JudikaturVwGH

Ra 2025/02/0084 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Juni 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des G in S, vertreten durch Dr. Christoph Reitmann, LL.M., Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 9/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 20. März 2025, KLVwG 18/7/2025, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg; mitbeteiligte Partei: Arbeitsinspektorat Kärnten, 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Dr. Hermann Gasse 3), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten (Verwaltungsgericht) wurde der Revisionswerber in Bestätigung eines entsprechenden Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der P. GmbH in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer schuldig erachtet, er habe eine Übertretung des § 130 Abs. 1 Z 19 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) iVm § 14 Abs. 1 Elektroschutzverordnung 2012 (ESV 2012) zu verantworten, weil der Arbeitnehmer K. in einer näher genannten Arbeitsstätte eines anderen Unternehmens „elektrische Arbeiten“ durchgeführt und beim Anklemmen eines neuen Motorschutzschalters mit der Kerbzange an einen spannungsführenden Teil eines nebenan eingebauten Motorschutzschalters geraten sei, wodurch ein Kurzschluss verursacht und K. verletzt worden sei. Die Arbeitgeberin habe es unterlassen dafür zu sorgen, dass § 14 Abs. 1 ESV 2012 eingehalten werde und daher die Verpflichtungen betreffend die Vorbereitung, Gestaltung und Durchführung von Arbeitsvorgängen oder die Einrichtung, Beschaffenheit und Erhaltung von Arbeitsplätzen verletzt. Über den Revisionswerber wurden gemäß § 130 Abs. 1 Z 19 ASchG eine Geld und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ihm zusätzlich zu dem bereits gemäß § 64 VStG vorgeschriebenen Kostenbeitrag ein weiterer Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in näher genannter Höhe zur Zahlung vorgeschrieben. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.

2 Das Verwaltungsgericht ging im Wesentlichen davon aus, der Arbeitnehmer K. habe am Tag des Unfalls in der näher genannten Arbeitsstätte „elektrische Arbeiten“ durchgeführt. Nach seiner Rückkehr von der Mittagspause sei die Anlage unter Spannung gestanden. Da der Arbeitnehmer K. mit einer Zange an einen spannungsführenden Teil geraten sei, habe dies zu einem Kurzschluss geführt, der einen Feuerball hervorgerufen habe, wodurch der Mitarbeiter Verbrennungen zweiten Grades im Gesicht und an beiden Armen erlitten habe.

3 Der Revisionswerber habe den Nachweis eines wirksamen Kontrollsystems nicht erbringen können, weil nicht erwiesen sei, dass der Arbeitnehmer K. vor dem Unfall an den von der P. GmbH durchgeführten sogenannten ToolBox Meetings teilgenommen habe, und ob er für den konkreten Einsatzort, die Anlage und für die durchzuführende Tätigkeit unterwiesen worden sei. Konkret wäre darzulegen gewesen, welche Maßnahmen vom Verantwortlichen im Unternehmen getroffen wurden, um entsprechende Verstöße zu vermeiden, insbesondere wann, wie oft, auf welche Weise und von wem Kontrollen vorgenommen worden sind. Die Sicherstellung des Vorliegens eines systematischen, engmaschigen Kontrollmechanismus, eines Berichtswesens über vorgenommene Kontrollen und festgestellte Auffälligkeiten habe der Revisionswerber nicht nachgewiesen.

4 Der Revisionswerber habe die ihm angelastete Verwaltungsübertretung objektiv verwirklicht und nicht glaubhaft machen können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe (§ 5 Abs. 1 VStG).

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

9 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 In der außerordentlichen Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe die vermeintliche Abwesenheit eines wirksamen betrieblichen Kontrollsystems alleine aus dem Eintritt des besagten Arbeitsunfalls gefolgert. Auch wenn nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung eigenmächtiges Verhalten von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften durch ein Kontrollsystem verhindert werden solle, habe das Verwaltungsgericht doch vernachlässigt, dass sich der Unfall nicht durch eigenmächtiges, unvorsichtiges Verhalten des Arbeitnehmers, sondern durch das Zutun eines betriebsfremden Dritten ereignet habe, der grundsätzlich nicht dem Direktionsrecht des Revisionswerbers unterliege. Er habe ein grundsätzlich sehr wohl wirksames Kontrollsystem dargetan, das Verwaltungsgericht aber habe vernachlässigt, dass der verunglückte Mitarbeiter eine Elektrofachkraft im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 1 ESV 2012 sei.

