JudikaturVwGH

Ra 2025/02/0175 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
16. Oktober 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober und die Hofrätin Mag. Schindler sowie den Hofrat Mag. Schartner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des Ing. A M, vertreten durch Dr. Martin Wandl Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 6. August 2025, LVwG S 799/001 2025, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 18. März 2025 wurde dem Revisionswerber angelastet, er habe als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG einer näher genannten Gesellschaft, die Zulassungsbesitzerin eines näher bezeichneten LKWs sei, nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand bzw. die Ladung des LKWs den Vorschriften des KFG entspreche, weil das höchste zulässige Gesamtgewicht des LKWs von 32 Tonnen durch die Beladung um 2,78 Tonnen (sohin 8,69%) überschritten worden sei. Der Revisionswerber habe dadurch § 103 Abs. 1 Z 1 KFG iVm § 4 Abs. 7 Z 4 KFG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von € 420, (Ersatzfreiheitsstrafe 42 Stunden) verhängt wurde.

2 Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) gab der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde insoweit statt, als es die Geldstrafe auf € 250, (die Ersatzfreiheitsstrafe auf 25 Stunden) herabsetzte. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht habe das Vorliegen eines Verschuldens mangels Glaubhaftmachung eines ausreichenden Kontrollsystems nur mangelhaft begründet. Es habe alleine aus dem Erfolg auf ein mangelndes Kontrollsystem geschlossen und kein gebotenes rechtliches Alternativverhalten dargestellt. Zur Überprüfung der Entscheidung hätte es entsprechender Feststellungen oder Begründungen bedurft, welche konkreten Maßnahmen hätten gesetzt werden müssen. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, in welcher Form und wie weit die Kontrolle von LKW Fahrern durch ihr Unternehmen gehen müsse. Der Revisionswerber habe im Verfahren ein umfassendes System von Schulungen und Weisungen geeigneter Mitarbeiter dargelegt. Das Kontrollsystem habe auch beinhaltet, dass Fahrer ihre Ladungen fotografisch dokumentieren und die Fotos dem Unternehmen zu übermitteln gehabt hätten. Eine lückenlose Kontrolle sei nicht möglich. Es sei auch fraglich, ob sich die Behörde bei der gebotenen Darlegung der Art und des Umfangs der Überwachung nicht zumindest eines Sachverständigen hätte bedienen müssen.

8 Vorauszuschicken ist, dass es sich bei der Übertretung des § 103 Abs. 1 Z 1 KFG nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes um ein Ungehorsamsdelikt handelt (vgl. etwa VwGH 5.9.2017, Ra 2017/02/0010, mwN). Bei Vorliegen eines Ungehorsamsdelikts besteht von vornherein die Vermutung des Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters. Der Gesetzgeber präsumiert in einem solchen Fall die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteiles durch den Beschuldigten (vgl. etwa VwGH 6.5.2020, Ra 2019/02/0213, mwN).

9 Im Verwaltungsstrafverfahren obliegt es dem Zulassungsbesitzer, zur Glaubhaftmachung des mangelnden Verschuldens gemäß § 5 Abs. 1 VStG von sich aus konkret darzulegen, welche Maßnahmen getroffen wurden, um der ihm auferlegten Verpflichtung nachzukommen (vgl. etwa VwGH 25.4.2008, 2008/02/0045 bis 0046, mwN). Dem Zulassungsbesitzer kommt gemäß § 103 Abs. 1 KFG eine gemäß § 134 KFG verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Überwachungsfunktion zu. Er hat für eine gehörige Überwachung der Beladung der Fahrzeuge zu sorgen und im Falle eines festgestellten gesetzwidrigen Zustandes eines für ihn zugelassenen Fahrzeuges darzutun, weshalb ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe (vgl. etwa erneut VwGH 5.9.2017, Ra 2017/02/0010, mwN).

10 Zum Vorliegen eines ausreichenden Kontrollsystems ist darauf hinzuweisen, dass es nach der hg. Rechtsprechung zur Einrichtung von Kontrollsystemen für die Befreiung von der Verantwortlichkeit zusammengefasst entscheidend ist, ob Maßnahmen getroffen wurden, die im Ergebnis mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften gewährleistet ist (vgl. etwa VwGH 20.2.2017, Ra 2017/02/0022, mwN). Ein wirksames Kontrollsystem liegt dann vor, wenn dadurch die Überwachung der Einhaltung von Rechtsnormen, wie sie der Übertretung des Revisionswerbers zugrundegelegt wurde, jederzeit sichergestellt werden kann (vgl. etwa VwGH 27.11.2019, Ra 2019/02/0164; VwGH 7.11.2023, Ra 2023/02/0176, mwN). Die Behauptung, die Lenker regelmäßig zu belehren, zu schulen und stichprobenartig zu überwachen, reicht nach der ständigen hg. Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung des Bestehens eines wirksamen Kontrollsystems nicht aus (vgl. erneut etwa VwGH 25.4.2008, 2008/02/0045 bis 0046, mwN).

