IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch RA Mag. Franz Doppelhofer, Mitterstraße 177, 8055 Graz-Seiersberg, über die Beschwerde vom 22. Jänner 2018 gegen den Bescheid des ***FA*** vom 21. Dezember 2017 betreffend Haftungsbescheid / Sonstige 04.2011-06.2013 Steuernummer yyyy zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Haftung wird mit einem Betrag von 28.768,28 € festgesetzt.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der folgenden Tabelle zu entnehmen.
Abgabenart | Zeitraum | Betrag | davon 50% |
U | 4-12/2011 | 13.555,32 | 6.777,66 |
U | 2012 | 533,88 | 266,94 |
U | 4-6/2012 | 17.803,25 | 8.901,63 |
U | 7-9/2012 | 18.659,72 | 9.329,86 |
U | 10/2010 | 1.743,29 | 871,65 |
L | 2012 | 608,04 | 304,02 |
L | 1/2013 | 197,72 | 98,86 |
K | 4-6/2013 | 437,00 | 218,50 |
DB | 2012 | 1.066,98 | 533,49 |
DB | 1/2013 | 366,47 | 183,24 |
DZ | 2012 | 92,46 | 46,23 |
DZ | 1/2013 | 31,76 | 15,88 |
Z | 10/2012 | 139,46 | 69,73 |
ST | 2012 | 285,07 | 142,54 |
SZA | 2012 | 1.554,94 | 777,47 |
SZB | 2012 | 292,84 | 146,42 |
SZC | 2012 | 168,36 | 84,18 |
Summe | | 57.536,56 | 28.768,28 |
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein fortgesetztes Verfahren, da der VwGH mit Erkenntnis vom 1.2.2021, Ra2020/13/0087, die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes (BFG) vom 7.8.2020, RV/2100421/2018, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben hat.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich des Verfahrensganges auf dieses Erkenntnis verwiesen.
Das BFG habe es unterlassen, so der VwGH, da neben dem Beschwerdeführer (Bf.) auch dessen Ehegattin und auch dessen Sohn als Geschäftsführer (Gf.) fungierten, zu begründen, wer von den Geschäftsführern in welchem Ausmaß als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen werde.
Im Übrigen sei zu bemerken, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Haftung bei einer Mehrheit von Geschäftsführern in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertrete, dass bei Vorliegen einer Geschäftsverteilung die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit denjenigen Geschäftsführer treffe, der mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut sei. Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer sei in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen. Dieser hafte jedoch selbst, wenn er eigene Pflichten dadurch grob verletzte, dass er es unterlassen habe, Abhilfe gegen Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten Bestellten zu schaffen. In einem solchen Fall könne ihn nur entschuldigen, dass ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten aus triftigen Gründen unmöglich gewesen wäre.
Eine Pflichtverletzung des nicht mit den steuerlichen Angelegenheiten befassten Geschäftsführers sei aber erst dann anzunehmen, wenn für diesen ein Anlass vorliege, an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung des anderen Geschäftsführers zu zweifeln und er dennoch nichts unternehme, um Abhilfe zu schaffen.
Im Zuge eines Vorhalteverfahrens wurden an den Bf. ein Fragenkatalog gerichtet. Zur Überprüfung der Angaben wurde der Bf. zugleich aufgefordert, den Gesellschaftsvertrag und die im Zusammenhang mit der Aufteilung der Geschäftsführeragenden gefassten Gesellschaftsbeschlüsse sowie geeignete Belege für die durchgeführten Überwachungsmaßnahmen dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Der rechtsfreundliche Vertreter beantwortete die Fragen wie folgt:Wie war die Aufgabenverteilung in Bezug zur Geschäftsführung zwischen Ihnen, Ihrer Ehegattin und Ihrem Sohn?Dazu wurde bereits in der ao Revision ausgeführt. Für Abgabenangelegenheiten war ausschließlich der Gf. ***1*** zuständig.
Wer war wofür zuständig?Die sonstige Aufgabenverteilung in Bezug zur Geschäftsführung ist für das gegenständliche Verfahren nicht relevant, damit erübrigt sich auch die Beantwortung der Frage, wer wofür zuständig gewesen ist.
