Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des R B, vertreten durch Mag. Jürgen W. Zahradnik, Rechtsanwalt in 4650 Lambach, Leitenstraße 1, gegen das am 29. Jänner 2025 mündlich verkündete und mit 19. Februar 2025 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark, Zl. LVwG 33.39 2054/2024 30, betreffend Übertretung nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Weiz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 16. April 2024 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer eines Unternehmens mit Sitz in Ungarn zu verantworten, dass einem namentlich genannten Arbeitnehmer (Herrn K) ungarischer Staatsangehörigkeit im Zeitraum (seiner Entsendung nach Österreich) von 1. bis 8. März 2020 für seine Tätigkeit als Kraftfahrer für Kraftwagenzüge und Sattelkraftfahrzeuge nicht das ihm gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien geleistet worden sei, wobei sich eine im Spruch sowohl betragsmäßig als auch prozentuell dargestellte Unterentlohnung des betreffenden Arbeitnehmers ergebe. Dadurch habe der Revisionswerber eine Verwaltungsübertretung gemäß § 29 Abs. 1 erster Satz Lohn- und Sozialdumping Bekämpfungsgesetz (LSD BG) iVm. dem „Kollektivvertrag Güterbeförderungsgewerbe Arbeiter“ begangen, weswegen über ihn gemäß § 29 Abs. 1 LSD BG eine Geldstrafe in der Höhe von € 500, (Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Stunden) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens vorgeschrieben wurden.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und verpflichtete den Revisionswerber zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.
3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung u.a. zugrunde, der bei dem in Rede stehenden ungarischen Unternehmen seit Februar 2018 im Ausmaß von 40 Wochenstunden beschäftigte Arbeitnehmer K sei im Zeitraum von 1. bis 8. März 2020 nach Österreich entsendet worden, wo er insgesamt ca. 27 Stunden „reine“ Arbeitszeit (ohne Bereitstellungszeiten) geleistet habe. Nach dem für das Güterbeförderungsgewerbe geltenden Kollektivvertrag habe ihm hierfür als Arbeiter ein Lohn von € 319,55 inklusive allfällig gebührender Sonderzahlungen und Zulagen gebührt. Tatsächlich habe er jedoch lediglich ein (in Euro umgerechnetes) Entgelt von insgesamt € 137,94 erhalten, bestehend aus einem aliquoten Teil des Einstufungslohns sowie diversen Zuschlägen. Darüber hinaus sei ihm monatlich ein Beitrag für die Privatrentenversicherung ausbezahlt worden. Das kollektivvertraglich gebührende Entgelt sei ihm nicht ausbezahlt worden.
4 Was ferner ein pauschales Taggeld von € 47,00 täglich anbelange, das K für seine Auslandstätigkeit erhalten habe, sei vorauszuschicken, dass dieser Betrag durch den Revisionswerber selbst wiederholt als ausländische „Diäten“ bezeichnet worden sei. Bezüglich dieses Betrages seien laut vorliegenden Lohnzetteln keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden. Kosten für Verpflegung und sonstige Aufwendungen seien K nicht zusätzlich vergütet worden. Vielmehr seien diese Aufwendungen von dem Taggeld zu bestreiten gewesen. Das pauschale Taggeld habe daher zumindest teilweise als Aufwandersatz gedient. Ob und welche Bestandteile des pauschalen Taggeldes Teil der Entlohnung und kein Aufwandersatz seien, sei in den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen nicht festgelegt worden.
5 Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht insbesondere aus, das pauschale Taggeld in Höhe von € 47,00 habe zumindest teilweise der Deckung von Verpflegungsmehraufwand gedient, weil weder aus den vorgelegten Unterlagen noch aus dem Arbeitsvertrag ersichtlich sei, dass dieser Aufwand anderweitig abgegolten worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, welchen Zweck eine Auszahlung des Taggeldes in Devisen hätte, wenn es nicht der tatsächlichen Abdeckung von Kosten im Ausland diente und weshalb es neben der ausdrücklich ausgewiesenen Entsendezulage eine weitere Entsendezulage geben sollte, die im Lohnzettel zudem als „Naturalbezüge“ dargestellt werde. Dass K ein tatsächlicher Verpflegungsaufwand während seiner Tätigkeit im Ausland entstehe, entspreche zudem der allgemeinen Lebenserfahrung und ergebe sich u.a. daraus, dass er während seiner Entsendung genötigt sei, Mahlzeiten außer Haus einzunehmen. Überdies sehe der einschlägige österreichische Kollektivvertrag ebenfalls Taggelder als Abgeltung für den erhöhten Lebensaufwand bei Fahrtätigkeit oder Dienstleistungen außerhalb des Dienstortes vor.
