BundesrechtInternationale VerträgeInternationales Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See

Internationales Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See

In Kraft seit 27. August 1988
Up-to-date

Artikel I

Art. 1 Allgemeine Verpflichtungen auf Grund des Übereinkommens

a) Die Vertragsregierungen verpflichten sich, diesem Übereinkommen und seiner Anlage, die Bestandteil des Übereinkommens ist, Wirksamkeit zu verleihen. Jede Bezugnahme auf das Übereinkommen ist gleichzeitig eine Bezugnahme auf die Anlage.

b) Die Vertragsregierungen verpflichten sich, alle Gesetze, Verordnungen, Ausführungsbestimmungen und sonstigen Vorschriften zu erlassen und alle sonstigen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um diesem Übereinkommen volle Wirksamkeit zu verleihen und dadurch zu gewährleisten, daß sich im Hinblick auf den Schutz des menschlichen Lebens ein Schiff für seinen Verwendungszweck eignet.

Artikel II

Art. 2 Anwendungsbereich

Dieses Übereinkommen gilt für Schiffe, die berechtigt sind, die Flagge eines Staates zu führen, dessen Regierung Vertragsregierung ist.

Artikel III

Art. 3 Gesetze und sonstige Vorschriften

Jede Vertragsregierung verpflichtet sich, dem Generalsekretär der Zwischenstaatlichen Beratenden Seeschiffahrts-Organisation (im folgenden als „Organisation“ bezeichnet) folgendes zu übermitteln und bei ihm zu hinterlegen:

a) eine Liste der nichtstaatlichen Stellen, die befugt sind, im Namen der Vertragsregierung Maßnahmen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See zu treffen; diese Liste ist zur Weitergabe an die Vertragsregierungen zur Unterrichtung ihrer Bediensteten bestimmt;

b) den Wortlaut der Gesetze, Verordnungen, Ausführungsbestimmungen und sonstigen Vorschriften, die auf den verschiedenen durch dieses Übereinkommen betroffenen Gebieten erlassen worden sind;

c) eine ausreichende Anzahl von Mustern der nach den Bestimmungen dieses Übereinkommens von der Vertragsregierung ausgestellten Zeugnisse; diese Muster sind zur Weitergabe an die Vertragsregierungen zur Unterrichtung ihrer Bediensteten bestimmt.

Artikel IV

Art. 4 Fälle höherer Gewalt

a) Unterliegt ein Schiff bei Antritt einer Reise nicht den Bestimmungen dieses Übereinkommens, so unterliegt es ihnen auch dann nicht, wenn es wegen Schlechtwetters oder sonstiger höherer Gewalt vom vorgesehenen Reiseweg abweicht.

b) Personen, die sich wegen höherer Gewalt oder wegen der Verpflichtung des Kapitäns an Bord befinden, Schiffbrüchige oder andere Personen aufzunehmen, bleiben bei der Feststellung, ob eine Bestimmung dieses Übereinkommens auf ein Schiff anzuwenden ist, außer Betracht.

Artikel V

Art. 5 Beförderung von Personen in Notfällen

a) Um Personen einer Bedrohung ihres Lebens zu entziehen, kann zur Sicherstellung ihrer Evakuierung eine Vertragsregierung die Beförderung einer größeren Anzahl von Personen auf ihren Schiffen gestatten, als sonst nach diesem Übereinkommen zulässig ist.

b) Eine solche Erlaubnis schließt nicht ein Kontrollrecht der anderen Vertragsregierungen aus, das ihnen nach diesem Übereinkommen in bezug auf Schiffe zusteht, die ihre Häfen anlaufen.

c) Hat eine Vertragsregierung eine solche Erlaubnis erteilt, so teilt sie dies dem Generalsekretär der Organisation unter Beifügung eines Berichts über den Sachverhalt mit.

