JudikaturVwGH

Ra 2024/11/0186 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und den Hofrat Dr. Faber sowie die Hofrätin Dr. in Oswald als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision der R OHG in T, vertreten durch Dr. Friedrich Bubla, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Josef Höfle Gasse 34/5/1A, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 1. Oktober 2024, Zl. LVwG AV 1009/001 2024, betreffend Bewilligung zur Führung von Blaulicht und Tonfolgehorn (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, einen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Juli 2024 bestätigend, den Antrag der Revisionswerberin, eines Bestattungsunternehmens, auf Bewilligung der Anbringung von Warnleuchten mit blauem Licht und Tonfolgehorn an fünf mit Kennzeichen bestimmten Fahrzeugen ab. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Bewilligung dürfe gemäß § 20 Abs. 5 Kraftfahrgesetz 1967 KFG 1967 nur erteilt werden, wenn die Verwendung von Warnleuchten und Tonfolgehorn im öffentlichen Interesse gelegen sei, dagegen vom Standpunkt der Verkehrs und Betriebssicherheit keine Bedenken bestünden und die Fahrzeuge (hier) für den öffentlichen Hilfsdienst (lit. b leg. cit.) oder für die Leistung dringender Hilfsdienste (lit. f leg. cit.) bestimmt seien. Für eine Bewilligung müssten alle drei Voraussetzungen erfüllt sein.

3 Das Bestehen eines öffentlichen Interesses an der Verwendung von Blaulicht sei daher ein eigenständiges Bewilligungskriterium und müsse auch für die in § 20 Abs. 5 KFG 1967 genannten Arten von Fahrzeugen geprüft werden, wobei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Gesichtspunkt der Effizienz der Warneinrichtung und der Verkehrssicherheit eine restriktive Handhabung geboten sei (Hinweis auf VwGH 21.8.2014, Ro 2014/11/0068).

4 Als öffentlicher Hilfsdienst iSd § 20 Abs. 5 lit. b KFG 1967 sei nur ein solcher Hilfsdienst anzusehen, dessen Einsatz von wesentlicher Bedeutung für die Allgemeinheit sei, wie etwa die Wiederherstellung einer durch Katastrophen unterbrochenen Versorgung der Volkswirtschaft mit lebenswichtigen Gütern wie elektrischem Strom, Wasser, Lebensmittel oder Verkehr. Ein öffentliches Interesse an der Verwendung von Blaulicht und eines Tonfolgehorns sei bei Fahrzeugen eines öffentlichen Hilfsdienstes dann zu bejahen, wenn im Fall eines nicht planbaren Gefahrenereignisses der Einsatz notwendig sei, um damit verbundene Gefahren für die Allgemeinheit oder für das Leben und die Gesundheit von Menschen abzuwenden, und die durch die Verwendung von Blaulicht und Tonfolgehorn bewirkte Erleichterung des Vorankommens bei einem solchen Gefahrenereignis ausschlaggebend für die Abwendung einer solchen Gefahr bzw. die Sicherstellung einer Versorgung mit lebenswichtigen Gütern sei (wenn es gleichsam „um Minuten“ gehe).

5 Die Revisionswerberin begründe das öffentliche Interesse mit der Notwendigkeit eines würdevollen Abtransports tödlich verunglückter Personen bei Unfällen auf Autobahnen. Ein rasches Eintreffen am Unfallort sei notwendig, damit die Feuerwehr ihre Arbeiten verrichten könne und nicht durch einen Leichnam in einem Wrack blockiert werde. Auch könne ein durch einen Verkehrsunfall entstandener Stau rascher aufgelöst werden, wenn das Bestattungsunternehmen zügiger an den Einsatz gelange.

6 Das Verwaltungsgericht stimme mit der Revisionswerberin darin überein, dass ein rascher und pietätsvoller Abtransport von Verstorbenen im öffentlichen Interesse liege. Allerdings seien bei Verkehrsunfällen mit Todesfolge regelmäßig bereits die Exekutive und ein Rettungsdienst vor Ort. Beim Abtransport von Leichen gehe es auch nicht „um Minuten“, weil weder für die Allgemeinheit noch für das Leben und die Gesundheit anderer eine Gefahr bestehe, wenn die Überstellung einer verunfallten Person nicht mit entsprechender Raschheit (wie bei Gefahr im Verzug) erfolge. Auch die Bestattungspflicht gemäß § 11 NÖ Bestattungsgesetz 2007 sehe dies nicht vor.

