Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede und Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien in 1010 Wien, Schottenring 7 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2024, W287 2248365 1/12E, betreffend Auskunftserteilung (mitbeteiligte Partei: L L in W, vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Siebensterngasse 42 44), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Aus dem angefochtenen Erkenntnis geht insofern im Revisionsverfahren unbestritten hervor, dass es am 5. Oktober 2020 zu einem Polizeieinsatz beim Karl Lueger Denkmal in Wien gekommen ist, über welchen der Revisionswerber als Journalist einer Tageszeitung berichtet hat. Im Zuge der Recherche hat der Revisionswerber bei der Landespolizeidirektion Wien das folgende Auskunftsersuchen gestellt:
„Wie lautet der Ausgang der internen Überprüfung des Verhaltens jener zwei Polizeibeamten, die am 05.10.2020 beim Karl-Lueger-Denkmal nicht einschritten als Mitglieder der Identitären Bewegung den zuvor am Denkmal angebrachten Betonschriftzug abhämmerten?“
2 Mit Bescheid vom 27. September 2021 stellte die Landespolizeidirektion Wien fest, dass dem Revisionswerber aufgrund seines Antrags ein Recht auf Auskunft nicht zukomme und diese Auskunft nicht erteilt werde. Dies wurde damit begründet, dass es sich bei der begehrten Auskunft um personenbezogene Informationen handle, die im Ergebnis darüber Aufschluss geben würden, ob gegen die Beamten ein Disziplinarverfahren eingeleitet und ihnen damit die Verletzung einer Dienstpflicht angelastet werde oder nicht. Die Verwendung dieser Daten berühre die Betroffenen in ihrer Eigenschaft als Dienstnehmer und damit auch in ihrer Privatsphäre. Es bestehe nach dem Datenschutzgesetz ein schutzwürdiges und grundrechtlich legitimiertes Interesse der genannten Personen an der Geheimhaltung der begehrten Auskunft, das gegenüber dem persönlichen Interesse des Revisionswerbers überwiege. Ein überwiegendes berechtigtes Interesse des Revisionswerbers liege nicht vor. Daran ändere auch der Umstand, dass der Revisionswerber das Auskunftsbegehren als „Public Watch-dog“ gestellt habe, nichts.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers Folge und stellte fest, dass die belangte Behörde die begehrte Auskunft zu Unrecht verweigert habe. Die Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
4 Das Bundesverwaltungsgericht traf Feststellungen unter anderem zur Tätigkeit des Revisionswerbers als Journalist, zu den dem Auskunftsbegehren vorangehenden Vorkommnissen beim Karl Lueger Denkmal und zu den Recherchen, die den Revisionswerber zum strittigen Auskunftsersuchen veranlasst hätten. Des Weiteren hielt es fest, dass an der Kontrolle von Amtshandlungen durch Exekutivorgane in der Öffentlichkeit ein großes Interesse der Allgemeinheit bestehe, weshalb auch regelmäßig (kritische) Berichterstattung über öffentlichkeitswirksame Amtshandlungen der Exekutive erfolge, sowie, dass die Ermittlung der ersuchten Daten für die belangte Behörde keinen solchen Aufwand darstelle, der sie bei der Wahrnehmung ihrer sonstigen Aufgaben beeinträchtigen würde.
5 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, bei einer Auskunft hinsichtlich des Ausgangs der internen Überprüfung des Verhaltens der zwei Polizeibeamten handle es sich zweifelsohne um personenbezogene Daten der zwei betroffenen Beamten. Es erfolge zwar keine unmittelbare Nennung von Namen der Beamten und eine solche sei vom Revisionswerber auch nicht verlangt worden. Dennoch sei davon auszugehen, dass die betroffenen Beamten zumindest für einen gewissen Personenkreis (zB für die am Einsatzort anwesenden Personen, das familiäre oder berufliche Umfeld der betroffenen Beamten oder anhand des Einsatzberichtes der belangten Behörde) identifizierbar seien. Diese Identifizierbarkeit sei unabhängig von einer allfälligen Veröffentlichung von Videoaufnahmen des Polizeieinsatzes im Internet gegeben. Eine Weitergabe bzw Veröffentlichung dieser Daten durch die belangte Behörde verwirkliche demnach einen Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung bzw auf Datenschutz nach der DSGVO, welcher nur nach den Kriterien des § 1 Abs. 2 DSG bzw Art. 6 DSGVO gerechtfertigt sein könne.
