JudikaturBFG

RV/7100224/2021 – BFG Entscheidung

Entscheidung
17. Juli 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin MMag. Elisabeth Brunner über die Beschwerde vom 6. August 2020 der R***O*** gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 7. Juli 2020 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer 00-123*** zu Recht:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Von den von der Beschwerdeführerin als außergewöhnliche Belastungen beantragten gesundheitsbezogenen Aufwendungen von € 11.217,16 berücksichtigte das Finanzamt - soweit für das Beschwerdeverfahren relevant - Aufwendungen für Klinikaufenthalte als Selbstzahlerin von € 5.616,75 und € 3.594,96 nicht. Begründend führte das Finanzamt zusammengefasst aus, höhere Aufwendungen als jene, die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, nur dann als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen (zB erwartete medizinische Komplikationen) erwüchsen. Da gegenständlich das Element triftiger medizinischer Gründe für die Behandlung in der Privatklinik nicht nachgewiesen worden seien, fehle es nach den Bestimmungen des § 34 EStG in diesem Zusammenhang mit den getätigten Aufwendungen an der Zwangsläufigkeit. Den vorgelegten Unterlagen sei nicht zu entnehmen, dass eine Behandlung außerhalb der Sonderklasse zu ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen geführt hätte.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Beschwerde, die sie im Wesentlichen damit begründete, die dringend notwendige Operation sei aufgrund der nicht beherrschbaren Schmerzsymptomatik im Privatspital erfolgt; die Wartezeiten von vier bis sechs Monaten in den Krankenhäusern Oberwart, Güssing und Eisenstadt wären aufgrund der akut verschlechterten Situation nicht zumutbar gewesen.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen. Der vorgelegte Befundbericht weise nicht nach, dass es tatsächlich nicht möglich gewesen sei, in öffentlichen Spitälern in absehbarer Zeit einen Operationstermin zu bekommen. Weiters ginge aus diesem Befundbericht nicht hervor, warum die Behandlung im Privatspital aus triftigen Gründen medizinisch geboten gewesen sei.

Die triftigen medizinischen Gründe für die Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen müssten in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden. Die Beweislast treffe stets den Steuerpflichtigen.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Die Beschwerdeführerin führte ergänzend aus, ihre Angaben und der geforderte Nachweis seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Ihre jahrelangen Kniebeschwerden hätten zunehmend Schmerzen verursacht. Zuletzt sei von Feber bis März 2018 eine Hyalurontherapie angewandt worden, leider sei der Erfolg ausgeblieben. Die Schmerzen wären unerträglich gewesen, so dass die Operation auf dem schnellstmöglichen Weg durchgeführt habe werden müssen. Die triftigen medizinischen Gründe seien im Befundbericht dargelegt. Wenn die Schmerzen einem den Schlaf raubten, die Lebensqualität beeinträchtigten und bei der Berufsausübung hinderten, stelle die konstatierte nicht beherrschbare Schmerzsymptomatik einen ernsthaften gesundheitlichen Nachteil dar.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Strittig ist ob die für eine Operation in einem Privatspital angefallenen höheren Aufwendungen (Zuzahlungen für stationären Aufenthalt im Privatspital, Wahlarzthonorare, …), als jene, die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, der Beschwerdeführerin zwangsläufig iSd § 34 Abs 3 EStG erwachsen sind.

Nachstehender Sachverhalt steht fest:

Die Beschwerdeführerin litt unter einer hochgradigen Varusgonarthrose (Orthopädischer Befundbericht vom 2.7.2020).

Am 15.5.2019 unterzog sie sich einer Knie-Gelenksersatzoperation.

Die Operation wurde in einem Wiener Privatspital durchgeführt und war medizinisch notwendig. Von der gesetzlichen Sozialversicherung wurde nur ein Teil der daraus resultierenden Kosten getragen.

Triftige medizinische Gründe, welche die höheren Aufwendungen rechtfertigen, liegen nicht vor.

Die höheren Aufwendungen betreffen Pflegegebühren, Honorare Privatspital und Wahlarzthonorare, sowie Kilometergelder (€ 5.616,76 plus € 3.594,96 = € 9.211,72).

Beweiswürdigung:

Die Operation sowie deren medizinische Notwendigkeit sind unstrittig.

Die triftigen medizinischen Gründe sind aufgrund folgender Tatsachen nicht gegeben:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, ihre Kniebeschwerden wären trotz einer Hyalurontherapie im März 2019 so unerträglich geworden, dass sie sich im April 2019 zur Operation entschlossen habe. Zu dieser Zeit sei sie beinahe nicht mehr in der Lage gewesen zu gehen oder ein Auto zu benutzen. Auf das Auto sei sie beruflich angewiesen gewesen, ein längerer Krankenstand wäre die Folge gewesen. Aufgrund der nicht beherrschbaren Schmerzsymptomatik sei die Operation im Privatspital erfolgt. Die Wartezeiten von vier bis sechs Monaten in den in Frage kommenden öffentlichen Krankenhäusern wären aufgrund der akut verschlechterten Situation nicht zumutbar gewesen. Eine telefonische Anfrage im Jahr 2020 bei einem der öffentlichen Krankenhäuser habe ergeben, dass von einer viermonatigen Wartezeit auszugehen sei.

