JudikaturVwGH

Ra 2024/13/0093 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
26. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr. in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Wien 8/16/17 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 20. Juni 2024, Zl. RV/7100323/2020, betreffend Einkommensteuer 2004 und 2005 (mitbeteiligte Parteien: DDr. V L und Mag. S M als Gesamtrechtsnachfolgerinnen des Dr. L M, beide vertreten durch die KPMG Alpen Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1 Mit Einantwortungsbeschluss vom August 2007 wurde den Mitbeteiligten als Erbinnen (Tochter bzw. Witwe) das Vermögen des im Februar 2006 verstorbenen L eingeantwortet.

2 In einer im Oktober 2014 eingebrachten Freiwilligen Meldung nach Artikel 11 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Bereich der Steuern samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen, BGBl. II Nr. 301/2013, wurden u.a. Zuwendungen der L Familienstiftung an den Begünstigten L im Zeitraum 2002 bis 2006 dargestellt; es kam zu keiner pauschalen Einmalzahlung.

3 Mit Bescheiden vom 18. Dezember 2014 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für die Jahre 2004 und 2005 (insoweit berichtigt mit Bescheid vom 13. Jänner 2015) gegenüber den mitbeteiligten Parteien als Erbinnen nach L fest. Darin wurden jeweils Kapitalerträge aus ausländischen Kapitalanlagen berücksichtigt. In der Begründung wurde ausgeführt, dem Bescheid seien Einkünfte aus der L Familienstiftung (Liechtenstein) zu Grunde gelegt worden.

4 Die mitbeteiligten Parteien erhoben gegen diese Bescheide Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen geltend gemacht, die L Familienstiftung sei eine „intransparente“ Stiftung. Die Kapitaleinkünfte seien daher ausschließlich ihr und keinesfalls dem Verstorbenen bzw. nach dessen Versterben den Mitbeteiligten zuzurechnen. Sollte hingegen von einer „transparenten“ Stiftung auszugehen sein, könne die Zurechnung der Einkünfte der L Familienstiftung ausschließlich an den in Liechtenstein ansässigen Stifter P vorgenommen werden. Darüber hinaus sei bereits Verjährung eingetreten.

5 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 2. Juli 2019 änderte das Finanzamt die Bescheide betreffend Einkommensteuer 2004 und 2005 ab. In der Begründung wurde ausgeführt, das Finanzamt folge der Beschwerde insofern, als bei der L Familienstiftung von einer „intransparenten“ Stiftung ausgegangen werde. L habe aus der Stiftung zur Sicherung seines Lebensunterhalts gemäß „Zirkularbeschluss“ in den Jahren 2004 und 2005 näher genannte Beträge erhalten. Dass es sich bei den Zuwendungen nicht wie behauptet um Bezüge, die im Sinne von § 29 Z 1 EStG 1988 freiwillig oder an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person geleistet worden seien, handle, ergebe sich schon daraus, dass Stiftungen weder freiwillige Leistungen erbrächten noch gesetzliche Unterhaltspflichten haben könnten. Diese jährlichen Einkünfte würden daher als steuerpflichtige Zuwendungen aus ausländischem Kapitalvermögen gewertet und der Besteuerung mit dem Sondersteuersatz von 25% unterzogen. Weiters erfolgten umfangreiche Ausführungen zur Frage der Verjährung.

6 Die mitbeteiligte Partei beantragte, die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und hob die Bescheide betreffend Einkommensteuer 2004 und 2005 (ersatzlos) auf. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

8 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Vater (P) des Verstorbenen (L) habe im Juni 2002 der (liechtensteinischen) L Familienstiftung einen Geldbetrag in Höhe von insgesamt 4,5 Mio. CHF gewidmet. Grund für die Errichtung der Familienstiftung sei es gewesen, der Neigung des L, ihm überlassene Geldmittel zu verschenken, Einhalt zu gebieten, sowie der damit verbundene im März 2002 zwischen L und seinem Vater abgeschlossene Notariatsakt, in dem L für sich und seine Nachkommen und Rechtsnachfolger einen bedingten Erb und Pflichtteilsverzicht nach seinem Vater abgegeben habe; dies unter der Voraussetzung der Errichtung der liechtensteinischen Familienstiftung zur Sicherung seines standesgemäßen Lebensunterhalts bzw. in seinem Ablebensfalle jenes seiner erbberechtigten Nachkommen.