Wie erfolgte die Willensbildung in der GmbH?Die Willensbildung in der GmbH erfolgte in der Form, dass jeder Gf. die ihm zugewiesenen Tätigkeiten wahrgenommen hat.
In welcher Form setzten Sie Überwachungshandlungen gegenüber den beiden weiteren Geschäftsführern?Überwachungshandlungen wären im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nur dann zu setzen gewesen, wenn ein Anlass bestanden hätte, an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung des mit der Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten Betrauten zu zweifeln. Dies war nicht der Fall.
Ab wann sind Ihnen Unregelmäßigkeiten an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung aufgefallen?Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum sind keine Unregelmäßigkeiten aufgefallen.
Mit der Vorhaltsbeantwortung wurden die abverlangten Unterlagen nicht vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Zusammenfassend und ergänzend zum Vorverfahren wird durch das BFG von folgendem Sachverhalt ausgegangen:
Der Bf. war seit 24.1.2009 Geschäftsführer (Gf.) der primärschuldnerischen Ges.. Laut Firmenbuchauszug vertrat er die Gesellschaft selbständig.Mit 27.5.2011 wurden seine Ehegattin ***2*** und deren gemeinsamer Sohn ***1***, die die Gesellschaft auch gemeinsam mit dem Bf. vertraten, als Gf. eingetragen.
Frau ***2*** war bis 18.4.2013 als (weitere) Geschäftsführerin im Firmenbuch eingetragen. Am 3.6.2013 wurde über das Vermögen der GmbH ein Konkursverfahren eröffnet. Seit 19.10.2017 sind der Bf. und sein Sohn auch gemeinsam Abwickler bzw. Liquidatoren der Gesellschaft. Der Konkurs wurde mangels Kostendeckung aufgehoben, am 12.12.2018 erfolgte die amtswegige Löschung der Firma.
Mit Bescheid vom 21.12.2017 wurde der Bf. für ausstehende Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin im Ausmaß von 60.219,97 € zur Haftung in Anspruch genommen.
Mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten wurde ***1*** betraut.Wie in der Beschwerde vom 19.1.2018 vorgebracht, wurde über dessen vormalige GmbH im Dezember 2008 und über dessen eigenes Vermögen im Jänner 2010 jeweils ein Konkursverfahren eröffnet. Im Jahr 2011 stand ***1*** wegen eines Burn-Out-Syndroms in ärztlicher Behandlung, die zunächst abgebrochen wurde und im Jahr 2013 fortgesetzt wurde. Im Jahr 2013 erlitt er auch einen Nervenzusammenbruch.Ein gegen den Sohn des Bf. und Gf. der Primärschuldnerin ***1*** geführtes Finanzstrafverfahren endete mit einem Schuldspruch. Verfahrensgegenständlich waren die Umsatzsteuer der Monate 4-5/2011, 7-8/2011, 10-11/2011 und 5-9/2012 sowie LSt, DB und DZ des Jahres 2011.
Festgestellt wird, dass im Jahr 2012 insgesamt drei Säumniszuschläge mit einem Gesamtbetrag von 2.380,77 € festgesetzt wurden.
Wie im Verwaltungsverfahren bereits im ersten Rechtsgang festgestellt wurde, konnte eine Gläubigergleichbehandlung nicht nachgewiesen werden. Es wurden der Gesellschaftsvertrag bzw. Gesellschafterbeschlüsse nicht vorgelegt. Überwachungshandlungen konnten nicht belegt werden.
2. Beweiswürdigung
Der oben wiedergegebene Sachverhalt stützt sich auf die Feststellungen im Erstverfahren, auf den in der Beschwerde angesprochenen Finanzstrafakt sowie auf die weiteren Ermittlungen des BFG.
Beweiswürdigend wird festgehalten, dass es die Bf. unterlassen hat, angemessene Überwachungshandlungen zu setzten, obwohl mehrere Anhaltspunkte für die Notwendigkeit dafür vorlagen. Zu erwähnen sind die zwei Konkursverfahren des Sohnes, sein beeinträchtigter Gesundheitszuschlag sowie die über einen längeren Zeitraum unzulängliche Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen. Nähere Ausführungen dazu finden sich im Erwägungsteil.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Auf die allgemeinen und fallrelevanten rechtlichen Ausführungen im aufgehobenen Erkenntnis RV/2100421/2018 vom 7.8.2020 wird verwiesen. In weiterer Folge wird auf die vom VwGH angeführten Aufhebungsgründe eingegangen.
