Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung bestimmter Regeln über Hilfeleistung und Bergung in Seenot
Artikel 1.
Art. 2Artikel 2.
Art. 3Artikel 3.
Art. 4Artikel 4.
Art. 5Artikel 5.
Art. 6Artikel 6.
Art. 7Artikel 7.
Art. 8Artikel 8.
Art. 9Artikel 9.
Art. 10Artikel 10.
Art. 11Artikel 11.
Art. 12Artikel 12.
Art. 13Artikel 13.
Art. 14Artikel 14.
Art. 15Artikel 15.
Art. 16Artikel 16.
Art. 17Artikel 17.
Art. 18Artikel 18.
Art. 19Artikel 19.
Vorwort
Art. 1 Artikel 1.
Die Hilfeleistungs- und Bergungsdienste für ein in Seenot befindliches Seeschiff, für die an Bord befindlichen Sachen, für die Fracht und das Überfahrtsgeld, sowie die zwischen Seeschiffen und Binnenschiffen geleisteten Dienste gleicher Art unterliegen den folgenden Bestimmungen, ohne daß dabei zwischen Hilfeleistungs- und Bergungsdiensten zu unterscheiden ist und ohne Rücksicht darauf, in welchen Gewässern die Dienste geleistet wurden.
Art. 2 Artikel 2.
Jede erfolgreiche Hilfeleistung oder Bergung begründet einen Anspruch auf angemessene Belohnung.
Eine Belohnung kann nicht beansprucht werden, wenn die geleisteten Dienste ohne Erfolg geblieben sind.
Der zu zahlende Betrag darf in keinem Falle den Wert der geretteten Gegenstände übersteigen.
Art. 3 Artikel 3.
Wer an dem Hilfs- oder Bergungswerke gegen das ausdrückliche und begründete Verbot des Schiffes teilnimmt, zu dessen Gunsten die Hilfeleistung oder Bergung stattfindet, hat keinen Anspruch auf Belohnung.
Art. 4 Artikel 4.
Der Schlepper kann für die Hilfeleistungs- oder Bergungsdienste, die er einem von ihm geschleppten Schiffe oder dessen Ladung erweist, eine Belohnung nur beanspruchen, wenn er außergewöhnliche Dienste geleistet hat, die nicht als zur Erfüllung des Schleppvertrages gehörig angesehen werden können.
Art. 5 Artikel 5.
Eine Belohnung kann auch beansprucht werden, wenn die Hilfeleistung oder Bergung zwischen mehreren Schiffen desselben Eigentümers stattgefunden hat.
Art. 6 Artikel 6.
Der Betrag der Belohnung wird durch die Vereinbarung der Parteien und in Ermanglung einer solchen durch das Gericht bestimmt.
Das Gleiche gilt von dem Verhältnis, in dem die Belohnung unter mehrere an der Rettung Beteiligte zu verteilen ist.
Die Verteilung zwischen dem Schiffseigentümer, dem Kapitän und den sonstigen Personen der Schiffsbesatzung richtet sich für jedes an der Rettung beteiligte Schiff nach dem Rechte seines Heimatstaates.
Art. 7 Artikel 7.
Ein zur Zeit und unter dem Einflusse der Gefahr über Hilfeleistung und Bergung geschlossener Vertrag kann durch den Richter auf Antrag einer Partei für nichtig erklärt oder geändert werden, wenn er die vereinbarten Bedingungen für unbillig erachtet.
In allen Fällen kann der Vertrag von dem Richter auf Antrag der betroffenen Partei für nichtig erklärt oder geändert werden, wenn bewiesen wird, daß die Einwilligung der Partei wegen Arglist oder Verheimlichung mit einem Mangel behaftet ist, oder wenn die Belohnung nach der einen oder der anderen Richtung in übermäßiger Weise außer Verhältnis zu den geleisteten Diensten steht.
Art. 8 Artikel 8.
