JudikaturBFG

RV/2100347/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 17. Jänner 2025 gegen die Bescheide des ***FA*** jeweils vom 7. Jänner 2025 über die Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe vom 19.12.2024 für den Zeitraum ab Dezember 2019 sowie über die Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe vom 12.11.2024 für den Zeitraum ab Nov. 2024, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die beschwerdegegenständlichen im Spruch näher bezeichnete Bescheide wurden jeweils begründet wie folgt:"Sie haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn Sie voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig sind. Die Erwerbsunfähigkeit muss vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Bei Ihnen trifft dies nicht zu (§ 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967)."

In der im Spruch näher bezeichneten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin (Bf.) folgendermaßen aus:

"Ich bin behindert und gehörlos, ich selbst mein Körper beschränken und könnte nicht Lautsprache, ich bin nicht gleich wie leben die hörende. Ich selbst mein Bedarf Behindert ist sehr wichtig. Ich selbst Bedarf und brauche mein ganz Lebenslang, ist wirklich schwierig Alltage Leben, das ist nicht lustig und warum hörende verstehen wie es um die Gehörlos. Eine Frage, wissen sie was bedeutet gehörlos und was Alltage im Leben? Um Gott, Sprachstörung und kann ich nicht mal mit Kollege unterhalten nur 1 Tag 8 Std arbeiten und nur ca. 15 min reden mehr nicht, wenn nicht verstehen dann muss ich immer Handy oder auf dem Zettel schreiben, für mich sehr anstrengen. Und ich habe eine schlimme Bronchitis Lunge Asthma und ist schwer kommunizieren z.B: LKH oder Hausarzt, ist nicht leicht, ich habe um 2h in der Früh aufgewacht und habe ich meine Tochter aufgeweckt und habe eine große gebietet die Rettung anrufen, aber normalweise soll man nicht meine Tochter anrufen, sie müsste auf morgen in der Schule gehen. Das ist wirklich unmöglich und schwierige für Alltage im Leben Gehörlosen. Leider viele hörende denken ist okay Gehörlos, darum jetzt ich schriebe ich hier. Kommt nicht in Frage das ich Dauerzustand arbeiten, es um mich selbst und bin Behindert, Sprachstörung. Jetzt ich sage, Solzialministeriumservice bezahlen für Dolmetsch kosten, ist okay. Aber nicht vergessen, es um die persönlich das ich selbst Bedarf und Behindert, Nicht es um Dolmetsch kosten wegen Sozialmionisteriumservice. Das ist eine grösser Unterschied. Noch was Frage, ich immer öfter Dolmetsch kosten; niemals. Dolmetsch immer keine Zeit und ist wirklich schlecht, das ägert mich auch sehr viel und ist auch nicht genug für Dolmetsch. Bitte denken Sie, Dolmetsch kosten und Personen Behindert nicht gehört zusammen sonst extra, Menschen Behindert braucht selbst Bedarf für erhöhte Familiebeihilfe, sowie meine Mutter bekommt auch doppelt Familie Beihilfe wegen ich war Baby bis 18 Jahre alt und bedarf für Baby und Kind, dann normalweise ab 18 Jahre alt ich bekomme erhöhte Familiebeihilfe, aber bisher ich bekomme kein erhöhte Familie Beihilfe, ist wichtig für mich selbst Persönlich behindert. Egal ob Dauerzustand Job oder Arbeitslos, beide sind wichtig "erhöhte Familie Beihilfe". Nicht vergessen 27 statten Europa haben Bedarf für Gehörlosen (erhöhte Familie Beihilfe oder Gehörlosengeld)."

Die abweisenden Beschwerdevorentscheidungen (kurz: BVE) zu den diesbezüglichen Beschwerden gegen die Abweisung des Antrages auf Famlienbeihilfe sowie gegen die Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe (BVEs jeweils vom 10. Februar 2025) wurden jeweils begründet wie folgt:"Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Vom Sozialministeriumservice wurde bereits im Jahr 2018 ein ärztliches Sachverständigengutachten erstellt, in dem keine dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt wurde. Des Weiteren darf die Einkommensgrenze von € 15.000,- bzw. € 16.455,- ab dem Jahr 2024 bzw. € 17.212,- ab dem Jahr 2025 nicht überschritten werden. Da in Ihrem Fall keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 25. Geburtstag festgestellt wurde und darüber hinaus die jährliche Einkommensgrenze überschritten wurde, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe."

