IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom 17. Mai 2016 gegen die Bescheide des ***FA*** vom 11. April 2016 betreffend ersten Säumniszuschlag 2016 und zweiten Säumniszuschlag 2015 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werde - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom 11. April 2016 wurde gegenüber der Beschwerdeführerin (Bf.), einer in Deutschland ansässigen GmbH, ein erster Säumniszuschlag (SZ) in Höhe von 314, 84 € festgesetzt. Laut Begründung sei dies erforderlich gewesen, weil die Bf. die Umsatzsteuer 01/2016 nicht bis 15. März 2016 entrichtet habe.
Mit weiterem Bescheid vom 11. April 2016 wurde ein zweiter Säumniszuschlag gegenüber der Bf. in Höhe von 79,67 € festgesetzt. Dies mit der Begründung, dass die USt 10/2015 nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt der Vollstreckbarkeit entrichtet worden sei.
Gegen diese beiden Bescheide wurde in einem Schriftsatz vom 17. Mai 2016 das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass das Finanzamt seit dem Voranmeldungszeitraum 09/2012 nur mehr gemeldete Zahllasten verbuche, gemeldete Gutschriften jedoch nicht. Es bestünde sonst ein beträchtliches Guthaben, sodass die Vorschreibung der SZ zu Unrecht erfolgt sei.
Am 25. Mai 2016 erließ das Finanzamt eine abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) mit der Begründung, dass aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Umsatzsteuerprüfung, welche mehrere Jahre umfasse, einige Voranmeldungsgutschriften noch nicht freigegeben werden konnten. Daher lägen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anpassung oder Aufhebung der Nebengebühren noch nicht zur Gänze vor. Wenn die Prüfung abgeschlossen sei und die Gutschriften entsprechend zur Verfügung stünden, erfolge diese Anpassung oder Aufhebung von Amts wegen.
Im Vorlageantrag vom 30. Juni 2016 wurde auf das Vorbringen in der Beschwerde verwiesen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Festgestellt wird, dass die Bf. sowohl die USt 10/2015 als auch die USt 01/2016 nicht bis zum 15. März 2016 entrichtet hat. Weiters steht fest, dass das Finanzamt eingereichte USt-Voranmeldungen mit gemeldeten Gutschriften nicht verbucht hat. Bei erklärungsgemäßer Verbuchung wären die SZ nicht angefallen.
Im Zuge von Ermittlungsschritten durch das BFG kam hervor, dass am 19. Juli 2018 ein USt-Jahresbescheid 2015 mit einer Abgabengutschrift von 0,01 € erlassen wurde. Weiters erging nach einem Rechtsmittelverfahren ein USt-Jahresbescheid 2016, der zu einer Abgabengutschrift in Höhe von 171.662,59 € führte.
Entgegen den Ausführungen in der BVE wurden die SZ nicht von Amts wegen angepasst.
2. Beweiswürdigung
Die im Verfahrensgang und Sachverhalt festgehalten unstrittigen Abläufe finden im Akteninhalt Deckung.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren, nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind Säumniszuschläge zu entrichten (§ 217 Abs. 1 BAO).Der erste Säumniszuschlag beträgt nach Abs. 2 leg. cit. 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.Ein zweiter Säumniszuschlag in Höhe von 1 % ist nach Abs. 3 für eine nicht entrichtete Abgabe zu bezahlen, die nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt ihrer Vollstreckbarkeit beglichen ist.
Die Festsetzung von Säumniszuschlägen, welche eine objektive Säumnisfolge und ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht sind, setzt (lediglich) den Bestand einer formellen Zahlungsverpflichtung voraus (vgl. VwGH 27. Februar 2015, 2011/17/0103). Ein allfälliges geringes oder fehlendes Verschulden an der Nichtentrichtung ändert nichts am Entstehen des Säumniszuschlages (vgl. VwGH 25. Jänner 2024, Ra 2022/13/0076).
Aufgrund des in freier Beweiswürdigung festgestellten Sachverhaltes steht fest, dass die Umsatzsteuervorauszahlung 10/2015 auch nicht bis am 15. März 2016 entrichtet wurde, ebensowenig wurde die USt 01/2016 bis zu diesem Fälligkeitstag abgeführt.
§ 217 Abs. 8 BAO lautet:
Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen; dies gilt sinngemäß
a) für bei Veranlagung durch Anrechnung von Vorauszahlungen entstehende Gutschriften ...
Eine Herabsetzung der für die Verwirkung des Säumniszuschlags maßgebenden Abgabenschuldigkeit ist nachträglich, wenn sie nach Verwirkung des Säumniszuschlags erfolgt. In Betracht kommen Änderungen (§ 295 BAO), Berichtigungen (§§ 293, 293b BAO), neue Sachbescheide nach Aufhebungen (§§ 299, 300 BAO) oder Wiederaufnahme des Verfahrens, Beschwerdevorentscheidungen, sowie Erkenntnisse von Verwaltungsgerichten oder in der Sache entscheidende Erkenntnisse des VwGH. Es ist auf die Minderung jener Abgaben Bedacht zu nehmen, welche die Bemessungsgrundlagen für die Festsetzung des Säumniszuschlags gebildet haben (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3, § 217 Rz 22). Erfolgt eine Herabsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung etwa erst im Zuge des Umsatzsteuerjahresbescheids, liegt eine nachträgliche Herabsetzung einer Abgabenschuld iSd § 217 Abs. 8 BAO vor, die zu einer rückwirkenden Herabsetzung des von der Umsatzsteuervorauszahlung festgesetzten Säumniszuschlags führt (vgl BFG 9. 2. 2016, RV/2100159/2015).
Im gegenständlichen Fall liegt unzweifelhaft eine die zwingende Rechtsfolge nach § 217 Abs. 8 BAO auslösende nachträgliche Herabsetzung der Abgabenschuld vor. Durch die gänzliche Herabsetzung der Abgabenschulden entfiel der Säumniszuschlagsanspruch, sodass der Beschwerden schon aus diesem Grund vollinhaltlich stattzugeben war.
Die Umsatzsteuer 2015 wurde mit Bescheid vom 19. Juli 2018 in Höhe von 491,98 € festgesetzt. Die daraus resultierende Gutschrift (resultierend aus der bisher festgesetzten Vorauszahlungen in der Höhe 491,99 €) betrug 0,01 €.
Im Jahresbescheid für die Umsatzsteuer 2016 vom 8. Februar 2019 wurde ein Gutschriftsbetrag von 171.662,59 € ausgewiesen.
Aufgrund der Bestimmung des § 217 Abs. 8 BAO sind die angefochtenen Säumniszuschlagsbescheide vom 11. April 2016 daher ersatzlos aufzuheben (vgl. BFG vom 22.08.2022, RV/5100364/2013).
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Aufhebung der strittigen Säumniszuschlagsfestsetzungen ergibt sich unmittelbar aus § 217 Abs. 8 BAO, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Graz, am 6. Februar 2025