6 In seiner rechtlichen Beurteilung gelangte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, fallbezogen liege eine näher konkretisierte Unterentlohnung des Arbeitnehmers K vor und es seien bestimmte Zahlungen insbesondere das pauschale Taggeld in Höhe von € 47,00 pro Tag nicht als Entgeltbestandteile im Sinn von § 29 Abs. 1 LSD BG zu werten. Das in Rede stehende Taggeld sei zur Deckung des K im Zuge seiner Entsendung nach Österreich entstandenen Mehraufwands für Verpflegung geleistet worden. Da weder der Arbeitsvertrag noch das Beschwerdevorbringen konkrete Anhaltspunkte dafür lieferten, in welchem Ausmaß diese Zahlung Aufwandersatz oder Entgelt sei, sei in Anbetracht des Art. 3 Abs. 7 Unterabsatz 3 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsenderichtlinie) in der Fassung der Richtlinie (EU) 2018/957 sowie in richtlinienkonformer Auslegung des Entgeltbegriffs des LSD BG davon auszugehen, dass das gesamte in Rede stehende Taggeld als Erstattung tatsächlich entstandener Kosten und somit nicht als Entgelt zu qualifizieren sei. Ob und in welchem Ausmaß der Pauschalbetrag die tatsächlichen Verpflegungskosten überstiegen oder allenfalls fallweise unterschritten habe, sei nicht konkret feststellbar. Im Zweifel gelte jedoch die Vermutung zugunsten des Arbeitnehmers, dass es sich bei der gesamten Zulage um Aufwandersatz handle. Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) seien Zulagen als Bestandteil des Mindestlohns zu berücksichtigen, soweit sie nicht als Erstattung für infolge der Entsendung tatsächlich entstandene Kosten wie z.B. Reise , Unterbringungs- und Verpflegungskosten bezahlt worden seien (Hinweis auf EuGH 12.2.2015, Sähköalojen ammattiliitto ry, C 396/13). Im Übrigen änderte selbst eine etwaige Teilanrechnung des über den steuerfreien Betrag gemäß § 49 Abs. 3 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) iVm. § 26 Z 4 lit. b Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) hinausgehenden Taggeldanteils in der Höhe von maximal € 26,40 pro Tag als Entgeltbestandteil nichts daran, dass gegenständlich insgesamt eine (wenngleich geringere) Unterentlohnung vorliege (in Anbetracht derer die verhängte Geldstrafe ebenfalls tat- und schuldangemessen wäre).
7 Der Revisionswerber habe daher die ihm angelastete Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht verwirklicht. Auch die subjektive Tatseite sei aus näher genannten Gründen erfüllt. Weiters legte das Verwaltungsgericht seine Erwägungen zur Strafbemessung dar.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit - unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - im Wesentlichen geltend macht, das Verwaltungsgericht habe zur Frage des Aufwandes des Arbeitnehmers K, der durch dessen Entsendung entstanden sei, keine einwandfreien Feststellungen getroffen (Hinweis auf VwGH 15.2.2021, Ra 2020/11/0179, sowie EuGH 12.2.2015, Sähköalojen ammattiliitto ry, C 396/13).
9 Die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B VG liegen nicht vor:
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (vgl. VwGH 1.10.2024, Ra 2024/11/0046).
13 Zunächst zieht die nach dem Gesagten ausschließlich relevante Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht in Zweifel, dass wie dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegt die fallbezogen maßgeblichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen nicht festlegten, ob und wenn ja welche Bestandteile des in Rede stehenden pauschalen Taggeldes, welches der Arbeitnehmer K während des Zeitraums seiner Entsendung nach Österreich in Euro erhalten habe, als Erstattung von infolge seiner Entsendung tatsächlich entstandenen Kosten bezahlt werden sollten oder welche allenfalls Teil der Entlohnung waren (siehe Art. 3 Abs. 7 Unterabsatz 3 der Entsenderichtlinie).
14 Ferner tritt die Zulässigkeitsbegründung der Auffassung des Verwaltungsgerichts, eine unionsrechtskonforme Auslegung des Entgeltbegriffs des LSD BG führe vorliegend angesichts des durch die Richtlinie (EU) 2018/957 in Art. 3 Abs. 7 der Entsenderichtlinie eingefügten Unterabsatzes 3 zum Ergebnis, dass das gesamte in Rede stehende Taggeld als Aufwandersatz zu betrachten sei, nicht substantiiert entgegen.
15 Schon aus diesem Grund gelingt es der Revision nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bzw. eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen.
16 Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 2021, Ra 2020/11/0179, das die Revision im Wesentlichen ins Treffen führt, betraf den Vorwurf im Jahr 2016 begangener Verwaltungsübertretungen, sodass Art. 3 Abs. 7 Unterabsatz 3 der Entsenderichtlinie in der Fassung der Richtlinie (EU) 2018/957 in dem diesbezüglichen Revisionsverfahren von Vornherein nicht zum Tragen kommen konnte. Das gilt im Übrigen auch für das in der Zulässigkeitsbegründung erwähnte Urteil des EuGH vom 12. Februar 2015, C 396/13, aus dem für den Rechtsstandpunkt der Revision fallbezogen ebenfalls nichts zu gewinnen ist.
17 Vor dem dargestellten Hintergrund legt die Zulässigkeitsbegründung zudem weder einen relevanten Verfahrensmangel dar, noch gelingt es ihr insofern, als das Verwaltungsgericht von der Einholung des vom Revisionswerber beantragten Sachverständigengutachtens zur Höhe der tatsächlichen zudem in der Revision nicht konkret bezifferten täglichen Aufwendungen des Arbeitnehmers K Abstand nahm, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen.
18 Mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B VG war die Revision daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 22. Juli 2025