9 L habe bereits seit seiner Kindheit an Depressionen gelitten, nach dem Abschluss seines Studiums im Jahr 1990 sei er nur kurz erwerbstätig gewesen. Seit 1992 sei er auf Unterstützungsleistungen seines Vaters angewiesen gewesen. Den Unterhaltsverpflichtungen seiner Tochter gegenüber habe er im Wesentlichen nur durch die Unterstützungsleistungen seines Vaters nachkommen können.

10 Laut „Zirkularbeschlüssen“ des Stiftungsrates der Familienstiftung seien in den Jahren 2004 und 2005 an L näher genannte Geldbeträge zur Sicherung seines standesgemäßen Lebensunterhaltes zur Ausschüttung gebracht worden. Die Zahlungen seien tatsächlich direkt von P an seinen Sohn L geleistet worden; danach seien diese Zahlungen von der Familienstiftung refundiert worden.

11 Die Familienstiftung sei auf unbestimmte Zeitdauer errichtet worden. Der Stiftungszweck bestehe in der Haltung und Verwaltung ihres Vermögens sowie in der Vornahme von Ausschüttungen oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile zur Bestreitung der Kosten der Erziehung und Bildung, der Ausstattung und Unterstützung, des Lebensunterhaltes im Allgemeinen sowie zur Bestreitung der wirtschaftlichen Förderung im weitesten Sinne von L sowie Angehörigen seiner Familie.

12 Nach den Beistatuten sei zu Lebzeiten von L dieser der alleinige Begünstigte der Stiftung; einer allfälligen Gattin und Nachkommen kämen keinerlei Rechte zu seinen Lebzeiten zu. Dem Stiftungsrat komme die Befugnis zu, nach seinem freien und unbeschränkten Ermessen über die Art und Weise der Ausrichtung der Begünstigung zu befinden. Es seien an L die zur Sicherung seines standesgemäßen Lebensunterhaltes erforderlichen finanziellen Mittel auszurichten oder in anderer Form zur Erreichung dieser Zielsetzung zu verwenden. Mit zu berücksichtigen seien dabei auch allfällige Unterhaltspflichten für eine Ehegattin und seine Nachkommen. Für diese Zwecke sei primär der Ertrag, subsidiär die Substanz heranzuziehen. Über Ersuchen von L solle der Stiftungsrat diesem eine angemessene Hilfestellung beim Aufbau oder Ausbau einer seinen Fähigkeiten entsprechenden beruflichen Existenz wie auch bei der Verwirklichung von zweckmäßigen und erfolgversprechenden Projekten, die der Stärkung seiner Finanzkraft dienten, gewähren.

13 Nach dem Ableben des L solle die Familienstiftung zur Sicherung des standesgemäßen Lebensunterhalts seiner Ehegattin und der Nachkommen dienen.

14 Zugleich mit der Errichtung der Familienstiftung sei eine Vermögenssicherung gegen einen uneingeschränkten Zugriff von L und die Sicherung des Vermögensstammens für seine Nachkommen bezweckt gewesen, weil er krankheitsbedingt dazu geneigt habe, sein Vermögen zu verschenken.

15 L sei keine Entscheidungs und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Stiftung zugekommen; als einziger Begünstigter habe er weder eine Weisungsbefugnis noch Einflussmöglichkeiten gegenüber dem Stiftungsvermögen gehabt; er sei nicht ihr wirtschaftlicher Eigentümer gewesen. L habe unstrittig keine Dispositionsbefugnis über das Vermögen der Familienstiftung gehabt.

16 Die L Familienstiftung sei mit einer österreichischen Privatstiftung im Sinne des PSG vergleichbar.

17 Angesichts der unstrittigen Höhe des Vermögens von P sei es erwiesen, dass die von L in den Jahren 2004 und 2005 erhaltenen Geldbeträge zur Sicherung seines und des Unterhalts seiner Familie keineswegs den Pflichtteil überstiegen hätten.