Wie der VwGH im aufhebenden Erkenntnis vom 1.2.2021 unter Anführung zahlreicher Judikate ausführte, haben gemäß § 80 Abs. 1 BAO die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Insbesondere haben sie dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Nach § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Bei Vorliegen einer Geschäftsverteilung trifft die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit denjenigen Geschäftsführer, der mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist. Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer, hier die Bf., ist in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen. Diese haftet jedoch selbst, wenn sie eigene Pflichten dadurch grob verletzt, dass sie es unterlässt, Abhilfe gegen Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten Bestellten zu schaffen. In einem solchen Fall könnte sie nur entschuldigen, dass ihr die Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten aus triftigen Gründen unmöglich gewesen wäre.
Eine Pflichtverletzung der nicht mit den steuerlichen Angelegenheiten befassten Geschäftsführerin ist aber erst dann anzunehmen, wenn für diese ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung des anderen Geschäftsführers zu zweifeln und sie dennoch nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen.
Eine solche Pflichtverletzung, die zur Haftungsinanspruchnahme des Bf. führt, sieht das BFG in mehreren Punkten verletzt. Zum einen war dem Bf. bekannt, dass sein Sohn, wie im Sachverhalt geschildert, bereits zwei Konkursverfahren zu verantworten hat. Dieser Umstand allein genügt schon, entsprechende Überprüfungsmaßnahmen in regelmäßigen Abständen vorzunehmen.Zum zweiten erkrankte der verantwortliche Sohn während der Geschäftsführertätigkeit im Jahr 2011 wegen Arbeitsüberlastung an einem Burn-Out-Syndrom, das ihn daran hinderte, seinen Aufgaben ordnungsgemäß nachzugehen. Dieser Umstand ist dem Finanzstrafakt, auf den in der Beschwerde Bezug genommen wird, zu entnehmen. Auch ein Nervenzusammenbruch des Sohnes veranlasste den Bf. nicht, die ordnungsgemäße Geschäftsführung durch gebotene Überprüfungen zu kontrollieren.Selbst zu diesem Zeitpunkt sah der Bf. keine Veranlassung, die ordnungsgemäße Geschäftsführertätigkeit seines Sohnes zu überprüfen. Dass solche gebotenen Überwachungsschritte nicht gesetzt wurden, ist auch daraus ersichtlich, dass über einen längeren Zeitraum in den Jahren 2011 und 2012 keine UVA abgegeben und auch keine LSt, DB und DZ abgeführt wurden. Auch fielen drei Säumniszuschläge während dieser Zeit an. Einem gewissenhaften Geschäftsführer, der die Gebarung des nur eingeschränkt handlungsfähigen Verantwortlichen überwacht hätte, hätten diese Missstände auffallen müssen.
Zum Ermessen wird auf die grundsätzlichen Aussagen im Ersterkenntnis verwiesen. Darüber hinaus wird dargelegt, dass die Haftung vom ursprünglich durch das Finanzamt festgesetzten Betrag von 60.219,97 € um die Umsatzsteuer für den Zeitraum 4-12/2011 wie im aufgehobenen Erkenntnis verringerten Betrag mit 13.555,32 € festgesetzt wird, sodass sich ein haftungsrelevanter Gesamtbetrag von nunmehr 57.536,56 € ergibt.Aus dem Umstand, dass der Bf. mit weiteren Geschäftsführern zur Haftung herangezogen wird und auch aus der Verfahrensdauer sieht es das Bundesfinanzgericht als angemessen an, den Bf. im Ausmaß von 50% der aushaftenden Summe, daher über den Betrag von 29.643,28 €, in Anspruch zu nehmen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Beim vorliegenden Fall handelt es sich nicht um die Lösung einer wesentlichen Rechtsfrage. Die im Erstverfahren zur Aufhebung geführten Gründe wurden den Vorgaben des VwGH folgend nunmehr in Übereinstimmung mit der Judikatur berücksichtigt.
Graz, am 4. September 2025