JudikaturBFG

RV/2100111/2024 – BFG Entscheidung

Entscheidung
29. September 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Richter*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 26. Juni 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 22. Juni 2023 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert, sodass die Einkommensteuer nach Anrechnung der Lohnsteuer mit 0 Euro festgesetzt wird.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ***Bf1*** ist beim Finanzamt Österreich (belangte Behörde) unter der Steuernummer ***BF1StNr1*** veranlagt.

Für das Jahr 2022 reichte er eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung ein, in der er beruflich veranlasste Reisekosten iHv 1.745,04 Euro geltend machte.

Mit Schreiben vom 21.2.2023 forderte die belangte Behörde den BF zur Übermittlung von Belegen, einer Kostenaufstellung, sowie die Bekanntgabe von etwaig erhaltenen Kostenersätzen, auf.

Am 22.2.2023 übermittelte der BF eine Aufstellung seines Arbeitgebers über "nicht ausgeschöpfte steuerfreie Beträge, die möglicherweise Werbungskosten darstellen". Er führte aus, Militärberufsperson beim Heerespersonalamt zu sein. Die Reisekosten seien aufgrund einer Dienstzuteilung ab 1.5.2023 bis zur Versetzung von Amts wegen mit Wirkung 1.10.2022 entstanden.

Mit Bescheid vom 22.6.2023 setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer des BF fest, wobei sie lediglich vom Arbeitgeber nicht berücksichtigte Werbungskosten in Höhe von 145,20 Euro anerkannte. Das Abweichen von der Arbeitnehmerveranlagung begründete die belangte Behörde damit, dass nur für die ersten fünft Tage Diäten zustünden, da bei durchgehendem Tätigwerden am gleichen Einsatzort für mehr als 5 Tage ein neuer Mittelpunkt der Tätigkeit vorliege. Zudem könnten nur die nicht ausgeschöpften steuerfreien Beträge als Werbungskosten geltend gemacht werden, nicht jedoch die Hinzurechnungsbeträge.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben vom 26.6.2023 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Die fragliche Tätigkeit im Zeitraum 1.5.2022 - 30.9.2022 resultiere aus einer dienstlichen schriftlichen Anordnung als "Personalaushilfe" und stelle keinen neuen Mittelpunkt der Tätigkeit dar. Es liege eine vorübergehende Tätigkeit an einem Einsatzort in einer anderen politischen Gemeinde vor, weshalb das jeweilige Tagesgeld gem. der gültigen Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV 1955), BGBl. Nr. 133/1955, in Anspruch genommen bzw. die daraus resultierenden steuerlichen Abgaben abgeführt worden seien. Dies ergebe sich aus Seite 63-64 des Finanzamt-Steuerbuches 2023. Die Differenzwerbungskosten seien ihm von seinem Dienstgeber mitgeteilt worden, wobei im beantragten Betrag keine Hinzurechnungsbeträge berücksichtigt seien.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 17.11.2023 wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Eine Reise im Sinne des § 16 EStG liege vor, wenn sich der Steuerpflichtige aus beruflichem Anlass mindestens 25km vom Mittelpunkt seiner Tätigkeit entferne, eine Reisedauer mehr als drei Stunden bei Inlandsreisen (mehr als fünf Stunden bei Auslandsreisen) vorliege und kein weiterer Mittelpunkt der Tätigkeit begründet werde. Da ein neuer Tätigkeitsmittelpunkt begründet worden sei, stünden Taggelder nur für die ersten fünf Tage zu.

Mit Schreiben vom 22.11.2023 beantragte der BF die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Am 7.2.2024 legte die belangte Behörde die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht vor. Der BF verwechsle offenbar die steuerlichen Begünstigungen im Rahmen der Lohnsteuerberechnung des Arbeitgebers mit den Werbungskosten, welche im Rahmen der ArbeitnehmerInnenveranlagung beantragt werden könnten. Die belangte Behörde beantragte, keine Reisekosten als Werbungskosten anzuerkennen. Auch die im Rahmen des Erstbescheides anerkannten Reisekosten seien fälschlicherweise berücksichtigt worden, da der Dienstgeber diese für die ersten fünf Tage in vollem Ausmaß ersetzt habe.

Mit Vorhalt vom 7.8.2025 ersuchte das BFG die belangte Behörde um Präzisierung des Vorbringens und der bisher anerkannten Beträge.

Im Schreiben vom 8.8.2025 führte die belangte Behörde aus, aus der vom BF übermittelten Aufstellung ließe sich nicht ermitteln, wie hoch die zustehenden Differenztagesgelder für die ersten fünf Tage der Dienstreise nach Graz seien, weil die Kosten für den Zeitraum 2.5.2022 - 31.5.2022 in einer Summe, nämlich 79,20 Euro angeführt seien. Unter Berücksichtigung weiterer nicht ausgeschöpfter steuerfreier Beträge aus einer Reisen nach Wals-Siezenheim in Höhe von 4,40 Euro und nach Reichenau in Höhe von 8,80 Euro ergebe sich jedoch, selbst bei voller Anerkennung, ein Betrag, der unter dem Werbungskostenpauschale von 132 Euro liege. Die anderen beantragten Differenztagesgelder seien aufgrund des neu entstandenen Tätigkeitsmittelpunktes in Graz nicht zu berücksichtigen. Die im bekämpften Bescheid ursprünglich anerkannten Werbungskosten von 145,20 Euro setzten sich aus Tagesgeldern für die ersten 5 Tage in Graz in Höhe von je 26,40 Euro und den nicht ausgeschöpften steuerfreien Beträgen iZm Wals-Siezenheim und Reichenau zusammen. Für die ersten fünf Tage in Graz stünden jedoch nur Differenztagesgelder zu.