18 Dem zwischen L und seinem Vater geschlossenen Erb und Pflichtteilsverzicht sei als Bedingung die Errichtung der Familienstiftung mit dem Zweck, L ein sorgenfreies finanzielles Leben zu gewährleisten, zu Grunde gelegen.

19 Die Zahlungen aus der Familienstiftung seien keine Zuwendungen iSd § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988. Die Wurzel des Anspruchs auf Auszahlung der Erträge sei in dem untrennbaren und damit sachlich eng verbundenen Erb und Pflichtteilsverzicht durch den Verstorbenen gelegen, der nur unter diesen Voraussetzungen die Begünstigtenstellung akzeptiert und erhalten habe. Andernfalls hätte L zumindest einen Pflichtteilsanspruch und unterlägen die gerichtlich durchsetzbaren Zahlungen keineswegs der Kapitalertragsteuer.

20 Die Zahlungsansprüche des L im Zeitraum 2003 bis 2005 seien jedenfalls im Pflichtteilsanspruch gedeckt gewesen. Schon aus diesem Grund seien keine Zuwendungen vorgelegen; die Zahlungen seien daher nicht kapitalertragsteuerpflichtig.

21 Angesichts der unstrittigen Tatsache, dass L krankheitsbedingt nicht selbsterhaltungsfähig und folglich aus eigener Kraft nicht in der Lage gewesen sei, seinen Lebensunterhalt sowie den seiner Familienangehörigen zu verdienen, seien die Auszahlungsbeträge auch nicht im Sinne des § 29 Z 1 EStG 1988 einkommensteuerpflichtig. Die Zahlungen der Familienstiftung an L seien untrennbar vor dem Hintergrund seiner psychischen Erkrankung zur Abdeckung des Unterhalts und im Hinblick auf den Erb und Pflichtteilsverzicht freiwillig geleistet worden. L hätte nach österreichischem Recht in den Streitjahren einen Unterhaltsanspruch gegenüber seinem Vater jedenfalls in Höhe der Luxusgrenze gehabt; der Unterhaltsstopp wäre demnach grundsätzlich beim zweieinhalbfachen des Regelbedarfs eingetreten. Die konkreten Auszahlungen aus der Familienstiftung seien zum einen in der Unterhaltspflicht des Vaters und zum anderen im Erb und Pflichtteilsverzicht des Verstorbenen begründet gewesen. Soweit die Zahlungen die Luxusgrenze überschritten hätte, lägen ihre Wurzeln im Erb und Pflichtteilsverzicht, sodass diese als freiwillig geleistet zu beurteilen und deshalb nicht einkommensteuerpflichtig seien.

22 Es liege auch kein Missbrauch iSd § 22 BAO vor, zumal mit der Errichtung der Stiftung die Sicherung des Lebensunterhalts von L aus den bereits geschilderten Gründen unter gleichzeitigem Verzicht auf sein Erbe als außersteuerlicher Zweck verfolgt worden sei.

23 Die Beantwortung der Frage, ob bereits Verjährung eingetreten sei, erübrige sich daher. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide seien aufzuheben gewesen.

24 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts. Zur Zulässigkeit der Revision wird u.a. geltend gemacht, das Bundesfinanzgericht weiche von (näher genannter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach eine Zuwendung gemäß § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 nicht vorliege, wenn die Leistung einer Privatstiftung auf Grund von gerichtlich durchsetzbaren Ansprüchen erfolge; derartig durchsetzbare Ansprüche lägen hier aber nicht vor.

25 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

26 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

27 Die Revision ist zulässig und begründet.

28 Gemäß § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 (in der hier anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 71/2003) sind u.a. Zuwendungen jeder Art einer nicht unter § 5 Z 6 KStG 1988 fallenden Privatstiftung, soweit sie nicht zu den Einkünften iSd § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 gehören, Einkünfte aus Kapitalvermögen.

