JudikaturBFG

RV/5100223/2024 – BFG Entscheidung

Entscheidung
22. Juli 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 25. Juli 2023, eingelangt am 28. Juli 2023, gegen den Bescheid des ***FA*** vom 5. Juli 2023 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem beiliegenden Brechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In der am 27.2.2023 elektronisch eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2021 wurden von der Beschwerdeführerin behinderungsbedingte eigene außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt in Höhe von 2.302,99 € geltend gemacht.

Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens wurden im angefochtenen Erstbescheid vom 5.7.2023 diese Ausgaben vom Finanzamt um 969 € (Zahnarzt) und 30 € (Grippeschutzimpfung) auf einen verbleibenden Betrag von 1.303,99 € gekürzt. Die Zahnarztkosten wurden als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt berücksichtigt, was allerdings zu keinen steuerlichen Auswirkungen führte, da der Selbstbehalt nicht überschritten wurde. Die Impfkosten wurden als nicht abzugsfähig qualifiziert, da diese Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten sowie für die Erhaltung der Gesundheit darstellen.

In der Beschwerde vom 25.7.2023 wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass sie im Zuge einer Chemo- und Strahlentherapie Zähne verloren habe oder diese stark beschädigt worden seien, weshalb im Einkommensteuerbescheid 2020 derartige Kosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt anerkannt worden wären. Ferner macht die Beschwerdeführerin einen Betrag von 504 € (Pauschale für die Diätverpflegung ihres Gatten) gelten.

In der Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2023 wurden die geltend gemachten Zahnarztkosten als unmittelbare Folgeschäden im Zusammenhang mit der Behinderung und damit außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt anerkannt. Ferner wies das Finanzamt darauf hin, dass ein Steuerpflichtiger, dem der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht zustehe und dessen Ehepartner Einkünfte von mehr als 6.000 € jährlich erziele, im Rahmen seiner Unterhaltspflicht übernommene Kosten der Behinderung des Ehepartners nur unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes abziehen könne. Im gegenständlichen Fall wären die geltend gemachten Aufwendungen geringer als der Selbstbehalt von 5.308,41 €. Die Berechnung dieses Betrages wurde allerdings in der Bescheidbegründung nicht näher dargestellt.

Im Vorlageantrag vom 22.11.2023 wurde die Nichtberücksichtigung der Aufwendungen aus der Behinderung ihres Ehegatten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt ausdrücklich akzeptiert, und deren Beantragung zurückgezogen. Im Übrigen wurde vorgebracht wie in der Beschwerde und bemängelt, dass die Ermittlung des Selbstbehaltes von 5.308,41 € nicht nachvollziehbar sei.

Am 5.4.2024 legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und wies darauf hin, dass der Freibetrag für die eigene Behinderung und die zusätzlichen Kosten in Höhe von 2.272,99 € (inklusive der Zahnbehandlungskosten) in der Beschwerdevorentscheidung ohne Abzug eines Selbstbehaltes gewährt wurden. Der Selbstbehalt sei lediglich bei den behinderungsbedingten Freibeträgen und Ausgaben des Ehepartners berücksichtigt worden, da dessen Einkünfte den Grenzbetrag von 6.000 € überschritten hatten. In der Beschwerdevorentscheidung wären bei den allgemeinen außergewöhnlichen Belastungen irrtümlich auch noch die Zahnbehandlungskosten (die somit doppelt erfasst wurden) enthalten. Die Kürzung dieser Ausgaben von 2.620,96 € um 969 € auf 1.651,96 € habe allerdings keine Auswirkung auf das Ergebnis, da die Kosten auch bei Hinzurechnung den Selbstbehalt nicht übersteigen.

In einem Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom 20.5.2025 wurde die Beschwerdeführerin eingeladen, zu folgenden Punkten Stellung zu nehmen:

1) Sie haben in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung behinderungsbedingte eigene außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt in Höhe von 2.302,99 € geltend gemacht. Im angefochtenen Erstbescheid vom 5.7.2023 wurden diese Ausgaben vom Finanzamt um 969,00 € (Zahnarzt) und 30,00 € (Grippeschutzimpfung) auf einen verbleibenden Betrag von 1.303,99 € gekürzt.

In der Beschwerdevorentscheidung vom 30.1.2023 wurden die Ausgaben für den Zahnarzt unter Bedachtnahme auf die Beschwerdevorentscheidung vom 21.9.2022 betreffend das Jahr 2020 dagegen wieder in voller Höhe als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt anerkannt, wodurch sich der steuerwirksame Aufwand auf 2.272,99 € erhöhte. Die Impfgebühr von 30,00 € wurde zutreffend nicht anerkannt, da Aufwendungen zur Vorbeugung von Krankheiten sowie zur Erhaltung der Gesundheit nicht abzugsfähig sind (z.B. Jakom, EStG, § 34 Tz 90 mit Hinweis auf VwGH 24.6.2004, 2001/15/0109 und BFG 2.6.2020, RV/7102344/2020).

