IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Martina Salzinger in der Beschwerdesache ***1***, über die Beschwerde vom 15. Juli 2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes ***2*** (nunmehr Finanzamt ***3***) vom 1. Juli 2019 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom 1. Juli 2019 veranlagte das Finanzamt den Beschwerdeführer (kurz Bf.) zur Einkommensteuer für 2018 ohne die Anerkennung der in der Arbeitnehmerveranlagung beantragten Aufwendungen für die auswärtige Berufsausbildung (Ausbildungsort: ***4***; Monate der Ausbildung: 10) seiner Tochter ***5*** als außergewöhnliche Belastungen.
Der Bf. erhob mit elektronischer Eingabe vom 15. Juli 2019 Beschwerde gegen den angeführten Bescheid und führte ins Treffen, die Fahrzeit vom nächstgelegenen Bahnhof ***6*** bis zum Bahnhof ***7*** betrage jedenfalls mehr als eine Stunde.
In der die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für 2018 abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom 8. August 2019 brachte das Finanzamt im Wesentlichen vor, dass keine auswärtige Berufsausbildung vorliege, da die Fahrzeit unter einer Stunde betrage, wobei innerstädtische Fahrten nicht einzurechnen seien.
Im Vorlageantrag vom 2.9.2019 wiederholte der Bf. sein Beschwerdevorbringen und beantragte die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
Mit Vorlagebericht vom 2.10.2019 legte das Finanzamt das gegenständliche Rechtsmittel dem Bundesfinanzgericht vor. Mitgeschickt wurde ein Ausdruck aus der Fahrplanauskunft vom 6.9.2019 (http://fahrplan.oebb.at), der betreffend dieses Datum unter anderem nachstehende Daten ausweist:
Hinfahrt
Station | Dauer |
***8*** | |
***8*** | 1:24 |
***8*** | 1:08 |
***8*** | 1:08 |
***8*** | 1:08 |
Rückfahrt
Station | Dauer |
***9*** | 1:26 |
***9*** | 1:00 |
***9*** | 1:26 |
***9*** | 1:00 |
***9*** | 1:25 |
***9*** | 1:26 |
Die Abfrage aus dem Zentralen Melderegister vom 26.3.2025 hat ergeben, dass sowohl der Bf. als auch seine Tochter ***5*** im Beschwerdejahr mit Hauptwohnsitz in ***10***, gemeldet waren.
Mit Ladung vom 3. April 2025 wurde der Bf. aufgefordert, im Rahmen eines Erörterungsgespräches und unter Beifügung entsprechender Beweismittel (Fahrplanausdrucke) darzulegen, aus welchen Gründen er weiter der Ansicht sei, die Berufsausbildung der Tochter sei im Jahr 2018 im Sinne des § 34 Abs. 8 EStG 1988 und der hierzu ergangenen Verordnung außerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen. In diesem Zusammenhang wurde der Bf. um Beantwortung folgender Fragen ersucht:
"An welcher Universität hat Ihre Tochter im Beschwerdejahr studiert? Dazu sind Inskriptionsbestätigungen vorzulegen.
Welche Lehrveranstaltungen wurden besucht?
Wie schaute der Wochenstudienplan der Tochter im Jahr 2018 aus?
Gab es verpflichtende Vorlesungen/Übungen am Samstag oder Sonntag?"
Im Rahmen des mit dem Bf. am 17.7.2025 geführten Erörterungsgespräches erklärte sich dieser nach nochmaliger Erörterung der Sach- und Rechtslage und der Ergebnisse des bisherigen Ermittlungsverfahrens mit einer abweisenden Entscheidung einverstanden und zog den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.
Laut Routenplaner "Google Maps" beträgt die Entfernung zwischen ***11*** jedenfalls weniger als 80 km.
Laut dem im Internet abrufbaren ÖBB-Fahrplan betreffend das Jahr 2017 verfügt die über den Wohnort des Bf. führende Bahnstrecke "***12***" in ***13*** über folgende Haltestellen für den Personenverkehr: ***14***. Aus dem Fahrplan ergibt sich weiters, dass an Werktagen mehrmals täglich Zugverbindungen zwischen den Haltestellen "***15***" und "***16***" mit einer Fahrzeit von weniger als einer Stunde angeboten werden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Strittig ist, ob im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2018 der Abzug von Mehraufwendungen für die Berufsausbildung von Tochter ***5*** als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 Abs. 8 EStG 1988 zulässig ist.
a)Rechtslage, jeweils in der hier maßgebenden Fassung
Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 EUR pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.
