(1) Die Bundeswettbewerbsbehörde kann davon Abstand nehmen, die Verhängung einer Geldbuße gegen Unternehmer oder Unternehmervereinigungen zu beantragen, die
1. ihre Mitwirkung an der Zuwiderhandlung eingestellt haben, es sei denn, die Fortführung der Zuwiderhandlung ist nach Auffassung der Bundeswettbewerbsbehörde nach vernünftigem Ermessen möglicherweise erforderlich, um die Integrität ihrer Untersuchung zu wahren,
2. in der Folge wahrheitsgemäß, uneingeschränkt und zügig mit der Bundeswettbewerbsbehörde zwecks vollständiger Aufklärung des Sachverhaltes zusammenarbeiten sowie sämtliche Beweismittel für die vermutete Zuwiderhandlung, die sich in ihrem Besitz befinden oder auf die sie Zugriff haben, vorlegen und, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bundeswettbewerbsbehörde die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmer oder Unternehmervereinigungen nach § 13 Abs. 2 über die Ermittlungsergebnisse in Kenntnis gesetzt hat, weder die Tatsache noch den Inhalt des Ersuchens um Vorgehen nach dieser Bestimmung offenlegen, sofern nichts anderes mit der Bundeswettbewerbsbehörde vereinbart wurde,
3. a) der Bundeswettbewerbsbehörde als Erste Informationen und Beweismittel vorlegen, die es ihr ermöglichen, unmittelbar wegen des Verdachts einer Zuwiderhandlung gegen § 1 KartG 2005 oder Art. 101 Abs. 1 AEUV einen begründeten Antrag nach § 12 Abs. 1 zu stellen, oder
b) der Bundeswettbewerbsbehörde, sofern sie bereits über ausreichende Informationen und Beweismittel aus anderer Quelle verfügt, um eine Hausdurchsuchung zu beantragen, als Erste zusätzliche Informationen und Beweismittel vorlegen, die es ihr ermöglichen, unmittelbar einen begründeten Antrag nach § 36 Abs. 1a KartG 2005 vor dem Kartellgericht einzubringen und
4. andere Unternehmer oder Unternehmervereinigungen nicht zur Teilnahme an der Zuwiderhandlung gezwungen haben.
Beantragt die Bundeswettbewerbsbehörde gegen mindestens einen Teilnehmer an einer Zuwiderhandlung gegen § 1 KartG 2005 oder Art. 101 AEUV eine Geldbuße, so stellt sie gegen das Unternehmen, gegen das sie aufgrund der Anwendung von Abs. 1 Z 3 lit. a oder b keinen Antrag auf Geldbuße stellt, einen Feststellungsantrag nach § 28 Abs. 1a KartG 2005.
(2) Gegen Unternehmer oder Unternehmervereinigungen, die die Voraussetzungen von Abs. 1 Z 3 lit. a oder b nicht erfüllen, kann die Bundeswettbewerbsbehörde bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Z 1, 2 und 4) eine geminderte Geldbuße beantragen. Um für eine Ermäßigung der Geldbuße in Betracht zu kommen, müssen der Bundeswettbewerbsbehörde Informationen und Beweismittel für die vermutete Zuwiderhandlung vorgelegt werden, die gegenüber den bereits in ihrem Besitz befindlichen Informationen und Beweismitteln einen erheblichen Mehrwert darstellen. Bei der Bestimmung des Umfangs der jeweiligen Reduktion ist auf den Zeitpunkt der Abgabe der zusätzlichen Informationen und Beweismittel sowie das Ausmaß des Mehrwerts gegenüber der bereits bekannten Information abzustellen.
(3) Möchte ein Unternehmer oder eine Unternehmervereinigung Abs. 1 oder 2 in Anspruch nehmen, hat die Bundeswettbewerbsbehörde innerhalb angemessener Frist in einer rechtsunverbindlichen, schriftlichen Mitteilung bekannt zu geben, ob sie von diesen Absätzen Gebrauch machen wird. Sieht die Bundeswettbewerbsbehörde die Voraussetzungen für den vollständigen Erlass der Geldbuße als nicht gegeben an, so ist das Ersuchen nach Abs. 1 als Ersuchen auf Ermäßigung der Geldbuße nach Abs. 2 zu betrachten. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat den Bundeskartellanwalt zu benachrichtigen, wenn sie beabsichtigt, keine oder eine geminderte Geldbuße zu beantragen.