2) Die Nichtberücksichtigung der Aufwendungen aus der Behinderung Ihres Ehegatten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt wurde von Ihnen im Vorlageantrag vom 22.1.2023 ausdrücklich akzeptiert, da dessen Einkünfte den Grenzbetrag von 6.000 € - wie schon im Jahr 2020 - überschritten haben.

3) Im Vorlageantrag wurde zu Recht bemängelt, dass die Ermittlung des Selbstbehaltes für außergewöhnliche Belastungen, die nur bei Übersteigen des Selbstbehaltes steuerwirksam werden, weder im Erstbescheid noch in der Beschwerdevorentscheidung erläutert wurde.

§ 34 Abs. 4 und 5 EStG in der für das Veranlagungsjahr 2021 geltenden Fassung normieren:

(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

von höchstens 7 300 Euro ……………………….….….6%.mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro ………………8%.mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro .............10%.mehr als 36 400 Euro…………….……………………...12%.

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt- wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht- wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt- für jedes Kind (§ 106).

(5) Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2, anzusetzen.

Der Selbstbehalt wurde daher im Erstbescheid, in dem das Finanzamt noch von Einkünften Ihres Ehegatten von höchsten 6.000,00 € ausging, wie folgt ermittelt:

36.651,52Einkommen
+ 7.843,08sonstige Bezüge, Kz 220 des Lohnzettels
- 940,78SV-Beiträge für sonstige Bezüge, Kz 225 des Lohnzettels
43.553,82Bemessungsgrundlage
11 %Prozentsatz gemäß § 34 Abs. 4 EStG
4.790,92Selbstbehalt (11 % der Bemessungsgrundlage)

Der Selbstbehalt in der Beschwerdevorentscheidung wurde unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Einkünfte Ihres Ehegatten mehr als 6.000,00 € betragen haben, wie folgt berechnet:

37.334,48Einkommen
+ 7.843,08sonstige Bezüge, Kz 220 des Lohnzettels
- 940,78SV-Beiträge für sonstige Bezüge, Kz 225 des Lohnzettels
44.236,78Bemessungsgrundlage
12 %Prozentsatz gemäß § 34 Abs. 4 EStG
5.308,41Selbstbehalt (12 % der Bemessungsgrundlage)

Da die in der Beschwerdevorentscheidung als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt berücksichtigten Aufwendungen in Höhe von 2.620,96 € unter dem Selbstbehalt von 5.308,41 € liegen, konnten sie - anders als die unter Punkt 1 angeführten außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt in Höhe von 2.272,99 € - nicht steuerwirksam werden.

4) Da somit Ihrem im Vorlageantrag eingeschränkten Beschwerdebegehren insgesamt bis auf die Impfgebühr von 30 Euro Rechnung getragen wurde, und diese Impfgebühr vom Finanzamt zutreffend nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wurde, wird um Mitteilung ersucht, ob der Vorlageantrag vom 22.11.2023 noch aufrechterhalten wird oder zur Verfahrensbeendigung zurückgezogen werden könnte.

Die Beschwerdeführerin gab zu diesem Vorhalt keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist nach Einschränkung der Beschwerdepunkte ( § 250 Abs. 1 lit. b BAO) im Vorlageantrag nur mehr die Impfgebühr (Grippeschutzimpfung) von 30 € strittig. Die Kosten für die Zahnbehandlung in Höhe von 969 € wurden bereits in der Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2023 als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt anerkannt. Die irrtümlich zusätzliche Berücksichtigung dieses Betrages auch im Rahmen außergewöhnlichen Belastungen mit Selbstbehalt in der Beschwerdevorentscheidung wurde im beiliegenden Berechnungsblatt korrigiert. Wie das Finanzamt im Vorlagebericht zutreffend dargelegt hat, hat diese Korrektur jedoch keine steuerlichen Auswirkungen.

Die von der Beschwerdeführerin vermisste Darstellung der Ermittlung des Selbstbehaltes im Sinne des § 34 Abs. 4 und 5 EStG erfolgte bereits im Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom 20.5.2025, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst ( § 34 Abs. 2 EStG 1988).

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann ( § 34 Abs. 3 EStG 1988).

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt ( § 34 Abs. 4 EStG 1988).

Durch Krankheit verursachte Aufwendungen sind außergewöhnlich, sie erwachsen aus tatsächlichen bzw. beim Unterhaltsverpflichteten aus rechtlichen Gründen zwangsläufig. Keine außergewöhnliche Belastung sind dagegen Aufwendungen für die Erhaltung der Gesundheit (LStR 902a), zur Vorbeugung (vgl. VwGH 24.6.2004, 2001/15/0109), für prophylaktische Schutzimpfungen (vgl. BFG 2.6.2020, RV/7102344/2020) wie eine Grippeschutzimpfung (BFG vom 6.2.2024, RV/5100728/2023 mit Hinweis auf BFG 30.7.2014, RV/2100276/2009). Dass die Grippeschutzimpfung im gegenständlichen Fall eine medizinisch indizierte Vorsorgemaßnahme gewesen wäre, wurde von der Beschwerdeführerin weder behauptet noch glaubhaft gemacht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am 22. Juli 2025