JudikaturVwGH

Ro 2025/11/0006 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
11. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Freistadt gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 4. Dezember 2024, Zl. LVwG 653227/17/JP, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (mitbeteiligte Partei: J P in St. O, vertreten durch Teufer Peyrl Hennerbichler, Rechtsanwälte in 4240 Freistadt, Pfarrgasse 20), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1 Mit (Vorstellungs )Bescheid vom 19. Juli 2024 entzog die revisionswerbende Behörde dem Mitbeteiligten in Bestätigung ihres Mandatsbescheids vom 8. Mai 2024 wegen einer Übertretung von § 5 iVm. § 99 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) gemäß (u.a.) § 26 Abs. 2 (Z 1) und Abs. 5 Führerscheingesetz (FSG) die Lenkberechtigung für die Dauer von neun Monaten ab Zustellung des Bescheides. Zudem verpflichtete sie den Mitbeteiligten zur Absolvierung einer Nachschulung sowie zur Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens und einer verkehrspsychologischen sowie fachärztlich psychiatrischen Stellungnahme (Spruchpunkt I.). Unter den Spruchpunkten II. und III. traf die Behörde weitere Aussprüche.

2 Am 31. Oktober 2024 führte das Verwaltungsgericht Oberösterreich über die dagegen erhobene Beschwerde des Mitbeteiligten eine mündliche Verhandlung durch. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung verkündete das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis mündlich. Der Beschwerde des Mitbeteiligten wurde betreffend Spruchpunkt I. des Bescheides vom 19. Juli 2024 stattgegeben und der Bescheid (in diesem Umfang) aufgehoben. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig.

3 Die über die mündliche Verhandlung vom 31. Oktober 2024 angefertigte Niederschrift einschließlich der Protokollierung der Verkündung des Erkenntnisses wurde der revisionswerbenden Behörde am 4. November 2024 zugestellt.

4 Per E Mail vom 11. November 2024 beantragte die revisionswerbende Behörde die Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

5 Dessen ungeachtet erstellte das Verwaltungsgericht eine mit 19. November 2024 datierte, gekürzte Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses, die der revisionswerbenden Behörde am 20. November 2024 zugestellt wurde.

6 In der Folge erließ das Verwaltungsgericht das nunmehr angefochtene Erkenntnis vom 4. Dezember 2024, mit dem (erneut) der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen Spruchpunkt I. des Bescheides der revisionswerbenden Behörde stattgegeben, der Bescheid (in diesem Umfang) aufgehoben und eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG für zulässig erklärt wurde.

7 Das Verwaltungsgericht führte zunächst aus, die revisionswerbende Behörde habe mit E Mail vom 11. November 2024 einen Antrag auf ungekürzte Ausfertigung der Entscheidung gestellt. Dieser Antrag sei jedoch vorübergehend nicht im Akt dokumentiert gewesen, weshalb den Parteien zunächst nur die gekürzte Ausfertigung übermittelt worden sei. Da der Antrag auf ungekürzte Ausfertigung durch die revisionswerbende Behörde jedoch rechtzeitig erfolgt sei, werde das am 31. Oktober 2024 mündlich verkündete Erkenntnis nunmehr ungekürzt ausgefertigt.

8 In der Sache gelangte das Verwaltungsgericht zusammengefasst zum Ergebnis, es könne auf Basis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens weder mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, ob der Mitbeteiligte zum gegenständlichen Tatzeitpunkt ein Kraftfahrzeug im alkoholisierten Zustand gelenkt habe, noch eruiert werden, wie hoch der Grad einer etwaigen Alkoholisierung gewesen sei. Die von der Behörde festgestellte Blutalkoholkonzentration sei lediglich durch ein Alkoholdehydrogenase Verfahren (ADH Verfahren) ermittelt worden. Somit sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

9 Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht mit Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Verwertung der Ergebnisse einer Feststellung der Blutalkoholkonzentration mittels ADH Verfahren zulässig sei.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

11 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

13 Die Revision ist infolge der vom Verwaltungsgericht dargelegten Begründung, der sich die Amtsrevision anschloss, im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig. Sie ist aus dem im Folgenden dargestellten Grund auch berechtigt.

14 Im Fall einer zulässigen Revision ist der Verwaltungsgerichtshof nicht auf jene Rechtsfragen beschränkt, die zu deren Zulässigkeit vorgebracht wurden. Vielmehr kann er auch eine andere als die in der Revision aufgezeigte Rechtswidrigkeit aufgreifen, wenn die Revision wie hier die Zulässigkeitsschwelle überschritten hat (vgl. etwa VwGH 15.10.2015, Ra 2014/11/0065).

15 Schon aus den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes vom 20. Jänner 2025, Ra 2022/20/0229, dargelegten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird (siehe Rn. 29 bis 31 des genannten Erkenntnisses), erweist sich die angefochtene Entscheidung vom 4. Dezember 2024 als rechtswidrig.

16 Wie sich aus der Begründung des soeben zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, bildet die vorliegend mit 19. November 2024 datierte schriftliche Ausfertigung, mag sie auch zu Unrecht in gekürzter Form abgefasst sein, eine Einheit mit der am 31. Oktober 2024 mündlich verkündeten Entscheidung, der die Wirkung der Unwiederholbarkeit zukam. Somit war es dem Verwaltungsgericht verwehrt, in derselben Rechtssache nochmals zu entscheiden.

17 Das hat das Verwaltungsgericht verkannt. Infolgedessen belastete es das angefochtene Erkenntnis vom 4. Dezember 2024 mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, welches daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 11. Juli 2025

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