IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Richter*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 7. Oktober 2022 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 27. September 2022 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz ( B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Im Streit stehen die Anerkennung von Aufwendungen für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung.
I. Verfahrensgang
1. Mit Einkommensteuerbescheid der belangten Behörde vom 27.09.2022 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in Folge kurz: Bf) auf Anerkennung der aufgewandten Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung als unbegründet abgewiesen. Es liege keine berufliche Veranlassung vor, zumal die Einkünfte der Ehegattin am Ort des Familienwohnsitzes als zu gering erachtet werden, um steuerliche Relevanz zu begründen.
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2. In der Beschwerde des Bf vom 07.10.2022 brachte der Bf vor, ihm seien im streitgegenständlichen Jahr folgende anzuerkennende Kosten entstanden:
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Seine Ehegattin lebe in Kroatien und sei dort berufstätig. Er selbst habe ein Arbeitszimmer in Österreich, weshalb ihm ein Umzug nicht zumutbar sei.
Der Bf habe 81 Fahrten (eine Richtung) mit dem PKW zwischen seinem Arbeitsort in Österreich und seinem Familienwohnsitz in Kroatien getätigt, wobei je Richtung eine Distanz von 282 km zurückgelegt worden sei. Hierzu führte er wie folgt aus:
3. Mit 26.09.2022 übermittelte der Bf weiters:
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4. Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 20.10.2022 als unbegründet ab.
Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung gälten so lange als durch die Erwerbstätigkeit verursacht, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könne. Bei einer dauernden Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes sei keine private Veranlassung zu unterstellen, wenn der Ehegatte oder der Steuerpflichtige selbst am Familienwohnsitz steuerlich relevante, ortsgebundene Einkünfte im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 aus einer aktiven Erwerbstätigkeit in Höhe von EUR 6.000,00 jährlich erziele oder die Einkünfte in Bezug auf das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung seien.
Das Einkommen der Ehefrau entspreche mit umgerechnet EUR 1.818,17 lediglich 7,92% des 2021 verdienten Einkommens des Bf in Höhe von EUR 22.825,52. Wirtschaftliche Bedeutung komme Einkommen mit einer Höhe von maximal EUR 6.000,00 erst zu, wenn diese mehr als ein Zehntel der Einkünfte des Steuerpflichtigen ausmachten. Für die Anerkennung der auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung seien die Einkünfte zu gering.
Zumal die Kosten für die Familienheimfahrten durch den Bf bereits seit dem Jahr 2017 geltend gemacht wurden, könnten diese im Hinblick auf die nicht gegebene doppelte Haushaltsführung nicht anerkannt werden. Eine vorübergehende Anerkennung dieser sei bei verheirateten Paaren lediglich im Ausmaß von zwei Jahren möglich.
5. Mit Einbringen vom 17.11.2022 beantragte der Bf die Vorlage der Beschwerde an das Gericht. Zu den Einkünften seiner Frau am Ort des Familienwohnsitzes führte er aus, dass diese im Jahr 2021 auf Grund gesundheitlicher Probleme keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen habe können, jedoch jetzt im Jahr 2022 wieder in vollem Ausmaß beschäftigt sei. In Österreich habe der Bf nicht die Möglichkeit, mit seiner Frau zu wohnen.