(4) Nähere Bestimmungen über die Anwendung von Abs. 1 bis 3, insbesondere Bestimmungen über Marker und Kurzanträge, können im Sinne der Richtlinie (EU) 2019/1 nach Anhörung der Bundeswettbewerbsbehörde, des Bundeskartellanwaltes und der Wettbewerbskommission durch Verordnung der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort erlassen werden.
(5) Informationen aus dem Netzwerk der Wettbewerbsbehörden infolge eines Ersuchens um Kronzeugenbehandlung dürfen nicht als Grundlage für einen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße herangezogen werden. Die Befugnis der Bundeswettbewerbsbehörde, Ermittlungen aufgrund von Informationen aus anderen Quellen als dem Netzwerk der Wettbewerbsbehörden einzuleiten und auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse insbesondere Anträge auf Verhängung einer Geldbuße zu stellen, bleibt unberührt.
(6) Bei der Bundeswettbewerbsbehörde kann ein internetbasiertes Hinweisgebersystem, über welches begründete Hinweise über mögliche Wettbewerbsrechtsverletzungen im Sinne von § 37b KartG 2005 auch anonym gemeldet werden können, eingerichtet werden.
Rückverweise
WettbG · Wettbewerbsgesetz
§ 11b Kronzeugen
(1) Die Bundeswettbewerbsbehörde kann davon Abstand nehmen, die Verhängung einer Geldbuße gegen Unternehmer oder Unternehmervereinigungen zu beantragen, die 1. ihre Mitwirkung an der Zuwiderhandlung eingestellt haben, es sei denn, die Fortführung der Zuwiderhandlung ist nach Auffassung der Bundeswe…
§ 21 Inkrafttreten
…der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 176/2021 ist auf Zuwiderhandlungen anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen werden. § 11b Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 176/2021 ist auf Kronzeugenanträge anzuwenden, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gestellt…
§ 10b Bekanntmachungen
…ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV oder § 1 KartG 2005 zwar festgestellt, aber wegen des Vorgehens der Bundeswettbewerbsbehörde nach § 11b Abs. 1 Z 1 lit. a keine Geldbuße verhängt, hat die Veröffentlichung im Fall eines Kronzeugen iSd § 37e Abs. …
Anwendung der Kronzeugenregelung des Wettbewerbsgesetzes
§ 7 Geldbußenermäßigung
… 11b Abs. 1 Z 3 lit. a oder b WettbG nicht, kann die Bundeswettbewerbsbehörde eine geminderte Geldbuße nach § 11b Abs. 2 WettbG beantragen, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 11b Abs. 1 WettbG kumulativ vorliegen, wobei die beigebrachten Informationen und Beweismittel einen erheblichen Mehrwert…
§ 6 Kooperationsverpflichtung
…Die Kooperationsverpflichtung im Sinne des § 11b Abs. 1 Z 2 WettbG umfasst über den Inhalt des Ersuchens im Sinne des § 2 Abs. 2 hinausgehend insbesondere Folgendes: 1. Zurverfügungstehen für die Bundeswettbewerbsbehörde, insbesondere durch…
§ 5 Form der Ersuchen
…ins Deutsche verlangen. (2) Die Bundeswettbewerbsbehörde bestätigt ehestmöglich dem ersuchenden Unternehmer oder der ersuchenden Unternehmervereinigung den Empfang des Ersuchens um ein Vorgehen nach § 11b WettbG oder des Ersuchens um Setzen eines Markers oder des Kurzantrags schriftlich unter Angabe des Datums und der Uhrzeit. Die Bundeswettbewerbsbehörde übermittelt eine Abschrift dieser Bestätigung…
§ 4 Kurzantrag
…einem anderen Unternehmer oder einer anderen Unternehmervereinigung im Zusammenhang mit derselben mutmaßlichen Zuwiderhandlung bereits einen Kurzantrag oder ein Ersuchen um ein Vorgehen nach § 11b WettbG erhalten hat. Ist dies nicht der Fall und sind die Angaben im Sinne des Abs. 2 vollständig, so teilt dies die Bundeswettbewerbsbehörde dem ersuchenden…