Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger und die Hofrätin Dr. in Lachmayer, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. in Wiesinger sowie den Hofrat Mag. M. Mayr, LL.M., als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., MA, über die Revision der G, vertreten durch Dr. Peter Leo Kirste, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. Juni 2024, RV/7104362/2018, betreffend Umsatzsteuer 2014 und 2015, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Bescheiden, jeweils vom 30. März 2017, wurde die Revisionswerberin zur Umsatzsteuer für die Jahre 2014 und 2015 veranlagt. Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer in näher genannter Höhe im Zusammenhang mit einem von der Revisionswerberin betriebenen „Nachhilfeinstitut“ fest. Begründet wurde dies zusammengefasst damit, dass die veranlagten Umsätze der Revisionswerberin und nicht wie von ihr vorgebracht vier Gesellschaften, an denen sie beteiligt war, zuzurechnen seien. Vorsteuern wurden in diesen Bescheiden nicht angesetzt. Die gegen diese Bescheide eingebrachte Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen jeweils vom 25. Juni 2018 ab, wobei die Revisionswerberin die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung für das Jahr 2015 im Vorlageantrag in Abrede stellte.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde ab. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts betreibe die Revisionswerberin ein näher bezeichnetes Institut. Dies umfasse die Konzeption, Vorbereitung und Abhaltung von Nachhilfe und Förderunterricht und sonstigen Bildungsveranstaltungen, einschließlich der damit zusammenhängenden Tätigkeiten, den Erwerb und Besitz der dazu erforderlichen beweglichen und unbeweglichen Sachen und Rechte sowie die Beteiligung an einschlägigen Personen und Kapitalgesellschaften.
4 Die Revisionswerberin sei Franchisenehmerin der L OG. Der Franchisepartner setze das Konzept im lokalen Bereich um und betreue die Kunden vor Ort. Der Franchisepartner habe außerdem für lokales und regionales Marketing, eine gute Organisation, die Motivation und Schulung der Mitarbeiter zu sorgen. Der Franchisepartner sei der direkte Kontakt zu den Kunden (Schüler und Schülerinnen), die immer vom „Chef des Instituts“ persönlich betreut würden.
5 Die Revisionswerberin sei an vier Offenen Gesellschaften, die allesamt Nachhilfestunden anböten, als Gesellschafterin mit jeweils 50% beteiligt. Die einzelnen Offenen Gesellschaften bestünden jeweils aus „einem Privatmann (Lehrer)“ und der Revisionswerberin. Für die einzelnen Offenen Gesellschaften würde für sich betrachtet jeweils die Kleinunternehmerregelung (gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994) zur Anwendung gelangen.
6 Die anderen Gesellschafter der vier Offenen Gesellschaften würden erst bei der ersten Unterrichtseinheit nach außen in Erscheinung treten. Die Revisionswerberin erbringe die Leistung im eigenen Namen, stelle die Rechnungen aus und rechne mit den Leistungsempfängern ab.
7 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, dass Leistungen im umsatzsteuerrechtlichen Sinn jenem Unternehmer zuzurechnen seien, der sie im eigenen Namen erbringe, was grundsätzlich unabhängig davon gelte, ob der Unternehmer das unternehmerische Risiko aus dem Geschäft trage. Maßgebend sei grundsätzlich das Außenverhältnis. Leistender sei, wer im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet sei, möge er auch die Leistung durch andere erbringen lassen oder im Innenverhältnis auf fremde Rechnung arbeiten.
8 Die Revisionswerberin erbringe die Leistung im eigenen Namen, stelle die Rechnungen aus und rechne mit den Leistungsempfängern ab. Die Leistungserbringung sei daher der Revisionswerberin zuzurechnen.
9 Dagegen wendet sich die Revisionswerberin mit der gegenständlichen Revision.
10 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein. Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der es die Abweisung der Revision beantragte. Die Revisionswerberin erstattete eine Replik zur Revisionsbeantwortung, in der insbesondere neuerlich die mangelnde Zustellung der Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheids 2015 eingewendet wurde.
11 Zur Zulässigkeit der Revision wird u.a. vorgebracht, das Bundesfinanzgericht hätte aufgrund der getroffenen „unstrittigen“ Sachverhaltsfeststellungen die rechtliche Beurteilung vorzunehmen gehabt, wer im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet gewesen sei. Das Bundesfinanzgericht habe entgegen näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch die Aufgabenverteilung innerhalb der Nachhilfegesellschaften als Maßstab herangezogen.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben (vgl. z.B. VwGH 21.11.2024, Ro 2024/16/0006, mwN).
15 Das angefochtene Erkenntnis enthält zunächst unter „Entscheidungsgründe“ eine Darstellung des Verfahrensverlaufs und im Kapitel „Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:“ ohne erkennbare Systematik Elemente aus rechtlicher Würdigung, Sachverhaltsfeststellungen und Beweiswürdigung. Es wird sohin den dargelegten Anforderungen an die Gliederung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht gerecht.
16 Dem Erkenntnis ist zudem eine eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts nicht zu entnehmen.
17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf dem Gebiet der Umsatzsteuer Leistender hinsichtlich der Lieferungen und sonstigen Leistungen iSd § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, wer die Leistungen im eigenen Namen erbringt. Entscheidend ist im Allgemeinen, wer im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet ist (vgl. etwa VwGH 27.3.2024, Ra 2021/13/0093, mwN; vgl. weiters Ruppe/Achatz UStG6 § 1 Tz 258 ff).
18 Das Bundesfinanzgericht stellte unter anderem fest, die Revisionswerberin sei Franchisenehmerin der L OG und habe in dieser Funktion diverse Aufgaben zu erledigen. Wenn das Bundesfinanzgericht in weiterer Folge von der „L“ spricht, geht daraus aber nicht hervor, ob dabei die L OG oder die Revisionswerberin gemeint ist. Wenn das Bundesfinanzgericht schließlich feststellt, es sei „nach Ansicht des erkennenden Senates davon auszugehen, dass die einzelnen Gesellschafter der OGs erst bei der ersten Unterrichtseinheit nach außen in Erscheinung“ getreten seien, so steht dies in einem nicht aufgelösten Spannungsverhältnis zur Annahme des Bundesfinanzgerichts, die Revisionswerberin habe die Leistungen gegenüber den Kunden im eigenen Namen erbracht. Schon aus den genannten Gründen entzieht sich das angefochtene Erkenntnis der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.
19 Die Revisionswerberin stützt ihre Revision auch auf die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichts für die Entscheidung über die Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2015 und bringt dazu vor, die diesbezügliche Beschwerdevorentscheidung des Finanzamts sei nach ihrem Wissensstand bis dato nicht ergangen, weil diese nicht zugestellt worden sei. Dem vorgelegten Verwaltungsakt lässt sich wie auch die Revisionswerberin vorbringt entnehmen, dass sie diesen Einwand bereits im Vorlageantrag erhoben hat. Das Bundesfinanzgericht hat sich im angefochtenen Erkenntnis mit diesem Vorbringen nicht näher auseinandergesetzt.
20 Das vorliegende Erkenntnis entzieht sich sohin auch in diesem Punkt der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes und war wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 30. September 2025