JudikaturVwGH

Ra 2024/18/0543 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
09. Oktober 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Gröger, Dr. in Sabetzer und Dr. Kronegger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Hahn, LL.M., über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2024, L512 2283368 2/6E, betreffend eine Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: L S), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

1 Die Mitbeteiligte, eine Staatenlose palästinensischer Volksgruppenzugehörigkeit aus dem Libanon, reiste im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Österreich ein und stellte am 15. März 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz. In Folge wurde ihr mit Bescheid des nunmehr revisionswerbenden Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 26. Juni 2023 im Familienverfahren der Status der subsidiärer Schutzberechtigten zuerkannt. Am 19. Juli 2023 stellte die Mitbeteiligte einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr in den Libanon und reiste am 8. August 2023 mit Rückkehrhilfe aus Österreich aus.

2 Mit Bescheid vom 5. Oktober 2023 (im Folgenden: Aberkennungsbescheid) erkannte das BFA der Mitbeteiligten den Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, entzog ihr die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte, erteilte ihr keine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Libanon zulässig sei, und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Unter Einem wurde der Mitbeteiligten die Bundesagentur für Betreuungs und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU) als Rechtsberaterin für ein etwaiges Beschwerdeverfahren amtswegig zur Seite gestellt, wobei darauf hingewiesen wurde, dass ein Ersuchen auf Vertretung an die Rechtsberaterin zu richten sei.

3 Die gegen den Aberkennungsbescheid erhobene Beschwerde der Mitbeteiligten vom 18. Dezember 2023, verbunden mit einem Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wurde vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig zurückgewiesen. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das BVwG für nicht zulässig.

4 Das BVwG legte seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde: Die Mitbeteiligte, die aufgrund entsprechender Informationen im Rahmen der Antragstellung auf unterstützte freiwillige Rückkehr darüber in Kenntnis gewesen sei, dass infolge ihrer Rückkehr in den Libanon ein Verfahren zur Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet werde dies sei durch ihre Unterschrift bestätigt , habe sich ab dem 8. August 2023 nicht mehr in Österreich aufgehalten. Sie sei zwischen 13. März 2023 und 13. September 2023 am gemeinsamen Wohnsitz mit ihrem Ehemann in Österreich gemeldet gewesen; der Ehemann sei weiterhin an dieser Adresse gemeldet.

5 Nach Anfragen im Zentralen Melderegister (ZMR) am 5. Oktober 2023 und am 10. Oktober 2023, aus denen sich keine aufrechte Meldung der Mitbeteiligten ergeben habe, sei der Aberkennungsbescheid mit Wirksamkeit vom 10. Oktober 2023 ohne vorhergehenden Zustellversuch gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Zustellgesetz (ZustG) beim BFA hinterlegt worden.

6 Am 20. Oktober 2023 habe die Mitbeteiligte versucht, vom Libanon aus neuerlich nach Österreich einzureisen, was ihr jedoch am Flughafen versagt worden sei. Der Ehemann der Mitbeteiligten sei daraufhin nach einer Anfrage beim BFA darüber informiert worden, dass die Mitbeteiligte nachweislich in ihren Herkunftsstaat zurückgekehrt und ihr daher der Status der subsidiär Schutzberechtigten aberkannt worden sei.

7 Am 20. November 2023 habe das BFA den Aberkennungsbescheid per E Mail an die BBU übermittelt. Am 12. Dezember 2023 habe die Mitbeteiligte der BBU die daraufhin am 18. Dezember 2023 die Beschwerde für die Mitbeteiligte eingebracht habe die Vertretungsvollmacht für das Beschwerdeverfahren vor dem BVwG inklusive Zustellvollmacht erteilt und einen Beratungstermin in Anspruch genommen, im Zuge dessen sie über den Aberkennungsbescheid informiert und ihr eine „Bescheidkopie“ übermittelt worden sei. Der Bescheid „im Original“ sei weder der Mitbeteiligten noch der BBU zugekommen.

