JudikaturBFG

RV/7100244/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
11. Juli 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 20. Juni 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 21. Mai 2024 betreffend Familienbeihilfe 09.2022-02.2023 Steuernummer xx-xxx/xxxx zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz ( B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Rückforderungsbescheid vom 21.05.2024 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert aufgrund fehlender Unterlagen Familienbeihilfe sowie Kinderabsetzbeträge für die Monate September 2022 - Februar 2023 und September 2023 - Februar 2024 zurückzuzahlen.

Mit Beschwerde vom 20.06.2024 gab der Beschwerdeführer an die Schulbesuchsbestätigungen bereits vor Erhalt der Familienbeihilfe eingereicht zu haben. Er sei zudem gerne bereit, weitere Informationen oder Unterlagen, sofern diese für die Klärung des Sachverhaltes erforderlich sind vorzulegen.

In der Beschwerdevorentscheidung vom 01.10.2024 wies die belangte Behörde die Beschwerde vom 20.06.2024 als unbegründet ab.

Für ein volljähriges Kind stehe die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. fortbildung bei einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung zu. (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Eine Ausbildung gelte als ernsthaft und zielstrebig wenn die volle Zeit für die Ausbildung verwendet werde und man in angemessener Zeit zu Prüfungen antrete.

Laut Bestätigung der HAK für Berufstätige sei der Beschwerdeführer an der Schule vom 05.09.2022 bis 03.02.2023 und vom 04.09.2023 bis 02.02.2024 angemeldet gewesen.

Im Wintersemester 2022/23 seien von 16 Gegenständen bereits 7 Gegenstände angerechnet, 8 nicht beurteilt, 1 Gegenstand positiv beurteilt worden.

Im Wintersemester 2023/24 seien von 11 Gegenständen bereits 7 Gegenstände angerechnet und 4 nicht beurteilt worden.

Aufgrund der vorliegenden Zeugnisse sei keine ernsthafte und zielstrebig geführte Ausbildung im Wintersemester 2022/23 (09/2022-02/2023) und Wintersemester 2023/24 (09/2023-02/2024) nachgewiesen worden.

Im Vorlageantrag vom 04.11.2024 brachte der Beschwerdeführer sinngemäß vor:

Es werde von der belangten Behörde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer für einige Fächer nicht angemeldet gewesen sei und nicht alle Prüfungen abgelegt habe. Hierzu sei klarzustellen, dass er die erste Klasse bereits an der Tagesschule erfolgreich abgeschlossen habe.

Aus diesem Grund sei es ihm erlaubt gewesen gewisse Fächer auszulassen, da er diese Inhalte bereits erfolgreich absolviert habe.

Dies entspräche den Vorgaben einer Abendschule und beeinträchtige nicht die Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit der Ausbildung.

Dazu argumentiert die belangte Behörde wie folgt:

Ein Familienbeihilfenanspruch für ein volljähriges Kind bestehe nur, wenn eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Dies sei dann anzunehmen, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehme und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antrete.

Laut Schulbesuchsbestätigung vom 14.9.2024 sei der Beschwerdeführer von 5.9.2022 bis 3.2.2023 und von 4.9.2023 bis 2.2.2024 am International Business College Bundeshandelsakademie für Berufstätige Wien 12 eingeschrieben gewesen sein. Während dieser Zeit sei er laut den vorgelegten Semesterzeugnissen im Wintersemester 2022 lediglich in einem Gegenstand im Umfang von vier Wochenstunden und im Wintersemester 2023 in keinem einzigen Gegenstand beurteilt worden. Alle übrigen Gegenstände seien jeweils entweder angerechnet oder nicht beurteilt worden. Der Schulbesuch sei somit in beiden Semestern nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben worden.

Die belangte Behörde beantrage daher die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Mit Bescheid vom 21.05.2024 wurde die Familienbeihilfe für ***2*** geb. am tt.mm.2003 für den Zeitraum September 2022 bis Februar 2023 und September 2023 - Februar 2024, sowie die betreffenden Kinderabsetzbeträge rückgefordert.

Laut Bestätigung der International Business College Bundeshandelsakademie; Bundeshandelsschule und Bundeshandelsakademie für Berufstätige Wien 12 war ***2*** an der Schule vom 05.09.2022 bis 03.02.2023 und vom 04.09.2023 bis 02.02.2024 angemeldet.

