Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, über die Revision des DDr. P H in W, vertreten durch die Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Rathausstraße 15, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 25. Februar 2025, Zl. RV/7100106/2025, betreffend Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens (Einkommensteuer 2002 bis 2005), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Eingabe vom 19. Oktober 2023 beantragte der Revisionswerber die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2002 bis 2005. Der Antrag wurde auf „neue Tatsachen und Beweismittel“ gestützt. Die Einkommensteuerbescheide seien auf Feststellungsbescheide gestützt; gegen diese Feststellungsbescheide gerichtete Beschwerden seien als unzulässig zurückgewiesen worden, weil diese Feststellungsbescheide nicht wirksam seien. Dass diese Erledigungen unwirksam seien, sei dem Revisionswerber erst mit Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzgerichts vom 5. Juli 2023 bekannt geworden. Im Einkommensteuerverfahren liege ein Wiederaufnahmegrund vor, wenn die Tatsache, dass kein wirksamer Feststellungsbescheid ergangen sei (nämlich jene Sachverhaltselemente, die für das Vorliegen absolut nichtiger Verwaltungsakte bedeutsam gewesen seien), neu hervorgekommen sei.
2 Mit Bescheid vom 20. Februar 2024 wies das Finanzamt den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens (Einkommensteuer 2002 bis 2005) ab. In der Begründung führte das Finanzamt aus, Erfordernis für eine Wiederaufnahme auf Antrag sei, dass die neu hervorgekommene Tatsache aus Sicht des Antragstellers „neu“ sei, also bisher unbekannt gewesen sei. Da der Feststellungsbescheid bekämpft worden sei, sei eine falsche Zustellung jenes Bescheides im dortigen Verfahren geltend gemacht bzw. vom Gericht erkannt worden. Der Antrag auf Wiederaufnahme sei aufgrund fehlender neu hervorgekommener Tatsachen für den Antragsteller abzuweisen gewesen. Dies beeinträchtige nicht die Möglichkeit des Antragstellers, innerhalb eines Jahres ab Zurückweisung der Beschwerde einen Antrag auf Aufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO zu stellen.
3 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11. Oktober 2024 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
5 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Bundesfinanzgericht.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision nicht zulässig sei.
7 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, infolge des Ergehens der als Feststellungsbescheide intendierten Erledigungen nach § 188 BAO betreffend die I GmbH ehemalige atypisch stille Gesellschafter vom 20. Oktober 2011 sei eine entsprechende Zurechnung von Gewinntangenten in die Einkommensteuerbescheide des Revisionswerbers u.a. betreffend die Jahre 2002 bis 2005 erfolgt. Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 5. Juli 2023 sei die Beschwerde gegen die als Feststellungsbescheide intendierten Erledigungen als unzulässig zurückgewiesen worden. Die Zurückweisung sei im Wesentlichen mit der Begründung erfolgt, dass nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts die Feststellungsbescheide vom 20. Oktober 2011 nicht den Anforderungen des Verwaltungsgerichtshofes nach Einheitlichkeit entsprochen hätten und daher unwirksam seien. Die Unwirksamkeit beruhe auf dem Umstand, dass ein Beteiligter in der Feststellungserklärung (mit einem Anteil an den Einkünften von 0 €) angegeben worden sei, er jedoch in den Feststellungsbescheiden nicht als Bescheidadressat angeführt worden sei.
8 An den Beschwerdeführer seien für die Streitjahre jeweils mehrere aufgrund von § 295 Abs. 1 BAO abgeänderte Einkommensteuerbescheide ergangen (für das Jahr 2002 die Bescheide vom 12. Mai 2006, 9. April 2008 und 14. Dezember 2012; für das Jahr 2003 die Bescheide vom 9. April 2008, 14. Dezember 2012, 3. September 2013, 18. Dezember 2013 sowie das Erkenntnis vom 7. Juni 2022; betreffend das Jahr 2004 die Bescheide vom 27. Juli 2007, 9. April 2008, 7. November 2008, 14. Dezember 2012 sowie das Erkenntnis vom 7. Juni 2022; betreffend das Jahr 2005 die Bescheide vom 12. Februar 2008, 4. März 2008, 19. März 2008, 9. April 2008, 14. Dezember 2010, 22. Juli 2011 sowie das Erkenntnis vom 7. Juni 2022).