29 Mit dem Schenkungsmeldegesetz 2008, BGBl. I Nr. 85/2008, wurde diese Bestimmung dahin ergänzt, dass auch Zuwendungen jeder Art von ausländischen Stiftungen oder sonstigen Vermögensmassen, die mit einer Privatstiftung vergleichbar sind, erfasst sind; diese Änderung ist hier noch nicht anwendbar (vgl. § 124b Z 146 lit e EStG 1988: erstmalig auf Zuwendungen nach dem 31. Juli 2008 anzuwenden).

30 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (549 BlgNR 23. GP 3) wurde dazu ausgeführt, bislang zählten Zuwendungen von Privatstiftungen mit Ausnahme jener, die der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke dienten, zum „Kapitalvermögen“. In Hinkunft sollten auch Zuwendungen von vergleichbaren ausländischen Stiftungen und von mit einer Privatstiftung vergleichbaren Vermögensmassen „unter das Kapitalvermögen“ fallen. Damit sollten Zuwendungen einer vergleichbaren ausländischen Stiftung (Vermögensmasse) steuerlich nicht besser gestellt sein als von einer inländischen Privatstiftung.

31 Es kann hier offen bleiben, ob auch nach der hier noch anwendbaren Rechtslage Zuwendungen von ausländischen Stiftungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind (vgl. dazu auch VwGH 23.6.2009, 2006/13/0183, mwN).

32 Geht man von der Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf Zuwendungen von ausländischen Stiftungen aus, besteht eine Steuerpflicht der Zuwendungen nach § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988. Dass die vorliegende (nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein errichtete) Familienstiftung mit einer österreichischen Privatstiftung vergleichbar ist (vgl. zum Typenvergleich VwGH 16.11.2021, Ro 2021/15/0001, mwN), ist im Revisionsverfahren unbestritten. Auch dass die der Familienstiftung zugewendeten Wirtschaftsgüter in deren wirtschaftlichen Eigentum stehen (vgl. dazu z.B. VwGH 25.2.2015, 2011/13/0003; 25.4.2018, Ro 2017/13/0004; 27.4.2022, Ra 2020/15/0061), ist im Revisionsverfahren unbestritten.

33 Zuwendungen einer Privatstiftung (oder der damit vergleichbaren Familienstiftung) sind unentgeltliche Vermögensübertragungen an Begünstigte oder Letztbegünstigte. Sie können in offener oder in verdeckter Form erfolgen und als Geld bzw. Sachleistungen oder als Nutzungszuwendungen gewährt werden. Sie setzen eine Bereicherung des Empfängers der Zuwendung und einen subjektiven Bereicherungswillen der Stiftung, der durch ihre Organe gebildet wird, voraus (vgl. VwGH 10.2.2016, Ra 2014/15/0021, mwN).

34 Abzugrenzen sind Zuwendungen von (fremdüblichen) Leistungsbeziehungen zwischen Stiftung und Empfänger der Leistung (vgl. z.B. Petritz in Hofstätter/Reichel, EStG 57 , § 27 Abs. 5 Tz 46). Eine derartige Leistungsbeziehung zwischen der Stiftung und dem Empfänger der Leistung ist vorliegend nicht erkennbar.

35 Eine Zuwendung liegt weiters dann nicht vor, wenn und soweit eine Leistung zur Tilgung gesetzlicher Ansprüche erfolgt (vgl. VwGH 3.4.2019, Ra 2018/15/0060). Von einer Zuwendung einer Stiftung ist demnach u.a. dann nicht auszugehen, wenn die Zahlung im Wege eines Anfechtungs , Schadenersatz oder Bereicherungsanspruchs (vgl. neuerlich VwGH 3.4.2019, Ra 2018/15/0060) oder eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs (vgl. wiederum VwGH 10.2.2015, Ra 2014/15/0021) gegenüber der Stiftung auch gerichtlich durchsetzbar ist. In derartigen Fällen liegt die wirtschaftliche Veranlassung der Zahlungen nicht in der Begünstigtenstellung des Empfängers der Leistung, sondern in dessen zivilrechtlichen Anspruch gegenüber der Stiftung.