Mit Vorhalt vom 11.8.2025 brachte das BFG dem BF die Ausführungen der belangten Behörde zur Kenntnis und forderte ihn auf, binnen vier Wochen dazu Stellung zu nehmen, sowie Unterlagen zum erhaltenen Kostenersatz durch seinen Arbeitgeber vorzulegen. Laut Rückschein wurde am 14.8.2025 ein Zustellversuch durchgeführt und eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt, wobei als Beginn der Abholfrist der 18.8.2025 angegeben war.

Der Vorhalt blieb unbeantwortet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (BF) ***Bf1*** bezog im verfahrensgegenständlichen Jahr 2022 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus Tätigkeiten für ***Arbeitgeber1*** (Zeitraum 1.1.2022 - 30.9.2022) und für ***Arbeitgeber2*** (Zeitraum 1.10.2022 - 31.12.2022) (Berücksichtigte Lohnzettel in Einkommensteuerbescheid - OZ 2, unstrittig).

Im Zeitraum 1.5.2022 - 30.9.2022 verrichtete der BF seine Tätigkeit im Rahmen einer Personalaushilfe aufgrund einer Dienstzuteilung in Graz. Hierfür erhielt er von seinem Dienstgeber Reisekostenersätze. Für den Zeitraum 2.5.2022 - 31.5.2022 ergibt sich eine rechnerische Differenz zwischen den dem BF durch den Dienstgeber ersetzten Mehraufwendungen für Verpflegung und Unterkunft und den in § 26 Z 4 EStG 1988 genannten Beträgen von maximal 79,20 Euro. (vorgelegter Nachweis über nicht ausgeschöpfte steuerfreie Beträge - OZ 3)

Darüberhinaus ergibt sich für den Zeitraum 1.6.2022 - 30.9.2022 in Zusammenhang mit der Dienstzuteilung in Graz eine rechnerische Differenz zwischen den dem BF durch den Dienstgeber ersetzten Mehraufwendungen für Verpflegung und Unterkunft und den in § 26 Z 4 EStG 1988 genannten Beträgen von maximal 1.064,80 Euro. (vorgelegter Nachweis über nicht ausgeschöpfte steuerfreie Beträge - OZ 3)

Vom 20.6.2022 - 21.6.2022 begab sich der BF im Auftrag seines Arbeitgebers zur Dienstvorrichtung nach Wals-Siezenheim. Er erhielt Kostenersätze durch den Arbeitgeber. Darüberhinaus ergibt sich für diese Reise eine rechnerische Differenz zwischen den dem BF durch den Dienstgeber ersetzten Mehraufwendungen für Verpflegung und Unterkunft und den in § 26 Z 4 EStG 1988 genannten Beträgen von maximal 4,40 Euro. (vorgelegter Nachweis über nicht ausgeschöpfte steuerfreie Beträge - OZ 3)

Vom 15.12.2022 - 16.12.2022 begab sich der BF im Auftrag seines Arbeitgebers zur Dienstvorrichtung nach Reichenau an der Rax. Er erhielt Kostenersätze durch den Arbeitgeber. Darüberhinaus ergibt sich für diese Reise eine rechnerische Differenz zwischen den dem BF durch den Dienstgeber ersetzten Mehraufwendungen für Verpflegung und Unterkunft und den in § 26 Z 4 EStG 1988 genannten Beträgen von maximal 8,80 Euro. (vorgelegter Nachweis über nicht ausgeschöpfte steuerfreie Beträge - OZ 3)

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere den in Klammer angeführten Beweismitteln und ist grundsätzlich unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Strittig ist im Wesentlichen die Frage, ob aufgrund der Dienstzuteilung des BF über einen Zeitraum von fünf Monaten Werbungskosten aufgrund von Mehraufwendungen für Verpflegung und Unterkunft zustehen.

Nach § 16 Abs 1 Z 9 des Einkommensteuergesetzes 1988 ( EStG 1988) sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch: Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen. Diese Aufwendungen sind ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Dabei steht das volle Tagesgeld für 24 Stunden zu. Höhere Aufwendungen für Verpflegung sind nicht zu berücksichtigen.

