JudikaturBFG

RV/4100046/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. H.P in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 13. Jänner 2025 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 8. Jänner 2025 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2023 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind am Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Das Finanzamt erließ am 8. Jänner 2025 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2023 mit der Begründung, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht berücksichtigt wird, weil die Beschwerdeführerin mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft mit einem Partner gelebt habe.

Die Beschwerdeführerin lebte im Jahr 2023 mit zwei Kindern in einer Wohnung. Sie ist vom Vater der Kinder geschieden. Ein Kind wechselte im Jahr 2023 in den Haushalt des Vaters (Auszug Melderegister).

Mit schriftlicher Eingabe vom 13. Jänner 2025 erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie seit sieben Jahren geschieden sei. Sie lebe allein mit ihren 2 Kindern. Die Beschwerdeführerin stellte schriftlich die Frage: "Warum wurde mir der Alleinverdienerabsetzbetrag entzogen?"

Beschwerdevorentscheidung:

Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung vom 16. Jänner 2025 die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.in) laut den im Amt aufliegenden Meldedaten in der Zeit von 7. April 2022 bis 1. Dezember 2023 in einem gemeinsamen Haushalt mit einem namentlich genannten Partner gelebt habe.

Vorlageantrag:

Die Bf.in führte im Vorlageantrag aus, dass es sich bei dem in der Beschwerdevorentscheidung namentlich angeführten Herren um ihren Nachbarn handle. Sie habe mit ihm nicht zusammengelebt.

Im schriftlichen Nachtrag vom 20.03.2025 übermittelte die Bf.in die Bestätigung des Vermieters vom 17.03.2025. Darin bestätigt der Vermieter, dass der Nachbar zu keiner Zeit bei der Bf.in gewohnt habe. In dieser Bestätigung sind der Vermieter und die Telefonnummer angeführt.

Vorlagebericht:

Im Vorlagebericht vom 18.02.2025 beantragte das Finanzamt die Abweisung der Beschwerde. Ausgeführt wurde, dass das Vorbringen nicht mit dem Datenabgleich aus dem Melderegister übereinstimme. Demnach habe die Bf.in im Zeitraum 1. April 2022 bis 1. Dezember 2023 mit Herrn Vn,.Nn. an derselben Adresse gewohnt.Die Bf.in habe zu ihrem Vorbringen, dass es sich dabei um ihren Nachbarn handle, keine geeigneten Nachweise erbracht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf.in wohnte im Jahr 2023 an der Meldeadresse Str. ***1*** in Ort. An derselben Adresse war im Zeitraum 13.05.2020 bis 1.12.2023 Herr Vn,.Nn. gemeldet. Dieser ist laut Vermerk im Melderegister verheiratet. Die Bf.in ist laut Vermerk im Melderegister geschieden.

Die Bf.in wohnte im Jahr 2023 mit ihren beiden Kindern in einer Wohnung im ersten Stock an der Meldeadresse. Ihr Nachbar bewohnte ein Zimmer im Erdgeschoss an der Meldeadresse.

Die Bf.in bezog im Jahr 2023 für die Tochter Familienbeihilfe. Die Bf.in bezog im Zeitraum Jänner bis Juni 2023 für ihren Sohn Familienbeihilfe. Im Zeitraum Juli bis Februar 2025 bezog der Vater Familienbeihilfe. Die Bf.in lebt vom Vater der Kinder getrennt. Der Sohn war im Jahr 2023 vorerst bei der Bf.in und danach beim Vater gemeldet.

2. Beweiswürdigung

Dem Verfahren liegen die/der-Anfragen aus dem Zentralen Melderegister,-die Bestätigung des Vermieters vom 17.03.2025,- 2 Mietverträge über zwei Wohnungen,-Niederschrift über die Einvernahme des Vermieters (Eigentümers),-Stellungnahme des Finanzamtes,-Bescheid und Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes,-Vorlagebericht des Finanzamtes,-Beschwerde,-Vorlageantrag,-Vorlagebericht zugrunde.

Der Vermieter wurde am 8.4.2025 im anhängigen Verfahren beim BFG niederschriftlich zu den Wohnverhältnissen der beiden Mieter befragt. In der Befragung gab der Vermieter an, dass die Bf.in in einer Wohnung im ersten Stock des Hauses wohne. Ihr Nachbar bewohnte im Jahr 2023 hingegen ein Zimmer mitsamt Küche im Erdgeschoß des Hauses. Demnach haben beide Personen nicht gemeinsam in einer Wohnung gewohnt.Der Vermieter habe vorerst immer alle Mieter unter derselben Hausnummer geführt. Das Meldeamt habe in der Folge sämtliche Wohnungen mit einer weiteren Zahl erfasst. Dabei dürfte es zu einem Missverständnis bei der Zuordnung der Wohnungen gekommen sein, sodass beide an derselben Meldeadresse aufscheinen. Beide Mieter hätten kein persönliches Naheverhältnis zueinander. Der Nachbar bewohnte die Kleinwohnung, weil er in einer Fabrik arbeitet.

Die getroffenen Tatsachenfeststellungen basieren auf den angeführten Unterlagen und Beweismitteln.

3. Rechtliche Beurteilung

Strittig ist, ob ein Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag besteht, oder ob dieser Anspruch nicht besteht, weil die Beschwerdeführerin im Jahr 2023 mehr als sechs Monate in einer Lebensgemeinschaft bzw. Ehe gelebt hat.