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6. Die belangte Behörde beantragte im Vorlagebericht die Abweisung der Beschwerde. Dessen Inhalt wurde dem Bf bekannt gemacht, womit der Vorlagebericht die Wirkung eines Vorhaltes entfaltet.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der gemeinsame Familienwohnsitz des Bf, seiner Ehegattin und des gemeinsamen Kindes ist in Kroatien in ***Adresse1***, gelegen. Der Arbeitswohnsitz des Bf findet sich in Österreich in ***Adresse2***, wo er für einen monatlichen Betrag in Höhe von EUR 238,15 ein Zimmer einer Wohnung gemietet hat. Im streitgegenständlichen Zeitraum war der Bf als Elektriker bei der Firma ***X*** bzw. ***Y*** beschäftigt und verdiente hierdurch Einkünfte in Höhe von EUR 22.825,52. Seine Ehegattin erwirtschaftete währenddessen am Ort des Familienwohnsitzes Einkünfte in Höhe von HRK 13.896,32, sohin EUR 1.818,17 (Umrechnungskurs Tabelle BMF 2021: 0,130838). Die Höhe dieser Einkünfte ist bedingt durch deren damaligen Gesundheitszustand niedriger ausgefallen als in den Jahren zuvor und im Folgejahr. Folgende Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit des Bf und dessen Ehegattin stellte das Gericht auf Grund vorliegender Unterlagen fest:
Bf | Ehegattin | ||||
EUR | brutto | netto | Kurs* | EUR | |
2017 | 21.571,37 € | 38.030,39 kn | 36.744,75 kn | 0,131972 | 4.849,28 € |
2018 | 21.670,62 € | 39.018,08 kn | 37.699,03 kn | 0,132782 | 5.005,75 € |
2020 | 23.751,90 € | 38.103,90 kn | 38.103,90 kn | 0,130664 | 4.978,81 € |
2021 | 22.825,52 € | 13.896,32 kn | 13.896,32 kn | 0,130838 | 1.818,17 € |
2022 | 10.726,27 € | 22.314,99 kn | 22.314,99 kn | 0,130725 | 2.917,13 € |
* Wechselkurs gemäß Umrechnungskurs Tabelle BMF für jeweiliges Jahr
Mit dem auf den Bf zugelassenen Kraftfahrzeug legte dieser die einfache Strecke von je 282 km zwischen dem Arbeitswohnsitz und dem Familienwohnsitz im Jahr 2021 81mal zurück. Die konkrete monatliche Anzahl der Fahrten und die hierbei zurückgelegten Kilometer sind nachstehender Tabelle zu entnehmen:
Bereits in den dem Streitjahr vorangehenden Jahren wurden von der belangten Behörde Aufwendungen des Bf für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten anerkannt. Auch betreffend das dem streitgegenständlichen Zeitraum folgende Jahr 2022 berücksichtigte die belangte Behörde die Kosten. 06/2022 erfolgte der Pensionsantritt des Bf.
2. Beweiswürdigung
Der geschilderte Sachverhalt fußt auf dem gesamten Akteninhalt, insbesondere den vom Bf vorgelegten Unterlagen mit Ergänzung der Beschwerde vom 26.09.2022.
Die Feststellungen hinsichtlich des Arbeitswohnsitzes wurden anhand des Mietanbotes der ***Vermieterin*** vom 26.11.2020, den hierzu vorgelegten Kontoauszügen und dem Grunddatenauszug entnommen.
Die Höhe der Einkünfte der Ehegattin wurde anhand der "Bestätigung über die Höhe des Einkommens" des Ministeriums für Finanzen, Steuerbehörde, Regionalbüro ***Ort1***, Außenstelle ***Ort1***, vom 16.09.2022 nachgewiesen und bei Berücksichtigung der Umrechnungstabelle des BMF festgestellt. Dem Gericht erscheint der Umstand, dass die Höhe der Einkünfte im Vergleich zum Vor- und Folgejahr auf Grund gesundheitlicher Probleme merklich geringer ausfällt, durchaus glaubhaft. Den Aufzeichnungen der vorangehenden Jahre sind stetig gleichbleibende Einkünfte zu entnehmen.
Die der Beilage zu L1 (Familienheimfahrten für Ausländer) entnommenen Angaben zu Kilometer und Anzahl der Fahrten erscheinen dem Gericht nachvollziehbar, da es üblich ist, dass ein verheirateter Steuerpflichtiger, der nicht im Nahbereich seines Familienwohnsitzes wohnt, bis zu einmal pro Woche seinen Familienwohnsitz aufsucht, an dem seine Ehefrau wohnt.