6 In weiterer Folge nahm das Bundesverwaltungsgericht eine Interessenabwägung vor, in die es insbesondere die Überlegung einbezog, dass nicht strittig sei, dass es sich beim Karl Lueger Denkmal um ein polarisierendes und wiederholt in den Medien kontroversiell diskutiertes Denkmal handle, und dass ein grundsätzliches Interesse der Allgemeinheit an der rechtlichen Einordnung des dienstlichen Verhaltens von Exekutivbeamten im Rahmen eines Einsatzes in der Öffentlichkeit bestehe. Dem Revisionswerber sei daher zuzugestehen, dass an einer öffentlichen Debatte über die Art und Weise des konkreten Einsatzes vor dem Karl Lueger Denkmal ein großes Interesse der Allgemeinheit bestehe. Des Weiteren legte das Bundesverwaltungsgericht seiner Interessenabwägung die Annahme zugrunde, dass Gegenstand des Auskunftsbegehrens die Auskunft in Bezug auf den Ausgang der internen Überprüfung des Verhaltens von zwei Polizeibeamten im Zuge des Einsatzes beim Karl Lueger Denkmal am 5. Oktober 2020 sei. Der Revisionswerber habe damit „Informationen zur objektiven Einordnung der Vorfälle rund um das Denkmal“ im Spannungsverhältnis zwischen Sachbeschädigung und Demonstrationsfreiheit begehrt, insbesondere wie der Polizeieinsatz, bei dem die Beamten zunächst nicht eingeschritten seien, zu beurteilen sei. Allein aus der Mitteilung dieser rechtlichen Einordnung des Polizeieinsatzes ergebe sich für die betroffenen Exekutivbeamten noch kein Vorwurf einer disziplinarrechtlich relevanten schuldhaften Dienstpflichtverletzung. Ob den Beamten jedoch persönlich eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung vorgeworfen werde bzw der Ausgang eines Disziplinarverfahrens, sei nicht Gegenstand des Auskunftsersuchens gewesen.
7 Als Ergebnis seiner Interessenabwägung hielt das Bundesverwaltungsgericht nach Erörterung weiterer Aspekte fest, es müsse davon ausgegangen werden, dass das Recht auf Auskunftserteilung an den Revisionswerber das Recht der handelnden Exekutivbeamten auf Geheimhaltung überwiege. Die angefragte Information sei zur Wahrnehmung einer Aufgabe des Revisionswerbers sowie für die öffentliche Debatte über die Art und Weise von öffentlichkeitswirksamen Amtshandlungen im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Denkmal „vor dem Spannungsverhältnis Demonstrationsfreiheit vs Sachbeschädigung“ und zur Wahrung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der Aufgaben durch die Exekutive erforderlich.
8 Nicht zur Verfügung gestellt werden müssten hingegen Informationen zum Ausgang eines allfällig eingeleiteten Disziplinarverfahrens, zumal dies nicht vom Wortlaut des an die belangte Behörde gerichteten Auskunftsbegehrens gedeckt sei. Anders als die belangte Behörde meine, habe der Revisionswerber diesbezüglich sein ursprüngliches Begehren nicht umformuliert bzw geändert und der Wortlaut des Begehrens ziele auch nicht auf eine Auskunft über den Ausgang eines Disziplinarverfahrens ab.