Die Belohnung wird vom Richter unter Berücksichtigung der Umstände des Falles festgestellt, wobei als Grundlage dienen:
a) an erster Stelle der gezielte Erfolg, die Anstrengungen und Verdienste der an der Hilfeleistung oder Bergung beteiligt gewesenen Personen, die Gefahr, die dem geretteten Schiffe, den darauf befindlichen Reisenden, seiner Besatzung und seiner Ladung sowie den Personen und dem Schiffe, die an der Rettung beteiligt waren, gedroht hat, die verwendete Zeit, die entstandenen Kosten und Schäden, die Haftungs- oder sonstige Gefahr, der sich die an der Rettung Beteiligten ausgesetzt haben, der Wert des von ihnen in Gefahr gebrachten Materials, gegebenenfalls auch die besondere Zweckbestimmung des rettenden Schiffes;
b) an zweiter Stelle der Wert der geretteten Gegenstände.
Die gleichen Bestimmungen finden auf die in Artikel 6, Absatz 2, vorgesehene Verteilung Anwendung.
Das Gericht kann die Belohnung herabsetzen oder gänzlich versagen, wenn erhellt, daß die Retter die Notwendigkeit der Bergung oder Hilfeleistung durch ihre Schuld herbeigeführt oder sich des Diebstahls, der Verheimlichung oder anderer unredlicher Handlungen schuldig gemacht haben.
Art. 9 Artikel 9.
Die geretteten Personen haben, unbeschadet der Vorschriften der Gesetze der einzelnen Staaten, keine Belohnung zu entrichten.
Wer bei Gelegenheit des Unfalles, der den Anlaß zur Bergung oder Hilfeleistung gab, Menschenleben rettete, kann einen billigen Anteil an der Belohnung beanspruchen, die denjenigen Personen zusteht, welche Schiff, Ladung und Zubehör gerettet haben.
Art. 10 Artikel 10.
Der Anspruch auf Belohnung verjährt in zwei Jahren nach dem Tage, an dem das Hilfeleistungs- oder Bergungswerk beendet worden ist.
Die Gründe der Hemmung und Unterbrechung dieser Verjährung werden nach dem Rechte des angerufenen Gerichtes beurteilt.
Die hohen vertragschließenden Teile behalten sich das Recht vor, in ihrer Gesetzgebung eine Verlängerung der vorstehend festgesetzten Frist auf Grund des Umstandes zuzulassen, daß das Schiff, zu dessen Gunsten die Hilfeleistung oder Bergung stattgefunden hat, in den Territorialgewässern des Staates, in welchem der Kläger seinen Wohnsitz oder seine Hauptniederlassung hat, nicht mit Beschlag belegt werden konnte.
Art. 11 Artikel 11.
Jeder Kapitän ist verpflichtet, allen Personen, selbst feindlichen, die auf See in Lebensgefahr angetroffen werden, Beistand zu leisten, soweit er dies ohne ernste Gefahr für sein Schiff, für dessen Besatzung und Reisende imstande ist.
Die Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Bestimmung begründet keine Haftung des Schiffseigentümers.
Art. 12 Artikel 12.
Die hohen vertragschließenden Teile, deren Gesetzgebung Zuwiderhandlungen gegen den vorstehenden Artikel nicht ahndet, verpflichten sich, die zur Ahndung dieser Zuwiderhandlungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen oder ihren gesetzgebenden Körperschaften vorzuschlagen.
Die hohen vertragschließenden Teile werden sich sobald wie möglich die Gesetze und Verordnungen mitteilen, die zur Ausführung der vorstehenden Bestimmung in ihren Staatsgebieten schon erlassen worden sind oder künftig noch erlassen werden.
Art. 13 Artikel 13.
Die Vorschriften der Gesetze des einzelnen Staates und der internationalen Verträge über die Einrichtung eines Hilfeleistungs- oder Bergungsdienstes durch öffentliche Behörden oder unter ihrer Aufsicht, und insbesondere über die Bergung von Fischereigerätschaften, werden durch dieses Übereinkommen nicht berührt.
Art. 14 Artikel 14.
Dieses Übereinkommen findet auch auf Hilfeleistungs- oder Bergungsdienste Anwendung, die von einem Kriegsschiff oder einem Staatsschiff oder einem von einem Staat oder von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts betriebenen oder gecharterten Schiff oder für ein solches Schiff geleistet werden.
