JudikaturBFG

RS/7100127/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
30. September 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch STB, über die Beschwerde vom 27. August 2025 wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Österreich betreffend Erteilung einer Steuernummer und einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder durch Erteilung eines Bescheides, dass der Beschwerdeführerin eine Steuernummer und/oder eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nicht zuzuteilen ist, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt

Mit Schreiben vom 27.8.2025, eingegangen beim Bundesfinanzgericht (BFG) am 1.9.2025, wurde von der Beschwerdeführerin (Bf) Beschwerde gem. § 284 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde betreffend Erteilung einer Steuernummer und einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder durch Erteilung eines Bescheides, dass der Beschwerdeführerin eine Steuernummer und/oder eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nicht zuzuteilen ist mit der Begründung erhoben, dass die säumige Behörde zum Anbringen noch Entscheidung gefällt hat.

Begründend führte die Bf. aus, dass sie mit Schreiben vom 7.1.2025 beim zuständigen Finanzamt den Antrag auf Zuteilung einer Steuernummer und einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eingebracht habe sowie mit Schriftsatz vom 31. 7.2025 diesen Antrag über Aufforderung des Finanzamtes Österreich durch Übermittlung von Nachweisen betreffend die wirtschaftlichen Aktivitäten der Bf. ergänzt habe. Die Finanzbehörde wäre der gesetzlich zustehenden Entscheidungspflicht innerhalb der Frist von 6 Monaten nicht nachgekommen.

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat in der Folge mit Beschluss vom 18.9.2025 dem Finanzamt gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufgetragen, bis spätestens 1.12.2025 zu entscheiden und eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

Das zuständige Finanzamt hat daraufhin mit Schreiben vom 22.9.2025 zur Begründung, warum keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorläge, ausgeführt:

"Nach der Aktenlage kann aufgrund der fehlenden Unterlagen derzeit weder eine Steuernummer noch eine UID-Nummer vergeben werden. Die Erhebungen des zuständigen BV-Teams (Antrittsbesuche, ...) entnehmen Sie bitte den in der Beilage angefügten Aktenvermerken. Eine Auflistung der fehlenden Unterlagen entnehmen Sie bitte ebenfalls der Beilage. Nach derzeitiger Aktenlage müsste bei einer Entscheidung eine Abweisung des Antrages erfolgen. In diesem Fall würde auch eine amtswegige Anregung auf Löschung im Firmenbuch erfolgen. Wie dem Sachverhalt zu entnehmen ist, ist die Verzögerung der Entscheidung auf kein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen. Kein Verschulden liegt etwa vor, wenn die Verzögerung des Verfahrens auf die mangelnde Mitwirkung der Partei zurückzuführen ist (vgl Ritz/Koran, BAO8 § 284 BAO Rz 14) oder wenn ein längeres Ermittlungsverfahren notwendig ist, sofern die Behörde das Verfahren zügig betreibt und nicht etwa grundlos zuwartet oder überflüssige Verfahrenshandlungen setzt (zB VwGH 14.4.1983, 82/08/0129)."

Der dem BFG übermittelte Aktenvermerk vom 28.7.2025 lautete folgendermaßen:

"Am 14.04.2025 fand die Begehung in der ***2*** statt. Nach anläuten an der Tür erfolgte keinerlei Reaktion, daraufhin wurde Herr GF, Geschäftsführer der GmbH unter der angegebenen Telefonnummer kontaktiert.

Da auf diesem Wege ebenfalls niemand erreicht werden konnte, wurde die steuerliche Vertretung Herr STB kontaktiert. Dieser gab auf unhöfliche Weise bekannt, dass sich Herr GF derzeit im Ausland befindet und erst ab Mittwoch, 23.04.2025 wieder in Österreich ist.