Familienwohnsitz und personenbezogene Daten des Kindes wurden der "Familienstandsbescheinigung für die Gewährung von Familienbeihilfe", unterfertigt am 16.09.2022 durch die die Verwaltungsabteilung für Zivil- und Menschenrechte der Gespanschaft ***Ort2***, Republik Kroatien, entnommen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Rechtliche Grundlagen
Gemäß § 16 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Als Werbungskosten aus einer doppelten Haushaltsführung kommen nur die unvermeidbaren Mehraufwendungen Betracht, die dem Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss (VwGH 3.3.92, 88/14/0081; 23.5.00, 95/14/0096). Das sind insbesondere die Kosten für Unterbringung und Familienheimfahrten (Jakom/Ebner EStG, 2024, § 16 Rz 56). Aufwendungen für Familienheimfahrten sind unter denselben Voraussetzungen anzuerkennen wie jene der doppelten Haushaltsführung (Doralt, EStG13, § 16 Rz 220 sowie Rz 200/14).
Von einer doppelten Haushaltsführung wird gesprochen, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz). Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein lediger Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner (auch ohne Kind iSd § 106 Abs 1 EStG 1988) einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (Jakom/Ebner EStG, 2024, § 16 Rz 56).
Liegt der Familienwohnsitz außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, können die (Mehr)Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung, wie zB. für die Wohnung am Beschäftigungsort und die Kosten für Familienheimfahrten, nur berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist bzw. eine Wohnsitzverlegung in üblicher Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (VwGH 27.2.08, 2005/13/0037). Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines (Ehe)Partners haben (VwGH 17.2.99, 95/14/0059; 22.2.00, 96/14/0018; 3.8.04, 2000/13/0083, 2001/13/0216).
Von einer beruflichen Veranlassung ist dem Grunde nach auszugehen, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen so weit von seinem Beschäftigungsort entfernt ist, dass ihm die tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102 Stichwort "Doppelte Haushaltsführung"). Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 80 km entfernt ist und die Fahrzeit mehr als eine Stunde beträgt (VwGH 31.7.13, 2009/13/0132).
Unterschieden wird zwischen einer vorübergehend und einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung. Nach einer gewissen Zeit, die nicht schematisch, sondern stets im Einzelfall zu beurteilen ist, ist es in aller Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (VwGH 22.4.86, 84/14/0198). Bei einem verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Steuerpflichtigen beträgt dieser Zeitraum nach der Verwaltungspraxis zwei Jahre. Spätestens nach Ablauf dieser Zeitspanne ist darzulegen, aus welchen Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird (Jakom/Ebner EStG, 2024, § 16 Rz 56).
Für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung sprechende Gründe können unter anderem sein:
• der Steuerpflichtige verfügt am Beschäftigungsort über keine Wohnung, sondern bewohnt eine Schlafstelle, die nicht geeignet ist, als Mittelpunkt der Lebensinteressen zu dienen;
• die bevorstehende Pensionierung, wenn davon auszugehen ist, dass der Steuerpflichtige höchstens noch fünf Jahre berufstätig sein und dann an den Familienwohnsitz zurückkehren wird (VwGH 26.11.96, 95/14/0124; 24.11.11, 2008/15/0296);
• steuerlich relevante Erwerbseinkünfte iSd § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 des anderen (Ehe)Partners am Familienwohnsitz, die bei dessen Verlegung verloren gingen (zB. VwGH 17.2.99, 95/14/0059). Als steuerlich relevante Einkünfte des anderen (Ehe)Partners sind solche anzusehen, die für das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung sind (VwGH 20.4.04, 2003/13/0154). Nach Auffassung des VwGH ist für die Beurteilung der Relevanz die Relation zum Familieneinkommen ausschlaggebend; vernachlässigbar sind Einkünfte jedenfalls dann, wenn sie "deutlich unter einem Zehntel" der Einkünfte des anderen Ehegatten liegen (VwGH 20.4.04, 2003/13/0154). Nach LStR 344 kommt den Einkünften des (Ehe)Partners eine wirtschaftliche Bedeutung dann zu, wenn sie mehr als EUR 6.000,00 betragen und aus einer ortsgebundenen aktiven Erwerbstätigkeit stammen, oder mehr als ein Zehntel der Einkünfte des Steuerpflichtigen ausmachen.
Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde ist in einem solchen Fall nicht verhalten, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen (VwGH 27.2.08, 2005/13/0037 mwN).
Nach § 20 Abs 1 lit e EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften die Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- bzw. Tätigkeitsort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abgezogen werden, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG 1988 angeführten Betrag (EUR 3.672,00) übersteigen.
