BundesrechtBundesgesetzeBundesgesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung und Entschädigung von Personen, die nach Paragrafen des Strafgesetzes 1945 oder Paragrafen des Strafgesetzbuches verurteilt wurden

Bundesgesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung und Entschädigung von Personen, die nach Paragrafen des Strafgesetzes 1945 oder Paragrafen des Strafgesetzbuches verurteilt wurden

In Kraft seit 01. Februar 2024
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§ 1 Aufhebung von Urteilen

(1) Wer nach § 129 I lit. b in Verbindung mit § 130 des Strafgesetzes 1945, ASlg. Nr. 2, § 129 I in Verbindung mit § 130 des Strafgesetzes 1945 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 273/1971, § 500 des Strafgesetzes 1945 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 273/1971, § 500a des Strafgesetzes 1945 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 273/1971, § 517 des Strafgesetzes 1945 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 273/1971, § 518 des Strafgesetzes 1945 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 273/1971, § 209 des Strafgesetzbuches – StGB in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 60/1974, § 209 StGB in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 599/1988, § 210 StGB in der Stammfassung, § 220 StGB in der Stammfassung oder § 221 StGB in der Stammfassung verurteilt wurde, wird rehabilitiert, indem mit diesem Bundesgesetz die strafgerichtlichen Urteile aufgehoben werden, die aufgrund der vorstehenden Strafbestimmungen ergangen sind, insoweit sie Handlungen in Bezug auf Personen des gleichen Geschlechts erfassten, die bei verschiedengeschlechtlicher Begehung nicht strafbar waren.

(2) Abs. 1 gilt für die Anordnung von mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen entsprechend.

(3) Die Verfahren, die den in den Abs. 1 und 2 genannten Urteilen zugrunde liegen, werden eingestellt.

(4) Über die Regelungen dieses Gesetzes hinaus entfaltet die Aufhebung der Urteile nach den Abs. 1 und 2 keine Rechtswirkungen.

§ 2 Teilaufhebung von Urteilen

(1) Ist ein Urteil auch aufgrund anderer als der in § 1 Abs. 1 genannten Strafbestimmungen ergangen, so wird der Teil des Urteils aufgehoben, der auf den in § 1 Abs. 1 genannten Strafvorschriften beruht.

(2) Abs. 1 gilt für die Anordnung von mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen entsprechend.

§ 3 Feststellung der Aufhebung von Urteilen; Rehabilitierungsbescheinigung

(1) Der Einzelrichter bzw. die Einzelrichterin des Landesgerichts, das in erster Instanz erkannt hat oder in dessen Sprengel das Gericht liegt oder lag, das in erster oder einziger Instanz entschieden hat, stellt auf Antrag des bzw. der Verurteilten oder eines bzw. einer Angehörigen (§ 72 StGB) mit Beschluss fest, ob ein Urteil nach § 1 Abs. 1 aufgehoben ist. In den Fällen des § 2 Abs. 1 stellt er bzw. sie die Teilaufhebung des Urteils und deren Umfang fest. Über die Feststellungen nach dem ersten und zweiten Satz erteilt er bzw. sie dem Antragsteller bzw. der Antragstellerin eine Rehabilitierungsbescheinigung.

(2) Können Umstände, die für die Entscheidung über einen Aufhebungsantrag wesentlich sind, weder aus Strafakten noch anderen öffentlichen Urkunden erhoben werden, so kann das Gericht die Aufhebung feststellen, wenn diese Umstände sonst hinreichend bescheinigt sind.

(3) Die Abs. 1 und 2 gelten für die Anordnung von mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen entsprechend.

§ 4 Entschädigung

(1) Nach diesem Bundesgesetz haben Anspruch auf Entschädigung in Geld aus dem Bundeshaushalt

1. die rehabilitierte Person nach Aufhebung eines Urteils nach § 1 Abs. 1 und 2 sowie § 2,

2. Personen, gegen die wegen der in § 1 Abs. 1 genannten Strafbestimmungen ein Strafverfahren eingeleitet wurde, welches jedoch mit Freispruch endete oder durch Einstellung beendet wurde, sowie

3. Personen, die im Zusammenhang mit den in § 1 Abs. 1 genannten Strafbestimmungen unter besonderen beruflichen, wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Nachteilen oder sonstigen vergleichbaren außergewöhnlich negativen Beeinträchtigungen zu leiden hatten.

(2) Die Entschädigung beträgt

1. im Falle des Abs. 1 Z 1

a) 3 000 Euro je aufgehobenes Urteil und

b) 1 500 Euro je angefangenes Jahr erlittener Freiheitsentziehung;

2. im Falle des Abs. 1 Z 2

a) 500 Euro je eingeleitetes Ermittlungsverfahren und

b) 1 500 Euro je angefangenes Jahr erlittener Freiheitsentziehung;

3. im Falle des Abs. 1 Z 3 einmalig 1 500 Euro.

(3) Ist gemäß § 2 nur ein Teil des Urteils aufgehoben, so ist die Höhe der Entschädigung für eine erlittene Freiheitsentziehung nach Abs. 2 Z 1 lit. b unter Beachtung des Verhältnisses des aufgehobenen Teils zum gesamten Urteil geringer als nach Abs. 2 Z 1 lit. b zu bemessen.

(4) Der Anspruch auf Entschädigung ist nicht pfändbar, nicht übertragbar und nicht vererbbar.

§ 5 Entschädigungsverfahren

(1) Der Anspruch auf Entschädigung ist bis einschließlich 31. Dezember 2033 bei dem im § 3 Abs. 1 genannten Gericht geltend zu machen. Der Einzelrichter bzw. die Einzelrichterin des Landesgerichts setzt die Höhe der Entschädigung mit Beschluss fest.

(2) Antragsberechtigt sind die im § 4 Abs. 1 genannten Personen. Der bzw. die Verurteilte kann einen Antrag auf Aufhebung mit einem Antrag auf Entschädigung verbinden.

(3) Für die Gewährung einer Entschädigung nach § 4 Abs. 2 Z 1 lit. a ist eine Ausfertigung des nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 aufgehobenen Urteils oder eine Rehabilitierungsbescheinigung nach § 3 Abs. 1 dritter Satz vorzulegen. Für die Gewährung einer Entschädigung nach § 4 Abs. 2 Z 1 lit. b, Z 2 oder Z 3 muss der Antragsteller bzw. die Antragstellerin das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen bescheinigen.

§ 6 Geltung der Strafprozeßordnung 1975

Soweit vorstehend nicht anderes bestimmt ist, gelten für das Aufhebungs- und das Entschädigungsverfahren die Bestimmungen der Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975.

§ 7 Inkrafttreten

Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Februar 2024 in Kraft.

§ 8 Vollziehung

Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Justiz betraut.