JudikaturVwGH

Ra 2024/16/0072 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
24. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich in 8750 Judenburg, Herrengasse 30, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. September 2024, RV/3100187/2024, betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge (mitbeteiligte Partei: MMag. Dr. C H in H), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 28. November 2022 wies das Finanzamt den Antrag der Mitbeteiligten auf Familienbeihilfe vom 4. August 2022 für ihre Tochter T mit der Begründung ab, der Vorbereitungslehrgang für den Design Foundation Course, den T von 4. Oktober 2021 bis 1. Juli 2022 besucht habe, stelle für sich alleine keine Berufsausbildung im Sinn des FLAG dar, sondern diene als Vorbereitungskurs für ein nachfolgendes Studium. T habe einen Studienplatz an der Privatuniversität P im Bachelorstudium G zugesagt bekommen, dann allerdings Rechtswissenschaften studiert. Somit müsse der Anspruch auf Familienbeihilfe für den Vorbereitungslehrgang verneint werden. Die Abweisung betraf den Zeitraum „Okt. 2021 Juli 2022“.

2 Mit weiterem Bescheid vom 28. November 2022 forderte das Finanzamt Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für T und Familienbeihilfe für X, die zweite Tochter der Mitbeteiligten, für den Zeitraum September 2021 bis Februar 2022 zurück. Für T begründete es die Rückforderung wie im Abweisungsbescheid vom gleichen Tag. Für X wurde in der Begründung auf die anteilige Geschwisterstaffel hingewiesen.

3 Gegen diese Bescheide brachte die Mitbeteiligte gesonderte Beschwerden ein, welche das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 5. Mai 2023 abwies.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das infolge Stellung eines Vorlageantrags zuständig gewordene Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und behob die bei ihm angefochtenen Bescheide ersatzlos. Unter einem sprach es aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts sei T im Oktober 2001 geboren. Für den Zeitraum September 2021 bis Februar 2022 habe die Mitbeteiligte Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für ihre Töchter T und X bezogen und mit Antrag vom 4. August 2022 die Weitergewährung der Familienhilfe für T ab März 2022 begehrt. T habe im Juni 2020 die Matura abgelegt und in der Zeit von Dezember 2020 bis August 2021 ein freiwilliges Sozialjahr geleistet.

6 Von Oktober 2021 bis Juli 2022 habe T den Vorbereitungslehrgang für den Design Foundation Course absolviert und dessen Abschlussprüfung mit sehr gutem Erfolg abgelegt. Prüfungsinhalt sei eine Portfoliopräsentation und Arbeiten aus Zeichnen und Illustration, Grafikdesign und Typo, Layout und Werbung, druckgraphische Prozesse sowie Informationsdesign gewesen.

7 Seit dem Wintersemester 2022/2023 studiere T Rechtswissenschaften an der Universität I.

8 Der Foundation Course dauere zwei Semester in Vollzeitausbildung mit Anwesenheitspflicht. Davon seien 20 Wochenstunden Präsenzunterricht und 20 Stunden Selbststudium oder Übungsprojekte. Die Ausbildung beinhalte fachspezifische, theoretische und praktische Unterrichtsinhalte, die im Rahmen eines verbindlich geregelten Ausbildungsplanes mit aufbauenden Übungen und im Wege eines feststehenden Lehrplanes abgehalten würden. Mit sehr gutem oder gutem Abschluss stehe den Absolventen ein Fixplatz in den gestalterischen Studiengängen zu. Bei einem Abschluss mit Erfolg sei eine auf Teilbereiche eingeschränkte Aufnahmeklausur positiv zu absolvieren.

9 Im ersten und im zweiten Semester seien jeweils 270 Trainingseinheiten á 50 Minuten zu absolvieren. In der Eingangsphase würden Grundkenntnisse in den Bereichen Zeichnen und Darstellungstechnik, Druckgrafik, Typografie und Computergrafik sowie Raum und 3 D Design vermittelt. Arbeitsaufträge und Projekte führten an die Grundfertigkeiten des Designs heran. Im zweiten Semester erfolge die Spezialisierung für den zweidimensionalen, den dreidimensionalen oder den digitalen Schwerpunkt.

10 Voraussetzung zum Bachelorstudium G an der Privatuniversität sei unter anderem die Absolvierung einer Aufnahmeklausur in deren Rahmen die künstlerisch gestalterische Eignung des Interessenten geprüft werde.

11 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, dass ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt nur dann ergehen dürfe, wenn der Behörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung ein auf die Setzung dieses Verwaltungsaktes gerichteter Antrag vorliege. Mangels Antrags der Mitbeteiligten sei der Bescheid über die Abweisung des Antrags auf Familienbeihilfe für T für den Zeitraum Oktober 2021 bis Februar 2022 schon aus diesem Grund aufzuheben.

12 Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG komme es nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung müsse auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.

13 Der von T besuchte Kurs diene der Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung für das von ihr zum damaligen Zeitpunkt angestrebte Bachelorstudium. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Vorbereitung zum Eignungstest für das Medizinstudium dem Grunde nach als Berufsausbildung angesehen. Nichts anderes könne im Revisionsfall gelten. Zwar handle es sich nicht um ein besonders stark nachgefragtes Studium. Allerdings setze auch die Zulassung zu einem ordentlichen Studium an den Kunstuniversitäten die künstlerische Eignung für diese Studien voraus. Die Absolvierung des Lehrganges sei zwar keine gesetzliche Voraussetzung für weitere gestalterische Studiengänge, aber wohl eine unabdingbare (sehe man von wenigen Ausnahmetalenten ab), wenn man berücksichtige, dass Schulabgänger oder Maturanten ohne gesonderte Vorkenntnisse wohl geringe Chancen auf einen Studienplatz an einer Kunstuniversität, bei der die Vorlage einer einschlägigen Arbeitsmappe Voraussetzung sei, hätten.