Auf die Frage, ob die angegebene Telefonnummer von Herrn GF verglichen werden kann bzw. ob eine E-Mail Adresse durchgegeben werden könne, wurde nur geantwortet, dass er zur Verschwiegenheit verpflichtet sei und daraufhin legte der Steuerberater auf. An der Betriebsadresse konnte kein Einzelhandel mit Backwaren gesichtet werden. Am 30.06.2025 fand die zweite Begehung in der ***1*** in 1020 Wien statt. Weder auf Anläuten, noch bei telefonischer Kontaktaufnahme wurde reagiert. Da eine Person das Gebäude verließ, konnte ins Gebäude vorgedrungen werden. Auf dem Postkasten und direkt vor der Haustüre Top *** gab es keinen Hinweis auf den Pflichtigen. Auch auf erneutes Klopfen an der Haustüre wurde nicht reagiert. Die schriftliche Hinterlegung wurde im Postkasten hinterlegt, siehe Fotonachweis.

Die Vorladung wurde am 15.07.2025 händisch mittels RSb versendet. 28.07.2025 Der GF Herr GF ist nicht erschienen, wieder erfolgte keinerlei Kontaktaufnahme. Eine Steuernummer wird nicht vergeben, ebenso keine UID Nummer."

Der Aktenvermerk des Finanzamts vom 28.8.2025 lautete wie folgt:

"Dieser Aktenvermerk bezieht sich auf den bereits abgeschlossenen Antrittsbesuch, siehe Aktenvermerk vom 28. Juli 2025. 31.07.2025 Am 31. Juli 2025 wurde ein Schreiben der steuerlichen Vertretung per Mail übermittelt. Hierbei wurde angeführt, dass aufgrund einer nicht korrekten Adressierung der Vorladung vom 15 Juli 2025, es dem Geschäftsführer nicht möglich war, in der Dienststelle zum angegebenen Termin (am 22.07.2025 um 09:00 Uhr) persönlich zu erscheinen. Weiters wurde ein Kaufvertrag zwischen der W (als Verkäufer) und der G in Gründung (als Käufer) übermittelt. Der Verkäufer betreibt am Standort Adr, in einem angemieteten Verkaufslokal ein Einzelhandelsgeschäft mit Backwaren. Die G beabsichtigt, die in diesem Vertrag und dessen Anlagen angeführten Wirtschaftsgütern und Rechtsverhältnisse, die zum Betrieb des Unternehmens gehören, zu kaufen. Es wurde von der steuerlichen Vertretung angegeben, dass das Unternehmen zunächst auf den Firmennamen "G" lauten soll, jedoch wurde der Entschluss gefasst, den Namen auf "***Bf1***" zu ändern. Unter Punkt 6 wird ein Gesamtkaufpreis von 35.000,00 € und der gesetzlichen Umsatzsteuer angeführt. Die ***Bf1*** hat laut Vertrag bereits eine Anzahlung von 10.000,00 € geleistet (hierfür gibt es bisher keinen Nachweis). Seitens der steuerlichen Vertretung wird bekanntgegeben, dass gegen den Vertragspartner, die W eine Klage eingereicht wurde da bereits mündliche Vereinbarungen getroffen wurden und diese nicht bereit war den schriftlichen Vertrag zu unterfertigen. Weiters wird bekanntgegeben, dass sich das zivilrechtliche Verfahren erst im Anfangsstadium befindet. Übermittelt wurden zusätzlich eine Rechnung an den Notar, sowie drei Rechnungen an den steuerlichen Vertreter. Auf der Honorarnote 12390 des steuerlichen Vertreters an die ***Bf1***, findet sich unter Punkt 1 der Leistungsbeschreibung folgender Text: Schreiben an den Gegenvertreter und an die Wiener Linien GmbH & Co KG vom 31 Jänner 2025, unter Punkt 2 wird der Entwurf der Klagschrift angeführt."

