Vorwort
Artikel I
Art. 1
(Zu Artikel 1 des Übereinkommens)
(1) Rechtshilfe nach dem Übereinkommen und nach diesem Vertrag wird auch für Verfahren wegen strafbarer Handlungen geleistet, deren Bestrafung in dem Zeitpunkt, in dem um Rechtshilfe ersucht wird, in einem der beiden Staaten in die Zuständigkeit eines Gerichtes und im anderen Staat in die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde fällt.
(2) Die auf Grund des Absatzes 1 erbetene Rechtshilfe kann abgelehnt werden, wenn die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und der mit der Leistung der Rechtshilfe verbundene Aufwand im Verhältnis zu der im ersuchenden Staat zu erwartenden Strafe nicht gerechtfertigt wäre.
(3) Auf Ersuchen eines Gerichtes wird Rechtshilfe durch Zustellung von Schriftstücken, sofern der Empfänger zur Annahme bereit ist, auch geleistet, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Handlung nach dem Recht des ersuchten Staates nicht strafbar ist.
(4) Das Übereinkommen und dieser Vertrag werden auch angewendet:
a) auf die Zustellung von Aufforderungen zum Strafantritt oder zur Zahlung von Geldstrafen und Verfahrenskosten;
b) in Angelegenheiten der bedingten Strafnachsicht, der bedingten Entlassung, des Aufschubes des Strafantritts oder der Unterbrechung des Vollzuges;
c) in Gnadensachen;
d) in Verfahren über Ansprüche auf Entschädigung für ungerechtfertigte Haft oder andere durch ein Strafverfahren entstandene Nachteile, soweit nicht Bestimmungen anderer zwischenstaatlicher Vereinbarungen anzuwenden sind.
Artikel II
Art. 2
(Zu Artikel 3 des Übereinkommens)
(1) Gegenstände, die aus der mit Strafe bedrohten Handlung herrühren oder als Entgelt für solche Gegenstände erlangt worden sind, werden zum Zweck der Aushändigung an den Geschädigten übermittelt, sofern dies nach dem Recht des ersuchten Staates zulässig ist und nicht
a) die Gegenstände im ersuchten Staat als Beweisstücke für ein bei einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde anhängiges Verfahren benötigt werden,
b) die Gegenstände im ersuchten Staat der Einziehung oder dem Verfall unterliegen oder
c) Dritte Rechte an ihnen geltend machen.
(2) Für ein Ersuchen nach Absatz 1 ist eine richterliche Anordnung der Beschlagnahme nicht erforderlich.
(3) Ein Zollpfandrecht oder eine sonstige dingliche Haftung nach den Vorschriften des Zoll- oder Steuerrechts wird der ersuchte Staat bei der Übermittlung von Gegenständen unter Verzicht auf deren Rückgabe nicht geltend machen, es sei denn, daß der durch die strafbare Handlung geschädigte Eigentümer der Gegenstände die Abgabe selbst schuldet.
Artikel III
Art. 3
(Zu Artikel 4 des Übereinkommens)
(1) Auf Ersuchen der am Strafverfahren beteiligten Behörden wird deren Vertretern sowie den sonstigen Beteiligten und ihren Rechtsbeiständen die Anwesenheit bei der Vornahme von Rechtshilfehandlungen im ersuchten Staat gestattet. Sie können ergänzende Fragen oder Maßnahmen anregen. Der Schutz nach Artikel 12 Absätze 1 und 3 des Übereinkommens gilt sinngemäß für alle diese Personen.
(2) Zur Dienstverrichtung der Behördenvertreter des anderen Staates bedarf es in der Republik Österreich der Zustimmung des Bundesministers für Justiz, im Fürstentum Liechtenstein der Zustimmung der Regierung.
Artikel IV
Art. 4
(Zu Artikel 5 des Übereinkommens)
Rechtshilfe durch Beschlagnahme von Gegenständen oder Durchsuchung wird nur geleistet, wenn die Bestrafung der dem Ersuchen zugrunde liegenden Handlung in dem Zeitpunkt, in dem um Rechtshilfe ersucht wird, in beiden Staaten in die Zuständigkeit der Gerichte fällt.
Artikel V
Art. 5
(Zu Artikel 6 des Übereinkommens)
Auf die Rückgabe der in Artikel 3 Absatz 1 des Übereinkommens erwähnten Beweisstücke und Schriftstücke wird keinesfalls verzichtet, wenn Dritte, die Rechte an ihnen geltend machen, dem Verzicht nicht zustimmen.
Artikel VI
Art. 6
(Zu Artikel 10 des Übereinkommens)
Artikel 10 Absatz 2 des Übereinkommens findet auf alle Fälle der Vorladung eines Zeugen oder Sachverständigen Anwendung. Diese Personen können selbst einen Vorschuß nach Artikel 10 Absatz 3 des Übereinkommens verlangen.