Nach§ 26 Z 4 lit b EStG 1988 in der für den gegenständlichen Bezugszeitraum anzuwendenden Fassung (BGBl. I Nr. 45/2007) darf das Tagesgeld für Inlandsreisen bis zu 26,40 Euro pro Tag betragen. Dauert eine Dienstreise länger als drei Stunden, so kann für jede angefangene Stunde ein Zwölftel gerechnet werden. Das volle Tagesgeld steht für 24 Stunden zu. Erfolgt eine Abrechnung des Tagesgeldes nach Kalendertagen, steht das Tagesgeld für den Kalendertag zu.

Die Geltendmachung von Reisekosten als Werbungskosten richtet sich nach § 16 Abs 1 Z 9 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) und umfasst Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen. Hierbei sind maximal die sich aus § 26 Z 4 EStG 1988 ergebenden Beträge zu berücksichtigen. Nach § 26 Z 4 lit b EStG 1988 beträgt das Tagesgeld für Inlandsreisen maximal 26,40 Euro pro Tag.

Nach ständiger Rspr. (vgl. etwa VwGH vom 25.9.2002, 99/13/0034) stellt der Aufenthalt an einem Ort, der den Mittelpunkt der Tätigkeit bildet, keine Reise iSd § 16 Abs 1 Z 9 EStG dar. Ein Ort wird zu einem (weiteren) Tätigkeitsmittelpunkt, wenn der Steuerpflichtige sich für längere Zeit, wenn auch nicht durchgehend, dort aufhält, da er sich bei einem längeren Aufenthalt über die dort bestehenden Verpflegungsmöglichkeiten informieren und daher einen Verpflegungsmehraufwand vermeiden kann, weshalb die diesbezüglichen Aufwendungen nicht als Werbungskosten anzuerkennen sind. Der VwGH hat daher in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt etwa VwGH 12.5.2021, Ra 2019/13/0101) ausgesprochen, dass eine Geltendmachung von Verpflegungsmehraufwendungen nicht mehr möglich ist, wenn der Steuerpflichtige sich länger als eine (Arbeits-)Woche an einem Ort aufgehalten hat.

Da der BF im Zeitraum 2.5.2022 - 30.9.2022 (bis auf den Zeitraum 20.6.2022 - 21.6.2022) in Graz dienstzugeteilt war, stellte dieser Ort nach fünf (Arbeits-)Tagen, also spätestens ab 7.5.2022, einen neuen Tätigkeitsmittelpunkt dar. Ab dem 7.5.2022 liegt somit keine Reise nach § 16 Abs 1 Z 9 EStG 1988 mehr vor. Es können somit nur Mehraufwendungen für Verpflegung und Unterkunft für den Zeitraum 2.5.2022 - 6.5.2022 mit einem Betrag von maximal 26,40 Euro pro Tag berücksichtigt werden. Aus der Aufstellung des Arbeitgebers ergibt sich, dass bereits Kostenersätze für diesen Zeitraum geleistet wurden und ein Betrag von maximal 79,20 Euro an Differenzwerbungskosten verbleibt.

Für die Reisen nach Wals Siezenheim und Reichenau an der Rax stehen Differenzwerbungskosten von maximal 4,40 Euro bzw. 8,80 Euro zu.

Die vom BF angeführten Seiten 63 - 64 des Steuerbuches 2023 beschäftigen sich mit steuerfreien Kostenersätzen des Dienstgeber in Zusammenhang mit Dienstreisen iSd § 26 Z 4 EStG 1988, die getrennt von Werbungskosten in Zusammenhang mit Reisen iSd § 16 Abs 1 Z 9 EStG 1988 zu betrachten sind. Die vom Arbeitgeber bezahlten Kostenersätze, bzw. die diesbezügliche Steuerfreiheit, sind jedoch in diesem Fall nicht strittig, sondern lediglich die Frage, ob über diese Kostenersätze hinaus Werbungskosten geltend gemacht werden können.

Für Werbungskosten in Zusammenhang mit einem nichtselbständigen Dienstverhältnis gilt nach § 16 Abs 3 EStG 1988 ein Werbungskostenpauschale von 132 Euro. Lediglich die in § 16 Abs 3 letzter Satz genannten Werbungskosten sind zusätzlich zum Pauschale zu berücksichtigen.

Will ein Abgabepflichtiger die Berücksichtigung höherer Werbungskosten anstelle der für ihn in Betracht kommenden Werbungskostenpauschbeträge erreichen, dann hat er sämtliche Werbungskosten nachzuweisen (VwGH 17.12.1996, 92/14/0176).

Wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat, übersteigen die möglichen Werbungskosten selbst bei vollständiger Anerkennung im rechtlich zulässigen Rahmen nicht den Betrag von 132 Euro. Da die vom BF nachgewiesenen, nicht unter § 16 Abs 3 letzter Satz fallenden, Werbungskosten den Betrag von 132 Euro nicht übersteigen, sind keine zusätzlichen Werbungskosten anzuerkennen.

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde Werbungskosten von 145,20 Euro anerkannt. Da Werbungskosten nicht in dieser Höhe zustanden, war der Bescheid spruchgemäß abzuändern.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Rechtsfrage anhand der zitierten Gesetzesbestimmungen und einheitlichen Judikatur des VwGH beantwortet werden konnte, war die Revision für nicht zulässig zu erklären.

Graz, am 29. September 2025