36 Ein derartiger zivilrechtlicher Anspruch des Empfängers der Leistung (L) gegenüber der Stiftung bestand jedoch nicht.

37 An sich zutreffend verweist die Amtsrevision darauf, dass für die Frage, ob ein derartiger Anspruch besteht, zunächst zu klären ist, nach welcher Rechtsordnung das Bestehen eines solchen Anspruches zu beurteilen ist. Wie jedoch die Amtsrevision ebenfalls zutreffend darlegt, bestehen inhaltlich insoweit keine Abweichungen zwischen den (im Wesentlichen auch wortgleichen) österreichischen Regelungen und jenen des Fürstentums Liechtenstein. Auch die durch die Rechtsprechung geprägte Rechtspraxis (vgl. zu deren Bedeutung z.B. VwGH 20.2.2019, Ra 2019/13/0010, mwN) weist (wie ebenfalls die Amtsrevision durch Verweise auf Rechtsprechung von Gerichten in Liechtenstein belegt) keine relevanten Abweichungen auf.

38 Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass die Wurzel des Anspruchs auf Auszahlung der Leistungen der Stiftung in dem sachlich eng verbundenen Erb und Pflichtteilsverzicht durch L gelegen gewesen sei; L habe nur unter diesen Voraussetzungen die Begünstigtenstellung akzeptiert und erhalten.

39 Aus der Vereinbarung eines Erb und Pflichtteilsverzichts des L kann schon begrifflich („Verzicht“) (unmittelbar) weder ein Anspruch des L gegenüber dem Erklärungsempfänger (seinem Vater P), noch gegenüber der L Familienstiftung resultieren. Der Erklärungsempfänger (P) ging insoweit auch keine Verpflichtung gegenüber L ein; vereinbart wurde dazu lediglich, dass der Erb und Pflichtteilsverzicht des L bedingt sei dadurch, dass P eine Familienstiftung mit Vermögenswerten ausstattet. Auch daraus ergibt sich kein Anspruch des L (weder gegenüber P noch gegenüber der Stiftung).

40 Ein Anspruch gegenüber der Stiftung würde sich vielmehr dann ergeben, wenn die Stiftung als „Geschenknehmer“ gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten (L) haftet (vgl. § 951 Abs. 1 ABGB idF vor BGBl. I Nr. 87/2015; § 789 Abs. 1 ABGB idF BGBl. I Nr. 87/2015; ebenso § 951 FL ABGB sowie nunmehr idF LGBl. Nr. 259/2024 § 786 Abs. 1 FL ABGB). Dies würde voraussetzen, dass die Verlassenschaft (der Nachlass) bei Hinzurechnung von Schenkungen (hier: Einbringung von Vermögen des Erblassers in eine Stiftung) zur Deckung des Pflichtteils nicht ausreichen würde. Dass dies der Fall wäre, wird nicht behauptet und ist auch nicht erkennbar. Gerade im Hinblick auf die (wirksame) Vereinbarung des Pflichtteilsverzichts könnte L einen derartigen Anspruch gegenüber der Stiftung ohnehin nicht geltend machen.

41 Wenn das Bundesfinanzgericht darauf verweist, dass in dem Fall, dass die hier vorliegende Vereinbarung (Pflichtteilsverzicht) nicht getroffen worden wäre, Leistungen aus dem L dann zustehenden Pflichtteilsanspruch nicht der Kapitalertragsteuer unterlegen wären, ist zu bemerken, dass der rechtlichen Beurteilung der tatsächlich verwirklichte (und nicht ein alternativ möglicher) Sachverhalt zu Grunde zu legen ist.

42 Die hier strittigen Zuwendungen erfolgten daher (mangels anderer wirtschaftlicher Zurechnung) aufgrund der Begünstigtenstellung des L. Es handelt sich hiebei demnach um Zuwendungen iSd § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988.

43 Wird hingegen davon ausgegangen, dass die Bestimmung des § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 auf Zuwendungen ausländischer Stiftungen nicht anwendbar ist, liegen wiederkehrende Einkünfte iSd § 29 Z 1 EStG 1988 vor, die allerdings aus unionsrechtlichen Gründen wie Zuwendungen von inländischen Privatstiftungen begünstigt zu besteuern sind (vgl. neuerlich VwGH 23.6.2009, 2006/13/0183, mwN).