Als geeigneter Nachweis der Familienheimfahrten der Höhe nach wird die Vorlage eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuches anerkannt (BFG 25.11.2015, RV/7101452/2010). Führt der Steuerpflichtige kein solches Fahrtenbuch und erbringt er keinen Beweis dafür, welche Fahrten im Interesse seiner Tätigkeit notwendig waren, ist die Abgabenbehörde berechtigt, die Fahrtkosten zu schätzen (VwGH 12.6.1985, 83/13/0219; VwGH 16.4.1991, 90/14/0043).
Daraus folgt
Die dem Sachverhalt zu Grunde liegende Wohn- und Arbeitssituation des Bf und seiner Ehegattin erfüllt grundsätzlich die Eigenschaften einer doppelten Haushaltsführung, zumal der Lebensmittelpunkt zweifelsohne, auf Grund des Unterhaltens eines gemeinsamen Hausstandes in Kroatien, jenem Haushalt in Kroatien zuzuordnen ist. Auch steht außer Streit, dass der Bf 2021 in Österreich seiner beruflichen Tätigkeit als Elektriker nachgegangen ist. Die Entfernung zwischen den beiden Wohnsitzen beträgt 282 km, womit eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz nicht zugemutet werden kann.
Die belangte Behörde anerkannte auch in den Jahren zuvor und ebenso in dem darauffolgenden Jahr 2022 die Kosten der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten an. Strittig ist, ob die geringere Höhe der Einkünfte der Ehegattin im Jahr 2021 auf Grund fehlender wirtschaftlicher Bedeutung der Anerkennung der Kosten der doppelten Haushaltsführung entgegensteht, zumal eine vorübergehende doppelte Haushaltsführung nicht mehr in Betracht kommt. Auch wurde vom Bf vorbracht, dass sich der Standort in Österreich nicht als Familienwohnsitz eigne.
Als unvermeidbare Mehraufwendungen und somit anzuerkennende Aufwendungen kommen in Frage:
Mietzins gesamt EUR 2.857,80
Familienheimfahrten EUR 3.672,00
a. ad Eignung Mittelpunkt der Lebensinteressen Arbeitsort
Der Bf brachte mit Vorlageantrag vor, dass er in Österreich lediglich über ein Arbeitszimmer verfüge und es ihm nicht möglich sei dort mit seiner Frau zu leben.
Das Gericht gibt dem Bf bei seiner Behauptung, dass ein Arbeitszimmer nicht als Familienwohnsitz genutzt werden kann und dementsprechend nicht als Mittelpunkt der Lebensführung dienen kann, Recht. Dieser Umstand alleine hätte den Bf allerdings nicht daran gehindert, eine den Familienbedürfnissen entsprechende Unterkunft in der Nähe des Arbeitsortes zu mieten.
b. ad wirtschaftliche Relevanz der Einkünfte der Ehegattin
Das Gericht hat zu überprüfen ob die Einkünfte der Ehegattin am Familienwohnsitz steuerlich relevante Erwerbseinkünfte iSd § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 sind, die bei der Verlegung dessen verloren gingen und als wirtschaftlich bedeutsam anzusehen sind.
Die Judikatur enthält bereits mehrfach ähnlich gelagerte Fälle, in welchen vorübergehend geringfügige bzw. gar keine Einkünfte des Ehegatten oder des Steuerpflichtigen gegeben waren.
So muss nach Rsp des VwGH die belangte Behörde im Falle, dass der Steuerpflichtige im streitgegenständlichen Jahr am Familienwohnsitz eine berufliche Tätigkeit ausübt, aus welcher noch keine wirtschaftlich relevanten Einkünfte hervorgehen, auch dartun warum diese Tätigkeit nicht langfristig als Einkunftsquelle anzusehen sei (VwGH 16.03.2005, 2000/14/0154).
In einem weiteren Erkenntnis hat der VwGH ausgesprochen, dass eine vorübergehend ruhende Beschäftigung mit der in späteren Jahren beabsichtigten Wiederaufnahme gegen die Zumutbarkeit der sofortigen Verlegung des Wohnsitzes spricht (VwGH 09.10.1991, 88/13/0121).