Weiters legte das Finanzamt dem BFG folgende Aufstellung der erhaltenen Unterlagen und offenen Fragen im vorliegenden Fall vor:

"Folgende Unterlagen finden sich im Gründungsverfahren:

• 11.01.2025 UR Antragsdaten

• 13.01.2025 Firmenbuchauszug

• 16.01.2025 Verfl5, Verf26, Errichtungserklärung, FB-Auszug, Eröffnungsbilanz, (Info Geld- und Zustellvollmacht vorhanden)

Nachdem der Fall abgeschlossen wurde mittels Abweisung, (da kein Identitätsnachweis, samt Tätigkeitsnachweis erbracht werden konnte) wurden in einem Schriftsatz der steuerlichen Vertretung vom 31.07.2025 noch folgende Unterlagen übermittelt:

• Unternehmenskaufvertrag (nicht unterfertigt)

• Rg. an Notar

• 3 Rg. an die steuerliche Vertretung

Am 18.08.2025 wurde erneut eine Terminvereinbarung versendet für den 25.08.2025. Es ist auch hier niemand erschienen, wieder erfolgte keinerlei Kontaktaufnahme. Daraufhin wurde am 27.08.2025 angefragt, ob ein Ersatztermin gewünscht ist.

Noch am selben Tag wurde eine Säumnisbeschwerde seitens der steuerlichen Vertretung eingebracht.

Folgende Fragen sind bisher offengeblieben:

• Identitätsnachweis des Geschäftsführers, Herrn GF

• Tätigkeitsnachweis

• Formular AnBl

• Die weiteren Schritte wollten besprochen werden, da bekannt gegeben wurde, dass sich die Klage an die W erst im Anfangsstadium befindet - wann wird beabsichtigt, tatsächlich betrieblich tätig zu werden, wird in der Zwischenzeit nach einer anderen Betriebsstätte gesucht etc.

• Warum wurde als Ort der Geschäftsleitung/Betriebsort im Verfl5 die Adresse "***2*** angegeben, findet sich hier womöglich ein Büro?"

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes sowie auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde.

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 284 BAO, BGBl I Nr. 194/1961 idgF lauten:

Gemäß § 284 Abs. 1 Bundesabgabenordnung kann wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erhoben werden, wenn ihre Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

Gemäß § 284 Abs. 2 BAO hat das Verwaltungsgericht der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

Nach § 284 Abs. 3 BAO geht die Zuständigkeit zur Entscheidung erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

Nach Abs. 4 leg.cit. sind Säumnisbeschwerden mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.

Unstrittig ist, dass die belangte Behörde die beantragte Erledigung nicht innerhalb der von § 284 Abs. 1 BAO normierten sechsmonatigen Frist finalisiert hat. Zu prüfen ist daher, ob die Verspätung auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist ( § 284 Abs. 4 BAO).

Der Begriff des Verschuldens der Behörde ist nicht im Sinn eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern "objektiv" zu verstehen. Ein solches "Verschulden" ist dann anzunehmen, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war. Ein überwiegendes Verschulden der Behörde liegt insbesondere dann nicht vor, wenn ein längeres Ermittlungsverfahren notwendig ist, sofern die Behörde das Verfahren zügig betreibt und nicht grundlos zuwartet oder überflüssige Verfahrenshandlungen setzt (vgl. Ritz, aaO, Tz 14 sowie VwGH 14.9.2016, Ra 2016/18/0127). Zur Feststellung, ob ein behördliches Verschulden vorliegt, ist das Verschulden der Partei an der Verzögerung gegen jenes der Behörde abzuwägen.

Erwägungen

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist in Anbetracht des Verfahrensganges und der notorischen Aktenlage nicht davon auszugehen, dass die belangte Behörde überflüssige Verfahrenshandlungen gesetzt oder grundlos zugewartet hat.

Das Finanzamt hat vielmehr glaubhaft dargetan, dass das Versäumnis nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.

Die Säumnisbeschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung, bei der abzuwägen war, ob die Verspätung gemäß § 284 Abs. 4 BAO auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist, von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Wien, am 30. September 2025