Gemäß § 33 Abs 4 Z 2 EStG 1988 steht Alleinerziehenden ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.

Der Alleinerzieherabsetzbetrag steht grundsätzlich dann zu, wenn ein Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 Z 1 EstG 1988 für mehr als sechs Monate besteht.

§ 106 EStG 1988 lautet:Kinder, (Ehe)Partnerschaften§ 106. (1) Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 zusteht.(2) Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch Kinder, für die dem Steuerpflichtigen mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 zusteht.(3) (Ehe-)Partner ist eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer Lebensgemeinschaft lebt. Einem (Ehe-)Partner ist gleichzuhalten, wer in einer Partnerschaft im Sinn des Eingetragene Partnerschaft-Gesetzes - EPG eingetragen ist.

(4) Für Steuerpflichtige im Sinne des § 1 Abs. 4 sind die Abs. 1 bis 3 sinngemäß anzuwenden.

Eine "Lebensgemeinschaft" im Sinne des § 725 Abs 1 ABGB ist eine eheähnliche Verbindung zwischen zwei Personen, die einerseits in einer seelischen Verbundenheit wurzelt, andererseits in der Regel auch die Merkmale einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft aufweisen muss. Allerdings müssen im Sinn eines beweglichen Systems nicht stets alle drei vorhanden sein, sondern kann das Fehlen eines Kriteriums durch das Vorliegen der anderen ausgeglichen werden, wobei stets die Umstände des Einzelfalls entscheiden (OGH 25.11.2021, 2 Ob 173/21m).

Eine Wohnungsgemeinschaft liegt grundsätzlich vor, wenn die Lebensgefährten tatsächlich in einer Wohnung leben, die ihr dauernder gemeinsamer Lebensmittelpunkt sein soll (OGH 18.04.2012 3 Ob 237/11s).

3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Die Bf.in ist laut Auskunft aus dem Zentralen Melderegister und ihrem Vorbringen geschieden. Sie lebte im Jahr 2023 mit ihren beiden Kindern allein in einer gemieteten Wohnung im ersten Stock des Mietshauses.An derselben Adresse wohnte ein Nachbar in einer Einzimmerwohnung mit Küche im Erdgeschoß. Aus den beiden Mietverträgen geht hervor, dass beide Mieter verschiedene Wohnungen gemietet haben. Während die Bf.in geschieden ist, ist ihr Nachbar verheiratet.

Der Vermieter gab niederschriftlich befragt an, dass beide Mieter getrennte Wohnungen gemietet haben und in keiner persönlichen Beziehung zueinanderstehen.

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung konnte somit festgestellt werden, dass zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Nachbar weder eine Wirtschaftsgemeinschaft noch eine Wohnungsgemeinschaft vorlag. Diesen beiden Aspekten war nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes bei der Beurteilung der Umstände des Einzelfalles besonderes Gewicht beizumessen.Daher war in Würdigung aller Umstände des Beschwerdefalles abzuleiten, dass die Bf.in im Jahr 2023 mit ihren beiden Kindern als Alleinerzieherin in der Wohnung gelebt hat.

Die Bf.in hat laut den Feststellungen des Finanzamtes für ein Kind länger als sechs Monate Familienbeihilfe bezogen. Für das weitere Kind bezog die Bf.in für den Zeitraum Jänner bis Juni 2023 Familienbeihilfe. Ab Juli 2023 bezog der Vater für das zweite Kind Familienbeihilfe. Der Sohn war im Jahr 2023 laut Melderegister beim Vater gemeldet.

Damit bezog die Bf.in für ein Kind länger als sechs Monate Familienbeihilfe, sodass ihr der Alleinerzieherabsetzbetrag für dieses Kind zusteht.

Berechnung der Einkommensteuer 2023:

Gesamtbetrag der Einkünfte lt. Einkommensteuerbescheid 7.460,84 €
Einkommen7.460,84 €
Bemessungsgrundlage für den besonderen Progressionsvorbehalt:Gesamtbetrag der Einkünfte + Pauschbetrag für Werbungskosten 7.460,84 €+ 132,00 €
Umrechnungsbasis7.592,84 €
Umrechnungszuschlag(7.592,84 x 365 /(365-172) - 7.592,84)6.766,67 €
Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz14.227,51
Die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt:
0% für die ersten 11.692,00 0,00 €
20% für die restlichen 2.534,51506,90 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
Familienbonus Plus506,90 €
Alleinerzieherabsetzbetrag520,00 €
Unterhaltsabsetzbetrag279,00 €
Verkehrsabsetzbetrag1.105,00 €
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge1.904,00 €
Erstattung:Alleinerzieherabsetzbetrag und SV-BeiträgeiHv 1.425,36 €1.425,36
erstattungsfähig gem. § 33 Abs. 8 EStG 1.425,36
Erstattungsbetrag gesamt1.425,36
Einkommensteuer1.425,36
Anrechenbare Lohnsteuer302,92
Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG 19880,28
Festgesetzte Einkommensteuer1.728,00
Bisher war vorgeschrieben1.208.00
Abgabengutschrift520,00

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Es liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Klagenfurt am Wörthersee, am 4. Juni 2025