Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und die Hofrätin Dr. in Oswald sowie den Hofrat Mag. Pichler als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Wagner, über die Revision des G K, vertreten durch Mag. Stefan Errath, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. März 2025, G315 2247573 2/21E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber ist ein im Jahr 1990 geborener serbischer Staatsangehöriger. Er reiste im Jahr 1991 gemeinsam mit seinen Eltern in das Bundesgebiet ein und besaß bis November 2022 einen unbefristeten Aufenthaltstitel „DaueraufenthaltEU“. Nach erfolgter Rückstufung gemäß § 28 Abs. 1 NAG verfügt der Revisionswerber nunmehr über einen befristeten Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot Karte plus“ mit einer Gültigkeitsdauer von 22. November 2022 bis 22. November 2025. Der Revisionswerber ist Vater zweier 2014 und 2017 geborener Kinder, die beide österreichische Staatsbürger sind und mit der Mutter im gemeinsamen Haushalt leben. Die alleinige Obsorge liegt bei der Mutter der Kinder, der geschiedenen Ehefrau des Revisionswerbers.
2 Der Revisionswerber wurde im Laufe seines Aufenthalts in Österreich mehrfach straffällig.
3 Zunächst wurde der Revisionswerber wiederholt insbesondere wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt:
So wurde er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. Juni 2012 wegen gefährlicher Drohung gemäß § 107 StGB zu einer bedingten (Zusatz )Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt, wobei es sich hierbei um eine Zusatzstrafe zu einer mit Urteil des selben Gerichts vom 30. März 2012 verhängten Strafe handelte. Der Verurteilung vom 5. Juni 2012 lag zu Grunde, der Revisionswerber habe im März 2012 gemeinsam mit einem Mittäter zwei Personen dadurch in Furcht und Unruhe versetzt, dass der Mittäter eine Gaspistole repetiert und gegen die beiden Personen gerichtet habe, während der Revisionswerber selbst eine Eisenstange in der Hand gehalten und den Mittäter aufgefordert habe, auf die anderen Personen zu feuern.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. März 2020 wurde der Revisionswerber dann wegen gefährlicher Drohung gemäß § 107 StGB und teilweise versuchter Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs. 1, 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt, wobei die bedingte Strafnachsicht später widerrufen wurde. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, der Revisionswerber habe im September 2019, während er ein Messer in der Hand gehalten habe, einer anderen Person gegenüber gesagt, sie wären „erst fertig“, wenn diese Person sterben würde, sowie angekündigt, dieser Person „Tschetschenen in ihr Lokal“ zu schicken, um dieses zu verwüsten und die Person umzubringen. Außerdem habe der Revisionswerber seinem Opfer im August und September 2019 über einen Zeitraum von fünf Wochen jeden zweiten bis dritten Tag Schläge sowie zumindest eine Ohrfeige versetzt und es heftig am Oberarm gepackt und zu treten versucht, wodurch das Opfer Abschürfungen am Oberarm erlitten habe, sein Opfer einmal mit dem Mobiltelefon auf den Kopf geschlagen, wodurch es eine blutende Wunde davongetragen habe, und seinem Opfer einmal derartig heftige Schläge gegen Kopf und Bauch versetzt und sein Opfer gewürgt, dass das Opfer starke Schmerzen erlitten habe.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. Oktober 2020 wurde der Revisionswerber wegen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung gemäß § 287 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wobei die bedingte Strafnachsicht später widerrufen wurde. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, der Revisionswerber, der sich zuvor durch Alkohol, Cannabiskraut und Kokain in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt habe, habe im Juni 2020 im Rausch zwei Fensterscheiben eines Restaurants eingeschlagen, wodurch ein Schaden von annähernd € 2.000,00 entstanden sei. Außerdem habe der Revisionswerber in diesem Zustand eine Person mit der Verletzung am Körper bedroht und ihr einen Faustschlag gegen den Kopf versetzt. Schließlich habe der Revisionswerber versucht, eine andere Person durch Schläge und Tritte (auch als diese bereits am Boden lag) zu verletzen.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. Juni 2021 wurde der Revisionswerber schließlich wegen Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB und gefährlicher Drohung gemäß § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in Dauer von acht Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, der Revisionswerber habe im März 2021 eine andere Person durch Faustschläge gegen den Kopf und den Oberkörper sowie Tritte gegen den Oberkörper und die Beine verletzt und dieselbe Person im Mai 2021 in einer Sprachnachricht mit dem Tod bedroht sowie die Wohnadresse dieser Person aufgesucht und gegen die Eingangstür getreten.