Artikel VI

Art. 6 Frühere Verträge und Übereinkommen

a) Das am 17. Juni 1960 in London unterzeichnete Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See wird durch dieses Übereinkommen zwischen den Vertragsregierungen abgelöst und aufgehoben.

b) Alle anderen Verträge, Übereinkommen und Vereinbarungen über den Schutz des menschlichen Lebens auf See oder damit zusammenhängende Fragen, die gegenwärtig zwischen den Vertragsregierungen des vorliegenden Übereinkommens in Kraft sind, bleiben während ihrer jeweiligen Geltungsdauer unbeschränkt wirksam in bezug auf

i) Schiffe, auf die dieses Übereinkommen nicht angewendet wird;

ii) Schiffe, auf die dieses Übereinkommen angewendet wird, soweit es sich um darin nicht ausdrücklich geregelte Angelegenheiten handelt.

c) Soweit jedoch solche Verträge, Übereinkommen oder Vereinbarungen zu den Vorschriften dieses Übereinkommens im Widerspruch stehen, sind die letzteren maßgebend.

d) Alle Angelegenheiten, die in diesem Übereinkommen nicht ausdrücklich geregelt sind, bleiben der Gesetzgebung der Vertragsregierungen vorbehalten.

Artikel VII

Art. 7 Vereinbarung besonderer Regeln

Werden im Einklang mit diesem Übereinkommen von allen oder einigen Vertragsregierungen besondere Regeln einvernehmlich aufgestellt, so sind diese dem Generalsekretär der Organisation zur Weiterleitung an alle Vertragsregierungen mitzuteilen.

Artikel VIII

Art. 8 Änderungen

a) Dieses Übereinkommen kann nach einem der beiden unter den nachstehenden Buchstaben vorgesehenen Verfahren geändert werden.

b) Änderungen nach Prüfung innerhalb der Organisation:

i) Jede von einer Vertragsregierung vorgeschlagene Änderung wird dem Generalsekretär der Organisation vorgelegt, der sie spätestens sechs Monate vor der Prüfung an alle Mitglieder der Organisation und alle Vertragsregierungen weiterleitet.

ii) Jede nach Ziffer i vorgeschlagene und weitergeleitete Änderung wird dem Schiffssicherheitsausschuß der Organisation zur Prüfung vorgelegt.

iii) Alle Vertragsregierungen, gleichviel ob ihre Staaten Mitglieder der Organisation sind oder nicht, sind berechtigt, an den Beratungen des Schiffssicherheitsausschusses zur Prüfung von Änderungen und zur Beschlußfassung darüber teilzunehmen.

iv) Änderungen werden mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Vertragsregierungen in dem nach Ziffer iii erweiterten Schiffssicherheitsausschuß (im folgenden als „erweiterter Schiffssicherheitsausschuß“ bezeichnet) beschlossen, sofern bei der Abstimmung mindestens ein Drittel der Vertragsregierungen anwesend ist.

v) Nach Ziffer iv beschlossene Änderungen werden vom Generalsekretär der Organisation allen Vertragsregierungen zur Annahme übermittelt.

vi) 1. Eine Änderung eines Artikels des Übereinkommens oder des Kapitels I der Anlage gilt als an dem Tag angenommen, an dem sie von zwei Dritteln der Vertragsregierungen angenommen worden ist.

2. Eine Änderung der Anlage mit Ausnahme ihres Kapitels I gilt als angenommen

aa) mit Ablauf von zwei Jahren nach dem Tag, an dem sie den Vertragsregierungen zur Annahme übermittelt worden ist, oder

bb) mit Ablauf einer anderen Frist, die mindestens ein Jahr betragen muß, wenn dies im Zeitpunkt der Beschlußfassung mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Vertragsregierungen im erweiterten Schiffssicherheitsausschuß bestimmt worden ist.