Zufolge § 2 Abs. 1 der zu dieser Bestimmung erlassenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes (im Folgenden mit Verordnung abgekürzt), BGBl. Nr. 624/1995 idF BGBl. II Nr. 449/2001 bzw. BGBl. II Nr. 37/2018 (ab 9.3.2018), gelten "Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort … dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305 (bzw. in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2016) anzuwenden".
Nach § 2 Abs. 2 erster Satz dieser Verordnung gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 (StudFG), BGBl. Nr. 305 bzw. idF BGBl. I Nr. 50/2016, zeitlich noch zumutbar sind.
§ 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG), BGBl. Nr. 305/1992, idF BGBl. I Nr. 50/2016, sieht vor, dass durch Verordnung der zuständigen Bundesministerin oder des zuständigen Bundesministers festzulegen ist, "von welchen Gemeinden" eine tägl Hin- und Rückfahrt zeitlich noch als zumutbar anzusehen ist. Im zweiten Satz der Bestimmung wird normiert, dass eine Fahrzeit von mehr als je einer Stunde zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel keinesfalls mehr zumutbar ist.
b)entscheidungswesentlicher Sachverhalt
Zwischen den Verfahrensparteien wird nicht in Zweifel gezogen, dass sich der Familienwohnsitz des Bf. in ***13*** befindet und dessen Tochter ***5*** im Beschwerdejahr in ***17*** an der Universität inskribiert war, wo sie unter der Woche Lehrveranstaltungen besucht hat. Auch aus der Aktenlage geht Gegenteiliges nicht hervor. Die Entfernung der Wohngemeinde vom Studienort beträgt laut Google -Maps-Routenplaner jedenfalls weniger als 80 km. Dass die Zugverbindung von der Haltestelle "***16***" aus bis zur Ausstiegsmöglichkeit am Studienort "***15***" und retour - zumindest werktags -im kürzesten Fall jeweils weniger als eine Stunde umfasst, ergibt sich aus dem ÖBB-Fahrplan für 2017 und blieb zuletzt unbestritten.
c) rechtliche Würdigung des zu Grunde gelegten Sachverhaltes
Basierend auf § 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung, § 26 Abs. 3 StudFG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergeben sich für die Beurteilung einer innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort befindlichen Ausbildungsstätte als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, folgende Grundsätze:
Sowohl das Studienförderungsgesetz als auch die darauf verweisende Verordnung stellen für die Fahrzeitermittlung auf den "Wohnort/Gemeinde" und den "Ausbildungsort" ab und nicht auf die Wohnung oder die Ausbildungsstätte. Daraus folgt, dass die tatsächliche Fahrtzeit zwischen den beiden Gemeinden für die Beurteilung einer Ausbildungsstätte als "innerhalb des Einzugsgebietes des Wohnortes gelegen" entscheidend ist. Im Konkreten kommt es auf die Fahrtzeit zwischen jenen Punkten der jeweiligen Gemeinden an, an denen üblicherweise die Fahrt zwischen diesen Gemeinden mit dem jeweiligen öffentlichen Verkehrsmittel angetreten oder beendet wird. Im Zweifel wird dies die in der Ortsmittel gelegene Haltestelle sein (vgl. UFS Graz, Senat 1, 16. 12. 2005, RV/0630-G/05). Nicht entscheidend ist hingegen die konkret benutzte Ein- oder Ausstiegsstelle.
So hat auch der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. August 2008, 2006/15/0114, insbesondere aus dem Verweis in der Verordnung auf § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 abgeleitet, dass das günstigste öffentliche Verkehrsmittel zwischen dem Studienort und dem Wohnort die schnellstmögliche Verbindung zwischen den Orten ist, weshalb die Erreichbarkeit der Abfahrstelle innerhalb der Gemeinde nach der ab 1. Jänner 2002 geltenden Fassung des § 2 der Verordnung keine Rolle spielt. Individuelle Wartezeiten vor oder nach Antritt der Fahrten, Fußwege sowie Fahrten im Heimatort oder im Studienort sind in die Fahrzeit "von mehr als je einer Stunde" nicht einzurechnen (VwGH 26.1.2012, 2011/15/0168; Peyerl in Jakom EStG13, § 34 Rz 72). Auch Wartezeiten vor Beginn und nach Ende des Unterrichts werden nicht berücksichtigt (so VwGH 26.1.2012, 2011/15/0168 sowie BFG 9.7.19, RV/7103499/2019).