11 Ferner entspricht es der ständigen hg. Rechtsprechung, dass sich ein mit Holztransporten befasster Kraftfahrer mit Rücksicht darauf, dass Holz großen Gewichtsschwankungen unterliegt und auf Grund der modernen Ausrüstung der Fahrzeuge oft das Erkennen einer Überladung optisch kaum möglich ist, die für eine zuverlässige Feststellung einer allfälligen Überladung des Kraftfahrzeuges erforderlichen fachlichen Kenntnisse selbst zu verschaffen oder sich der Mitwirkung einer fachkundigen Person zu bedienen und, falls keine Möglichkeit zu einer genauen Gewichtskontrolle beim Aufladen besteht, im Zweifel nur eine solche Menge an Holz zu laden hat, dass auch unter Annahme des höchsten Gewichtes pro Festmeter das höchste zulässige Gesamtgewicht nicht überschritten wird. Die Einhaltung dieser Verpflichtung des Lenkers hat der Zulassungsbesitzer durch die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems sicherzustellen (vgl. etwa VwGH 19.10.1994, 94/03/0222; erneut VwGH 25.4.2008, 2008/02/0045 bis 0046, jeweils mwN).

12 Nach der Rechtsprechung unterliegen betriebliche Kontrollsysteme einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgte und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führte (vgl. etwa VwGH 28.2.2025, Ra 2025/02/0019, mwN).

13 Das Verwaltungsgericht kam zur Auffassung, dass der Revisionswerber mit seinem Vorbringen das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems im Zusammenhang mit dem hier transportierten Abbaumaterial nicht dargelegt habe. Dabei stützte es sich auf die oben zitierte hg. Rechtsprechung zu den Anforderungen an Kontrollsystemen, insbesondere im Zusammenhang mit der Verhinderung von Überladungen bei Gewichtsschwankungen des Ladeguts. Der Revisionswerber zeigt nicht auf, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichts unvertretbar erfolgt wäre, zumal er im Beschwerdeverfahren selbst darauf hingewiesen hat, dass es bei Abbaumaterial nicht möglich sei, das Gewicht genau zu schätzen, weil dieses aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung stark variiere. Schließlich ist dem Revisionswerber auch entgegenzuhalten, dass ein wirksames Kontrollsystem nach der hg. Rechtsprechung wie bereits hingewiesen nicht die ständige Beaufsichtigung jedes Arbeitnehmers verlangt, sondern das Treffen von Maßnahmen, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften (hier: die Hintanhaltung von Überladungen) mit gutem Grund erwarten lassen.

14 Soweit der Revisionswerber vorbringt, weder die belangte Behörde noch das Verwaltungsgericht hätten dargelegt, welche konkreten Maßnahmen er hätte setzen sollen, verkennt er, dass es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtes oder der Verwaltungsbehörde ist, Anleitungen dahingehend zu geben, wie ein funktionierendes Kontrollsystem in einem Unternehmen bzw. Betrieb konkret zu gestalten ist, sondern zu überprüfen, ob auf dem Boden der Darlegungen der betroffenen Partei überhaupt ein Kontrollsystem im genannten Sinn gegeben ist bzw. ob das aufgezeigte Kontrollsystem hinreichend beachtet wurde, um mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 25.3.2019, Ra 2019/02/0043, mwN). Bei der Beurteilung, ob ein ausreichendes Kontrollsystem dargetan wurde, handelt es sich um die Lösung einer Rechtsfrage, die der Verwaltungsbehörde bzw. dem im Beschwerdeweg angerufenen Verwaltungsgericht, nicht aber einem beigezogenen Sachverständigen zukommt. Der Sachverständige kann daher lediglich bei der Ermittlung des für eine rechtliche Beurteilung maßgebenden Sachverhaltes (§ 37 AVG) behilflich sein (vgl. VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092, mwN).

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Oktober 2025

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