4 Es folgten weitere rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen, insbesondere auch wegen Suchtmitteldelikten:
So wurde er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. September 2022 wegen Vorbereitung des Suchtgifthandels gemäß § 28 Abs. 1 erster Satz, zweiter Fall, Abs. 4 erster Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, dass der Revisionswerber im Juni 2022 Cannabiskraut in einer Menge von knapp einem Kilo mit dem Vorsatz besessen habe, dieses in Verkehr zu setzen, indem er es in der Wohnung seines Vaters verwahrt habe, wobei der Revisionswerber selbst an Suchtmittel gewöhnt gewesen sei und die Straftat vorwiegend deshalb begangen habe, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtgift oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Februar 2023 wurde der Revisionswerber wegen Nötigung gemäß § 105 Abs. 1 StGB, gefährlicher Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB und versuchter Bestimmung zur falschen Beweisaussage gemäß §§ 15, 12 zweiter Fall, 288 Abs. 1 und Abs. 4 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, der Revisionswerber habe im September 2022 seine geschiedene Ehegattin durch Drohung mit einer Verletzung am Körper (auch hinsichtlich der Familie seiner geschiedenen Ehegattin) zum Bringen von Zigaretten, Essen und Geld genötigt, seine geschiedene Ehegattin im September 2022 mit dem Umbringen bedroht und sie im September 2022 aufgefordert, bei einer polizeilichen Einvernahme anzugeben, sie habe bisher gelogen.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. August 2023 wurde der Revisionswerber schließlich zu einer unbedingten Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 32 Monaten wegen der Vorbereitung des Suchtgifthandels nach § 28 Abs. 1 erster Satz, zweiter und dritter Fall und Abs. 3 SMG verurteilt. Diesem Urteil lag zu Grunde, dass der Revisionswerber als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im Februar 2023 mit seinen Mittätern mehr als 3.700 Gramm Cannabiskraut aus einer „Bunkerwohnung“ in Wien abgeholt, in ein Fahrzeug verbracht und an einen unbekannten Ort transportiert habe. Der Zweck dieser kriminellen Vereinigung sei der Handel mit Suchtgift gewesen, wobei der Revisionswerber den Transport des Suchtgifts durchgeführt habe.
5Mit Bescheid vom 25. März 2024 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bezug auf die genannten Verurteilungen und die ihnen zu Grunde liegenden Straftaten gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFAVG eine Rückkehrentscheidung, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei, und gewährte ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erließ das BFA überdies gegen den Revisionswerber ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot.
6Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass es das Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG stützte.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 Die Revision richtet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die vom BVwG durchgeführte Gefährdungsprognose sowie gegen die durchgeführte Interessenabwägung. Der Revisionswerber lebe seit seinem ersten Lebensjahr im Bundesgebiet und sei „beruflich und sozial höchst integriert“. Auch habe der Revisionswerber in Haft mittlerweile eine Therapie absolviert und es lägen daher berücksichtigungswürdige Gründe für eine positive Zukunftsprognose vor.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 BVG (VwGH 8.5.2025, Ra 2024/21/0107 bis 0112, Rn. 12, mwN). Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. etwa VwGH 19.1.2023, Ra 2022/21/0159, Rn. 13, mwN).
12 Der Revisionswerber vermag nicht darzulegen, dass dem Verwaltungsgericht gemessen an dieser Judikatur im Hinblick auf die Gefährdungsprognose oder in Bezug auf die gemäß § 9 BFA VG durchgeführte Interessenabwägung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehler unterlaufen wäre.
