Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Doblinger sowie den Hofrat Mag. Feiel und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die außerordentliche Revision des Dr. A B in C, vertreten durch Dr. Georg Prchlik, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Kolingasse 11/Tür 15, gegen das Erkenntnis des Personalausschusses des Verwaltungsgerichts Wien vom 16. Dezember 2024, VGW PA 115/2023 5, betreffend Dienstbeurteilung nach § 10 Wiener Verwaltungsgericht Dienstrechtgesetz, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber ist Mitglied des Verwaltungsgerichts Wien.
2 Mit Erkenntnis des Personalausschusses des Verwaltungsgerichts Wien vom 16. Dezember 2024 wurde seine Dienstbeurteilung für den Zeitraum 1. Dezember 2020 bis 30. November 2023 mit „gut“ festgesetzt.
Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG wurde für unzulässig erklärt.
3 Begründet wurde dieses Beurteilungskalkül zusammengefasst mit Hinweisen auf strukturelle Probleme in der Verfahrensführung, Beweiswürdigung, Entscheidungsbegründung sowie auf die Verletzung tragender Grundsätze des Verfahrensrechts in der Arbeit des Revisionswerbers, die sich aus näher dargelegten Erkenntnissen des Verfassungs und des Verwaltungsgerichtshofes ergeben und sich auch in weiteren, unangefochten gebliebenen Erledigungen des Revisionswerbers gefunden hätten.
4 Das vom Verwaltungsgerichtshof beanstandete Unterlassen der Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Vornahme einer vorausgreifenden bzw. aktenwidrigen Beweiswürdigung und eine unzureichende Entscheidungsbegründung wurde rechtlich als Verletzung tragender Grundsätze des Verfahrensrechts gewertet. Umfang und Aktualität der fachlichen Kenntnisse insbesondere über verfahrensrechtliche Vorschriften sowie die Gewissenhaftigkeit der Verfahrensführung seien daher nicht in jenem Maß gegeben, das für eine Dienstbeurteilung mit „ausgezeichnet“ oder „sehr gut“ erforderlich sei. Die Einstellung eines Verfahrens wegen Verfolgungsverjährung trotz offener Verjährungsfrist sowie das Behandeln nur eines von zwei Tatvorwürfen in zwei Fällen zeige Defizite in den in § 10 Abs. 3 Z 3 Verwaltungsgericht Dienstrechtsgesetz (VGW DRG) aufgezählten Beurteilungskriterien auf. Ebenso seien sprachliche Mängel in einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wie auch des Verwaltungsgerichtshofes beanstandet worden, was auf ein Defizit in der Ausdrucksfähigkeit hinweise.
5 Der Revisionswerber habe sich im Rahmen seines Judiziums mehrfach über allgemein anerkannte, fundamentale Grundsätze der Verfahrensführung, Beweiswürdigung bzw. Entscheidungsbegründung hinweggesetzt, was selbst bei größtmöglicher Achtung der Unabhängigkeit, die einem Richter im Rahmen seiner judiziellen Tätigkeit zukomme, Eingang in die dienstrechtliche Beurteilung, insbesondere betreffend die Beurteilungskriterien „Umfang und Aktualität der fachlichen Kenntnisse“ sowie „Gewissenhaftigkeit“ finden müsse. Diese Mängel seien als derart schwerwiegend einzustufen, dass sie durch den als überdurchschnittlich einzustufenden quantitativen Arbeitserfolg nicht in vollem Umfang aufgewogen würden. Daran ändere auch nichts, dass beim Revisionswerber die Führungsqualitäten, die organisatorischen Fähigkeiten sowie die Kritik , Konflikt , Kommunikations und Teamfähigkeit sowie sein Verhalten im Dienst nicht zu beanstanden seien. Unter Berücksichtigung aller Beurteilungskriterien des § 10 Abs. 3 VGW DRG sei daher die Dienstbeurteilung mit „gut“ geboten.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 24. Februar 2025, E 326/2025 8, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 Die Revision ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts nach Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit seiner in der nach § 26 Abs. 4 VwGG eröffneten Frist erhobenen Revision zusammengefasst darin gelegen, dass die Frage zu beantworten sei, ob ein Richter eines Verwaltungsgerichts in einem subjektiv öffentlichen Recht verletzt werde, wenn ihm der Umstand, dass er in einigen Verfahren von der Rechtsprechung der Höchstgerichte abgewichen sei, bei seiner Dienstbeurteilung negativ angelastet werde. Wenn er danach beurteilt werde, ob seine Erkenntnisse von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts akzeptiert oder aufgehoben worden seien, werde auf ihn dahingehend Druck ausgeübt, sich stets an die Judikatur dieser Gerichtshöfe anzupassen, auch wenn diese nach dem österreichischen Recht keinen den Richter bindenden Charakter aufweise, also der Richter auch gegen diese Judikatur entscheiden könne. Dieser „ausgeübte Druck in Richtung eines judikaturlinien konformen Verhaltens“ stelle eine „verfassungswidrige Einflussnahme“ dar.