9 Der Unwirksamkeit der Erledigungen über die Feststellung von Einkünften sei der Umstand zugrunde gelegen, dass ein in den Feststellungserklärungen genannter Beteiligter nicht in den Feststellungsbescheiden als Bescheidadressat angeführt gewesen sei. Selbst wenn dieser Umstand als Tatsache anzusehen wäre, handle es sich nicht um eine neu hervorgekommene Tatsache. Vielmehr hätten der Revisionswerber oder sein steuerlicher Vertreter schon vor dem Ergehen des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom 7. Juni 2022 über die entsprechende Tatsachenkenntnis verfügt. Der Revisionswerber sei auch mehrfach auf die Möglichkeit der Stellung eines Antrags nach § 295 Abs. 4 BAO hingewiesen worden.
10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, soweit ersichtlich existiere zur Frage, ob die neu hervorgekommene Tatsache der Nichtigkeit eines Bescheides eine solche im Sinne des § 303 BAO darstelle, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Nicht der Beschluss vom 5. Juli 2023 an sich stelle die neu hervorgekommene Tatsache dar, sondern die dem Revisionswerber bis zur Erlassung des zurückweisenden Beschlusses nicht bekannte Tatsache der Nichtigkeit der betreffenden Feststellungsbescheide. Durch jenen Beschluss sei die Rechtslage gerade nicht geändert worden. Es gehe um die erst am 5. Juli 2023 bekannt gewordene Tatsache, wonach den Einkommensteuerbescheiden 2002 bis 2005 Bescheide zu Grunde gelegt worden seien, die nicht den Anforderungen nach Einheitlichkeit entsprächen und sohin unwirksam seien. Es stelle sich die Rechtsfrage, ob die Nichtigkeit eines Rechtsaktes ohne jede Änderung der Rechtslage und ohne anderslautende rechtliche Würdigung des Sachverhaltes eine neu hervorgekommene Tatsache iSd § 303 BAO darstelle, die auf Antrag einer Partei zur Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens führen könne. Die Behauptung, der Revisionswerber oder sein steuerlicher Vertreter hätten schon vor Abschluss des Verfahrens über entsprechende Tatsachenkenntnis verfügt, sei grob unrichtig. Der Umstand, dass bereits im Einkommensteuerverfahren die Mangelhaftigkeit des Feststellungsverfahrens aufgezeigt worden sei, schließe die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht aus. Dass der Revisionswerber aus advokatorischer Vorsicht in jenem Verfahren auch die Nichtigkeit des Bescheides vorgebracht habe, bedeute freilich noch lange nicht, dass er von der Tatsache der Nichtigkeit auch Kenntnis gehabt habe.
15 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.
16 Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren (u.a.) auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
17 Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei (vgl. VwGH 26.11.2015, Ro 2014/15/0035; 19.10.2016, Ra 2014/15/0058, mwN).
18 Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis, als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neue Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden sind keine Tatsachen (vgl. VwGH 26.2.2015, 2012/15/0164, mwN).
19 Betreffend die Wiederaufnahme von Einkommensteuerverfahren im Zusammenhang mit der Unwirksamkeit von Feststellungsbescheiden nach § 188 BAO hat der Verwaltungsgerichtshof bereits (wenn auch zur Rechtzeitigkeit nach der damaligen Bestimmung des § 303 Abs. 2 BAO: Antrag einzubringen binnen drei Monaten ab Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund) dargelegt, dass es insoweit auf jene Tatsachen ankommt, aus denen abzuleiten war, dass die Erledigung betreffend die Feststellung von Einkünften unwirksam war (etwa nach damaliger Rechtslage, vgl. nunmehr aber § 188 Abs. 5 BAO und § 191 Abs. 5 BAO Kenntnis davon, dass Einkünfte auch an bereits verstorbene Personen zugerechnet wurden). Es kommt insoweit nur auf die Kenntnis dieser Tatsachen, nicht aber auf die aus diesen Tatsachen ableitbare mangelnde Bescheidqualität an (vgl. VwGH 22.12.2011, 2009/15/0153; 26.2.2013, 2010/15/0064, mwN), da es sich insoweit um eine aus jenen Tatsachen abgeleitete rechtliche Beurteilung handelt, die für sich keinen Wiederaufnahmegrund darstellt.
20 Der Revisionswerber verwies in seinem Antrag auf Wiederaufnahme insoweit zutreffend auf „jene Sachverhaltselemente, die für das Vorliegen absolut nichtiger Verwaltungsakte bedeutsam“ seien. Dass (und welche) derartige Sachverhaltselemente für ihn neu hervorgekommen seien, legte der Revisionswerber aber in seinem Antrag nicht dar, sondern stützte sich sodann (wie auch nunmehr in der Revision) auf die „Tatsache der Nichtigkeit der betreffenden Feststellungsbescheide“. Bei dieser Nichtigkeit handelt es sich aber wie bereits ausgeführt um keine „Tatsache“. Damit wurde aber ein Wiederaufnahmegrund iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO (neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel) gar nicht genannt.
21 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 28. Mai 2025