Ansprüche gegen einen Staat wegen Hilfeleistungs- oder Bergungsdiensten, die einem Kriegsschiff oder einem Schiff geleistet werden, das bei Eintritt des Ereignisses oder Geltendmachung des Anspruches ausschließlich für einen öffentlichen Dienst und nicht für Handelszwecke bestimmt war, können nur vor den Gerichten dieses Staates geltend gemacht werden.
Jede hohe Vertragspartei hat das Recht zu bestimmen, ob und in welchem Umfang Artikel 11 auf die in Absatz 2 bezeichneten Schiffe Anwendung finden soll.
Art. 15 Artikel 15.
Die Bestimmungen dieses Übereinkommens finden auf alle Beteiligten Anwendung, wenn das hilfeleistende oder bergende Schiff, oder das Schiff, zu dessen Gunsten die Hilfeleistung oder Bergung stattgefunden hat, dem Staate eines der hohen vertragschließenden Teile angehört; sie kommen ferner in den durch die Gesetze des einzelnen Staates bestimmten Fällen zur Anwendung.
Jedoch besteht Einverständnis darüber:
1. daß jeder Vertragsstaat die Anwendung der bezeichneten Bestimmungen auf Beteiligte, die einem Staate angehören, der dem Übereinkommen nicht beigetreten ist, von der Voraussetzung der Gegenseitigkeit abhängig machen kann;
2. daß die Gesetzgebung des einzelnen Staates und nicht das Übereinkommen Anwendung findet, wenn alle Beteiligten demselben Staate angehören, wie das angerufene Gericht;
3. daß der Artikel 11, unbeschadet weitergehender Vorschriften der Gesetze des einzelnen Staates, nur zwischen Schiffen Anwendung findet, die den Staaten der hohen vertragschließenden Teile angehören.
Art. 16 Artikel 16.
Jeder der hohen vertragschließenden Teile ist befugt, drei Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens den Zusammentritt einer neuen Konferenz zu veranlassen, um etwaige Verbesserungen des Übereinkommens herbeizuführen und insbesondere sein Anwendungsgebiet, wenn möglich, zu erweitern.
Will eine Macht von dieser Befugnis Gebrauch machen, so hat sie ihre Absicht den anderen Mächten durch Vermittlung der belgischen Regierung anzuzeigen, die es übernehmen wird, eine neue Konferenz binnen sechs Monaten einzuberufen.
Art. 17 Artikel 17.
Die Staaten, welche dieses Übereinkommen nicht unterzeichnet haben, werden auf ihr Ersuchen zum Beitritte zugelassen. Der Beitritt wird auf diplomatischem Wege der belgischen Regierung und von dieser den Regierungen der anderen vertragschließenden Teile angezeigt; er wird wirksam mit dem Ablauf eines Monats, nachdem die belgische Regierung die Anzeige abgesendet hat.
Art. 18 Artikel 18.
Dieses Übereinkommen soll ratifiziert werden.
Spätestens ein Jahr nach dem Tage der Unterzeichnung des Übereinkommens tritt die belgische Regierung mit den hohen vertragschließenden Teilen, die sich zur Ratifikation bereit erklärt haben, in Verbindung, um entscheiden zu lassen, ob das Übereinkommen in Kraft gesetzt werden soll.
Die Ratifikationsurkunden werden gegebenenfalls unverzüglich in Brüssel hinterlegt werden; das Übereinkommen tritt einen Monat nach dieser Hinterlegung in Wirksamkeit.
Das Protokoll bleibt während eines weiteren Jahres für die auf der Konferenz in Brüssel vertretenen Staaten offen. Nach Ablauf dieser Frist können sie nur in Gemäßheit der Bestimmungen des Artikels 17 beitreten.
Art. 19 Artikel 19.
Falls der eine oder der andere der hohen vertragschließenden Teile dieses Übereinkommen kündigt, wird die Kündigung erst ein Jahr nach dem Tage, an dem sie der belgischen Regierung angezeigt worden ist, wirksam; das Übereinkommen bleibt zwischen den anderen vertragschließenden Teilen in Geltung.
Urkund dessen haben die Bevollmächtigten der hohen vertragschließenden Teile dieses Übereinkommen unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.
Geschehen in Brüssel in einer einzigen Ausfertigung am 23. September 1910.