Aus zitierter Rsp geht hervor, dass der VwGH den Beobachtungszeitraum hinsichtlich der wirtschaftlichen Relevanz von Einkünften nicht bloß isoliert auf das Streitjahr beschränkt. Ähnlich hat das BFG über die im Streitjahr negativen Einkünfte und in den Folgejahren positiven Einkünften einer gewerbetreibenden Ehegattin eines Steuerpflichtigen entschieden (BFG 03.05.2019, RV/7104475/2014).
Die Zumutbarkeit der Verlegung des Wohnsitzes hat sich an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren (VwGH 16.03.2005, 2000/14/0154). Im vorliegenden Fall haben die Einkünfte der Ehegattin in den dem Streitjahr vorangehenden Jahren 2017, 2018, und 2020 etwas mehr als 20% der Einkünfte des Bf betragen. Im dem auf das Streitjahr folgende Jahr betragen die Einkünfte der Ehegattin etwas mehr als ein Viertel der Einkünfte des Bf. Lediglich im Streitjahr liegen die Einkünfte der Ehegattin unter einem Zehntel der Einkünfte des Bf und betragen lediglich EUR 1.818,17.
Bf | Ehegattin | Verhältnis EinkünfteEhegattin zu Bf | |
2017 | 21.571,37 € | 4.849,28 € | 22,48% |
2018 | 21.670,62 € | 5.005,75 € | 23,10% |
2020 | 23.751,90 € | 4.978,81 € | 20,96% |
2021 | 22.825,52 € | 1.818,17 € | 7,97% |
2022 | 10.726,27 € | 2.917,13 € | 27,20% |
Die Gattin des Bf geht nachweislich seit dem Jahr 2017 einer Erwerbstätigkeit am Familienwohnsitz nach, welche somit langfristig als Einkunftsquelle anzusehen ist, zumal diese in Relation zu den Einkünften des Bf entsprechend obiger Tabelle nicht als wirtschaftlich unbedeutend einzustufen ist.
Im Jahr 2022 betrug der Anteil der gemeinsamen Einkünfte, erwirtschaftet durch die Ehegattin, in etwa ein Viertel - wirtschaftliche Relevanz ist eindeutig zu bejahen. Zwar mag dies unter anderem am Pensionsantritt des Bf liegen, doch ist auch in absoluten Zahlen eine deutliche Erhöhung im Vergleich zum streitgegenständlichen Jahr ersichtlich.
Es liegen keine Anhaltspunkte vor, welche darauf schließen lassen, dass eine Wiederaufnahme der Beschäftigung durch die Ehegattin im streitgegenständlichen Jahr nicht geplant war.
Warum es jemandem, dessen doppelte Haushaltsführung seit Jahren anerkannt wird, auf Grund einer vorübergehenden krankheitsbedingten Erwerbsminderung der Gattin zumutbar sein sollte, den Familienwohnsitz zu verlegen, ist nicht nachvollziehbar, dies auch unter dem Aspekt, dass die Beschaffung, Adaptierung und Einrichtung einer familiengerechten Wohnung erfahrungsgemäß meist einen längeren Zeitraum erfordert (vgl. VwGH 09.10.1991, 88/13/0121).
c. ad bevorstehende Pensionierung
Einem Arbeitnehmer ist nach Erreichen des 60. Lebensjahres die Verlegung des Wohnsitzes an den Tätigkeitsort nicht zumutbar, wenn von vornherein feststeht, dass er die Berufstätigkeit, wie dies der allgemeinen Übung entspricht, spätestens mit Erreichen des 65. Lebensjahres einstellen wird (VwGH 26.11.96, 95/14/0124).
