IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 7. September 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 9. August 2023 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
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Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (= Bf.) war im Streitjahr 2022 in Österreich unselbständig beschäftigt und machte in ihrer Arbeitnehmerveranlagung Unterhaltsleistungen in Höhe von 6.000 Euro (monatliche Unterhaltsleistung iHv 500 Euro) für ihre Tochter geltend. Die Tochter lebte im Streitjahr bei ihrer Großmutter in Kolumbien und ging dort zur Schule.
Neben den Kosten des Unterhalts wurde der Familienbonus Plus zur Gänze beantragt. Da die Bf. in Österreich keine Familienbeihilfe bezog, wurde sie mittels Vorhalts vom 31.07.2023 aufgefordert die für die Beurteilung eines möglichen Anspruchs auf den Familienbonus Plus notwendigen Urkunden bzw. Bestätigungen des Kindes (Geburtsurkunde, Meldebestätigung, Tätigkeitnachweis des Kindes, Bestätigung der Wohnortgemeinde über die Mitversicherung des Kindes, Bestätigung über den Bezug einer Familienleistung (z.B. Kindergeld) im Wohnsitzstaat des Kindes) vorzulegen. Zudem wurde um die Beantwortung folgender Fragen ersucht:"Leben Sie im gemeinsamen Haushalt mit den Kindern, für die Sie den Familienbonus Plus beantragen? Wenn nein, leisten Sie den gesetzlichen Unterhalt für die Kinder, für die Sie den Familienbonus Plus beantragen? Wenn ja, legen Sie bitte ein entsprechendes Dokument, aus welchem sich die Unterhaltshöhe ergibt (z.B. Gerichtsbeschluss, Vergleich, Unterhaltsvereinbarung) sowie einen Zahlungsflussnachweis (z.B. Überweisungsbestätigungen, Empfangsbestätigungen) vor. In welchem Staat sind Sie sozialversichert? Sollten Sie nicht in Österreich soziaIversichert sein, geben Sie bitte den Grund hierfür an (z.B. Entsendung nach Österreich für maximal 24 Monate).
Welcher Beschäftigung geht der andere Elternteil der Kinder, für die Sie den Familienbonus Plus beantragen, nach? Nennen Sie bitte den Arbeitgeber und in welchem Staat die Tätigkeit ausgeübt wird."
In Beantwortung des Vorhalts übermittelte die Bf. lediglich Kontoauszüge mit Überweisungen, aus denen weder Empfänger noch Verwendungszweck hervorgehen und deren Beträge nicht mit den von ihr angegebenen monatlichen 500 Euro Unterhaltszahlung übereinstimmen.
Im daraufhin ergangenen Einkommensteuerbescheid vom 09.08.2023 wurden daher sowohl der Unterhaltsabsetzbetrag als auch der Familienbonus Plus nicht berücksichtigt.
Daraufhin wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, gleichzeitig wurden weitere Unterlagen vorgelegt sowie die im Vorhalt vom 31.07.2023 gestellten Fragen beantwortet.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 08.10.2024 wurde der Unterhaltsabsetzbetrag für ein im Drittland lebendes Kind mit 50 Euro/Monat bemessen und berücksichtigt, der ebenfalls beantragte Familienbonus steht mangels Aufenthalts des Kindes im EU-Raum/EWR/Schweiz nicht zu.
Mit Schreiben vom 29.10.2024 wurde die Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragt mit dem Begehr die Zahlungen an die Tochter der Bf. zu berücksichtigen. Die von der Bf. im Schreiben als angefügte Beilagen erwähnten Urkunden (Sorgerechtsunterlagen betreffend die Tochter auf Spanisch und Deutsch) wurden nicht vorgelegt.
Im Ergänzungsersuchen des Gerichts vom 18.07.2025 wurde die Bf. nochmals um die Beantwortung nachfolgender Fragen ersucht: "Sind Sie gesetzlich - aufgrund eines Scheidungsurteiles oder sonstigen behördlichen Dokuments - dazu verpflichtet den Unterhalt für Ihre Tochter zu leisten?
Bitte legen Sie diese Dokumente vor, aus denen klar hervorgeht, aufgrund welcher
gesetzlichen Grundlage Sie eine Verpflichtung zur Unterhaltsleistung haben.
2. In welcher Höhe sind Sie verpflichtet Unterhalt zu leisten? Aus den von Ihnen übermittelten Zahlungsbelegen geht nicht hervor, an wen diese Zahlungen überwiesen wurden und auch nicht die Grundlage dieser Zahlungen.
