Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision der S S, vertreten durch Mag. Hilal Kafkas, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2025, I412 2296858 1/7E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Gambias, stellte am 28. August 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie im Wesentlichen damit begründete, sie habe während eines Urlaubes in Ungarn, den sie aufgrund eines entsprechenden Visums legal angetreten habe, erfahren, dass ihr Onkel sie mit einem Angehörigen der Volksgruppe der Madinka zwangsverheiraten wolle (bzw. dies in ihrer Abwesenheit bereits getan habe), was mit sich bringen würde, dass sie im Fall einer Rückkehr nach Gambia zu einer Genitalverstümmelung gezwungen würde, da dies in der genannten Volksgruppe üblich sei. Ihr Onkel habe ihr gedroht, sie zu töten, sollte sie sich der Eheschließung widersetzen.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 5. Juli 2024 zur Gänze ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, sprach aus, dass ihre Abschiebung nach Gambia zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
4 Das BVwG schenkte dem oben dargestellten Vorbringen aus im Einzelnen dargelegten Gründen keinen Glauben; der Revisionswerberin drohe in Gambia nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen. Die Revisionswerberin sei im Fall der Rückkehr auch keiner existenziellen Bedrohung ausgesetzt, sodass auch kein subsidiärer Schutz zu gewähren sei. Die Rückkehrentscheidung begründete das BVwG mit dem Überwiegen der für die Beendigung des Aufenthalts der Revisionswerberin in Österreich sprechenden öffentlichen Interessen gegenüber ihren privaten Interessen an einem Verbleib.
5 Dagegen erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 6. Juni 2025, E 1460/2025 5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Soweit sich die Revision gegen die Nichtzuerkennung des Status einer Asylberechtigten wendet, bringt sie zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe die Begründungspflicht verletzt, weil es das Vorbringen der Revisionswerberin übergangen habe, der gambische Staat gewähre „in keinem Fall“ ausreichenden Schutz für Frauen, die von Traditionen wie (trotz gesetzlichen Verbotes weiterhin praktizierter) Genitalverstümmelung, Vergewaltigung in der Ehe oder Zwangsheirat betroffen seien. Die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses erschöpfe sich diesbezüglich darin, dass das Vorbringen der Revisionswerberin nicht als glaubhaft angesehen werden könne, wobei sich das BVwG überwiegend auf reine Mutmaßungen gestützt habe.
11 Dem ist zu entgegnen, dass das BVwG detailreiche Feststellungen zur Bedrohungslage für Frauen in Gambia durch Traditionen wie Genitalverstümmelung (FGM), Vergewaltigung in der Ehe oder Zwangsheirat getroffen hat; insbesondere hat das BVwG festgehalten, dass die Verteilung der (gesetzlich verbotenen, aber weiterhin praktizierten) FGM Praktiken unter den verschiedenen Ethnien unterschiedlich ausfalle (etwa 96,7 % der Madinka/Jahanka, aber nur 12,5 % der Wolof). Nur wenige Fälle würden angezeigt, da entweder das Gesetz abgelehnt werde oder eine Scheu davor bestehe, Familienmitglieder oder Mitglieder der Gemeinschaft anzuzeigen.
12 Die Annahme der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens der (unstrittig der Ethnie der Wolof angehörenden) Revisionswerberin, ihr Onkel wolle sie mit einem Angehörigen der Volksgruppe der Madinka zwangsverheiraten (oder habe dies bereits getan), was im Fall der Rückkehr eine Genitalverstümmelung mit sich brächte, und habe ihr für den Fall der Weigerung mit dem Tod gedroht, stützte das BVwG entgegen dem Revisionsvorbringen auf ausführliche beweiswürdigende Überlegungen, etwa diverse Widersprüche und Unplausibilitäten in den Schilderungen der Revisionswerberin bei der Einvernahme vor dem BFA einerseits und während der Verhandlung vor dem BVwG andererseits.
13 Vor diesem Hintergrund trifft weder der Vorwurf der Verletzung der Begründungspflicht wegen Übergehens des Vorbringens der Revisionswerberin zu, noch wird in der Revision eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung dargelegt. Denn als Rechtsinstanz ist der Verwaltungsgerichtshof zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen; im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. zu diesem Prüfmaßstab im Revisionsverfahren etwa VwGH 6.10.2024, Ra 2024/18/0474, mwN), was von der Revision nicht aufgezeigt wird.
14 Gegen die Rückkehrentscheidung wendet sich die Zulässigkeitsbegründung der Revision mit dem Vorbringen, dass die in diesem Zusammenhang gebotene Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK aufgrund der „schlechten Sicherheits- und Menschenrechtslage“ in Gambia zu Gunsten der Revisionswerberin ausfallen hätte müssen.
15 Dem ist zunächst zu entgegnen, dass Fragen der „schlechten Menschenrechtslage“ gegenständlich bereits im Zusammenhang mit der Gewährung internationalen Schutzes, insbesondere des begehrten subsidiären Schutzstatus, zu klären waren und vom BVwG auch überprüft worden sind. Jedenfalls setzen sich die pauschal gehaltenen und nicht auf die (Rückkehr )Situation der Revisionswerberin Bezug nehmenden Ausführungen der Revision zur „schlechten Sicherheits- und Menschenrechtslage“ in keiner Weise mit den Erwägungen auseinander, aufgrund derer das BVwG im angefochtenen Erkenntnis etwa zur Einschätzung gelangte, dass es der Revisionswerberin aufgrund ihrer familiären Anknüpfungspunkte sowie ihrer sprachlichen und kulturellen Bindungen in Gambia möglich sein werde, sich wieder in die gambische Gesellschaft zu integrieren, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und für ihren Lebensunterhalt aufzukommen.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 6. August 2025