JudikaturVwGH

Ra 2025/22/0046 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und die Hofräte Mag. Berger und Mag. Marzi als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kollmann, über die Revision des C D, vertreten durch Mag. Ali Polat, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Andreasgasse 4/15, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 6. Februar 2025, VGW 151/062/1310/2025 10, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Revision wird als verspätet zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (soweit verfahrensrelevant) in Bestätigung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Dezember 2024 den Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung Angehöriger“ zurück. Gleichzeitig sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig ist. In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass eine Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen ist.

2 Laut dem im Akt erliegenden Rückschein wurde das angefochtene Erkenntnis dem Vertreter des Revisionswerbers am 11. Februar 2025 zugestellt.

3 Am 24. März 2025 wurde die (außerordentliche) Revision direkt beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 2025, abgefertigt am 26. März 2025, wurde die (außerordentliche) Revision zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht Wien weitergeleitet, wo sie am selben Tag einlangte; dem Revisionswerber wurde die verfahrensleitende Anordnung zur Kenntnis übermittelt.

4 Mit Schriftsatz vom 3. April 2025 brachte der Revisionswerber den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist ein.

Zum Antrag auf Wiedereinsetzung:

5 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff des minderen Grades des Versehens als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an einem gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Die Einhaltung der Rechtsmittelfristen erfordert von der Partei bzw. ihrem Vertreter größtmögliche Sorgfalt. Das Verschulden des Parteienvertreters trifft die von diesem vertretene Partei (vgl. zu alldem etwa VwGH 26.3.2024, Ro 2020/22/0008, mwN).

7 Der Adressierung einer, insbesondere fristgebundenen, Eingabe kommt zentrale Bedeutung zu. Kontrolliert ein berufsmäßiger Parteienvertreter einen fristgebundenen Schriftsatz vor der Unterfertigung nicht auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Rechtzeitigkeit, dann fällt ihm schon deshalb auffallende Sorglosigkeit zur Last. Sollte er aber seiner Kontrollpflicht nachgekommen sein, hat er darzulegen, aus welchen besonderen Gründen ihm die unrichtige Adressierung des Schriftsatzes dennoch nicht aufgefallen ist (vgl. VwGH 22.2.2017, Ra 2017/10/0003).

8 Der Revisionswerber sieht das die Einhaltung der Revisionsfrist hindernde Ereignis zusammengefasst darin, dass sein Vertreter zunächst eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht und sich durch die „hintereinander gereihte, unmittelbare Übermittlung [...] eine Automatisierung bzw. Versehen minderen Grades“ eingestellt habe, „sodass die Revision wegen der Erfassung des Verwaltungsgerichtshofes im Advokat Programm unter Adressierung an diesen bei diesem anstelle beim Verwaltungsgericht eingebracht“ worden sei. Die „Reihung hintereinander“ sei erstmalig erfolgt und seien „bisher VfGH Beschwerde und Revision nicht hintereinander gereiht übermittelt“ worden. Die Frist sei „richtig eingetragen, richtig kontrolliert und auch richtig eingehalten“ worden. Bis „auf den letzten Schritt der technischen Übermittlung“ sei „alles richtig eingehalten“ worden.

9 Die Ursache für die Versäumung der Revisionsfrist war somit aber eine unrichtige Festlegung der gesetzlich vorgesehenen Einbringungsstelle für die außerordentliche Revision, die in den juristischen Aufgabenbereich des Vertreters fällt. Da der Adressierung einer fristgebundenen Eingabe wie dargestellt zentrale Bedeutung zukommt, ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen bloß minderen Grad des Versehens im Sinn des § 46 Abs. 1 zweiter Satz VwGG darzutun.

10 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG abzuweisen

Zur Verspätung der Revision:

11 Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes sechs Wochen. Die Revision ist gemäß § 25a Abs. 5 VwGG beim Verwaltungsgericht einzubringen.

12 Wird ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingebracht, so erfolgt eine Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters. Die für die Erhebung der Revision geltende Frist ist nur dann gewahrt, wenn die Revision noch innerhalb der Frist einem Zustelldienst zur Beförderung an die zuständige Stelle übergeben wird oder bei dieser einlangt (vgl. VwGH 27.2.2025, Ra 2024/01/0326, mwN).

13 Das angefochtene Erkenntnis wurde dem Vertreter des Revisionswerbers am 11. Februar 2025 zugestellt; die sechswöchige Revisionsfrist endete daher mit Ablauf des 25. März 2025. Die direkt beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte, von diesem am 26. März 2025 an das Verwaltungsgericht weitergeleitete und dort am selben Tag eingelangte Revision ist verspätet.

14 Die Revision war somit wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 7. Mai 2025

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