IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Monika Fingernagel in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 21. Juni 2022 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 27. Mai 2022 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom 24.11.2022 abgeändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf) bezog im Jahr 2020 Weiterbildungsgeld im Zusammenhang mit einer Bildungskarenz sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Aufgrund dessen wurde am 19.3.2022 vom Finanzamt eine Aufforderung zur Pflichtveranlagung an die Bf versendet.
Dieses Anschreiben blieb unbeantwortet.
Am 27.5.2022 wurde daraufhin der Einkommensteuerbescheid 2022 amtswegig erlassen und aufgrund der Kontrollrechnung nach § 3 Abs 2 EStG 1988 das bezogene Weiterbildungsgeld in der Höhe von 8.572,80 Euro als steuerpflichtig behandelt.
Dagegen brachte die Bf mit Schriftsatz vom 21.6.2022 Beschwerde ein und führte zur Begründung aus, dass sie während der Bildungskarenz bei ihrem jetzigen Arbeitgeber geringfügig beschäftigt gewesen sei. Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit hätten 1.382,70 Euro betragen. Ab dem 6.7.2020 habe sie ihre Vollzeittätigkeit beim gleichen Arbeitgeber wieder aufgenommen und dabei Einkünfte idHv 16.967,35 Euro erhalten. Im Jahr 2019 sei die Umrechnungsmethode angewandt worden, welche auch im Jahr 2020 einen anderen Betrag ergeben würde. Die Bf legte eine Berechnung der Einkommensteuer der Beschwerde bei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 24.11.2022 wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und darin ausgeführt, dass die Einkünfte in Höhe von 1.382,70 Euro aus geringfügiger Tätigkeit von der Hochrechnung auszuscheiden seien, da die Hochrechnung nur jene Einkünfte betreffe, die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges von Transferleistungen entstanden seien. Die Hochrechnung ergebe dabei ein für die Bf günstigeres Ergebnis.
Mit Schriftsatz vom 20.12.2022 brachte die Bf einen Vorlageantrag an das BFG ein und führte ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen aus, dass sie im Jahr 2020 niedrigere Monatsbezüge als im Jahr 2021 erhalten habe, aber dennoch aufgrund der Hochrechnung höhere zu versteuernde Einkünfte gehabt habe. Dies sei für sie nicht nachvollziehbar.
In einem darauffolgenden Vorhalteverfahren, im Zuge dessen der Bf ua eine die Gegenüberstellung der Hoch- und Kontrollrechnung für das Jahr 2020 übermittelt wurde, brachte die Bf keine neuen Argumente vor.
Mit Vorlagebericht vom 2.11.2023 legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Am 4.8.2025 versandte das BFG einen Vorhalt an die Bf, mit welchem ihr die Gegenüberstellung der Hoch- und Kontrollrechnung sowie die unterschiedlich hohen Einkünfte noch einmal erläutert und zur Kenntnis gebracht wurden.
Die Bf gab dazu keine weitere Stellungnahme ab.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Die Bf bezog im Jahr 2020 von 1.1. bis 8.7. Weiterbildungsgeld idHv insgesamt 8.572,80 Euro aufgrund einer Bildungskarenz.
Dem Finanzamt wurden für die Bf im Jahr 2020 zwei Lohnzettel über Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit gemeldet:
1. ***1***, 1.2.2020 bis 30.4.2020: 1.382,70 Euro (geringfügige Beschäftigung).
2. ***1***, 9.7.2020 bis 31.12.2020: 16.967,35 Euro (Vollzeitbeschäftigung, 176 Tage).
Die Hochrechnung nach § 3 Abs 2 EStG 1988 ergibt für das Jahr 2020 bei der Bf eine Einkommensteuer idHv 462,00 Euro, die Kontrollrechnung eine Einkommensteuer idHv 584,00 Euro.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände sind nicht ersichtlich.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Gemäß § 3 Abs 2 EStG 1988 sind, wenn der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge (wie das Weiterbildungsgeld) im Sinne des Abs 1 Z 5 lit a nur für einen Teil des Kalenderjahres erhält, die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1-3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.