44 Gemäß § 29 Z 1 EStG 1988 sind sonstige Einkünfte wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 6 EStG 1988 gehören. Bezüge, die (u.a.) freiwillig oder an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person geleistet werden, sind nicht steuerpflichtig. Werden die wiederkehrenden Bezüge als angemessene Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern geleistet, sind die wiederkehrenden Bezüge nur insoweit steuerpflichtig, als die Summe der vereinnahmten Beträge den Wert der Gegenleistung übersteigt.

45 § 29 Z 1 EStG 1988 bildet einen Sondertatbestand, der an den wiederkehrenden Zufluss von Bezügen, die auf einer einheitlichen Rechtsgrundlage beruhen, anknüpft (vgl. VwGH 29.1.2003, 99/13/0188; 18.10.2012, 2009/15/0148, mwN).

46 Wiederholte Zuwendungen einer Stiftung sind (subsidiär, wenn diese also insbesondere nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu behandeln sind) als wiederkehrende Bezüge iSd § 29 Z 1 EStG 1988 zu beurteilen (vgl. VwGH 20.9.1988, 87/14/0167; sowie mit Hinweis auf dieses Erkenntnis Mayr/Hayden , in Doralt et al , EStG 20 , § 29 Tz 17).

47 Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts und der mitbeteiligten Parteien liegen insoweit keine freiwillig oder an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person geleistete Bezüge vor.

48 Freiwillig gewährte wiederkehrende Bezüge liegen dann vor, wenn die Bezüge auf einen freiwilligen Entschluss des Zuwendenden zurückzuführen sind (vgl. VwGH 16.12.1997, 93/14/0023, mwN). Die Zuwendungen der Familienstiftung an L erfolgten aber nicht aufgrund eines freiwilligen Entschlusses (oder einer freiwillig übernommenen Verpflichtung) der Familienstiftung, sondern aufgrund der Statuten der Familienstiftung in Erfüllung des Zwecks dieser Stiftung, der insbesondere in der Versorgung des L bestand.

49 Auch eine Leistung an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen liegt nicht vor. Die Familienstiftung selbst ist nicht unterhaltsverpflichtet. Die wenn auch zur Sicherung des Unterhalts geleisteten Zahlungen erfolgten in Folge der Erfüllung der Bedingung des Pflichtteilsverzichtsvertrags durch die Familienstiftung. Betreffend die Familienstiftung beruhten diese Zahlungen damit vergleichbar auch etwa jenen eines Erben (vgl. dazu VwGH 15.1.1991, 90/14/0204: Zahlungen beruhen nicht auf dem Rechtsgrund der Unterhaltspflicht, sondern auf der Annahme der Erbschaft) nicht auf einer Unterhaltspflicht, sondern auf den Statuten der Familienstiftung.

50 Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Tod des Erblassers; vor dem Tod des Erblassers besteht lediglich ein zum Pflichtteilsrecht führendes Grundverhältnis (vgl. Welser in Rummel/Lukas , ABGB 4 , vor § 762, Rz 2 und 4).

51 Wie aus der Revisionsbeantwortung hervorgeht, ist der Vater des L (P) im Jahr 2016 verstorben; erst zu jenem Zeitpunkt wäre sohin ein (allfälliger) Pflichtteilsanspruch entstanden. Das vor dem Tod des P bestehende Grundverhältnis kann noch nicht als „Wirtschaftsgut“ iSd § 29 Z 1 EStG 1988 betrachtet werden; der Verzicht auf diese Rechtsstellung (durch Pflichtteilsverzicht) gegen Einräumung einer Leistung kann sohin auch nicht als „Gegenleistung“ verstanden werden (vgl. VwGH 15.3.1988, 87/14/0194; Stoll , Rentenbesteuerung 4 , Rz 918, 1567). Es kommt damit auch nicht darauf an, dass die in den Jahren bis einschließlich 2005 geleisteten Zahlungen im Pflichtteilsanspruch des L gegenüber seinem Vater Deckung gefunden hätten.

52 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 26. März 2025

Rückverweise