11 Entgegen diesem Vorbringen schloss das Verwaltungsgericht nicht alleine aus dem Eintritt des Arbeitsunfalls auf die Unwirksamkeit des Kontrollsystems, vielmehr zeigte es auf, dass eine Teilnahme des verletzten Mitarbeiters an Toolbox Meetings (oder derartigen Baustellenbesprechungen) und seine Unterweisung für die konkrete Arbeitsstelle, den Einsatzort, die Anlage und die konkret durchzuführende Tätigkeit nicht nachgewiesen worden seien.

12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber im Bereich des Arbeitnehmerschutzes für die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems zu sorgen, wobei dieses Kontrollsystem gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen hat. Die Einrichtung eines entsprechenden Kontrollsystems ist für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften entscheidend (vgl. etwa VwGH 19.6.2024, Ra 2024/02/0103, mwN).

13 Zum Vorliegen eines ausreichenden Kontrollsystems ist darauf hinzuweisen, dass es nach der hg. Rechtsprechung zur Einrichtung von Kontrollsystemen für die Befreiung von der Verantwortlichkeit zusammengefasst entscheidend ist, ob Maßnahmen getroffen wurden, die im Ergebnis mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften gewährleistet ist. (Betriebliche) Kontrollsysteme gleichen sich in der Regel nicht und unterliegen daher einer einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgte und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führte (vgl. VwGH 7.9.2022, Ra 2022/02/0168, mwN).

14 Soweit sich der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung darauf stützt, dass sich der Arbeitsunfall nicht durch eigenmächtiges und unvorsichtiges Verhalten seines Mitarbeiters, sondern durch das Zutun eines betriebsfremden Dritten ereignet habe, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine dahingehende Feststellung vom Verwaltungsgericht nicht getroffen wurde und der Revisionswerber in dem gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesonderten Vorbringen das Fehlen dieser Sachverhaltsannahme auch nicht beanstandet. Abgesehen davon ging das Verwaltungsgericht von der Nichteinhaltung der in der ESV 2012 normierten Sicherheitsregeln durch den Mitarbeiter K. aus, wonach Arbeiten, die im spannungsfreien Zustand durchgeführt werden, eine Sicherung gegen Wiedereinschalten und das Feststellen der Spannungsfreiheit erforderlich machen. Insofern ging das Verwaltungsgericht doch von einem eigenmächtigen und unvorsichtigen Verhalten des verletzten Mitarbeiters K. aus, selbst wenn ein betriebsfremder Dritter während der Mittagspause einen Teil der Anlage wieder unter Spannung gesetzt hatte.

15 Die in der Zulässigkeitsbegründung schließlich monierte Vernachlässigung des Umstandes, dass der verunglückte Mitarbeiter K. eine Elektrofachkraft im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 1 ESV 2012 sei, zeigt nicht auf, inwiefern die Revision von dieser Qualifikation des Mitarbeiters abhängt. Ungeachtet der gesetzlich vorausgesetzten Ausbildung einer Elektrofachkraft beanstandete das Verwaltungsgericht zu Recht auch, dass der Revisionswerber konkret darzulegen gehabt hätte, wann, wie oft, auf welche Weise und von wem Kontrollen vorgenommen worden seien. Derartige Kontrollen sind auch gegenüber einer Elektrofachkraft erforderlich, um exkulpierend sein zu können. Die Einhaltung derartiger Überwachungsmaßnahmen wird aber in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt.

16 Das Verwaltungsgericht hat in seinem angefochtenen Erkenntnis nachvollziehbar dargelegt, dass der Revisionswerber im Verfahren kein den genannten Anforderungen entsprechendes wirksames Kontrollsystem dargetan hat. Die Revision zeigt nicht auf, dass die fallbezogene Beurteilung des Kontrollsystems durch das Verwaltungsgericht unvertretbar gewesen wäre.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Juni 2025

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