3. An wen wurde dieses Geld überwiesen (Kontoinhaber)? Da aus den beigefügten Überweisungsbelegen weder der Verwendungszweck noch der Empfänger ersichtlich ist, wird ersucht diese fehlenden Informationen nachzubringen. 4. Wofür wurde dieses Geld überwiesen? Bitte geben Sie an, welche Zahlungen mit dem von Ihnen überwiesenem Geld gezahlt wurden (z.B. Schulgeld, Unterkunft etc.) und legen Sie die dazugehörigen Rechnungen vor."
Dieses Ergänzungsersuchen blieb unbeantwortet.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. war 2022 unselbständig in Österreich beschäftigt. In Ihrer Arbeitnehmerveranlagung beantragte sie für ihre in Kolumbien (bei der Mutter der Bf.) lebende Tochter einen Unterhaltsabsetzbetrag iHv 6.000 Euro sowie den Familienbonus Plus. Die Tochter, geb. am 09.03.2006, besuchte im Streitjahr in Santiago di Cali die Schule und machte 2023 den Sekundarschulabschluss. Der Vater des Kindes ist Elektromechaniker und lebt ebenfalls in Kolumbien. Vorgelegt wurden Geburtsurkunde sowie Schulabschlusszeugnis der Tochter, nicht jedoch ein Meldezettel bzw. eine Unterhaltsvereinbarung, aufgrund der eine Unterhaltsverpflichtung seitens der Bf. gegeben ist. Vorgelegt wurden überdies Kontoauszüge der Bf. aus denen Zahlungen in unterschiedlichen Höhen hervorgehen. An wen diese Überweisungen gerichtet sind, und für welchen Verwendungszweck ist aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich. Das nochmalige Ersuchen um Vorlage von anspruchsbegründenden Unterlagen wurde durch die B. nicht beantwortet.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen gründen sich auf den vorgelegten Verwaltungsakt sowie die vorgelegten Unterlagen der Bf.
Dass die Tochter der Bf. die Schule in Kolumbien besuchte, geht zweifelsfrei aus dem vorgelegten Abschlusszeugnis hervor, dass die Tochter im strittigen Zeitraum noch nicht volljährig war, geht aus der ebenfalls vorgelegten Geburtsurkunde hervor. Die von der Bf. vorgelegten Überweisungsbestätigungen belegen zwar einen Geldtransfer, allerdings ist nicht ersichtlich an wen dieses Geld überwiesen wurde bzw. zu welchem Zweck. Aufgrund dessen haben diese Belege für den Nachweis einer Unterhaltsleistung in der von der Bf. angegebenen Höhe an die Tochter lediglich sehr eingeschränkte Beweiskraft, da nicht nachvollzogen werden kann, wer der Empfänger des Geldes war bzw. wofür dieses Geld gezahlt wurde. Da auch nach nochmaliger Aufforderung seitens des Gerichts keine Unterlagen vorgelegt wurden, denen ein gesetzlicher Unterhalt zu entnehmen ist bzw. die weiteren geforderten Unterlagen ebenfalls nicht vorgelegt wurden, schließt sich das Gericht der Ansicht der Abgabenbehörde an - mangels anders lautender Beweise - den von der Verwaltungspraxis anerkannten Betrag/Monat iHv 50 Euro als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Außergewöhnliche Belastung
§ 34. (1) EStG 1988 Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen: 1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2). 2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3). 3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
(….)
(7) Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:
1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.
2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 3 durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten. (Anm.: Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)
4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.
5. (Verfassungsbestimmung) Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, sind außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen.
Grundsätzlich sind Unterhaltsleistungen an minderjährige Kinder durch den Kinderabsetzbetrag, die Familienbeihilfe oder den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten. Für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, besteht nach § 5 Abs 3 FLAG grundsätzlich kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Für minderjährige im Ausland lebende Kinder trifft Abs 7 keine Regelung. Da aber zumindest die Hälfte der Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhalts erforderlich sind, steuerfrei sein muss, ist eine Entlastung von unbeschränkt steuerpflichtigen Personen, denen keine entsprechende Transferleistung (Familienbeihilfe) zukommt, durch die Gewährung einer außergewöhnlichen Belastung herbeizuführen (VfGH 4.12.01, B 2366/00; VwGH 27.4.05, 2002/14/0050).
