IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***USt*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 2. September 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 27. August 2024 betreffend Familienbeihilfe 11.2023-06.2024 Ordnungsbegriff ***124*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Mit Rückforderungsbescheid vom 27. August 2024 wurde die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für das Kind ***KML***, SVNr. ***123*** für den Zeitraum November 2023 bis Juni 2024 zurückgefordert. Aus der Begründung:
"Wir haben Sie aufgefordert, uns Unterlagen zu senden. Da Sie das nicht getan haben, kommen Sie Ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach (§ 119 Bundesabgabenordnung). Eine Familienleistung kann daher nicht ausgezahlt werden."
2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Der Beschwerde ist wie folgt zu entnehmen:
"Im Anhang schicke ich Ihnen die Schulbesuchsbestätigungen und die Zeugnisse meiner Tochter ***KLM*** von Sep. 2023 bis inkl. Juni 2024. Die Versicherungsnummer ***123*** von meiner Tochter. Meine Tochter wird im Sep. 2024 nicht mehr die Maturaschule besuche, daher habe ich per Juli 2024 keine Familienbeihilfe beantragt. Sie wird ein Jahr reisen und im Sep. 2025 oder 2026 mit der Berufsreifeprüfung beginnen. Wenn Sie noch etwas benötigen, schreiben Sie mir bitte. Bitte schicken Sie mir eine Bestätigung, wenn der Rückforderungsbescheid für die Familienbeihilfe Nov. 2023 bis Juni 2024 nichtig ist."
3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12. September 2024 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, da die Tochter im Wintersemester 2023/24 10 beurteilte und 14 nicht beurteilte, und im Sommersemester 2024 lediglich nicht beurteilte Wochenstunden erreicht habe. Die Voraussetzungen für eine zielstrebige und ernsthafte Berufsausbildung seien daher im Rückforderungszeitraum nicht gegeben.
4. Mit der neuerlichen Beschwerde vom 03.10.2024 (gewertet als Vorlageantrag) bringt die Beschwerdeführerin wie folgt vor:
"Meine Tochter ***KLM*** befindet sich seit Ende Oktober 2023 in Psychotherapie wegen Depressionen und Prüfungsangst. Im Anhang schicke ich Ihnen die Bestätigung von der Therapeutin. Seitdem geht sie einmal die Woche in Therapie. Gerne kann ich Ihnen dazu die Honorarnoten von Nov. 2023 bis August 2024 zukommen lassen. Die Honorarnote von September 2024 habe ich noch nicht von der Therapeutin erhalten. Vorheriges Jahr September wurde bei einem Familienmitglied Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. Dies hat Mia sehr belastet und die Depressionen und die Prüfungsangst ist schlimmer geworden. Sie nimmt sich ab September 2024 bis September 2025 eine Auszeit um ihre Depressionen und die Prüfungsangst hinter sich zu lassen. Dann will sie mit der Berufsreifeprüfung beginnen."
5. Mit Vorlagebericht vom 23.04.2025 wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist die Rückforderung der Familienbeihilfe für das volljährige Kind ***KML***, SVNr. ***123*** für den Zeitraum November 2023 bis Juni 2024 strittig.
An die Beschwerdeführerin wurden im Zeitraum November 2023 bis Juni 2024 Familienbeihilfe sowie Kinderabsetzbeträge im Gesamtbetrag von 2.029,40 Euro für ihre Tochter ausbezahlt.
Die Tochter war im Wintersemester 2023/2024 und im Sommersemester 2024 an der Abend-AHS (Bundesgymnasium, Bundesrealgymnasium und wirtschaftskundliches Bundesrealgymnasium für Berufstätige in ***XY***) als ordentliche Studierende angemeldet und hat im Wintersemester 2023/2024 nachstehende Module inskribiert:
Deutsch 4 WochenstundenErste lebende Fremdsprache Englisch 4 WochenstundenGeschichte und Sozialkunde/Politische Bildung 3 WochenstundenGeografie und Wirtschaftskunde 4 WochenstundenPhysik 3 WochenstundenBildnerische Erziehung 2 WochenstundenTypenbildendes Wahlpflichtfach Informatik (Erweiterungskurs) 2 WochenstundenIndividuelles Wahlpflichtfach Kunst (Bildn. Erziehung, Musikerziehung) 2 Wochenstunden
Das Wintersemester 2023/24 begann am 4. September 2023 und endete am 2. Februar 2024.
