Das Bundesfinanzgericht fasst durch den Richter Mag.Dr. Thomas Leitner in der Revisionssache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Thomas Bründl, Rechtsanwalt, Mondseer Straße 5, 5204 Straßwalchen, über den Antrag des Revisionswerbers vom 15.10.2025, der gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 1.9.2025, RV/6100433/2024, betreffend Haftung gem § 9a BAO für Glucksspielabgabe für die Zeiträume März 2015 bis Dezember 2017 erhobenen ordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss:
I. Gemäß § 30 Abs 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ( § 25a Abs 2 Z 1 VwGG) oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ( § 88a Abs 2 VfGG) nicht zulässig.
Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 1.9.2025, RV/6100433/2024, wurde der Bescheidbeschwerde des Revisionswerbers vom 26.1.2022 gegen die Bescheide des Finanzamtes Osterreich vom 21.12.2021 betreffend Haftung gem § 9a iVm §§ 80 ff BAO für Glücksspielabgabe für die Zeiträume März 2015 bis Dezember 2017 teilweise Folge gegeben und wurde der Revisionswerber gemäß § 9a BAO als Haftungspflichtiger für Glücksspielabgabeschuldigkeiten in der Höhe von insgesamt 551.739,14 Euro herangezogen.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision vom 15.10.2025, mit der der Antrag verbunden ist, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. In dem Antrag wird ausgeführt, dass das Einkommen des Revisionswerbers ca 2.200 Euro netto pro Monat betrage und er gegenüber seinen vier minderjährigen Kindern und seiner teilzeitbeschäftigten Ehefrau unterhaltspflichtig sei. An Vermögen habe der Revisionswerber das Alleineigentum an der Liegenschaft EZ ***EZ1***, KG ***KG1*** ***Ort1***, welche mit einem Wohnrecht zugunsten der Mutter des Revisionswerbers sowie zu Gunsten der Ehefrau des Revisionswerbers, mit einer Reallast zu Gunsten der Mutter des Revisionswerbers und mit Pfandrechten zu Gunsten von Kreditinstituten belastet sei, wobei die zugrundeliegenden Kredite mit ca 950.000,00 Euro aushaften würden.
Zum Antrag des Revisionswerbers nahm das Finanzamt Österreich dahingehend Stellung, dass aufgrund des Vorbringens des Revisionswerbers über seine äußerst angespannte wirtschaftliche Lage und der Aufnahme mehrerer Kredite über mehrere hunderttausend Euro die Gefahr bestehe, dass sich das Vermögen im Laufe der Zeit in einem Ausmaß verringern könnte, das die Durchsetzbarkeit des staatlichen Abgabenanspruches gefährde. Bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung könne die Abgabenbehörde weder notwendige Sicherheiten erwerben noch auf neu auftauchendes Vermögen des Revisionswerbers greifen. Dies könne zu endgültigen Forderungsverlusten des Bundes führen, was zwingenden öffentlichen Interessen widerspreche.
Gemäß § 30 Abs 1 erster Satz VwGG hat die Revision keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 30 Abs 2 erster Satz VwGG hat jedoch bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Gemäß § 30a Abs 3 VwGG hat das Verwaltungsgericht über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unverzüglich mit Beschluss zu entscheiden.
Wie der VwGH wiederholt ausgesprochen hat, lässt sich aus der der Regelung des § 212a BAO zugrundliegenden Wertungsentscheidung des Gesetzgebers für das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffend Abgaben ableiten, dass die Gefahr der Einbringlichkeit nicht generell ein der aufschiebenden Wirkung entgegenstehendes zwingendes öffentliches Interesse darstellt. Die abstrakte Gefahr, dass eine Abgabenforderung uneinbringlich werden kann, stellt aus der Sicht der zwingenden öffentlichen Interessen somit keinen Grund dar, der gegen die aufschiebende Wirkung spricht (vgl VwGH 13.6.2006, AW 2006/15/0011, mwN).