Der Bf erreichte am ***Datum2020*** das 60. Lebensjahr, der Pensionsantritt erfolgte im Juni 2022. Der nach allgemeiner Übung aus der Sicht des Streitjahres spätestens anzunehmende Zeitpunkt des Pensionsantrittes wäre der ***Datum2025*** gewesen. Zwischen dem Beginn des streitgegenständlichen Jahres (01.01.2021) und dem tatsächlichen oder spätestens zu erwartenden Pensionsantritt liegen in etwa 1,5 Jahre oder 4,5 Jahre. Entsprechend der Rsp des VwGH ist die Zumutbarkeit der Verlegung des Wohnsitzes im vorliegenden Fall zu verneinen, zumal der Bf zu Beginn des streitgegenständlichen Jahres bereits das 60. Lebensjahr erreicht hat und auch keinerlei Hinweise vorliegen, dass dieser beabsichtigt hat, über das 65. Lebensjahr hinaus zu arbeiten. Gerade in der handwerklichen Branche entspricht dies auf Grund der körperlichen Anforderungen nicht der Lebenserfahrung.
d. Höhe der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten
Als unvermeidbare Mehraufwendungen machte der Bf neben den Familienheimfahrten die Kosten für die Unterbringung am Beschäftigungsort geltend. Dies sind bei einer monatlichen Miete von EUR 238,15 Mehraufwendungen in Höhe von gesamt EUR 2.857,80.
Als geeigneter Nachweis der Familienheimfahrten der Höhe nach wird die Vorlage eines Fahrtenbuches anerkannt (BFG 25.11.2015, RV/7101452/2010). In einem Fahrtenbuch sind Reisetag (Datum), die Reisedauer (Uhrzeit), Ausgangs- und Zielpunkt der Reise, der Reisezweck, die Anfangs- und Endkilometerstände und die Anzahl der gefahrenen Kilometer festzuhalten (vgl. Schuch in ÖStZ 5/1984, 51). Aufzeichnungen müssen eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbaren Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein. Dazu gehört auch, dass das Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt worden ist. Die gebundene oder jedenfalls in sich geschlossene Form soll dabei nachträgliche Einfügungen oder Veränderungen ausschließen oder zumindest deutlich als solche erkennbar werden lassen. Eine lose Ansammlung von Daten ohne äußeren Zusammenhang kann daher schon in begrifflicher Hinsicht kein Fahrtenbuch sein. Diesen Anforderungen wird nur eine fortlaufende und zeitnahe Erfassung der Fahrten in einem geschlossenen Verzeichnis gerecht, das auf Grund seiner äußeren Gestaltung geeignet ist, jedenfalls im Regelfall nachträgliche Abänderungen, Streichungen oder Ergänzungen als solche kenntlich werden zu lassen (BFG 25.11.2015, RV/7101452/2010).
Führt der Steuerpflichtige kein solches Fahrtenbuch und erbringt er keinen Beweis dafür, welche Fahrten im Interesse seiner Tätigkeit notwendig waren, ist die Abgabenbehörde berechtigt, die Fahrtkosten zu schätzen (VwGH 12.6.1985, 83/13/0219; VwGH 16.4.1991, 90/14/0043). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn kein Fahrtenbuch geführt wird oder die geführten Aufzeichnungen den Anforderungen an ein Fahrtenbuch nicht gerecht werden und sonstige Belege über die Kfz-Kosten fehlen (VfGH 28.9.1970, B 58/70; VwGH 27.11.1974, 124/73).
Die Aufzeichnung des Bf, wonach er in den streitgegenständlichen Jahren drei bis viermal pro Monat zu seinem Familienwohnsitz nach Kroatien und zurück zum Arbeitswohnsitz gefahren ist , wurde dieser Entscheidung zu Grunde gelegt.
Die langjährige Verwaltungspraxis hat gezeigt, dass der Nachweis der Kfz- Kosten durch Sammlung und Aufbewahrung der Belege von vielen Abgabepflichtigen nicht wahrgenommen wird. In Ermangelung von Informationen über die exakte Höhe der Aufwendungen kommt es in diesen Fällen zu einer Schätzung der Höhe der Kfz- Kosten. Nach der Verwaltungspraxis wird die Schätzung mit dem amtlichen Kilometergeld pro gefahrenen Kilometer (EUR 0,42) vorgenommen, da dies meist zu einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Ergebnis führt. Mit dem amtlichen Kilometergeld sind folgende Aufwendungen abgegolten: Afa, Benzin, Öl, Service- und Reparaturkosten, Zusatzausrüstungen (Winterreifen, Autoradio), Steuern, (Park)Gebühren, Mauten, Autobahnvignette, Versicherungen aller Art, Mitgliedsbeiträge an Autofahrerclubs, Finanzierungskosten (vgl. Doralt, Einkommensteuer, Kommentar, § 16 Tz 220).