Betroffen sind Unterhaltsleistungen von in Österreich beschäftigten Steuerpflichtigen, deren haushaltszugehörige Kinder sich ständig in einem Staat außerhalb des EU/EWR-Raums bzw der Schweiz aufhalten (VfGH 4.12.01, B 2366/00; BFG 29.8.18, RV/7102949/2018).
Das Ausmaß der Unterhaltspflicht orientiert sich unter anderem am angemessenen Unterhalt im Ausland und den eventuellen ausländischen Familienleistungen. Das individuelle Ausmaß der zu berücksichtigenden Unterhaltspflicht des Steuerpflichtigen orientiert sich unter anderem am jeweiligen angemessenen Unterhalt im Ausland (vgl. OGH 11.10.2012, 2 Ob 211/11k) und den eventuellen ausländischen Familienleistungen.
Werden die tatsächlichen Unterhaltskosten nicht nachgewiesen, wird der als außergewöhnliche Belastung anzuerkennende Unterhalt nach der Verwaltungspraxis im Schätzungswege mit € 50,00 pro Kind und Monat angenommen. Der Nachweis höherer Unterhaltsverpflichtungen ist jedoch zulässig (vgl hierzu Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 34 (Stand 1.8.2023, rdb.at).
In Bezug auf die anhängige Beschwerde, lässt sich daraus ableiten wie folgt:
Unstrittig ist, dass die minderjährige Tochter der Bf. im Beschwerdezeitraum bei ihrer Großmutter in Kolumbien gelebt hat. Zudem steht außer Streit, dass die Bf. für ihre Tochter im Inland keine Familienbeihilfe bezogen hat und auch kein Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 4 EStG bestand.
Aus diesem Grunde kann die Bf., in Anlehnung an die oben angeführte Judikatur, geleistete Unterhaltszahlungen nach den allgemeinen Bestimmungen des § 34 EStG steuerlich geltend machen.
Im anhängigen Beschwerdeverfahren wurde die Bf. aufgefordert, die erfolgten Unterhaltszahlungen nachzuweisen.
Im Zuge des Beschwerdeverfahrens vor der belangten Behörde wies die Bf. betreffend das Jahr 2022 lediglich Überweisungsbelege vor, denen aber weder Empfänger noch Zweck der Zahlungen zu entnehmen sind.
Seitens des Bundesfinanzgerichts wurde der Bf. im Zuge eines Ersuchens um Ergänzung vom 05. März 2024 abermals die Möglichkeit eingeräumt, am Verfahren mitzuwirken und um Vorlage von aussagekräftigen Unterlagen betreffend der von ihr angegebenen Unterhaltsleistungen ersucht.
Mittels Schriftsatzes wurde gebeten, die folgenden Unterlagen beizubringen:
• Nachweis der Unterhaltsverpflichtung für das Kind
• Bankbestätigung über die überwiesenen Beträge, aus denen der Empfänger und der Verwendungszweck hervorgeht.
Das gegenständliche Ersuchen um Ergänzung kam nach Ablauf der Hinterlegungsfrist (unbeantwortet) an das Bundesfinanzgericht zurück.
Da aus den vorliegenden Unterlagen weder hervorgeht, dass eine gesetzliche Verpflichtung zur Unterhaltsleistung gegeben ist, noch aus den Überweisungen hervorgeht, dass es sich dabei um Zahlungen an die Tochter für deren Unterhalt handelt, war die belangte Behörde diesbezüglich zur Schätzung verhalten (vgl hierzu VwGH 27.8.2008, 2006/15/0117).
Auch im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht brachte die Bf. keine Nachweise über die erfolgten Zahlungen, aus denen eindeutig sowohl Empfänger als auch Zweck, als auch gesetzliche Grundlage der Zahlungen bzw. Nachweis des Erhalts/Nichterhalts von Familienleistungen in Kolumbien bei.
Soweit die belangte Behörde daher entsprechend der allgemeinen Verwaltungspraxis 50,00 Euro als außergewöhnliche Belastung pro Monat (sohin gesamthaft 600,00 Euro für das gesamte Jahr 2022) anerkannt hat, kann sich die Bf. sohin nicht als beschwert erachten. Da allerdings keine tatsächliche Berücksichtigung dieser außergewöhnlichen Belastung im Bescheid erfolgt ist, ist dies nun nachzuholen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am 9. September 2025