Im Beschwerdefall ist daher für die Bemessung des "günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels" die Fahrzeit zwischen den Ein- und Ausstiegsstellen "***18***" und "***19***" entscheidend und nicht - wie in der Beschwerde vorgebracht - die Wegstrecke "***20***" bis "***21***".
Auf die Umstände des Einzelfalles ist nach der unmissverständlichen Judikatur des VwGH im Erkenntnis vom 8.7.2009, 2007/15/0306, nicht Bedacht zu nehmen. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 624/1995 idF BGBl. II Nr. 449/2001 stellt laut VwGH nämlich ganz allgemein auf die Fahrzeit zwischen Wohnort und Ausbildungsort ab und nicht auf die Besonderheit der individuellen Fahrtbewegung.
Nach den weiteren Ausführungen des VwGH im genannten Erkenntnis muss es sich beim "günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel" iSd § 2 Abs. 1 der Verordnung - ungeachtet dessen, ob der Auszubildende dieses auch tatsächlich benutzen kann - um ein solches handeln, welches während des Tages Verkehrsverbindungen mit einer Fahrtdauer von höchstens einer Stunde sicherstellt. Auch auf individuelle Unterrichtszeiten ist dabei ebenso wenig Bedacht zu nehmen wie auf die im Einzelfall besuchten Lehrveranstaltungen.
Allerdings ergibt sich laut Rechtsprechung des VwGH aus der Zusammenschau von Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Satz der Verordnung, dass eine "tägliche Fahrt" maßgeblich ist. Die Zumutbarkeit ist somit nur gegeben, wenn an jedem Tag, an dem die Ausbildungsstätte aufgesucht werden muss, eine solche Verkehrsverbindung (mit einer Fahrtdauer von je höchstens einer Stunde) besteht. Diesbezüglich wird vom Verfassungsgerichtshof für die Annahme des "günstigsten Verkehrsmittels" nach den Grundsätzen des § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 als ausreichend erachtet, dass in jeder Richtung je ein Verkehrsmittel zwischen den in Betracht kommenden Gemeinden existiert, das die Strecke in einem geringeren Zeitraum als einer Stunde bewältigt (VfGH vom 11. Dezember 1986, B 437/86).
Aus dem Winterfahrplan 2017 (Ausdruck der Fahrplandatenbank der ÖBB mit allen Verkehrsverbindungen zwischen der Wohngemeinde und der Ausbildungsgemeinde) ergibt sich, dass die Strecke zwischen der zentralen Haltestelle der Wohnsitzgemeinde (***22***.) und jener in der Ausbildungsgemeinde (***15***) in beide Richtungen an Werktagen mehrmals täglich in weniger als einer Stunde zurückgelegt werden kann. Ein Vorbringen, wonach die Ausbildungsstätten auch an Wochenenden aufgesucht werden musste, wurde vom Bf. nicht erstattet. Von einer obligatorischen Anwesenheit an den Ausbildungsstätten auch an den Wochenenden (ohne die Möglichkeit gleichartige Lehrveranstaltungen von Montag bis Freitag zu besuchen) war daher nicht auszugehen.
Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ist im Beschwerdefall von einer Ausbildung im Nahebereich des Wohnortes auszugehen und das Beschwerdebegehren daher als unbegründet abzuweisen.
d)mündliche Verhandlung
Nach § 274 Abs. 1 BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Senatsverhandlung stattzufinden, wenn es in der Beschwerde beantragt wird. Der Antrag auf Durchführung einer solchen ist jedoch rücknehmbar (vgl. Ritz, BAO 2025, Rz. 8 zu § 274 BAO).
Auf Grund der Zurückziehung des Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch den Bf. im Rahmen des Erörterungstermines, konnte davon abgesehen werden.
e)Nichtzulassung einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegenständlich wurde nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfragen und sind grundsätzlich keiner Revision zugängig. Im Übrigen wurde nicht von der im Erkenntnis zitierten Rechtsprechung abgewichen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 21. Juli 2025