Vorwort
I. Abschnitt
Sanitätspolizeiliche Öffnung von Leichen und Untersuchung von Leichenteilen.
§ 1 § 1.
Die Öffnung von Leichen und die Untersuchung von Leichenteilen nach § 5 des Gesetzes – sanitätspolizeiliche Obduktion – kann über Anordnung der politischen Bezirksbehörde vorgenommen werden, falls nicht durch andere Erhebungen, insbesondere durch bakteriologische Untersuchungen sichergestellt ist, daß der Tod durch eine anzeigepflichtige Krankheit eintrat.
Die sanitätspolizeiliche Obduktion wird in der Regel vom Amtsarzte der politischen Bezirksbehörde vorgenommen. Steht ein Spezialfachmann zur Verfügung, so ist dieser von der politischen Bezirksbehörde zur Vornahme der Öffnung der Leiche und Untersuchung von Leichenteilen heranzuziehen.
In den mit Prosekturen ausgestatteten allgemeinen öffentlichen Krankenanstalten wird die sanitätspolizeiliche Öffnung von Leichen und Untersuchung von Leichenteilen vom Prosektor der Anstalt unter Intervention des Amtsarztes der politischen Bezirksbehörde in der Prosektur vorgenommen.
§ 2 § 2.
Bei der sanitätspolizeilichen Obduktion dürfen nur Sachverständige und die notwendigen Hilfspersonen anwesend sein.
Der behandelnde Arzt ist, sofern dies tunlich, von Zeit und Ort der Abhaltung der Obduktion mit dem Bemerken zu verständigen, daß es ihm freisteht, der Obduktion beizuwohnen.
§ 3 § 3.
Die Obduktion ist in der zum Sterbeort gehörigen Leichenkammer oder in der nächstgelegenen Prosektur, wenn keine Leichenkammer oder Prosektur zur Verfügung steht, in einem anderen, in sanitärer Hinsicht geeigneten Raume vorzunehmen.
§ 4 § 4.
Die Sachverständigen und die Hilfspersonen haben hinsichtlich Reinhaltung und Desinfektion ihrer eigenen Person und des Obduktionslokales die sachgemäß notwendigen Maßnahmen einzuhalten.
§ 5 § 5.
In dem über die Obduktion aufzunehmenden Protokolle sind alle wichtigen Umstände, sowie die vom Leiter der Amtshandlung getroffenen Anordnungen hinsichtlich der vorschriftsmäßigen Bestattung der Leichenteile und der Beseitigung der Abwässer zu verzeichnen.
II. Abschnitt.
Maßnahmen in Bezug auf Leichen von mit Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Ruhr (Dysenterie), Flecktyphus, Blattern Asiatischer Cholera, Pest, Milzbrand oder Rotz behafteten Personen.
§ 6 § 6.
Leichen von mit Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Ruhr (Dysenterie), Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest, Milzbrand oder Rotz behafteten Personen müssen, sobald der Totenbeschauer den Eintritt des Todes vorschriftsmäßig festgestellt hat, mit tunlichster Beschleunigung in mit Desinfektionsflüssigkeit getränkte Tücher gehüllt und in dicht schließende Särge (innen verdichtete Holzsärge oder gut zu verschraubende oder zu verlötende Metallsärge) gelegt werden, deren Boden mit einer reichlichen Schicht eines gut aufsaugenden Mittels (Sägespäne, Torfmull, Holzkohlenpulver usw.) bedeckt ist.
§ 7 § 7.
Leichen von mit Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Ruhr (Dysenterie), Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest, Milzbrand oder Rotz behafteten Personen dürfen nur in geschlossen Särgen in geeigneten Räumen aufgebahrt werden. Jede Ausschmückung oder Ausstattung der Leichenkammer oder des Raumes, in dem die Aufbahrung erfolgt, ist verboten.
An der Bestattung, die ehetunlichst zu erfolgen hat; dürfen sich außer den nächsten Angehörigen des Verstorbenen nur die dabei berufsmäßig beschäftigten Personen beteiligen.
Der Gemeindevorsteher kann, wenn nach dem Gutachten des im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden Arztes sanitär einwandfreie Verhältnisse vorliegen, bewilligen, daß sich an der Bestattung von Leichen von mit Scharlach, Dyptherie, Abdominaltyphus, Ruhr (Dysenterie), Milzbrand oder Rotz behafteten Personen außer den nächsten Angehörigen des Verstorbenen auch andere Leidtragende beteiligen.