7 Die gefahrlose Benützung der sog. Rettungsgasse sei den gesetzlich vorgesehenen oder bewilligten Einsatzfahrzeugen vorbehalten. Wenn die Fahrzeuge der Revisionswerberin die Rettungsgasse offensichtlich unbefugt benützten und dabei von anderen Verkehrsteilnehmern „blockiert“ oder „geschnitten“ würden, könne daraus kein Recht abgeleitet werden.

8 Zu der von der Revisionswerberin zur Begründung ihres Antrages ebenfalls genannten Absicherung von Trauerzügen verwies das Verwaltungsgericht auf § 86 StVO 1960, nach dem Leichenbegängnisse von der Leichenbestattung 24 Stunden vorher der Behörde anzuzeigen seien. Dadurch sei die Straßenpolizei in der Lage, die im öffentlichen Interesse gelegenen straßenpolizeilichen Vorkehrungen zu treffen.

9 Unabhängig davon, ob der Abtransport von Leichen von Autobahnen daher überhaupt unter die Begriffe „öffentlicher Hilfsdienst“ oder „für die Leistung dringender Hilfsdienste“ subsumiert werden könne, fehle es jedenfalls am öffentlichen Interesse an der Verwendung von Blaulicht und Tonfolgehorn.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 In der Revision wird als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erkennbar geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein Bestattungsunternehmen als „(öffentlicher) Hilfsdienst“ iSd § 20 Abs. 1 (gemeint wohl: Abs. 5) KFG 1967 qualifiziert werden und damit zur Verwendung von Blaulicht und Tonfolgehorn berechtigt sein könne. Es liege im öffentlichen Interesse an der Verkehrssicherheit und Verkehrsflüssigkeit, insbesondere auf Autobahnen und Schnellstraßen, dass der Abtransport der Todesopfer von Unfällen nicht ungebührlich verzögert werde, weil die Fahrzeuge des Bestattungsunternehmens nicht als „Einsatzfahrzeuge“ gekennzeichnet seien.

15 Damit spricht die Revision als Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B VG nur die Frage an, ob Fahrzeuge eines Bestattungsunternehmens iSd § 20 Abs. 5 lit. c oder f KFG 1967 zur Verwendung „für den Rettungsdienst“ oder „für die Leistung dringender Hilfsdienste“ bestimmt sein können.

16 Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, müssen für die Bewilligung von Blaulicht (und Tonfolgehorn) gemäß § 20 Abs. 5 (und § 22 Abs. 4) KFG 1967 alle drei dort genannten Voraussetzungen (öffentliches Interesse an der Verwendung von Blaulicht, Fehlen von Bedenken vom Standpunkt der Verkehrs und Betriebssicherheit sowie Verwendung des Fahrzeuges für einen der im Gesetz genannten Zwecke) erfüllt sein. Das öffentliche Interesse an der Verwendung von Blaulicht stellt somit ein eigenständiges Bewilligungskriterium dar (vgl. VwGH 21.8.2014, Ro 2014/11/0068, sowie jüngst VwGH 17.12.2024, Ra 2023/11/0098).

17 Das Verwaltungsgericht wies den Antrag der Revisionswerberin schon deswegen ab, weil es ein solches öffentliches Interesse im vorliegenden Fall verneinte, weswegen es auf die von der Revisionswerberin geltend gemachte Zulässigkeitsfrage (betreffend die Qualifizierung ihrer Fahrzeuge als solche „für den öffentlichen Hilfsdienst“ oder „für die Leistung dringender Hilfsdienste“) gar nicht mehr einging. Gegen diese, die Abweisung allein tragende Beurteilung des Verwaltungsgerichts bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit aber nichts vor. Von der zu ihrer Zulässigkeit geltend gemachten Rechtsfrage hängt die Entscheidung über die Revision hingegen nicht ab.

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 28. Jänner 2025

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