8 Rechtlich führte das BVwG aus, die Mitbeteiligte, die in Kenntnis über die Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung des subsidiären Schutzstatus gewesen sei, habe ihre Abgabestelle in Österreich aufgegeben. Gemäß § 8 Abs. 2 ZustG sei die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden könne. Zumutbar sei jedenfalls eine Anfrage an das ZMR. Das BFA sei darüber in Kenntnis gewesen, dass der Ehemann der Mitbeteiligten nach wie vor über den Status des subsidiär Schutzberechtigten verfüge und an der ehemals gemeinsamen Meldeadresse wohnhaft sei, weshalb zumindest der Versuch unternommen werden hätte können, bei ihm telefonisch oder schriftlich über eine aktuelle Abgabestelle der Mitbeteiligten Auskunft zu erhalten. Da dies nicht erfolgt sei, sei der Mitbeteiligten der Aberkennungsbescheid nie rechtswirksam durch Hinterlegung zugestellt worden. Auch die spätere Zustellung einer „Bescheidkopie“ an die Mitbeteiligte entfalte nicht die Rechtswirkung einer ordnungsgemäßen Zustellung, weil eine Heilung eines vorhergegangenen Zustellmangels nur dann erfolgen könne, wenn das Originaldokument und nicht eine bloße Fotokopie zugestellt werde (Hinweis auf VwGH 19.5.1993, 93/09/0041). Da der Aberkennungsbescheid somit mangels rechtswirksamer Zustellung nicht erlassen worden sei, sei er auch nicht anfechtbar, weshalb die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.

9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Revision ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

11 Die vorliegende Revision macht zu ihrer Zulässigkeit und in der Sache zusammengefasst geltend, amtssignierte Bescheide könnten beliebig oft vervielfältigt werden, ohne dass dies Einfluss auf die Bescheidqualität habe; es gebe bei amtssignierten Bescheiden „keine Unterscheidbarkeit zwischen dem originalen Bescheid und einer Kopie“. Das BVwG habe im Revisionsfall die Besonderheit der Amtssignatur nicht hinreichend gewürdigt, da es davon ausgegangen sei, dass nach Übermittlung des mittels Amtssignatur abgefertigten Bescheides der Zustellmangel nicht durch tatsächliches Zukommen gemäß § 7 ZustG geheilt sei.

12 Vorab ist festzuhalten, dass die Amtsrevision die Einzelfallbeurteilung des BVwG, wonach die Zustellung des Aberkennungsbescheides durch Hinterlegung beim BFA mangels ausreichender Ermittlungen einer Zustelladresse fallbezogen nicht rechtens erfolgt sei, nicht in Zweifel zieht (vgl. dazu etwa VwGH 22.1.2014, 2013/22/0313, mwN). Ausgehend davon stellt sich im Revisionsverfahren nur die Frage, ob dieser ursprüngliche Zustellmangel gemäß § 7 oder § 9 ZustG geheilt wurde.

13 Diesbezüglich ist zu beachten, dass die BBU, welcher eine Ausfertigung des in Rede stehenden Bescheides in Form eines elektronischen Dokuments per E Mail übersandt worden ist, zu diesem Zeitpunkt unbestritten keine Vertretungs und Zustellvollmacht für die Mitbeteiligte hatte. Sie konnte den Bescheid daher nicht mit der Wirksamkeit einer Zustellung entgegennehmen.

14 Im Übrigen stellte das BVwG fest, dass der Mitbeteiligten von der BBU in der Folge „eine Kopie des Bescheides übermittelt“ worden sei. Nicht festgestellt wurde hingegen, dass ihr das Dokument selbst im Original sei es die für sie bestimmte Ausfertigung in Papierform oder das elektronische Dokument tatsächlich zugekommen sei. Schon deshalb konnte gegenständlich keine Heilung gemäß § 7 ZustG stattfinden.

15 Abgesehen davon käme selbst bei Übermittlung des Dokuments per E Mail an die Mitbeteiligte keine Heilung zustande. Die Mitbeteiligte hat dem BFA soweit ersichtlich keine elektronische Zustelladresse bekanntgegeben, womit eine wirksame Bescheidzustellung unter dieser Adresse seitens des BFA nicht in Frage kam. Wie der OGH dort unter Bezugnahme auf die von ihm zu berücksichtigenden Verfahrensbestimmungen bereits mehrfach erkannt hat, kann die unzulässige Übermittlung einer behördlichen Entscheidung auch nicht im Wege der Heilung nach § 7 ZustG Zustellwirkung entfalten (vgl. OGH 26.4.2017, 7 Ob 22/17d; 14.8.2018, 3 Ob 128/18x).

16 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 9. Oktober 2025

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