Die Bf. stellte am 10.3.2025 (Eingangsstempel des Finanzamtes) einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Begründend führte die Bf. aus, dass ihr Eigenantrag auf erhöhte Familienbeihilfe abgelehnt worden sei obwohl sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe erfülle.

Im Bericht zur Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlagebericht) vom 19.05.2025 führte das Finanzamt (FA) aus wie folgt:"Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Vom Sozialministeriumservice wurde bereits im Jahr 2018 ein ärztliches Sachverständigengutachten erstellt, in dem keine dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt wurde. Des Weiteren darf die Einkommensgrenze von € 15.000,- bzw. € 16.455,- ab dem Jahr 2024 bzw. € 17.212,- ab dem Jahr 2025 nicht überschritten werden. Da in Ihrem Fall keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 25. Geburtstag festgestellt wurde und darüber hinaus die jährliche Einkommensgrenze überschritten wurde, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe. Abweisung der Beschwerde wird beantragt."In dem aktenkundigen Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice aus 2018 wird festgestellt, dass keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Gericht bezieht sich betreffend die Sachverhaltselemente im Beschwerdeverfahren der im Jahr 1981 geborenen Bf. auf das oben wiedergegebene verwaltungsbehördliche Geschehen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Die anzuwendenden Rechtsbestimmungen lauten in der anzuwendenden Fassung auszugsweise wie folgt:

§ 6 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 in der Fassung BGBl Nr. 77/2018 (idgF) sowie BGBl I Nr. 97/2024 (idgF):(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenna) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist undc) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie

d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; …

(3) [Anmerkung des Bundesfinanzgerichts: beispielhaft angeführt in der Fassung BGBl I Nr. 97/2024; die Beträge werden vom Gesetzgeber laufend angepasst] Ein zu versteuerndes Einkommen ( § 33 Abs. 1 EStG 1988) einer Vollwaise führt bis zu einem Betrag von 16 455 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 16 455 € (Anm. 1), so verringert sich die Familienbeihilfe, die der Vollwaise nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 16 455 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. [Anmerkung des Bundesfinanzgerichts: die relevanten Betragshöhen werden laufend angepasst]

Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise bleiben außer Betracht:a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse,d) Ausgleichszulagen und Ergänzungszulagen, die aufgrund sozialversicherungs- oder pensionsrechtlicher Vorschriften gewährt werden.e) Pauschalentschädigungen gemäß § 36 Abs. 1 des Heeresgebührengesetzes 2001, die für den außerordentlichen Zivildienst gemäß § 34b in Verbindung mit § 21 Abs. 1 des Zivildienstgesetzes 1986 oder den Einsatzpräsenzdienst gemäß § 19 Abs. 1 Z 5 des Wehrgesetzes 2001 gewährt werden.

(4) Als Vollwaisen gelten Personen, deren Vater verstorben, verschollen oder nicht festgestellt und deren Mutter verstorben, verschollen oder unbekannt ist.

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

§ 2 FLAG (Familienlastenausgleichsgesetz) 1967 in der Fassung BGBl Nr. 77/2018 (idgF) sowie BGBl I Nr. 97/2024 (idgF):

(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist…..c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,

§ 8 FLAG 1967:

(3) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind …

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom 18. August 2010, BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem ***FA*** durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die Kosten für dieses ärztliche Sachverständigengutachten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen. Das ärztliche Sachverständigengutachten ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) gegen Ersatz der Kosten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen an die antragstellende Person zu übermitteln, eine Übermittlung des gesamten ärztlichen Sachverständigengutachtens an das ***FA*** hat nicht zu erfolgen. Der Nachweis des Grades der Behinderung in Form der Bescheinigung entfällt, sofern der Grad der Behinderung durch Übermittlung der anspruchsrelevanten Daten durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) aufgrund des Verfahrens nach § 40 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, zur Ausstellung eines Behindertenpasses, nachgewiesen wird.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfGH 10.12.2007, B 700/07, ausgeführt, dass sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 6 FLAG ergebe, dass der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern (bereits seit 1994) auch die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt habe, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet werde und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spiele. Dem dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch an Hand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw. der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden könne. Damit könne auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein würden. Der Gesetzgeber habe daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen sei. Die Beihilfenbehörden hätten bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und könnten von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung (sh. zB VwGH 18.11.2008, 2007/15/0019, und VwGH 18.12.2008, 2007/15/0151) der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen.