14 Auch die Privatuniversität P mache den Zugang zum Bachelorstudium G von einer Aufnahmeklausur abhängig. Die Vorbereitung auf die Aufnahmeklausur an der Privatuniversität P in Form des Vorbereitungslehrganges Foundation Course könne somit dem Grunde nach als Berufsausbildung angesehen werden.

15 Dass oder weshalb T den Studienplatz letztendlich bis dato nicht angenommen habe, schade nicht für die Beurteilung des Foundation Course als Berufsausbildung. Es stehe fest, dass T zum damaligen Zeitpunkt (während des Kurses und zumindest bis in den Herbst 2022 hinein) ernsthaft und zielstrebig auf ein Designstudium hingearbeitet habe, was daran zu erkennen sei, dass sie den Foundation Course mit sehr gutem Erfolg abgeschlossen habe. Zudem sei die gegenständliche Ausbildung, welche nach Art und Dauer die volle bzw. überwiegende Zeit der Teilnehmer beanspruche, als Teil ihrer bis Juli 2022 betriebenen Berufsausbildung anzusehen.

16 Da T mit Oktober 2021 zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des freiwilligen Dienstes mit einer Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG begonnen habe, gebühre für sie Familienbeihilfe auch für September 2021.

17 Gegen diese Entscheidung richtet sich das Finanzamt mit der vorliegenden Revision.

18 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

21 Zur Zulässigkeit der Revision gegen die vom Bundesfinanzgericht ausgesprochene Aufhebung des Bescheides zur Abweisung des Antrags auf Familienbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2021 bis Februar 2022 enthält die Revision kein Vorbringen, und erweist sich daher insoweit als nicht zulässig.

22 Zur Zulässigkeit der Revision betreffend den Zeitraum Mai 2021 bis Februar 2022 wird vorgebracht, das Bundesfinanzgericht stütze das angefochtene Erkenntnis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu nicht mit dem Revisionsfall vergleichbaren Sachverhalten, weil revisionsgegenständlich keine kontinuierliche, einheitliche, stufenweise aufbauende Berufsausbildung vorliege und das Studium auf eigenen Wunsch hin nicht begonnen worden sei, sodass kein Zusammenhang zwischen dem Vorbereitungskurs und dem weiteren Studium der T bestehe. Die Absolvierung des Lehrgangs sei keine gesetzliche Voraussetzung für weitere gestalterische Studiengänge. Das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zu näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichgesetz 1967 (FLAG) sei, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufs zu erlangen.

23 Dem ist entgegen zu halten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung auch im Fall einer nicht kursmäßigen oder in einer Lehrveranstaltung erfolgten Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung für den physiotherapeutischen Dienst das Vorliegen einer Berufsausbildung nicht ausgeschlossen hat. Dabei kommt es für die Qualifikation als Berufsausbildung auch darauf an, dass die Berufsausbildung in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen muss. Mangels Feststellungen zur quantitativen Anforderung im Zusammenhang mit der Aufnahmeprüfung hatte der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Bescheid aufgehoben (vgl. VwGH 15.12.2009, 2007/13/0125). Auch die Vorbereitungszeit für eine Aufnahmeprüfung kann dem Grunde nach als Berufsausbildung angesehen werden (vgl. VwGH 18.5.2020, Ra 2020/16/0017, zur Vorbereitung auf Aufnahmeprüfung für das Studium der Humanmedizin).

24 Nach den in der Revision nicht bekämpften Feststellungen des Bundesfinanzgerichts diene der von T besuchte Kurs der Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung für das von ihr zum damaligen Zeitpunkt angestrebte Bachelorstudium oder könne bei entsprechendem Erfolg diese sogar ersetzen. Nach den ebenfalls unwidersprochenen Feststellungen des Bundesfinanzgerichts habe der Kurs die volle Zeit der T beansprucht. In der Revision wird nicht aufgezeigt, dass vor dem Hintergrund dieser Feststellungen das Bundesfinanzgericht in angefochtenen Erkenntnis von der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.

25 Dem FLAG liegt die verfahrensrechtliche Ausgestaltung zugrunde, dass die monatlich gewährte Familienbeihilfe (grundsätzlich auf Grund eines Antrags § 10 Abs. 1 FLAG) so lange geleistet wird, als ein Anspruch besteht (§ 10 Abs. 2 FLAG). Daraus folgt, dass Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich ex ante zu prüfen sind (vgl. für viele VwGH 3.9.2020, Ra 2020/16/0033, mwN).

26 Der mit näherer Begründung getroffenen Feststellung des Bundesfinanzgerichts, wonach T zum damaligen Zeitpunkt (während des Kurses und zumindest bis in den Herbst 2022 hinein) ernsthaft und zielstrebig auf ein Designstudium hingearbeitet habe, wird in der Revision lediglich damit entgegengetreten, dass T ex post betrachtet schließlich ein anderes Studium, nämlich das der Rechtswissenschaften, betrieben habe. Dass wie in der Revision festgehalten kein Zusammenhang zwischen dem Vorbereitungskurs und dem weiteren Studium der T (Rechtswissenschaften) besteht, ändert nicht das Ergebnis der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorzunehmenden ex ante Betrachtung. Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem bereits ausgesprochen, dass die Qualifikation einer Tätigkeit als Berufsausbildung nicht von der weiteren Berufslaufbahn abhängt (vgl. etwa VwGH 20.2.2025, Ra 2023/16/0114, mit Verweis auf VwGH 18.11.2009, 2008/13/0015, zur Einstufung der Tätigkeit von Rechtspraktikanten). Insofern zeigt das revisionswerbende Finanzamt einen Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf.

27 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 24. März 2025

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