Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des 1. V T, der 2. S K, der 3. E N, der 4. D T, und der 5. M T, alle vertreten durch Mag. Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in Linz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Mai 2025, 1. I413 2303016 1/14E, 2. I413 2303014 1/14E, 3. I413 2303013 1/11E, 4. I413 2303011 1/11E, und 5. I413 2310691 1/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und Eltern der minderjährigen Dritt bis Fünftrevisionswerberinnen. Alle Revisionswerber sind Staatsangehörige der Türkei.
2 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin stellten am 18. Juli 2023 für sich sowie die Dritt und Viertrevisionswerberinnen Anträge auf internationalen Schutz. Begründend brachte der Erstrevisionswerber vor, er habe die Türkei verlassen, weil er dort keine Zukunft für sich und seine Kinder gesehen habe. Seine Kinder hätten mitansehen müssen, wie er aufgrund seiner politischen Ansichten von Beamten zusammengeschlagen worden sei. Die Zweitrevisionswerberin schloss sich im Wesentlichen den Fluchtgründen des Erstrevisionswerbers an.
3 Für die in Österreich nachgeborene Fünftrevisionswerberin wurde am 14. Februar 2025 internationaler Schutz beantragt. Für die Dritt bis Fünftrevisionswerberinnen wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.
4 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies die Anträge mit Bescheiden vom 10. Oktober 2024 und vom 11. März 2025 (hinsichtlich der Fünftrevisionswerberin) sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des Status von subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass die Abschiebung der revisionswerbenden Parteien in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt V.), und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt VI.).
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gegenständlich eingebrachte außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision richtet sich zunächst gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts und bringt vor, das Bundesverwaltungsgericht habe die psychische Belastung des Erstrevisionswerbers bei der Würdigung seines Fluchtvorbringens nicht berücksichtigt.
11 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 12.3.2025, Ra 2025/19/0039, mwN).
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass psychische Erkrankungen im Hinblick auf konstatierte Unstimmigkeiten im Aussageverhalten zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 20.3.2023, Ra 2022/19/0028, mwN).
13 Der Erstrevisionswerber bejahte zu Beginn der mündlichen Verhandlung die Frage des erkennenden Richters des Bundesverwaltungsgerichts, ob er physisch und psychisch in der Lage sei, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Gegenteiliges wurde auch während der Verhandlung nicht behauptet und der erkennende Richter stellte keine Auffälligkeiten im Aussageverhalten des Erstrevisionswerbers fest. Inwieweit eine psychische Erkrankung des Erstrevisionswerbers vorläge, welche sein Aussageverhalten tatsächlich beeinträchtigt habe, legt die Revision zudem nicht konkret dar.
14 Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in welcher es sich einen persönlichen Eindruck von den volljährigen Revisionswerbern verschaffte, mit deren Fluchtvorbringen sowie den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten auseinander und erachtete die Fluchtvorbringen aufgrund von in dem angefochtenen Erkenntnis näher dargestellten widersprüchlichen, nicht plausiblen und gesteigerten Angaben als nicht glaubhaft. Dass diese Beweiswürdigung in ihrer Gesamtheit an einer vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Mangelhaftigkeit leidet, zeigt die Revision mit ihren Ausführungen nicht auf.
15 Dem Revisionsvorbringen, wonach die Unstimmigkeiten im Aussageverhalten des Erstrevisionswerbers untergeordnete Detailfragen betreffen würden, ist zu entgegnen, dass sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung nicht allein darauf, sondern auch auf weitere, für sich betrachtet tragfähige Erwägungen stützte. Dies gilt auch für den Vorhalt in der Revision, das Bundesverwaltungsgericht habe das Kommunalwahlergebnis in unvertretbarer Weise herangezogen, um die Verfolgungssituation des Erstrevisionswerbers in seiner Heimatregion zu beurteilen.
16 Soweit die Revision der Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts durch das Anführen von allgemeinen Länderberichten zum Vorgehen der AKP Regierung gegen die türkische Opposition und damit auch gegen die CHP entgegentritt, ist dem entgegen zu halten, dass Feststellungen allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Revisionswerber gerichteten Verfolgung nicht ersetzen können (vgl. VwGH 17.3.2025, Ra 2024/14/0777, mwN). Eine unvertretbare Beweiswürdigung wird damit nicht aufgezeigt.
17 Weiters rügt die Revision die Auseinandersetzung des Bundesverwaltungsgerichts mit einem vorgelegten Dokument zum Beweis eines gegen den Erstrevisionswerber anhängigen Strafverfahrens in der Türkei und der ihm drohenden Haftbedingungen. Dazu ist auszuführen, dass sich das Bundesverwaltungsgericht sowohl mit dem vorgelegten Dokument als auch den Haftbedingungen in der Türkei beweiswürdigend auseinandergesetzt hat und die Revision diesen Erwägungen nichts Stichhaltiges entgegensetzt. Vielmehr zielt sie mit ihren Ausführungen darauf ab, ihre eigenen beweiswürdigenden Erwägungen an die Stelle jener des Bundesverwaltungsgerichts zu setzen und verkennt, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht darauf ankommt, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 6.2.2025, Ra 2024/19/0320, mwN).
18 Die Revision bringt des Weiteren vor, die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu Steigerung des Fluchtvorbringens des Erstrevisionswerbers seien aktenwidrig. Der Revisionswerber habe bereits im Rahmen seiner Einvernahme durch das BFA angegeben, dass auch seine Familienmitglieder im Zusammenhang mit deren Mitgliedschaft in der CHP Probleme mit der Polizei hätten.
19 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Aktenwidrigkeit nur dann vor, wenn sich die Behörde bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen wurden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. VwGH 18.2.2025, Ra 2024/19/0515, mwN). Das vom Revisionswerber als Aktenwidrigkeit geltend gemachte Argument bezieht sich der Sache nach auf die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts. Eine Aktenwidrigkeit wird damit nicht dargelegt.
20 Schließlich macht die Revision eine Verletzung der Ermittlungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts geltend. Der Erstrevisionswerber sei nicht zu den Unvollständigkeiten und Unstimmigkeiten im von ihm zum Beweis seiner CHP Mitgliedschaft vorgelegten Schreiben befragt worden; er hätte diese jedoch aufklären können.
21 Werden wie gegenständlich Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung auch deren Relevanz dargetan werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Dies setzt voraus, dass auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Auch eine Verletzung des Parteiengehörs bewirkt nur dann einen wesentlichen Mangel, wenn das Verwaltungsgericht bei dessen Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Der Revisionswerber muss deshalb die entscheidenden Tatsachen behaupten, die dem Verwaltungsgericht wegen des Verfahrensmangels unbekannt geblieben sind. Er darf sich nicht darauf beschränken, den Mangel bloß zu rügen, sondern muss konkret darlegen, welches Vorbringen er im Fall der Einräumung des vermissten Parteiengehörs erstattet hätte und inwiefern das Verwaltungsgericht dadurch zu einer anderen (für ihn günstigeren) Entscheidung hätte gelangen können (vgl. VwGH 26.2.2025, Ra 2024/19/0533, mwN). Die Revision zeigt mit ihren Ausführungen die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensfehlers nicht auf.
22 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 30. Juli 2025