JudikaturVwGH

Ra 2025/19/0179 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des R G, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Mai 2025, L533 2307815 1/5E, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 24. September 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Mit Bescheid vom 10. Dezember 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit Schriftsatz vom 9. Jänner 2025 erhob der Revisionswerber gegen den Bescheid des BFA per E Mail Beschwerde, die am 14. Februar 2025 beim BFA einlangte und dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht dem Revisionswerber die Versäumung der Beschwerdefrist vorgehalten hatte, stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist.

4 Mit Beschlüssen vom 7. Mai 2025 wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet ab und wies die Beschwerde als verspätet zurück. Es sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG jeweils nicht zulässig sei.

5 Das Bundesverwaltungsgericht stellte soweit hier relevant fest, der Bescheid des BFA vom 10. Dezember 2024 sei dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers am 13. Dezember 2024 durch Hinterlegung zugestellt und in weiterer Folge noch am selben Tag behoben worden. Die Frist zur Einbringung einer Beschwerde betrage vier Wochen und habe daher mit Ablauf des 10. Jänner 2025 geendet.

6 Am 14. Februar 2025 sei beim BFA eine Beschwerde eingelangt, die per E Mail durch die rechtliche Vertretung des Revisionswerbers eingebracht worden sei. Mit Verspätungsvorhalt vom 26. Februar 2025 sei dem Revisionswerber seitens des Bundesverwaltungsgerichts mitgeteilt worden, dass sich seine Beschwerde als verspätet erweise. Der Verspätungsvorhalt sei dem Rechtsvertreter im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am 26. Februar 2025 übermittelt worden.

7 Mit Schreiben vom 13. März 2025, eingelangt am nächsten Tag, habe der Revisionswerber durch seinen Rechtsvertreter einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

8 In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht soweit hier relevant aus, dass der Brand im Bürogebäude des Rechtsvertreters des Revisionswerbers und die dadurch nach seinem Vorbringen verursachten technischen Schwierigkeiten, welche zur Versäumung der Beschwerdefrist geführt hätten, im konkreten Fall weder ein unabwendbares, noch ein unvorhergesehenes Ereignis darstellten, das eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertige. Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers habe seinen Arbeitsplatz nach dem Brand in seine private Wohnstätte verlegen müssen und zur Datenübertragung, nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der dortigen Internetverbindung, einen mobilen Hotspot über das Smartphone eingerichtet. Im Hinblick darauf, dass sich diese provisorische Lösung deutlich von den Gegebenheiten in seiner Rechtsanwaltskanzlei unterschieden habe, hätte sich der Rechtsvertreter vergewissern müssen, dass die per E Mail übermittelte Beschwerde dem BFA tatsächlich zugestellt worden sei. Das damit nicht im Einklang stehende Vorgehen des Rechtsvertreters stelle daher ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar, welches der Wiedereinsetzung entgegenstehe.

9 Der Revisionswerber wendet sich in seiner außerordentlichen Revision ausschließlich gegen jenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, der Rechtssatz zu VwGH 29.6.2022, Ra 2020/13/0079, betreffend den minderen Grad des Versehens sei unrichtig bzw. zu streng ausgelegt worden. Gegenständlich sei bei Übermittlung der Beschwerde per E Mail keine Fehlermeldung aus dem „Mail Delivery System“ gekommen. Bislang sei der Ausdruck der E Mails immer Bescheinigung für ihren erfolgreichen Versand gewesen und bilde somit das Kontrollinstrument. Der Ausdruck sei jedoch vom Rechtsvertreter insofern falsch interpretiert worden, als der fehlende „Gesendet“ Vermerk optisch nicht aufgefallen sei. In welchem Speicher sich die Beschwerde als Anhang der E Mail vom 9. Jänner 2025 bis 14. Februar 2025 befunden habe, sei unklar.

14 Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:

15 Die Frage, ob ein im Sinn des § 33 Abs. 1 VwGVG unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ein grobes Verschulden der Partei zur Säumnis geführt hat, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Der Begriff des minderen Grads des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben. Auch ist durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, dass ein Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei trifft, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. VwGH 29.5.2024, Ra 2023/19/0214, mwN).

16 Diese Sorgfalt erfordert nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch, dass sich der Parteienvertreter bei der Übermittlung von fristgebundenen Eingaben im elektronischen Weg wie im vorliegenden Fall etwa per E Mail vergewissert, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Dabei reicht es nicht aus, wenn sich der Parteienvertreter lediglich darauf verlässt, dass nach der Absendung einer E Mail Nachricht keine Fehlermeldung erfolgt. Unterbleibt diese Kontrolle aus welchen Gründen auch immer, stellt dies ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar (VwGH 29.6.2022, Ra 2020/13/0079, mwN).

17 Angesichts dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass das Unterbleiben einer Kontrolle der Übertragung der am 9. Jänner 2025 vermeintlich versendeten E Mail ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden des Rechtsvertreters darstelle, keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit entnommen werden. Das Bundesverwaltungsgericht führte in diesem Zusammenhang aus, der Umstand, dass es dem Rechtsvertreter möglich gewesen sei, die E Mail, wie in seinem Kanzleibetrieb üblich, auszudrucken, ändere nichts an seiner Verpflichtung, die erfolgreiche Übertragung zu überprüfen. Bei Kontrolle des Ausdrucks wäre dem Rechtsvertreter aufgefallen, dass der üblicherweise auf dem E Mail angeführte Sendezeitpunkt fehle. Die Revision zeigt mit ihrem Vorbringen nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Würdigung von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der erfolgreichen Übertragung fristgebundener Eingaben per E Mail abgewichen wäre (vgl. erneut VwGH 29.6.2022, Ra 2020/13/0079, mwN).

18 Es wurde nicht vorgebracht, dass der Rechtsvertreter abgesehen von dem Umstand, dass er die E Mail ausgedruckt habe, ohne den fehlenden Sendezeitpunkt zu bemerken überprüft habe, ob die versendete Beschwerde erfolgreich an die belangte Behörde übertragen worden sei.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 30. Juli 2025

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