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 idgF ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (vgl. VwGH 20.09.1995, 95/13/0134, VwgH 30.05.2017, Ro 2017/16/0009 uvam.).

Vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) wurde durch eine Bescheinigung vom 17.08.2018 auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens ausdrücklich festgestellt, dass keine dauernde Erwerbsunfähigkeit der Bf. vorliegt.

Wie ausgeführt besteht eine Bindung der Abgabenbehörden und auch des Bundesfinanzgerichts an die im Wege des Sozialministeriums nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 idgF erstellten Sachverständigengutachten bzw. Bescheinigungen. Mit der gegenständlichen Feststellung des Sozialministeriumservice laut Sachverständigengutachten mit Untersuchung vom 17.8.2018, dass keine dauernde Erwerbsunfähigkeit besteht, ergibt sich, dass demzufolge vom Sozialministeriumservice bereits im Jahr 2018 mit Sachverständigengutachten vom 17.8.2018 trotz zweifelsohne bestehender behinderungsbedingter Funktionseinschränkung keine dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit bescheinigt wurde. Somit bescheinigte das Sozialministeriumservice den Eintritt einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit nicht, daher lagen auch die Anspruchsvoraussetzungen iSd o.a. Rechtsnormen für (erhöhte) Familienbeihilfe in den oben im Spruch angeführten Beschwerdezeiträumen nicht vor.

In diesem Sachverständigengutachten vom 17.8.2018, erstellt von einer sachverständigen Ärztin HNO (des zuständigen medizinischen Fachgebiets), wird bescheinigt, dass aufgrund Taubheit der Bf. ein Gesamtgrad der Behinderung von 80% besteht. Die Behinderung der Bf. führt jedoch per se laut diesem (zuletzt) ergangenen Sachverständigengutachten vom 17.8.2018 nicht zu einer dauernden Erwerbsunfähigkeit.

In diesem von der Richterin des Bundesfinanzgerichts beim Sozialministerium zur Einsicht angeforderten Sachverständigengutachten vom 17.8.2018 wird zum Nichtvorliegen einer dauernden Erwerbsunfähigkeit ausdrücklich ausgeführt wie folgt: "Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: Taubheit stellt per se keinen Grund für eine dauernde Unfähigkeit, sich den Unterhalt zu verschaffen, dar."

Im Sinne der o.a. Gesetzesnormen und der o.a. Entstehungsgeschichte der Norm des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 idgF sind die Behörden wie auch die Gerichte an durch sachverständige Ärzte erstellte schlüssige Sachverständigengutachten gebunden (vgl. o.a. § 8 Abs 6 FLAG 1967 idgF). Das o.a. Sachverständigengutachten vom 17.8.2018 ist schlüssig und ist vom Bundesfinanzgericht nicht zu widerlegen.

Mangels Bescheinigung des Vorliegens der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit durch das Sozialministeriumservice lagen die Anspruchsvoraussetzungen gem. o.a. § 6 FLAG 1967 idgF iVm § 8 Abs. 5 und 6 FLAG 1967 idgF nicht vor. Daher besteht wie das Finanzamt bereits rechtsrichtig beurteilt hat für die Bf. (geb. 1981) in den Beschwerdezeiträumen kein Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe.

Des weiteren wird auf o.a. § 6 Abs 3 FLAG 1967 idgF hingewiesen, da wie das Finanzamt oben ausgeführt hat (vgl. o.a. BVEs, die Vorhaltscharaker haben) die Bf. die diesbezüglichen Einkommensgrenzen mit Ihrem Einkommen überschreitet.

Darüber hinaus wird insgesamt auf die ausführlichen Begründungen des Finanzamtes in den o.a. Beschwerdevorentscheidungen sowie auf die Begründung im Vorlagebericht im Zuge der Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht (BFG) betreffend Nichterfüllen der Anspruchsvoraussetzungen auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) und Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe im gegenständlichen Fall hingewiesen, und diese Begründungen sind auch ausdrücklich Teil der Begründung des beschwerdegegenständlichen Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe bzw. des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe waren in den oben im Spruch angeführten Beschwerdezeiträumen nicht erfüllt.

Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Nichtzulassen der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da das gegenständliche Erkenntnis der Gesetzeslage sowie der hL und hRspr folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage liegt nicht vor.

Graz, am 30. Juni 2025