Notifizieren jedoch innerhalb der festgesetzten Frist entweder mehr als ein Drittel der Vertragsregierungen oder Vertragsregierungen, deren Handelsflotten insgesamt mindestens fünfzig vH des Bruttoraumgehalts der Welthandelsflotte ausmachen, dem Generalsekretär der Organisation, daß sie Einspruch gegen die Änderung erheben, so gilt sie als nicht angenommen.

vii) 1. Eine Änderung eines Artikels des Übereinkommens oder des Kapitels I der Anlage tritt in bezug auf diejenigen Vertragsregierungen, die sie angenommen haben, sechs Monate nach dem Tag, an dem sie als angenommen gilt, und in bezug auf jede Vertragsregierung, die sie nach diesem Tag annimmt, sechs Monate nach dem Tag der Annahme durch diese Vertragsregierung in Kraft.

2. Eine Änderung der Anlage mit Ausnahme ihres Kapitels I tritt in bezug auf alle Vertragsregierungen mit Ausnahme derjenigen, die nach Ziffer vi Nummer 2 Einspruch dagegen erhoben und diesen Einspruch nicht zurückgenommen haben, sechs Monate nach dem Tag in Kraft, an dem sie als angenommen gilt. Jedoch kann jede Vertragspartei vor dem vorgesehenen Tag des Inkrafttretens dem Generalsekretär der Organisation notifizieren, daß sie die Änderung während einer Frist von höchstens einem Jahr nach ihrem Inkrafttreten oder während einer längeren Frist, die mit Zweidrittelmehrheit der im erweiterten Schiffssicherheitsausschuß bei der Beschlußfassung über die Änderung anwesenden und abstimmenden Vertragsregierungen festgesetzt wird, nicht anwenden wird.

c) Änderung durch eine Konferenz:

i) Auf Antrag einer Vertragsregierung, der von mindestens einem Drittel der Vertragsregierungen unterstützt sein muß, beruft die Organisation eine Konferenz der Vertragsregierungen zur Prüfung von Änderungen dieses Übereinkommens ein.

ii) Jede von einer solchen Konferenz mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Vertragsregierungen beschlossene Änderung wird vom Generalsekretär der Organisation allen Vertragsregierungen zur Annahme übermittelt.

iii) Sofern die Konferenz nichts anderes beschließt, gilt die Änderung nach dem Verfahren des Buchstabens b Ziffer vi als angenommen und tritt nach dem Verfahren des Buchstabens b Ziffer vii in Kraft, wobei die Bezugnahme unter diesen Ziffern auf den erweiterten Schiffssicherheitsausschuß als Bezugnahmen auf die Konferenz gelten.

d)

i) Eine Vertragsregierung, die eine in Kraft getretene Änderung der Anlage angenommen hat, ist nicht verpflichtet, die Vergünstigung dieses Übereinkommens in bezug auf Zeugnisse zu gewähren, die einem Schiff ausgestellt worden sind, das die Flagge eines Staates zu führen berechtigt ist, dessen Regierung nach Buchstabe b Ziffer vi Nummer 2 Einspruch gegen die Änderung erhoben und diesen Einspruch nicht zurückgenommen hat, jedoch nur insoweit, als sich diese Zeugnisse auf Angelegenheiten beziehen, die Gegenstand der betreffenden Änderung sind.

ii) Eine Vertragsregierung, die eine in Kraft getretene Änderung der Anlage angenommen hat, gewährt die Vergünstigung dieses Übereinkommens in bezug auf Zeugnisse, die einem Schiff ausgestellt worden sind, das die Flagge eines Staates zu führen berechtigt ist, dessen Regierung nach Buchstabe b Ziffer vii Nummer 2 dem Generalsekretär der Organisation notifiziert hat, daß sie die Änderung nicht anwenden wird.

e) Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist, gilt jede Änderung dieses Übereinkommens auf Grund dieses Artikels, die sich auf die Bauart eines Schiffes bezieht, nur für Schiffe, deren Kiel an oder nach dem Tag des Inkrafttretens der Änderung gelegt wird oder die sich zu dieser Zeit in einem entsprechenden Bauzustand befinden.

f) Jede Erklärung der Annahme einer Änderung oder des Einspruchs gegen eine Änderung oder jede Notifikation nach Buchstabe b Ziffer vii Nummer 2 wird dem Generalsekretär der Organisation schriftlich mitgeteilt; dieser unterrichtet alle Vertragsregierungen von dieser Mitteilung und vom Tag ihres Eingangs.

g) Der Generalsekretär der Organisation unterrichtet alle Vertragsregierungen von jeder auf Grund dieses Artikels in Kraft tretenden Änderung sowie vom Tag ihres Inkrafttretens.