Im Wintersemester 2022/23 wurden von sechszehn Gegenständen sieben Gegenstände angerechnet, acht Gegenstände wurden nicht beurteilt und ein Gegenstand positiv beurteilt. Im Wintersemester 2023/24 wurden von elf Gegenständen sieben Gegenstände angerechnet und vier nicht beurteilt.

Die Anrechnung konnte erfolgen da ***2*** die angerechneten Gegenstände bereits an einer Tagesschule erfolgreich abgeschlossen hatte.

Weitere Nachweise wurden nicht erbracht.

Im Wintersemester hat ***2*** durch die positive Absolvierung "Englisch einschließlich Wirtschaftssprache" 4 Wochenstunden nachgewiesen.

Im Semesterzeugnis 2023/24 gibt die oben genannte Schule bekannt, dass ***2*** in den letzten beiden Semestern weniger als 10 Wochenstunden erfolgreich abgeschlossen hat. Die Ausbildung konnte daher gemäß § 32 Abs 1 Z 4 SchulG nicht weitergeführt werden.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf aus den Akteninhalt und insbesondere auf die vorgelegten Unterlagen des Beschwerdeführers.

Der festgestellte Sachverhalt ist grundsätzlich unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

§ 2 Abs. 1 FLAG 1967: Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) für minderjährige Kinder,

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. …

Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTSPunkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß, ...

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967: Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Abs. 2: Zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.

§ 26 FLAG 1967 ist gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 letzter Satz auch für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge anzuwenden.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, welche die Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (vgl. VwGH 18.11.2008, 2007/15/0050, VwGH 21.01.2004, 2003/13/0157).

Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht ( § 167 Abs. 2 BAO iVm § 2a BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele VwGH 09.09.2004, 99/15/0250) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff "Berufsausbildung" nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 "alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird" (vgl. VwGH 18.11.2008, 2007/15/0050; VwGH 18.11.1987, 87/13/0135).

Zu prüfen ist somit, ob dem Beschwerdeführer im Rückforderungszeitraum Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zustand; die Auszahlung ist unstrittig.

Strittig ist die Frage, ob der Beschwerdeführer im Streitzeitraum in Berufsausbildung stand.

Der Begriff der "Berufsausbildung" gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 wird im Gesetz nicht näher definiert.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind darunter jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das zukünftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird, zu verstehen.

Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist.

Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich allein noch nicht, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen (vgl. VwGH 15.12.1987, 86/14/0059, VwGH 17.09.1990, 89/14/0070, VwGH 07.09.1993, 93/14/0100, VwGH 16.11.1993, 90/14/0108, VwGH 22.11.1995, 94/15/0034, VwGH 26.06.2002, 98/13/0042, vgl. auch Burkert-Hackl-Wohlmann-Galletta, Der Familienlastenausgleich, Kommentar, zu § 2, Seite 6).

Zur Qualifikation als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 kommt es neben dem ernsthaften und zielstrebigen Bemühen auch darauf an, ob die schulische Ausbildung in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes des jungen Erwachsenen in Anspruch nimmt (VwGH 23.02.2011, 2009/13/0127, VwGH 15.12.2009, 2007/13/0125).

Der Besuch einer Schule für Berufstätige (Abendschule) kann daher eine Berufsausbildung darstellen, wenn der Schulbesuch samt Vor- und Nachbereitungszeit die überwiegende Zeit des Betroffenen in Anspruch nimmt.

Betreffend dieses quantitative Erfordernis kann in Übereinstimmung mit der in der Literatur vertretenen Ansicht ein dem Begriff der Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 genügender Zeitaufwand generell nur dann vorliegen, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt (vgl Lenneis in Csazar/Lenneis/Wanke [Hrsg], FLAG § 2 Rz 40; vgl zB auch BFG 12.11.2018, RV/7103779/2018). Das Bundesfinanzgericht nimmt bei Schulen für Berufstätige ebenfalls einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an (vgl. BFG 6.7.2016, RV/5101257/2015), insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden (vgl. BFG 23.5.2016, RV/7101739/2014; "Echtstunden" zu 60 Minuten, BFG 29.2.2016, RV/7105391/2014), um von einer Berufsausbildung i.S.d. FLAG 1967 zu sprechen (vgl. BFG 21.9.2017, RV/7105997/2015; BFG 19.10.2017, RV/7102012/2016).

In gegenständlichen Fall betrug der Zeitaufwand unter 10 Stunden es kann daher nicht von einer Berufsausbildung ausgegangen werden.

Demnach war spruchgemäß zu entscheiden.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das gegenständliche Erkenntnis der hRspr folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Linz, am 11. Juli 2025