Artikel VII
Art. 7
(Zu Artikel 11 und 12 des Übereinkommens)
(1) Ersucht einer der beiden Staaten darum, daß eine bei ihm in Haft befindliche Person
a) bei der Erledigung eines Rechtshilfeersuchens im anderen Staat anwesend sein oder
b) zu diesem Zweck über das Hoheitsgebiet des anderen Staates in einen dritten Staat befördert werden soll,
so wird diesem Ersuchen entsprochen, wenn nicht sicherheitspolizeiliche, den Zustand des Häftlings betreffende oder vergleichbare Bedenken entgegenstehen.
(2) Für die Dauer des Aufenthaltes hat der Staat, dem der Häftling nach Absatz 1 überstellt wird, diesen in Haft zu halten. Er darf ihn wegen keiner vor seiner Überstellung begangenen Handlung verfolgen.
(3) Der Häftling wird dem ersuchenden Staat wieder übergeben, sobald der ersuchte Staat die erbetene Rechtshilfehandlung durchgeführt oder den Häftling von dem dritten Staat wieder übernommen hat.
Artikel VIII
Art. 8
(Zu Artikel 13 des Übereinkommens)
(1) Der ersuchte Staat übermittelt von den Sicherheitsbehörden des anderen Staates für Zwecke der Strafrechtspflege erbetene Auskünfte aus dem Strafregister in dem Umfang, in dem seine Sicherheitsbehörden sie in vergleichbaren Fällen erhalten könnten.
(2) Aus anderen Gründen als für Zwecke der Strafrechtspflege werden auf Ersuchen der Behörden des anderen Staates Auskünfte aus dem Strafregister in dem Umfang erteilt, in dem die Behörden des ersuchten Staates sie in vergleichbaren Fällen erhalten könnten.
Artikel IX
Art. 9
(Zu Artikel 14 des Übereinkommens)
(1) In Zustellungsersuchen wird bei den Angaben über den Gegenstand und den Grund des Ersuchens auch die Art des zuzustellenden Schriftstückes sowie die Stellung des Empfängers im Verfahren bezeichnet.
(2) Telefonische und telegrafische Ersuchen bedürfen schriftlicher Bestätigung.
(3) Einem Ersuchen um Durchsuchung oder Beschlagnahme von Beweisstücken oder Schriftstücken wird eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der richterlichen Anordnung beigefügt.
Artikel X
Art. 10
(Zu Artikel 15 des Übereinkommens)
(1) Soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, können die Behörden der beiden Staaten unmittelbar miteinander verkehren. Wird im Zusammenhang mit einem Rechtshilfeersuchen beantragt, die Anwesenheit eines Behördenvertreters bei der Vornahme der Rechtshilfehandlung im ersuchten Staat zu gestatten, so wird überdies eine Abschrift des Ersuchens auf dem in Absatz 2 vorgesehenen Weg übermittelt.
(2) Ersuchen um Vornahme einer Durchsuchung oder Beschlagnahme, um Übermittlung von Gegenständen, um Überstellung oder Durchbeförderung von Häftlingen werden durch den Bundesminister für Justiz der Republik Österreich und durch die Regierung des Fürstentums Liechtenstein übermittelt. In dringenden Fällen ist der unmittelbare Verkehr zwischen den Justizbehörden zulässig, jedoch wird überdies eine Abschrift des Ersuchens auf dem in Satz 1 vorgesehenen Weg übermittelt.
(3) Die in Artikel VIII Absatz 1 dieses Vertrages erwähnten Ersuchen werden durch den Bundesminister für Inneres der Republik Österreich und durch die Regierung des Fürstentums Liechtenstein übermittelt. Bei Gefahr in Verzug ist der unmittelbare Verkehr zwischen den Sicherheitsbehörden und den in Absatz 4 genannten Strafregisterbehörden zulässig.
(4) Andere als die in Absatz 3 genannten Ersuchen um Übermittlung von Auskünften und Auszügen aus dem Strafregister werden an das Strafregisteramt der Bundespolizeidirektion Wien einerseits und an das fürstliche Landgericht in Vaduz andererseits gerichtet.
Artikel XI
Art. 11
(1) Wegen Handlungen, deren Bestrafung in beiden Staaten in die Zuständigkeit der Gerichte fällt, unterstützen einander die Sicherheitsbehörden beider Staaten im Rahmen und in entsprechender Anwendung des Übereinkommens und dieses Vertrages durch
a) Fahndung,
b) Personenfeststellung,
c) Beschaffung und Erteilung von Auskünften.
Die Befragung von Personen zu diesen Zwecken ist zulässig.
(2) Auf Veranlassung einer Justizbehörde des ersuchenden Staates wird bei Gefahr in Verzug Unterstützung auch durch polizeiliche Vernehmung, Durchsuchung und Beschlagnahme von Gegenständen gewährt.
(3) Die Unterstützung nach diesem Artikel erfolgt zwischen den in beiden Staaten bestehenden Zentralbüros der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL).
Artikel XII
Art. 12
(Zu Artikel 20 des Übereinkommens)
Die durch die Übermittlung von Gegenständen zum Zweck der Aushändigung an den Geschädigten (Artikel II) und durch die Überstellung oder Durchbeförderung von Häftlingen (Artikel VII) entstandenen Kosten werden vom ersuchenden Staat erstattet.