10 Der Revisionswerber zeigt damit eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht auf.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Leistungsfeststellung ein Werturteil dar, das der Verwaltungsgerichtshof nicht auf seine (inhaltliche) Richtigkeit überprüfen kann. Ein solches Urteil ist der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung nur in die Richtung zugänglich, ob es nicht etwa auf einer aktenwidrigen Sachverhaltsannahme beruht, ob der angenommene Sachverhalt unter Bedachtnahme auf die einzuhaltenden Verfahrensvorschriften für eine verlässliche Urteilsbildung ausreicht, ob die aus ihm gezogene Schlussfolgerung mit den Gesetzen vereinbar ist und ob keine sachfremden Erwägungen angestellt worden sind.
12 Die Dienstbeurteilung stellt dabei keine rechnerische Zusammenfassung von einzelnen vorliegenden Teilbewertungen dar, sondern ist das Ergebnis einer gesamthaften Würdigung aller Aspekte der Tätigkeit.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner bereits festgehalten, dass eine solche Beurteilung in vertretbarer Weise auch zu dem Ergebnis kommen kann, dass ein Defizit in einem (wesentlichen) Bereich nicht durch hervorragende Leistungen in einem anderen Bereich ausgeglichen werden kann oder dass auch „überdurchschnittliche Leistungen“ in einem Teilbereich nicht erkennen lassen, dass diese „so erheblich“ wären, dass sie bloße Normalleistungen „im Bereich zentraler Aufgaben“ nicht wettmachen können.
14 Eine solche Einzelfallbeurteilung wirft jedoch nur dann eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. zum Ganzen VwGH 7.12.2021, Ra 2020/09/0049, mwN).
15 Die (insbesondere in Art. 87 Abs. 1 B VG zum Ausdruck kommende) verfassungsrechtliche Garantie der Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter in Ausübung ihres richterlichen Amtes, die der Absicherung vor möglicher Einflussnahme in die Rechtsprechung dient, findet ihre Grenze in der ordnungsgemäßen Erfüllung der richterlichen Dienstpflichten (siehe etwa VwGH 28.11.2022, Ra 2022/09/0076). Dabei steht die richterliche Unabhängigkeit immer in einem Spannungsverhältnis zur Einheitlichkeit der Rechtsprechung und damit zur Rechtssicherheit. Dementsprechend ist das Abweichen von einer klaren Gesetzeslage oder einer ständigen Rechtsprechung, die nicht erkennen lässt, dass sie auf einer sorgfältigen Überlegung beruht, nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Amtshaftungsverfahren regelmäßig als Verschulden anzusehen (siehe RIS Justiz RS0049951 [T4]). In diesem Zusammenhang kommt dem Verwaltungsgerichtshof im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes festzulegen, welche von diesem zu beachten sind (vgl. etwa VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0017, mwN; in diesem Sinn ausführlich auch Kleiser , Die neue Rolle des Verwaltungsgerichtshofes in seiner Rechtsprechung, ZVG 2017/6, 476 ff).
16 Anders als die hier zu beurteilenden Zulässigkeitsausführungen vermuten ließen, schätzte der Personalausschuss die fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse sowie die Gewissenhaftigkeit des Revisionswerbers keineswegs in erster Linie deshalb nicht höher ein, weil einzelne seiner Entscheidungen vom Verfassungs oder vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden wären, sondern weil er sich bei seiner Arbeit mehrfach über fundamentale Grundsätze der Verfahrensführung, Beweiswürdigung und Entscheidungsbegründung hinwegsetzte. Wenn aber unter anderem eine antizipierende Beweiswürdigung und aktenwidrige Feststellungen, gesetzwidrige Verfahrenseinstellungen, das begründungslose Unterlassen rechtlich gebotener mündlicher Verhandlungen und sprachlich mangelhaft begründete Entscheidungen in die Beurteilung Eingang fanden, kann darin kein unzulässiger Druck erblickt werden, mit dem ungebührlich in die rechtsprechende Tätigkeit des Revisionswerbers einzugreifen versucht worden wäre. Der Personalausschuss stützte sich bei seinem Urteil überdies nicht bloß auf Verfahren nach epidemierechtlichen Vorschriften, sodass das ausschließlich diesen Aspekt thematisierende Zulässigkeitsvorbringen auch deshalb zu kurz greift.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb diese gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und daher im Sinn des § 39 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall VwGG unter Absehen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung zurückzuweisen war.
18 Auf den (zur Gänze fehlenden) Revisionspunkt war bei diesem Ergebnis nicht weiter einzugehen (vgl. VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0152; 1.9.2022, Ra 2022/09/0090, je mwN).
Wien, am 3. Juni 2025