13Die Annahme des BVwG, dass aufgrund der gesteigerten Delinquenz des Revisionswerbers, die zuletzt zur Verhängung einer fast dreijährigen unbedingten Zusatzfreiheitsstrafe wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel führte, die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG nicht mehr gegeben und sohin auch die Voraussetzung des § 52 Abs. 4 Z 1 FPG erfüllt sei, ist nicht zu beanstanden. So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass Suchtgiftdelikte, wie jene, die der Revisionswerber begangen hat, ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellen, bei denen erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr besteht und bei denen selbst ein im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses aufgrund der damals noch aufrechten Strafhaft noch gar nicht gegebeneslängeres Wohlverhalten in Freiheit noch nicht für die Annahme eines Wegfalls der daraus ableitbaren Gefährdung ausreicht (VwGH 27.2.2025, Ra 2024/21/0085, Rn. 16, mwN). Der bloße Umstand, dass der Revisionswerber nunmehr in der Strafhaft eine Therapie absolviert hat, vermag am Vorgesagten nichts zu ändern, zumal der Revisionswerber auch in der Vergangenheit ungeachtet des verspürten Haftübels und der Möglichkeit einer Therapie nach der Haftentlassung erneut schwerwiegende Straftaten begangen hat (vgl. dazu auch VwGH 21.7.2021, Ra 2021/21/0053, Rn. 15, mwN).
14 Soweit der Revisionswerber im Hinblick auf die vom BVwG nach § 9 BFA VG durchgeführte Interessenabwägung auf die lange Aufenthaltsdauer ab dem Alter von etwa einem Jahr und damit auf den ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestand des § 9 Abs. 4 Z 2 BFAVG Bezug nimmt, ist daraus fallbezogen ebenfalls nichts zu gewinnen: Insbesondere angesichts der (zuletzt erfolgten) Verurteilung wegen der Begehung des Verbrechens der Vorbereitung des Suchtgifthandels von Cannabis in einer Menge von mehr als 3,7 kg durfte das BVwG unter Berücksichtigung auch seiner sonstigen strafrechtlichen Deliquenz, die insbesondere auch andere Suchtmitteldelikte, Körperverletzungen und gefährliche Drohungen umfasste, in einer Gesamtschau (vgl. VwGH 24.10.2024, Ra 2023/21/0090, Rn. 18, mwN) insgesamt von der Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus resultierenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen ausgehen. Somit führt auch eine Bedachtnahme darauf, dass der Revisionswerber im Inland von klein auf aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, wodurch der frühere Aufenthaltsverfestigungstatbestand des § 9 Abs. 4 Z 2 BFA VG (idF vor dem FrÄG 2018) erfüllt wurde, im Rahmen der Interessenabwägung nicht zur Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes.
15 Im Übrigen hat das BVwG nach mündlicher Verhandlung und Verwertung des dabei vom Revisionswerber gewonnenen persönlichen Eindrucksbei seiner Interessenabwägung sowohl die in Österreich lebenden Angehörigen als auch die Beziehung des Revisionswerbers zu seinen beiden minderjährigen Kindern ausreichend berücksichtigt und durfte dabei auch ins Kalkül ziehen, dass die alleinige Obsorge bei der Kindesmutter liegt. Angesichts der fortgesetzten und insgesamt schwerwiegenden Straffälligkeit des Revisionswerbers, der seit März 2020 insgesamt sechsmal zu zum Teil unbedingten Freiheitsstrafen verurteilt worden ist, ist die Ansicht des BVwG, dass die weitgehende Verunmöglichung der (persönlichen) Kontakte zu seinen österreichischen Kindern im Hinblick auf die vom Revisionswerber ausgehende Gefährdung der öffentlichen Interessen hinzunehmen sei, nicht als unvertretbar anzusehen (vgl. etwa VwGH 21.7.2021, Ra 2021/21/0053, Rn. 15).
16 Die Revision war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 31. Juli 2025