Artikel XIII
Art. 13
(Zu Artikel 21 des Übereinkommens)
(1) Anzeigen zum Zweck der Strafverfolgung gemäß Artikel 21 des Übereinkommens können von der zuständigen Staatsanwaltschaft des ersuchenden Staates unmittelbar an die zuständige Staatsanwaltschaft des ersuchten Staates gerichtet werden.
(2) Auf Grund einer nach Artikel 21 des Übereinkommens übermittelten Anzeige eines Staates werden die zuständigen Behörden des anderen Staates prüfen, ob nach dessen Recht eine strafgerichtliche Verfolgung einzuleiten ist. Der Beurteilung von Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr sind im ersuchten Staat die am Tatort geltenden Verkehrsregeln zugrunde zu legen.
(3) Eine zur Einleitung eines Strafverfahrens notwendige Erklärung des Geschädigten (Antrag oder Ermächtigung), die im ersuchenden Staat vorliegt, ist auch im ersuchten Staat wirksam. Eine nur nach dem Recht des ersuchten Staates erforderliche Erklärung kann innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Eingang der Anzeige bei der zur Strafverfolgung zuständigen Behörde dieses Staates nachgeholt werden.
(4) Die Anzeige hat eine kurze Darstellung des Sachverhaltes zu enthalten. Ihr werden beigefügt:
a) die Akten in Urschrift oder Abschrift sowie in Betracht kommende Beweisstücke;
b) eine Abschrift der nach dem Recht des ersuchenden Staates anwendbaren Strafbestimmungen;
c) bei Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr außerdem eine Abschrift der für die Beurteilung maßgebenden Verkehrsregeln.
(5) Dem ersuchten Staat übermittelte Gegenstände oder urschriftliche Unterlagen werden spätestens nach Abschluß des Verfahrens zurückgegeben, soweit der ersuchende Staat auf die Rückgabe nicht verzichtet.
(6) Die Behörden des ersuchenden Staates sehen von weiteren Verfolgungs- oder Vollstreckungsmaßnahmen wegen der angezeigten Tat gegen den Beschuldigten ab, wenn
a) die verhängte Strafe oder vorbeugende Maßnahme vollstreckt oder erlassen oder ihre Vollstreckung ganz oder teilweise ausgesetzt oder verjährt ist;
b) der Täter aus anderen als verfahrensrechtlichen Gründen rechtskräftig freigesprochen worden ist;
c) das Verfahren von einem Gericht oder einer Strafverfolgungsbehörde aus anderen als verfahrensrechtlichen Gründen endgültig eingestellt worden ist.
(7) Die durch die Anwendung des Artikels 21 des Übereinkommens und dieses Artikels entstandenen Kosten werden nicht erstattet.
(8) Dieser Artikel findet auch in dem in Artikel 6 Absatz 2 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 geregelten Fall Anwendung.
Artikel XIV
Art. 14
(Zu Artikel 22 des Übereinkommens)
(1) Die Strafnachrichten werden mindestens einmal vierteljährlich zwischen dem Bundesminister für Inneres der Republik Österreich und der Regierung des Fürstentums Liechtenstein ausgetauscht.
(2) Der Bundesminister für Justiz der Republik Österreich und die Regierung des Fürstentums Liechtenstein übermitteln einander auf Ersuchen in Einzelfällen Abschriften strafgerichtlicher Erkenntnisse betreffend Staatsangehörige des ersuchenden Staates, um diesem die Prüfung zu ermöglichen, ob sie Anlaß zu innerstaatlichen Maßnahmen geben.
Artikel XV
Art. 15
(Zu Artikel 29 des Übereinkommens)
Kündigt einer der beiden Staaten das Übereinkommen, so bleibt es zwischen ihnen weiterhin, zunächst für zwei Jahre, in Kraft. Diese Frist beginnt sechs Monate nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär des Europarates. Sie gilt stillschweigend als für jeweils ein Jahr erstreckt, es sei denn, daß einer der beiden Staaten dem anderen sechs Monate vor dem Ablauf der Frist schriftlich mitteilt, er stimme einer weiteren Erstreckung nicht zu.
Artikel XVI
Art. 16
(1) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation; die Ratifikationsurkunden sollen so bald wie möglich in Wien ausgetauscht werden.
(2) Dieser Vertrag tritt am ersten Tag des dritten Monates in Kraft, der auf den Austausch der Ratifikationsurkunden folgt.
(3) Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Jeder der beiden Staaten kann ihn schriftlich auf dem diplomatischen Weg kündigen; er tritt am ersten Tag des siebenten Monates nach der Notifikation der Kündigung, spätestens aber zu dem Zeitpunkt außer Kraft, zu dem das Europäische Übereinkommen zwischen den Parteien des vorliegenden Vertrages außer Kraft tritt.
Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag unterschrieben und mit Siegeln versehen.
Geschehen zu Vaduz, am 4. Juni 1982, in zwei Urschriften.