Die Beschwerdeführerin legte einen "orthopädischen Befundbericht" vom 2.7.2020 nachstehenden Inhalts (auszugsweise) vor: "… Erstvorstellung am 14.2.2019 … Der Patientin wurde eine Versorgung mit einer Knie TEP empfohlen. Auf Wunsch erfolgt jedoch Versuch mit Infiltration bzw Hyaluronsäure. … Therapie: Versorgung mit einer Knie TEP sowie Patellaersatz. Aufgrund der nicht beherrschbaren Schmerzsymptomatik erfolgt die Operation im [Privat] Krankenhaus. Die Wartezeiten in öffentlichen Spitälern waren aufgrund der akut verschlechterten Situation nicht zumutbar."

Eine dringliche medizinische Notwendigkeit der Behandlung im Privatspital ist diesem Bericht nicht zu entnehmen. Auch sind darin keine konkreten nachteiligen gesundheitlichen Folgen aufgrund von längeren Wartezeiten auf einen Platz in einem öffentlichen Krankenhaus beschrieben. Der ärztlichen Bestätigung ist auch nicht zu entnehmen, wie lange die Wartezeit konkret für die Operation der Beschwerdeführerin in einem öffentlichen Spital tatsächlich gewesen wäre bzw bleibt offen, ob überhaupt längere Wartezeiten angefallen wären. Die ärztliche Bescheinigung ist daher nicht geeignet, das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu stützen.

Betreffend die längeren Wartezeiten in öffentlichen Krankenhäusern beruft sich die Beschwerdeführerin lediglich auf eine telefonische Anfrage im Krankenhaus Oberwart im Jahr 2020, wonach von circa 4 Monaten Wartezeit auszugehen sei. Dabei handelt es sich um eine allgemeine Auskunft einer durchschnittlichen Wartezeit, die von Fall zu Fall auch länger oder kürzer sein kann. Die telefonische Auskunft erfolgte ein Jahr nach der beschwerdegegenständlichen Operation.

Wartezeiten auf Knie-Gelenksersatzoperationen in öffentlichen Krankenhäusern werden dem Grunde nach auch nicht angezweifelt. Das Vorbringen bleibt aber unkonkret und losgelöst vom konkreten Beschwerdefall.

Ein feststehender oder sich konkret abzeichnender, ernsthafter gesundheitlicher Nachteil wird damit nicht dargetan und erschließt sich auch dem Bundesfinanzgericht nicht.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Beweislast für das Vorliegen von triftigen medizinischen Gründen der Steuerpflichtige trägt (VwGH 19.2.1992, 87/14/0016). Die Beschwerdeführerin behauptet nicht einmal, dass sie überhaupt einen Termin in einem öffentlichen Spital angestrebt hätte und welche Wartezeit für sie tatsächlich zu erwarten gewesen wäre.

Dass durch die Operation in einem Privatspital ein geringeres Risiko von Folgewirkungen bestünde, wird nicht einmal vorgebracht.

Rechtlich folgt daraus:

Nach § 34 Abs 1 EStG sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2) nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss dabei außergewöhnlich sein (Abs 2), zwangsläufig erwachsen (Abs 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).

Nach § 34 Abs 3 EStG erwächst dem Steuerpflichtigen eine Belastung zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Solche tatsächlichen Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen gelegen sein (VwGH 1.9.2015, 2012/15/0117; 4.9.2014, 2012/15/0136; 26.5.2010, 2007/13/0051).

Wie der (VwGH 11.2.2016, 2013/13/0064) ausgeführt hat, ist die Zwangsläufigkeit des Aufwands stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen (VwGH 21.11.2013, 2010/15/0130). Bloße Wünsche, Befürchtungen oder Standesrücksichten der Betroffenen reichen nicht, um die Zwangsläufigkeit zu rechtfertigen. Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (VwGH 4.9.2014, 2012/15/0136; 22.12.2004, 2001/15/0116). Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (VwGH 13.3.2023, Ra 2020/13/0057, mwN).

Die triftigen medizinischen Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (VwGH 13.5.1986, 85/14/0181).

Liegt eine ärztliche Bestätigung über die dringliche medizinische Notwendigkeit der Behandlung im Privatkrankenhaus vor und wäre bei einer längeren Wartezeit auf einen Platz in einem öffentlichen Krankenhaus mit nachteiligen gesundheitlichen Folgen zu rechnen gewesen, sind die Kosten für die Privatklinik als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Als triftige medizinische Gründe für eine bestimmte Behandlungsart können auch Aussichten auf ein geringeres Risiko von Folgewirkungen der Operation gelten.

Unstrittig ist, dass die Aufwendungen der Beschwerdeführerin dem Grunde nach zwangsläufig erwachsen sind. Fest steht jedoch, dass keine triftigen medizinischen Gründe vorliegen, die höhere Aufwendungen als die von der Sozialversicherung finanzierten rechtfertigen. Damit liegt aber die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen, die in Zusammenhang mit der Durchführung der Operation in einem Privatspital stehen der Höhe nach nicht vor. Die Aufwendungen können daher steuerlich nicht berücksichtigt werden (vgl VwGH 24.3.2021, Ra 2020/15/0029, mwN).

Das Vorbringen, wonach an eine Berufsausübung nicht zu denken gewesen sei und ein längerer Krankenstand die Folge gewesen wäre, ist nicht geeignet die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen darzutun. Die Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten ist allein anhand deren medizinischer Notwendigkeit zu beurteilen (VwGH 18.12.2024, Ro 2021/13/0011).

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesfinanzgericht folgt der zitierten Rechtsprechung des VwGH oder löst eine Tatfrage. Ob triftige medizinische Gründe vorliegen, die höhere Aufwendungen, als die von der Sozialversicherung finanzierten rechtfertigen, ist eine Tatfrage keine Rechtsfrage und damit kein Thema für die ordentliche Revision.

Die Beschwerde ist daher gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. Juli 2025