Bestimmte steuerfreie Bezüge - wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Weiterbildungsgeld - lösen demnach bei Durchführung der (Arbeitnehmer-) Veranlagung im Sinne des § 41 Abs 1 oder 2 EStG 1988 eine besondere Berechnung (Hochrechnung auf einen Jahresbetrag) der Einkommensteuer aus.
Hochzurechnen sind dabei die für das restliche Kalenderjahr bezogenen zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit (§ 41 Abs 4 EStG 1988).
Die Hochrechnung betrifft dabei nur jene Einkünfte, die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges der oben angeführten Transferleistungen bezogen wurden ("für das restliche Kalenderjahr"). Gleichzeitig während der Zeit der Transferleistungen bezogene Einkünfte sind nicht auf einen Jahresbetrag hochzurechnen (VwGH 20.7.1999, 94/13/0024; VwGH 22.11.2006, 2006/15/0084).
Die Berechnungsmethode hat den Effekt, dass bei Durchführung einer (Arbeitnehmer-) Veranlagung jener Zeitraum, während dessen der Steuerpflichtige die Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe) bezogen hat, neutralisiert wird (Vgl zB VwGH 20.7.1999, 94/13/0024).
Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und während der Transferleistung bezogene Einkünfte sind erst beim Gesamtbetrag der sich nach Umrechnung ergebenden Einkünfte zu berücksichtigen (vgl VwGH 20.7.1999, 94/13/0024). Aus dieser Grundlage sind die Jahressteuer sowie die prozentuelle Durchschnittssteuerbelastung zu errechnen. Der Prozentsatz der Durchschnittssteuerbelastung ist dann auf das im Kalenderjahr tatsächlich erzielte zu versteuernde Einkommen anzuwenden. Die sich ergebende Steuer ist jener gegenüberzustellen, die sich bei einer Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn ergeben würde (Kontrollrechnung). Maßgebend ist jeweils die niedrigere Steuerbelastung.
Die Bf hat im Jahr 2020 unstrittig steuerfreie Bezüge (Weiterbildungsgeld) im Sinne des § 3 Abs 1 Z 5 lit a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres (1.1. bis 8.7.2020) bezogen. Im Zeitraum vom 9.7. bis 31.12.2020 hatte sie Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit in der Höhe von 16.967,35 Euro. Dieser Betrag ist daher nach § 3 Abs 2 EStG 1988 für die Ermittlung des Steuersatzes auf das ganze Jahr hochzurechnen.Die Bf geht in ihrer Berechnung von einer Gesamtzahl von 267 Tagen aus, an denen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen wurden. Da die Einkünfte aus geringfügiger Tätigkeit jedoch nicht in die Berechnung miteinzubeziehen sind, ergibt sich lediglich eine Gesamtzahl von 176 Arbeitstagen (9.7. bis 31.12.), die der Hochrechnung zugrunde zu legen sind.
Die vom Finanzamt vorgenommene Hochrechnung sowie die Kontrollrechnung entsprechen daher dem Gesetz.
Der laut Hochrechnung ermittelte Betrag (Einkommensteuer: 462,00 Euro) wurde jenem gegenübergestellt, der sich bei einer Vollbesteuerung der Transferleistungen (Weiterbildungsgeld) als steuerpflichtiger Arbeitslohn ergibt (Kontrollrechnung; Einkommensteuer: 584,00 Euro). Da die Variante der Hochrechnung ein für die Bf günstigeres Ergebnis erbracht hat, wurde sie bescheidmäßig festgesetzt.
Die Einkünfte die die Bf während des Bezuges von Weiterbildungsgeld erzielt hat (geringfügige Tätigkeit) sind - entgegen dem Erstbescheid - nicht in die Hochrechnung einzubeziehen (siehe oben). Es erfolgt daher eine teilweise Stattgabe der Beschwerde im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom 24.11.2022.
Das Finanzamt übernimmt bei der Berechnung der Einkommensteuer die Werte aus den von den Arbeitgebern übermittelten Lohnzetteln. Allfällige Differenzen zwischen den Einkünften der Lohnzettel der Jahre 2020 und 2021 sind Fragen der Lohnverrechnung des Arbeitgebers und nicht Gegenstand dieses Verfahrens (siehe Vorhalt vom 4.8.2025).
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall handelt es sich um keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt bzw die Rechtsfolgen sich außerdem unmittelbar aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen ergeben.
Linz, am 18. September 2025