Artikel IX

Art. 9 Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung und Beitritt

a) Dieses Übereinkommen liegt vom 1. November 1974 bis zum 1. Juli 1975 am Sitz der Organisation zur Unterzeichnung und danach zum Beitritt auf. Staaten können Vertragsparteien dieses Übereinkommens werden,

i) indem sie es ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen,

ii) indem sie es vorbehaltlich der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen und später ratifizieren, annehmen oder genehmigen oder

iii) indem sie ihm beitreten.

b) Die Ratifikation, die Annahme, die Genehmigung oder der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer entsprechenden Urkunde beim Generalsekretär der Organisation.

c) Der Generalsekretär der Organisation unterrichtet die Regierungen aller Staaten, die dieses Übereinkommen unterzeichnet haben oder ihm beigetreten sind, von jeder Unterzeichnung oder von jeder Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde und vom Tag der Hinterlegung.

Artikel X

Art. 10 Inkrafttreten

a) Dieses Übereinkommen tritt zwölf Monate nach dem Tag in Kraft, an dem mindestens fünfundzwanzig Staaten, deren Handelsflotten insgesamt mindestens fünfzig vH des Bruttoraumgehalts der Welthandelsflotte ausmachen, nach Artikel IX Vertragsparteien geworden sind.

b) Jede nach dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens hinterlegte Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde wird drei Monate nach dem Tag ihrer Hinterlegung wirksam.

c) Nach dem Tag, an dem eine Änderung dieses Übereinkommens nach Artikel VIII als angenommen gilt, findet jede hinterlegte Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde auf das Übereinkommen in seiner geänderten Fassung Anwendung.

Artikel XI

Art. 11 Kündigung

a) Jede Vertragsregierung kann dieses Übereinkommen nach Ablauf von fünf Jahren, nachdem es für sie in Kraft getreten ist, jederzeit kündigen.

b) Die Kündigung erfolgt durch Hinterlegung einer Kündigungsurkunde beim Generalsekretär der Organisation; dieser notifiziert allen anderen Vertragsregierungen den Eingang jeder Kündigungsurkunde, den Tag ihres Eingangs und den Tag des Wirksamwerdens der Kündigung.

c) Die Kündigung wird ein Jahr nach dem Tag, an dem die Kündigungsurkunde dem Generalsekretär der Organisation zugegangen ist, oder nach Ablauf eines längeren in der Urkunde bezeichneten Zeitabschnitts wirksam.

Artikel XII

Art. 12 Hinterlegung und Registrierung

a) Dieses Übereinkommen wird beim Generalsekretär der Organisation hinterlegt; dieser übermittelt den Regierungen aller Staaten, die das Übereinkommen unterzeichnet haben oder ihm beigetreten sind, beglaubigte Abschriften.

b) Sobald dieses Übereinkommen in Kraft tritt, übermittelt der Generalsekretär der Organisation dem Generalsekretär der Vereinten Nationen den Wortlaut zur Registrierung und Veröffentlichung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen.

Artikel XIII

Art. 13 Sprachen

Dieses Übereinkommen ist in einer Urschrift in chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache abgefaßt, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. Amtliche Übersetzungen in arabischer, deutscher und italienischer Sprache werden angefertigt und mit der unterzeichneten Urschrift hinterlegt.

ZU URKUND DESSEN haben die von ihren Regierungen hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben.

GESCHEHEN ZU LONDON am 1. November 1974.