§ 8 § 8.
Die mit dem Waschen, Frisieren, Rasieren, Ankleiden, Einsargen oder der Überwachung der Leiche beschäftigten Personen müssen vor Betreten des Raumes, in dem die Leiche verwahrt ist, ein waschbares Überkleid anziehen und dürfen während ihrer Tätigkeit in diesem Raume weder essen, noch trinken oder rauchen. Nach Beendigung ihrer Arbeit haben sie die hierbei verwendeten Gegenstände (Schwämme, Kämme, Tücher usw.) entweder zur Leiche in den Sarg zu legen oder gründlich zu desinfizieren. Ferner haben sie das Überkleid abzulegen und es gründlich zu desinfizieren, die Schuhe zu reinigen und die Hände, im Falle einer Verunreinigung auch das Gesicht, das Haupt- oder Barthaar einer genauen Reinigung und Desinfektion (Bad) zu unterziehen.
Diese Vorschriften gelten auch für die hierbei mit rituellen Funktionen befaßten und für jene Personen, die sich mit dem Öffnen oder Schließen der Särge oder mit der Aufbahrung der Leichen beschäftigen.
§ 9 § 9.
Das Waschen, Frisieren, Rasieren oder Ankleiden der Leichen von mit Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera oder Pest behafteten Personen ist verboten.
Wer sich mit dem Einsargen der Leiche einer mit Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera oder Pest behafteten Person befaßt hat, ist als ansteckungsverdächtig anzusehen und unterliegt der sanitätspolizeilichen Beobachtung oder Überwachung.
Wer nicht zeitgerecht und mit Erfolg gegen Blattern geimpft ist, darf sich mit der Besorgung der Leichen von mit Blattern behafteten Personen nicht befassen.
§ 10 § 10.
Die Überführung der Leichen aus dem Sterbehaus in die Leichenkammer hat ohne Begleitung, die Überführung aus dem Sterbehaus auf den Friedhof in aller Stille und auf dem kürzesten Weg stattzufinden.
Zur Überführung dürfen nur solche Transportmittel benützt werden, die einer Reinigung und Desinfektion leicht unterzogen werden können.
Die Benützung von dem öffentlichen Verkehr dienendem Fuhrwerk für die Überführung der Leichen ist verboten.
§ 11 § 11.
Die politische Behörde ist berechtigt, den Zeitpunkt der Beerdigung der Leichen festzusetzen.
§ 12 § 12.
Die Bestattung hat auf einem zum Sterbeort gehörigen Friedhof zu erfolgen. Die politische Bezirksbehörde kann bei Vorliegen besonderer Verhältnisse die Überführung auf einen anderen Friedhof gegen Einhaltung der gebotenen Vorsichten bewilligen.
Die Ausgrabung der Leichen von an Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera oder Pest Verstorbenen kann erst ein Jahr nach dem Tode gestattet werden.
Für Ausgrabungen zum Zwecke einer gerichtlichen Leichenbeschau und Leichenöffnung gelten die Bestimmungen des § 127 der Strafprozeßordnung.
§ 13 § 13.
Die religiösen Zeremonien bei Leichen dürfen nur in entsprechend eingerichteten Leichenhallen, sonst aber nur im Freien vorgenommen werden.
§ 14 § 14.
Das Verbot des § 12 des Gesetzes, Leichenmahle und sonstige Totenfeierlichkeiten im Sterbehaus zu veranstalten, hat auch bei Abdominaltyphus oder Ruhr (Dysenterie) Platz zu greifen.
III. Abschnitt.
Besondere Vorschriften für Personen, die sich berufsmäßig mit der Leichenbesorgung befassen.
§ 15 § 15.
Für Personen, die sich berufsmäßig mit der Leichenbesorgung befassen, gelten die Vorschriften des § 8 hinsichtlich aller Leichen von an einer anzeigepflichtigen Krankheit Verstorbenen.
IV. Abschnitt.
Schlußbestimmungen.
§ 16 § 16.
Die in allgemeinen öffentlichen Krankenanstalten mit Rücksicht auf den Spitals- oder Prosekturbetrieb etwa notwendigen Ausnahmen von den Bestimmungen dieser Verordnung werden von der politischen Landesbehörde durch Kundmachungen bekanntgegeben.
§ 17 § 17.
Diese Verordnung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft.