JudikaturVwGH

Ra 2025/01/0119 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
21. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des T P S in K, vertreten durch die Lerch Nagel Heinzle Rechtsanwälte GmbH in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 4. März 2025, Zl. LVwG 2024/14/1585 9, betreffend Maßnahmenbeschwerde nach der StPO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Imst), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) soweit (nach Ausweis des geltend gemachten Revisionspunkts) für das Revisionsverfahren wesentlich die Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers wegen Verletzung in Rechten infolge Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt durch die (am 5. Mai 2024 erfolgte) Durchsuchung seines Fahrzeugs gemäß § 117 Z 2 lit. a iVm § 119 Abs. 1 StPO, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, als unbegründet ab, verpflichtete den Revisionswerber zu einem näher bestimmten Aufwandersatz und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig.

2 Begründend ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass bei den zwei einschreitenden Polizisten der Verdacht entstanden sei, der Revisionswerber habe bei einem anlässlich einer Verkehrskontrolle durchgeführten Schnelltest zur Feststellung einer Beeinträchtigung durch Suchtmittel statt einer Urinprobe eine andere Flüssigkeit zur Testung übergeben. Dies hätten die Polizisten angenommen, weil die durch den wegen Suchtmittelkonsums in der Vergangenheit im Führerscheinregister vorgemerkten Revisionswerber als frische Urinprobe bereitgestellte Flüssigkeit schon bei ihrer Übergabe kalt gewesen sei und der zum Schnelltest verwendete Teststreifen nicht die bei Benetzung mit Urin üblichen Farbreaktionen gezeigt habe. Deswegen hätten die einschreitenden Polizisten den Revisionswerber der strafbaren Handlung der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 StGB verdächtigt und wegen dieses Tatverdachts den von diesem gelenkten PKW nach § 117 Z 2 lit. a iVm § 119 Abs. 1 StPO zur Auffindung möglicher zur Tatbegehung verwendeter Gegenstände durchsucht.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Soweit sich die Revision zur Darlegung ihrer Zulässigkeit gegen einzelne beweiswürdigende Erwägungen des Verwaltungsgerichts wendet, ist daran zu erinnern, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16, denen gemäß sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren soll). Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt ist, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 8.3.2024, Ra 2023/01/0365 0367, mwN). Vor diesem Hintergrund gelingt es der Revision mit ihrer Kritik an einzelnen Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung insgesamt mit einem im Revisionsverfahren aufzugreifenden Fehler belastet wäre.

8 Ferner rügt die Revision, dass sich die Durchsuchung des PKW des Revisionswerbers als unverhältnismäßig darstelle, weil nicht schon vorab klar gewesen sei, nach welchen Gegenständen die einschreitenden Polizisten im Fahrzeug suchten, um den Vorwurf der Beweismittelfälschung (weiter) zu erhärten.

Vorauszuschicken ist, dass bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der Verwaltung fallenden Rechtsmaterien dem Verwaltungsgerichtshof keine Leitfunktion zukommt; er ist zur Fällung grundlegender Entscheidungen auf dem Gebiet des Strafrechts wie vorliegend von Bestimmungen der StPO nicht berufen, sodass die Auslegung strafrechtlicher Normen auch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG begründen kann, solange den Verwaltungsgerichten dabei keine krasse Fehlentscheidung unterlaufen ist. Eine derartige Unvertretbarkeit ist in der Regel dann auszuschließen, wenn die Verwaltungsgerichte eine strafrechtliche Vorfrage im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) gelöst haben (vgl. etwa VwGH 10.11.2021, Ra 2021/01/0211, Rn. 31; vgl. zu der dem OGH nach der Bundesverfassung in Zivil und Strafrechtssachen zukommenden Leitfunktion bereits VfGH 13.12.2012, G 137/11; vgl. auch VwGH 14.11.2017, Ro 2017/05/0002, wonach eine Unvertretbarkeit einer rechtlichen Beurteilung in der Regel dann auszuschließen ist, wenn die Verwaltungsgerichte eine zivil oder strafrechtliche Vorfrage im Einklang mit der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte, insbesondere des OGH, gelöst haben).

Zu § 119 Abs. 1 StPO besteht bereits Rechtsprechung des OGH. Demnach hat eine Durchsuchung zur Voraussetzung, dass mit auf bestimmte Tatsachen gegründeter Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich in dem zu durchsuchenden Raum Gegenstände oder Spuren befinden, die aus Beweisgründen sicherzustellen oder auszuwerten wären. Dabei lösen hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat die unbedingte und ermessensfreie Pflicht der Strafverfolgungsbehörden und organe aus, nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung tätig zu werden. Vorhandene Registereintragungen können zu einer ausreichenden Durchsuchungsgrundlage beitragen. Zu wahren ist freilich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach § 5 StPO, wobei der Umstand, dass lediglich der Verdacht einer in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit ressortierenden Straftat besteht, eine Durchsuchung grundsätzlich nicht hindert, sieht doch das Gesetz eine derartige Einschränkung wohlweislich nicht vor. Denn das Gewicht einer strafbaren Handlung und deren sozialer Störwert messen sich nicht ausschließlich an der Strafdrohung (vgl. zu alledem OGH 21.7.2009, 14 Os 46/09k, 14 Os 47/09g, betreffend eine Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit dem Verdacht der Begehung des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 SMG).

Vor diesem Hintergrund zeigt das Vorbringen der Revision, die bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung sei im Hinblick auf das Gewicht der konkreten Straftat und des Verdachtsgrades unverhältnismäßig, nicht auf, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichts unvertretbar erfolgt wäre. Denn der Revisionswerber war schon zuvor wegen Fahrens unter Suchtmittelbeeinträchtigung vorgemerkt und die durch diesen als Urinprobe bereitgestellte Flüssigkeit schon bei ihrer Übergabe erkaltet und löste bei dem zur Testung verwendeten Streifen nicht die bei Benetzung mit Urin üblichen Farbreaktionen aus, was zum Verdacht der Beweismittelfälschung führte, sodass die einschreitenden Polizisten vertretbar davon ausgehen durften, im Fahrzeug Tatgegenstände aufzufinden, und das Verwaltungsgericht ebenso vertretbar von der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme ausgehen durfte.

Im Übrigen kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. VwGH 15.6.2023, Ra 2023/01/0133, mwN).

9 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. Mai 2025

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