Der anerkennbare Aufwand ist gemäß § 20 Abs 1 lit e iVm § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG, in der geltenden Fassung für das Streitjahr 2021, mit dem höchstmöglichen Pendlerpauschale in Höhe von EUR 3.672,00 begrenzt. Demzufolge sind bei dem tatsächlich entstandenen Aufwand in Höhe von EUR 9.593,64 (22.842 km * EUR 0,42), EUR 3.672,00 als Kosten für die Familienheimfahrten anzuerkennen.
Gesamt ergibt sich sohin ein Betrag von EUR 6.529,80 (EUR 2.857,80 Miete + EUR 3.672,00 Familienheimfahrten).
Entsprechend rechtlicher Würdigung errechnet sich die Einkommensteuer des Bf für das Jahr 2021 folgendermaßen:
Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit | |
***X*** | 18.360,47 € |
***Y*** | 4.597,05 € |
Werbungskosten, die der Arbeitgebernicht berücksichtigen konnte | -6.529,80 € |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 16.427,72 € |
Einkommen | 16.427,72 € |
Die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs 1 EStG 1988 beträgt: | |
0 % für die ersten 11.000,00 € | 0,00 € |
20 % für die weiteren 5.427,72 € | 1.085,54 € |
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge | 1.085,54 € |
Verkehrsabsetzbetrag | -528,05 € |
Pendlereuro | -39,96 € |
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge | 517,53 € |
Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt: | |
0 % für die ersten € 620,00 | 0,00 € |
6 % für die restlichen € 2.886,06 | 173,16 € |
Einkommensteuer | 690,69 € |
Anrechenbare Lohnsteuer (260) | -2.822,48 € |
Rundung gemäß § 39 Abs 3 EStG 1988 | -0,21 € |
Festgesetzte Einkommensteuer | - 2.132,00 € |
Berechnung der Abgabennachforderung/-gutschrift | |
Festgesetzte Einkommensteuer | - 2.132,00 € |
Bisher festgesetzte Einkommensteuer (gerundet) | - 128,00 € |
Abgabengutschrift | 2.004,00 € |
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Strittig ist, ob dem Bf der Ansatz der Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung zu verweigern ist, weil seine Gattin im Streitjahr zwar Einkünfte am Familienwohnsitz in Kroatien erwirtschaftet hat, die allerdings nur 7,97% der Einkünfte des Bf betragen haben.
Allerdings betrugen die Einkünfte der Gattin nur im Streitjahr 7,97% der Einkünfte des Bf, weil die Gattin gerade im Streitjahr erkrankt war. In den drei Jahren vor dem Streitjahr und im Jahr nach dem Streitjahr betrugen die jährlichen Einkünfte der Gattin 20-27% der jährlichen Einkünfte des Bf. Daraus ist ersichtlich, dass die Gattin auch im Streitjahr die Absicht gehabt haben muss, nach ihrer Genesung wieder ein erhebliches Einkommen zu erzielen. Daher war auch aus der Sicht des Streitjahres nach Ansicht des BFG die Einkunftsquelle der Gattin langfristig gesehen als erheblich anzusehen (vgl. VwGH 16.3.2005, 2000/14/0154; VwGH 9.10.1991, 88/13/0121; vgl. BFG 3.5.2019, RV/7104475/2014).
Zudem befand sich der Bf im Streitjahr 2021 bereits im 61. Lebensjahr, sodass sein Pensionsantritt spätestens im Jahr 2025 damals bereits absehbar war. Auch daher war dem Bf im Streitjahr nach der Ansicht des BFG die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Tätigkeitsort nicht zumutbar (vgl. VwGH 26.11.1996, 95/14/0124).
Erhebliche Rechtsfragen i.S. von Art 133 Abs 4 B-VG haben sich nicht ergeben. Daher ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am 6. Mai 2025