Der stRsp des VwGH zufolge kann von zwingenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 30 Abs 2 VwGG nur gesprochen werden, wenn die konkrete Interessenlage öffentliche Rücksichten berührt, die einen umgehenden Vollzug des angefochtenen Bescheides gebieten; in Abgabensachen also etwa dann, wenn durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Einbringung der Abgaben selbst gefährdet oder erschwert erscheint (vgl VwGH 5.3.1990, AW 89/16/0039; 13.11.1990, AW 90/16/0027; 26.6.1992, 92/17/0031). Der allgemeine Hinweis auf die finanzielle Lage des Abgabengläubigers reicht zur Annahme zwingender öffentlicher Interessen, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Wege stünden, noch nicht hin (vgl VwGH 26.6.1992, 92/17/0031; 19.8.1992, AW 92/17/0036; 7.2.1994, AW 94/17/0001). Ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne des § 30 Abs 2 VwGG wäre vielmehr anhand besonderer Gründe darzulegen, bei Abgabenansprüchen im besonderen unter Angabe konkreter Gründe, warum bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Realisierung der Abgabenansprüche gefährdet wäre (vgl VwGH 12.9.1991, AW 91/13/0036).
Soweit vom Finanzamt Österreich die Befürchtung geäußert wird, dass sich das Vermögen des Revisionswerbers im Falle der Zuerkennung aufschiebender Wirkung im Laufe der Zeit in einem Ausmaß verringern könnte, das die Durchsetzbarkeit des staatlichen Abgabenanspruches gefährde, wird nicht schlüssig dargelegt, dass zwingende öffentliche Interessen infolge Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabenschuld der Zuerkennung aufschiebender Wirkung entgegenstünden. Eine Einsichtnahme in das Grundbuch zu EZ ***EZ1***, KG ***KG1*** ***Ort1*** hat ergeben, dass im Grundbuch - neben den oa Lasten - auch ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zu Gunsten der Mutter des Revisionswerbers sowie ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zu Gunsten der Ehefrau des Revisionswerbers eingetragen ist. Steht schon das Belastungs- und Veräußerungsverbot Vollstreckungsanträgen des Abgabengläubigers zur Durchsetzung der strittigen Abgabenschuld entgegen, wird der Abgabengläubiger durch die Zuerkennung aufschiebender Wirkung aber nicht schlechter gestellt (vgl VwGH 20.1.1995, AW 94/14/0030). Im Hinblick auf die vom Finanzamt Österreich nicht bestrittene ansonsten gegebene De-facto-Vermögenslosigkeit des Revisionswerbers führt die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch zu keiner Schlechterstellung des Abgabengläubigers hinsichtlich der Vollstreckung in andere Vermögenswerte, weil solche bei Vermögenslosigkeit fehlen (vgl nochmals VwGH 20.1.1995, AW 94/14/0030).
Das Verwaltungsgericht geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass einer aufschiebenden Wirkung der Revision zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen. Es ist daher in die von § 30 Abs 2 VwGG vorgesehene Interessenabwägung einzutreten. Bei dieser fällt einerseits die beträchtliche Höhe der Abgabenschuldigkeiten, für die der Revisionswerber zur Haftung herangezogen wurde (vgl zu diesem Aspekt auch VwGH 9.5.2005, AW 2005/14/0022; 17.11.1999, AW 99/09/0001), und andererseits das im Vergleich hiezu geringe Einkommen des Antragstellers ins Gewicht. Unter weiterer Bedachtnahme auf das Fehlen von über die oa Liegenschaft hinausgehenden Vermögenswerten des Revisionswerbers gelangt das Verwaltungsgericht in Abwägung der Interessen zu dem Ergebnis, dass die Nachteile eines sofortigen Vollzuges des angefochtenen Erkenntnisses auf Seite des Revisionswerbers schwerer wiegen als jene der Aufschiebung auf Seite des Abgabengläubigers (vgl zB auch VwGH 27.5.1992, AW 92/17/0030; 9.2.1993, AW 92/15/0050).
Dem Aufschiebungsantrag war daher gemäß § 30 Abs 2 VwGG stattzugeben.
Salzburg, am 4. November 2025
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