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11-12...)
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. (...)“
3.1.2. Die maßgebliche Bestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl I Nr. 53/2019, lautet:
„Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 9. (2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“
Zu Spruchpunkt A): Abweisung der Beschwerde:
3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK:
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung (plus)" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
§ 58 Abs. 8 AsylG 2005 bestimmt, dass das Bundesamt im verfahrensabschließenden Bescheid über die Zurück- oder Abweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 abzusprechen hat.
Gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 begründen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.
Gemäß § 16 Abs. 5 BFA-VG begründet eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 oder ein diesbezüglicher Vorlageantrag kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. § 58 Abs. 13 AsylG 2005 gilt.
Schließlich bestimmt § 58 Abs. 10 AsylG 2005, dass Anträge gemäß § 55 als unzulässig zurückzuweisen sind, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.
Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid das Vorliegen der Voraussetzungen der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages auf Grund des § 58 Abs. 10 erster Satz AsylG 2005 bejaht. Gegen den Beschwerdeführer sei rechtskräftig eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen worden und aus dem Antragsvorbringen gehe im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich mache, nicht hervor.
Dieser Ansicht der belangten Behörde ist - wie im Folgenden dargestellt - beizutreten:
Die ErläutRV (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur zuletzt angeführten Bestimmung dar, dass der neue (Abs. 10) im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 entspreche. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung sei die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolge nun durch das Bundesamt. Dementsprechend seien Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes habe sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird.
Es hat also im Rahmen des Verfahrens nach § 55 AsylG 2005 eine Neubewertung einer Rückkehrentscheidung nur bei einem geänderten Sachverhalt zu erfolgen, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, wobei sich diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen hat (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037).
Gemäß diesen Ausführungen ist die maßgebliche, zu klärende Rechtsfrage daher jene, ob nach der rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, hervorgeht. Die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung ist nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände jedenfalls soweit einzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Hinblick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 MRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 MRK muss sich zumindest als möglich darstellen (vgl. VwGH, 03.10.2013, 2012/22/0068).
Die belangte Behörde hat gegen den Beschwerdeführer am 04.06.2019 eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot erlassen und diese ist vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 18.07.2019 bestätigt worden. Im vorliegenden Fall ist die Behörde nunmehr zu Recht davon ausgegangen, dass sich der maßgebende Sachverhalt seither nicht geändert hat und somit eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK für den Zeitraum zwischen der Erlassung der Rückkehrentscheidung und dem Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG nicht erforderlich war.
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung durch den (illegalen) Verbleib im Bundesgebiet verlängert hat, während ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden nicht festzustellen war. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt wurde vom Beschwerdeführer im Übrigen auch nicht substantiiert behauptet bzw. aufgezeigt. Alle vorgebrachten Umstände waren von der belangten Behörde sowie vom Bundesverwaltungsgericht bereits in ihren früheren Entscheidungen berücksichtigt worden.
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthalts bewusst war und sohin einem allfällig entstandenem Privat- und Familienleben ohnehin ein entsprechend geringes Gewicht zuzumessen wäre. Dies gilt umso mehr für Integrationsaspekte, die erst nach einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung entstanden sein mögen, welche - wie im vorliegenden Fall - durch sein wiederholtes beharrliches illegales Verbleiben im Bundesgebiet (trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung) weiter vermindert werden, zumal diese verwaltungsrechtliche Delinquenzen gewichtige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, darstellen, die eine Aufenthaltsbeendigung als dringend geboten erscheinen lassen (vgl. VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190).
Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückzuweisen war.
Das Bundesverwaltungsgericht ist auch der Auffassung, dass die im angefochtenen Bescheid gewählte Vorgangsweise, die Zurückweisung nicht mit einer neuerlichen Rückkehrentscheidung zu verbinden, rechtens war. Da dem Beschwerdeführer gegenüber eine vorherige, mit einem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung noch aufrecht ist, war eine neuerliche Rückkehrentscheidung nicht zu erlassen (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 und 13.02.2018, Ra 2017/18/0332).
3.2.2. Zur Abweisung des Mängelheilungsantrages (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Zur Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Bedingung, wonach die Erteilung des Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK erforderlich sein muss, in jenen Konstellationen, in denen von Amts wegen ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist, voraussetzungsgemäß erfüllt ist (vgl. VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0168). Auch im Fall eines Antrags auf Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels gilt, dass die Voraussetzungen für die verfahrensrechtliche Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 die gleichen sind wie für die materielle Stattgabe des verfahrenseinleitenden Antrags. Die Prüfung, ob einem Heilungsantrag nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 stattzugeben ist, unterscheidet sich also inhaltlich nicht von der Beurteilung, ob der Titel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist. Daraus folgt auch, dass bei einem Antrag nach § 55 AsylG 2005 in Bezug auf die Heilung nach § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 in erster Linie und vorrangig die Voraussetzungen der Z 2 der genannten Bestimmung zum Tragen kommen und dass es unzulässig ist, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 trotz Vorliegens der hierfür erforderlichen Voraussetzungen wegen Nichtvorlage von Identitätsdokumenten zurückzuweisen (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0092 bis 0094). Wie ausgeführt, liegen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 aber gegenständlich nicht vor.
Gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 kann die Behörde auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 leg. cit. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise auch dann zulassen, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Fallgegenständlich stellte der Beschwerdeführer am 22.07.2019 einen Mängelheilungsantrag gemäß 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV in welchem er pauschal behauptet, dass er keinen Reisepass besitze und auch die nigerianische Botschaft keinen ausstellen könne.
Aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben der Nigerianischen Botschaft, in dem inhaltlich im Wesentlichen mitgeteilt wurde, dass der Beschwerdeführer einen nigerianischen E-Reisepass beantragt habe, aber ein Fehler in den Daten lediglich vor Ort bei der Nigeria Immigration Service (NIS) vorgenommen werden könne, lässt sich die Unmöglichkeit der Einreise nach Nigeria nicht entnehmen, sondern geht daraus lediglich hervor, dass der Beschwerdeführer nach Nigeria reisen müsse, um den Prozess abzuschließen. Dass sich der Beschwerdeführer um die weiteren Modalitäten bzw. die Ausstellung eines „Ersatzreisedokumentes“ bemüht hat, wurde nicht vorgebracht, es ist somit davon auszugehen, dass ihm die Erlangung eines Reisedokumentes möglich und zumutbar ist.
Der Beschwerdeführer hat die tatsächliche Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit einer Erlangung derartiger Dokumente somit nicht nachgewiesen.
Daher ist dem Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung eines Mangels nach § 4 Abs. 1 AsylG-DVO nicht stattzugeben und war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG ("Die Verhandlung kann entfallen, wenn ... der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei ... zurückzuweisen ist") kann das Verwaltungsgericht bei einer Zurückweisung eines Antrages ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Gegenständlich waren die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art 8 EMRK zurückzuweisen.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG unterbleiben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.