Im Sommersemester 2024 hat sie nachstehende Module inskribiert:
Deutsch 4 WochenstundenErste lebende Fremdsprache Englisch 4 WochenstundenMathematik 3 WochenstundenChemie 3 WochenstundenPsychologie und Philosophie 1 2 WochenstundenBildnerische Erziehung 2 WochenstundenTypenbildendes Wahlpflichtfach Informatik 4 Wochenstunden
Das Sommersemester 2024 begann am 12. Februar 2024 und endete am 28. Juni 2024.
Die vorgelegten Zeugnisse weisen für das Wintersemester 2023/24 10 beurteilte und 14 nicht beurteilte, für das Sommersemester 2024 ausschließlich nicht beurteilte Wochenstunden auf.
Die Tochter der Beschwerdeführerin ist seit Oktober 2023 wegen depressiver Symptome und Funktionsschwierigkeiten (Prüfungsangst) einmal wöchentlich in Psychotherapie.
Ab September 2024 plant die Tochter eine Auszeit. Ab September 2025 oder 2026 will sie mit der Berufsreifeprüfung beginnen, die AHS für Berufstätige wird sie nicht mehr besuchen.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen der Beschwerdeführerin.
Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG2 § 2 FLAG Rz 35 mit Judikaturnachweisen).
Ist das Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, ist nach der Judikatur des Bundesfinanzgerichtes als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt. Das Bundesfinanzgericht nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an, insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden, um von einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 zu sprechen (z.B. BFG 19.10.2017, RV/7102012/2016). Wenn bei einer 25 Wochenstunden umfassenden Schulausbildung die Hälfte der Unterrichtsgegenstände infolge Abwesenheit vom Unterricht nicht beurteilt wird, ist davon auszugehen, dass die Berufsausbildung nicht die überwiegende Zeit des Schülers in Anspruch genommen hat (BFG 10.8.2016, RV/7103718/2016).
Die vorgelegten Zeugnisse weisen für das Wintersemester 2023/24 10 "beurteilte" und 14 "nicht beurteilte", für das Sommersemester 2024 ausschließlich "nicht beurteilte" Wochenstunden auf.
Die Ausbildung hat nicht die überwiegende Zeit des Kindes in Anspruch genommen. Im Rückforderungszeitraum lag daher keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 vor.
Zum Einwand der Beschwerdeführerin, die Tochter sei in psychischer Behandlung gewesen und habe an Prüfungsangst gelitten:
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich (VwGH 20.06.2000, 98/15/0001). Dazu zählen beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, oder Urlaube und Schulferien (VwGH vom 16.11.1993, 90/14/0108).
Von einer bloßen Unterbrechung des tatsächlichen Ausbildungsvorganges kann aber nicht mehr gesprochen werden, wenn die Ausbildung nach ihrem Abbruch nicht wieder aufgenommen wird. Die Zeiten ab Beendigung der entsprechenden Tätigkeit können nicht mehr als Zeiten einer Berufsausbildung angesehen werden. Das bloße Aufrechterhalten eines Berufswunsches ist der tatsächlichen Ausbildung nicht gleichzuhalten (VwGH 24.9.2009, 2009/16/0088, VwGH 21.01.2004, 2003/13/0157, VwGH 14.12.1995, 93/15/0133).
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 EStG, der auf die Bestimmung des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 verweist, auch für die zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbeträge.
Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie (fehlendes) Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe, Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung derselben sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich (Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG2 § 26 FLAG Rz 10 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen).
Der angefochtene Rückforderungsbescheid erweist sich damit als rechtmäßig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Wien, am 12. Juni 2025