9 Der Fall des vorliegenden Auskunftsersuchens unterscheide sich im Übrigen auch von jenen, die jenen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde gelegen seien, in denen ausgesprochen worden sei, dass an Daten betreffend die Überprüfung der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften durch ein behördliches Organ und betreffend die Durchführung von Aufsichtsmaßnahmen ein Interesse dieses betroffenen Organs bestehe, und in denen dieses Interesse im Rahmen der Interessenabwägung als überwiegend angesehen worden sei (Hinweise auf VwGH 11.5.1990, 90/18/0040; 14.12.1995, 94/19/1174; 23.10.2013, 2013/03/0109; 25.11.2015, Ra 2015/09/0052). Der vorliegende Sachverhalt weiche insofern ab, als der Revisionswerber in den zitierten Entscheidungen jeweils eine Auskunft über das Ergebnis bzw den Stand von Disziplinarverfahren hinsichtlich von ihm konkret namentlich genannten Personen begehrt habe, während im hier gegebenen Fall aber eine namentliche Identifikation durch den Auskunftswerber nicht erfolgt sei und die begehrte Auskunft auch gar nicht darauf abziele, eine Dienstpflichtverletzung individueller Beamter aufzuzeigen. Vielmehr gehe es dem Revisionswerber darum, allgemein den konkreten öffentlichen Exekutiveinsatz zu hinterfragen und zu kontrollieren.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche (Amts )Revision der Landespolizeidirektion Wien.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Zur Darlegung der Zulässigkeit ihrer Revision bringt die Landespolizeidirektion Wien vor, es liege ein Verfahrensmangel darin, dass das Bundesverwaltungsgericht „grob fehlerhaft“ mangelhafte Feststellungen getroffen habe, weil es unterlassen habe, das gegenständliche Auskunftsbegehren hinreichend darzulegen. Es sei den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu entnehmen, auf welche „internen Überprüfungen“ sich das Auskunftsbegehren bezogen habe. Der Passus „interne Überprüfung“ im Auskunftsbegehren könne sich nämlich nicht nur auf die Frage nach einer allfälligen später erfolgten Anzeigenlegung der beiden Beamten gegen die (im Auskunftsersuchen erwähnten) Mitglieder der Identitären, sondern auch auf allfällige disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen ebendiese Beamten beziehen. Eine klare Abgrenzung des Auskunftsbegehrens sei unumgänglich, weil das Bundesverwaltungsgericht die Ansicht vertrete, dass keine Informationen zum Ausgang eines allfällig eingeleiteten Disziplinarverfahrens zur Verfügung gestellt werden müssten, Auskünfte hinsichtlich der Amtshandlung der Organe der Landespolizeidirektion Wien an sich hingegen schon. Wäre die Feststellung getroffen worden, dass sich der Antrag auf Auskunftserteilung über allfällige disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen die Beamten richtet, so wäre der (die Auskunftserteilung verweigernde) Bescheid der belangten Behörde nicht als rechtswidrig qualifiziert worden.
15 Damit wird keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG dargelegt.
16 Eine vertretbare Auslegung eines Antrags oder von Vorbringen im Einzelfall stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (VwGH 21.3.2017, Ra 2017/12/0010; 2.7.2019, Ra 2018/12/0044, mwN). Mit dem vorliegenden Zulässigkeitsvorbingen wird nicht aufgezeigt, dass die anhand von Wortlaut und Kontext des Auskunftsbegehrens vorgenommene Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass dieses Begehren nicht spezifisch auf eine Auskunft über den Ausgang eines Disziplinarverfahrens abgezielt habe, unvertretbar wäre. Dafür spricht im Übrigen bereits der eingangs dargestellte Wortlaut des Begehrens, welcher nur allgemein auf „interne Überprüfungen“ Bezug nahm, sowie der Umstand, dass etwaige aus einem gegebenem Anlass denkbare Schlussfolgerungen und/oder Vorkehrungen bzw Folgemaßnahmen, zB im Rahmen der Dienstaufsicht (oder deren Unterbleiben) mannigfaltig sein können und nicht notwendigerweise auf Instrumente des Disziplinarrechts reduziert sind. Dass weitere Ermittlungen zur Feststellung des Inhalts des Auskunftsbegehrens erforderlich gewesen wären, zeigt das Zulässigkeitsvorbringen somit nicht auf.
17 Schon aus diesem Grund wirft auch das weitere Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung, zumal es auf der vom Bundesverwaltungsgericht in vertretbarer Weise verworfenen These der revisionswerbenden Partei zur Auslegung des Auskunftsbegehrens aufbaut, keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.
18 In der Revision wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 25. Juni 2025